Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Dr. Sitte, ich möchte keine Verschärfung in die Diskussion hineinbringen.
Sie müssen sich auch daran erinnern, dass ich den Brief inhaltlich nicht bewertet habe. Darauf kam es auch nicht an.
- Nein, darauf kam es nicht an. - Es kam darauf an zu überlegen, wie problematisch es ist, wenn sich ein Verfassungsorgan an ein anderes wendet.
Wir sind als Landtagsabgeordnete alle Mitglieder der Legislative. Wenn wir uns als Mitglieder der Legislative an Gerichte wenden, dann hat dies auch eine gewisse Bedeutung. Das Gericht hat sich letztlich hiervon nicht beeinflussen lassen. Ich sage das noch einmal zur Klarstellung. Es ging nicht um den Inhalt des Briefes.
Ich will schon sagen, dass es mir um den Inhalt des Briefes geht; denn ansonsten können Sie den Zusammenhang gar nicht bewerten, um den es geht.
Es hat sich um eine Aufforderung des Gerichts gehandelt. Ich glaube, es wäre eher angemessen gewesen, statt auf den letzten Satz von mir auf das zu reagieren, was Frau Theil dabei empfunden hat, als Sie heute Morgen völlig aus dem Zusammenhang heraus einen Brief hoch gehalten haben, der ebenso gut von einem anderen hätte sein können, ohne in irgendeiner Weise zu untersuchen, welcher Vorgang dem zugrunde gelegen hat. Das finde ich nicht in Ordnung.
Die Einbringerin für den Gesetzentwurf in der Drs. 4/1071 und den Entschließungsantrag der Fraktion der PDS in der Drs. 4/1072 ist die Abgeordnete Frau Dr. Hein. Bitte sehr.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In diesen Monaten beraten viele Kreistagsfraktionen über die mittelfristige Schulentwicklungsplanung. Dass es dabei angesichts des massiven Rückgangs der Zahl der Schüler, der sich nun vor allem im Sekundarbereich auswirkt, zu Problemen kommen würde, war absehbar.
Sicherlich bekommen Sie wie auch wir zurzeit sehr viele Einladungen zu öffentlichen Gesprächen, bei denen es um den Erhalt von Schulen geht. Ich sage gleich vorab: Ich gehe nicht davon aus, dass sich jeder dieser Wünsche realisieren lässt.
Das Ausmaß der Schwierigkeiten, die mit der Schulentwicklungsplanung verbunden sind, ist aber nicht nur dem Rückgang der Zahl der Schüler geschuldet, sondern auch den stringenten Planungsvorgaben. Dazu ein kleiner Rückblick.
Bis zum Jahr 1999 hatten alle Landkreise gute Gründe, bei der Planung ihrer Schulstandorte davon auszugehen, dass eine zweizügige Sekundarschule mir einer Jahrgangsbreite von 29 Schülerinnen und Schülern an der unteren Grenze bestandsfähig sei. Für Gymnasien galt das bereits für Schulen mit einer Jahrgangsbreite von 57 Schülerinnen und Schülern, was der Dreizügigkeit entspricht. Grundschulen waren mit 40 Kindern bestandsfähig. Im Sekundarbereich entsprach das Maß dem seit Jahren und auch heute noch geltenden Klassenteiler von 29 Schülerinnen und Schülern.
Minister Harms hat dann, offensichtlich angesichts einer Vielzahl künftig sehr kleiner Schulen im Sekundarbereich, eine durchschnittliche Jahrgangsstärke von 40 Kindern für Sekundarschulen und von 75 Schülerinnen und Schülern für Gymnasien festgelegt.
Die damals noch existierende Förderstufe kann dabei unberücksichtigt bleiben, auch wenn das immer wieder durcheinander gebracht wird; denn sie hat das Maß für die Zulassung von Standorten allgemein, also auch von Sekundarschulstandorten, nicht beeinträchtigt.
