Ich bin froh, dass die FDP-Fraktion bei diesem Fall eine andere Position bezogen und sich aus der Umklammerung der CDU befreit hat.
Ich merke nur an, dass die 24 Stimmen, die notwendig sind, um ein Gesetz zu überweisen, auch ein Minderheitenschutz für die Opposition ist. Es ist auch eine parlamentarisch-demokratische Geflogenheit, über diese Gegenstände zu beraten. Da es im konkreten Fall auch noch um ein Anliegen ging, das originär außerhalb des
Landtages von vielen Bürgerinitiativen vertreten wird, muss ich sagen, haben Sie nicht unbedingt den Beweis für Bürgernähe und für die Bereitschaft, sich mit diesem Problem auseinander zu setzen, aufgebracht.
Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der wasserwirtschaftlichen Betätigung des Talsperrenbetriebes des Landes Sachsen-Anhalt (Talsperrenbetriebsneu- ordnungsgesetz - TSB-NeuOG)
Ich bitte Frau Ministerin Wernicke, für die Landesregierung den Gesetzentwurf einzubringen. Bitte schön, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren. Dieser Gesetzentwurf ist sicherlich nicht so emotional wie das eben diskutierte Thema. Aber ich bitte Sie doch um Aufmerksamkeit. Mit diesem Gesetzentwurf will die Landesregierung die saubere Entflechtung hoheitlicher und fernwassertypischer Aufgaben des Talsperrenbetriebs realisieren; denn das Land bekennt sich klar und eindeutig zu seiner Verantwortung für die hoheitliche Aufgabe des Hochwasserschutzes.
Ich betone an dieser Stelle, dass es keine Veräußerung der Talsperren geben wird. Ich denke, damit dürften entsprechende Medienberichte geklärt sein.
Wie Sie wissen, hat die Landesregierung im Gegenzug zur Übernahme der hohen kommunalen Schulden im Zusammenhang mit der Liquidation der alten Midewa Leitungen unter anderem im Fernwasserbereich übernommen. Nunmehr ist beabsichtigt, das immer schon als zeitlich befristet angesehene Engagement des Landes im Bereich der Fernwasserversorgung zu beenden, da es sich hierbei nicht um eine originäre Landesaufgabe handelt. Dazu dient dieser Gesetzentwurf, mit dem gleichzeitig auch die Veräußerung der gebündelten Fernwasseraktivitäten vorbereitet wird.
Natürlich ist die Wasserversorgung ein sensibles Thema. Sie können sicher sein, dass alle Überlegungen hinsichtlich der Privatisierung besonders gewissenhaft geprüft werden.
Aber es gibt immer wieder Horrorszenarien, wie nun auch der „Leipziger Presse“ zu entnehmen war, dass die Trinkwasserqualität leiden könnte, wenn man privatisiert. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Befürchtungen sind völlig unbegründet; denn ob private oder kommunale Investoren, beide unterliegen den rechtlichen Rahmenbedingungen, etwa der Trinkwasserverordnung oder den Hygienevorschriften.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, zu Folgendem stehen wir: Eine Privatisierung darf nicht zulasten der Versorgung der Bevölkerung gehen. Wir werden sorgfältig darauf achten. Übrigens sind einige der größten privaten Wasserversorger in Deutschland im rot-grün
regierten Nordrhein-Westfalen angesiedelt, ohne dass mir jemals zu Ohren gekommen wäre, dass dort ein Wasserkrieg ausgebrochen sei oder dass die Versorgung der Bevölkerung nicht gesichert gewesen sei.
Ein paar Worte noch zur Vorgeschichte. Sie alle kennen die Historie der Wasserversorgung in der DDR mit den Übergängen nach dem Jahr 1990 und der Liquidation der Midewa. In der DDR gab es für jeden politischen Bezirk einen VEB Wasserversorgung und Abwasserbehandlung, kurz WAB. Auf dem Territorium des heutigen Landes Sachsen-Anhalt war dies neben dem VEB WAB Magdeburg der VEB WAB Halle. Darüber hinaus wurde der VEB Fernwasserversorgung ElbaueOstharz, FWV, gegründet, der aus überschüssigen Angeboten des Ostharzes und der Elbaue als so genannter Fernversorger den regionalen Versorgern Wasser zur Verfügung stellen sollte.
Der VEB FWV wurde im Jahr 1990 in die Fernwasserversorgung Elbaue-Ostharz GmbH umgewandelt. Mit der deutschen Einheit wurde auf der Grundlage des Einigungsvertrages aus dem VEB WAB Halle die Mitteldeutsche Wasser- und Abwassergesellschaft mbH, Midewa, gebildet. Die Midewa engagierte sich im Laufe der Zeit auch im Bereich der Fernwasserversorgung. Doch infolge einer verfehlten Geschäftspolitik musste später die Liquidation eingeleitet werden.