Diese vom Ministerium erarbeite Schulentwicklungsplanung sollte dann bis zum Schuljahr 2005/06 gelten, also für einen Zeitraum von fünf Jahren. Den Grundansatz, angesichts eines dramatischen Rückgangs der Zahl der Schüler, der im Sekundarbereich noch bevorstand und erst im Zeitraum 2008 bis 2010 aufhören wird, zügig ein längerfristig stabiles Schulnetz zu entwickeln, haben wir in vollem Umfang geteilt.
Das ist im Sinne der Schulträger wegen der zu planenden Investitionen, im Sinne der Eltern und der Schülerinnen wegen der Schulwege und wegen der Sicherheit im Bildungsgang sowie im Sinne der Pädagoginnen im Interesse der Entwicklung von längerfristigen Schulkonzepten.
Allerdings haben wir damals schon kritisiert, dass die Regelungen ausgerechnet im Sekundarschulbereich am
stringentesten formuliert worden sind und Ausnahmen faktisch nicht möglich waren. Zudem haben wir gefordert, nach der Beendigung des ersten Planungszeitraumes, also nach dem Schuljahr 2005/06, eine Untertunnelung der Schülerzahlen zuzulassen, um weitere Schulschließungen bis zum Erreichen des Tiefpunkts hinsichtlich der Schülerzahl zu vermeiden und durch den folgenden, wenn auch schwachen, Aufwuchs keine Überfüllung von Schulklassen zu provozieren.
Nun hat die neue Landesregierung den Planungszeitraum verändert. Die neuen Entwicklungspläne müssen bis zum Schuljahr 2009/10 reichen. Das heißt, der Tiefpunkt hinsichtlich der Schülerzahl wird schon jetzt zur Planungsgröße gemacht.
Mit dem Eingangsklassenerlass wurde zudem aus der durchschnittlichen Jahrgangsbreite eine, die stringent bei jedem fünften Schuljahrgang erreicht sein muss.
Diesen Entwicklungen, die mit einer tiefen Enttäuschung über die mangelnde Weitsicht der Landesregierung verbunden sind, stellt sich nun offener Protest entgegen. Mehrere Kreistage haben sich schon hinter die Initiative „Schule vor Ort“ und deren Gesetzentwurf gestellt.
Nach einem Gespräch mit der Initiative und intensiven Beratungen in unserer Fraktion, auch über die Konsequenzen unseres Vorschlags, haben wir uns entschlossen, einen eigenen Gesetzentwurf einzubringen, der nicht mit den Vorschlägen der Initiative identisch ist, in den aber viele Anregungen aufgenommen worden sind und der auf die Vorstellungen der Initiative zugeht.
Ich möchte die Eckpunkte dieses Gesetzentwurfs vorstellen. Die bisherige Schulentwicklungsplanung ist richtigerweise an die Vorgaben im Landesentwicklungsplan gebunden. Dieser Logik wollen wir weiter folgen; aber wir gestalten sie weiter aus.
Erstens. Grundschulen sollen künftig wieder ab einer Schülerzahl von 40 Kindern genehmigungsfähig sein. Diese Veränderung wird zurzeit keine Auswirkungen haben, da der Rückgang der Zahl der Schüler die Grundschulen bereits durchlaufen hat und die derzeitigen Grundschulen in der Regel künftig diese Voraussetzungen erfüllen werden.
Die Veränderungen machen aber angesichts bevorstehender Gemeindestrukturreformen Sinn. Wir haben heute bereits darüber geredet. Wenn nämlich aus mehreren bislang selbständigen Gemeinden mit mehreren Grundschulstandorten eine Einheitsgemeinde gebildet wird - Sie präferieren das -, so kann diese nur dann mehrere Grundschulen haben, wenn diese Schulen nach der jetzigen Planungsgrundlage mindestens 60 Schülerinnen und Schüler haben. Das dürfte bei einigen Standorten problematisch sein. Mit unserer Regelung bestünde für die bestehenden Grundschulen in der Regel keine Schließungsgefahr.
Zweitens. Die Sekundarschulen sollen, wenn sie sich in einem kleineren Grundzentrum befinden und im regionalen Entwicklungsplan als Schulstandort ausgewiesen sind, auch mit 180 Schülerinnen und Schülern noch Bestand haben. Das entspricht einer durchschnittlichen Jahrgangsbreite von 30 Schülerinnen und Schülern. Das bedeutet aber auch, dass es in Städten mit mehreren Sekundarschulen bei der bisherigen Regelung bleibt.
Drittens. Gymnasien sollen hinsichtlich der Bestimmung der Dreizügigkeit nicht schlechter gestellt werden als Se
kundarschulen. Sie sollen bereits mit 360 Schülerinnen und Schülern in den Schuljahrgängen 5 bis 10 genehmigungsfähig bleiben. Das entspricht einer durchschnittlichen Jahrgangsstärke von 60 Schülerinnen und Schülern. Hinzu kommen die Ausnahmeregelungen wie gehabt und eine Ausnahmeregelung für Spezialgymnasien. Eine gymnasiale Oberstufe muss nach unserem Gesetzentwurf mindestens 40 Schülerinnen und Schüler aufweisen, um bestandsfähig zu sein.
Viertens. Konsequenterweise heben wir auch den Eingangsklassenerlass auf und beschränken die Möglichkeiten zur Klassenbildung auf die untere Grenze, die sich aus dem Klassenteiler und der Gesamtschulgröße ergibt.
Fünftens. Wenn die Schülerzahl durch eine besondere demografische Entwicklung lediglich zeitlich begrenzt und daher absehbar und endlich die jeweils erforderliche Mindestgröße nicht erreicht, sollen die Schulbehörden Ausnahmen im Sinne des Gesetzes genehmigen. Ihr Ermessensspielraum wird dadurch eingeschränkt, aber zugleich wird verhindert, dass auf Dauer ein Schulnetz auf dem Niveau der geringsten Schülerzahl mit einer massenhaften Einzügigkeit entsteht.
Sechstens. Stringenter werden in unserem Gesetzentwurf die Mitwirkungsmöglichkeiten insbesondere von Eltern geregelt.
Siebentens. Die von uns vorgeschlagenen Gesetzesregelungen können von den Planungsträgern lediglich aufgegriffen werden, sie müssen es aber nicht.
Aber all das macht keinen Sinn, wenn die Planungen abgeschlossen sind. Mit unserem Entschließungsantrag wollen wir daher erreichen, dass die Kreise - wenn sie es wollen; sie müssen es nicht - ihre Planungen aussetzen, bis das Gesetz verabschiedet ist. Dann allerdings soll die Planung zügig zum Abschluss gebracht werden; denn auch wir wollen nicht, dass die Schulentwicklungsplanung zu einer unendlichen Geschichte wird.
Mit unserem Gesetzentwurf können deutlich mehr Schulen als Schulnetz in Sachsen-Anhalt erhalten werden als mit der derzeitigen Verordnungsregelung. Das gilt insbesondere - darauf legen wir unseren Schwerpunkt - für die ländlichen Räume. Das ist auch sinnvoll, sieht man sich einmal die Auswirkungen der Regierungsregelung in den dünn besiedelten Gebieten an. Dort wird die Zahl der Schulstandorte mehr als halbiert - ich betone: der Standorte.
Darüber hinaus werden die Entscheidungsmöglichkeiten der Planungsträger erweitert und ein langfristig attraktives Schulnetz gesichert. Aus unserer Sicht ist dies auch erforderlich, wenn nicht alle Ansagen, dass Bildung eine Investition in die Zukunft sei, bloßes Wortgedöns bleiben sollen.
Ja, wir wollen und brauchen leistungsfähige Schulen, jedoch auch solche mit Bestandsgarantie. Wir brauchen aber auch Schulnetze, die Schülerinnen und Schüler nicht über Gebühr belasten. Sie sollen schließlich lernen und ihre Zeit nicht mit Schulbusfahren verbringen. Als ehemalige Fahrschülerin weiß ich sehr genau, wovon ich rede.