Um die aus der Liquidation der Midewa resultierende finanzielle Belastung der Kommunen zu lindern, unternahm das Land weitreichende Anstrengungen. So wurden unter anderem Bankverbindlichkeiten der Midewa in Höhe von 200 Millionen DM übernommen und die noch offene Forderung hinsichtlich der Abwasserabgabe in Höhe von etwa 85 Millionen DM erlassen.
Im Gegenzug übernahm das Land in Form des zum 1. Januar 1999 gegründeten Talsperrenbetriebs freiwillige Aufgaben. Hierzu zählen der Betrieb von Fernwasserleitungen, Pumpwerken, Abgabestationen und Hochbehältern, die heute zusammengeführt sind in der Fernwasservermögensgesellschaft mbH, FVG, einer 100-prozentigen Tochtergesellschaft des TSB.
Die Midewa-Anteile sind in zwei Gesellschaften bürgerlichen Rechts überführt worden, die die Anteile an der Fernwasserversorgung Elbaue-Ostharz GmbH verwalten. Das ist zum einen die so genannte große GbR mit den kommunalen Wasserwerken Leipzig, KWL, die vor kurzem ein wenig auf sich aufmerksam gemacht haben. Zusammen sind das 51 %. Die so genannte kleine GbR hält zusammen mit der TWM 24,5 %. Sie sehen, dass dieses Geflecht recht kompliziert ist.
Um die Kosten- und Gebührenentwicklung bei der gleichzeitigen Sicherung einer ordnungsgemäßen Trinkwasserversorgung auf einem für die Bürger akzeptablen Maß zu halten, war die Landespolitik zunächst bestrebt, die Organisation der Wasserversorgung zu straffen. Dabei sollten der Talsperrenbetrieb, die Fernwasserversorgung und die großen Wasserversorger ihre Ressourcen so bewirtschaften, dass die Trinkwasserbereitstellung auf einem hohen Niveau, zu akzeptablen Kosten und unter Berücksichtigung von ökologischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten für die Lokalversorgung sichergestellt wird.
Moderiert wurde dieser Prozess mit den wirtschaftlichen Akteuren durch das damalige Ministerium für Raumordnung, Landwirtschaft und Umwelt. Aufgrund der unter
schiedlichsten Interessenlagen der Kooperationspartner wurden die Verhandlungen über die Bildung eines so genannten regionalen Wasserverbundes im Mai 2002 eingestellt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die neue Landesregierung hat angesichts des Scheiterns dieser Verhandlungen zur Gründung eines Wasserverbundes unter der Leitung des jetzigen Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt im Sommer 2002 eine Arbeitsgruppe eingerichtet. Die Landesregierung hat dafür im März 2003 ein ressortübergreifendes Gremium eingerichtet. Mit den Beschlüssen vom 4. Oktober 2002 und vom 11. März 2003 hat die Landesregierung das weitere Verfahren zur Privatisierung, Veräußerung und Kommunalisierung wasserwirtschaftlicher Ressourcen festgelegt.
Daraufhin wurde im April dieses Jahres auf der Ebene des Staatsministers der Staatskanzlei und der Staatssekretäre im Finanzministerium, im Innenministerium, im Justizministerium und im federführenden Landwirtschafts- und Umweltministerium eine Steuerungsgruppe sowie auf der Arbeitsebene eine Projektgruppe eingerichtet. Das Ziel dieser Aktivitäten ist es, nach der großzügigen Entlastung der Kommunen durch die Übernahme des 200-Millionen-DM-Kredites das staatliche Engagement im Bereich der Fernwasseraktivitäten zu beenden.
Es ist nunmehr erforderlich, dass das Land zunächst die unübersichtliche Vermischung hoheitlicher und freiwilliger wirtschaftlicher bzw. fernwassertypischer Aktivitäten im Talsperrenbetrieb wieder auflöst und in klar abgrenzbare Strukturen ordnet. Damit soll auch die Veräußerung der zusammengefassten Fernwasseraktivitäten des Talsperrenbetriebes vorbereitet werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieses Ziel verfolgt der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf: Entflechtung hoheitlicher und wirtschaftlicher bzw. fernwassertypischer Aktivitäten des TSB und Vorbereitung der Veräußerung der zusammengefassten Fernwasseraktivitäten.
Zu den eigentlichen hoheitlichen Aufgaben des Talsperrenbetriebes zählen die Bewirtschaftung der Talsperren sowie die damit zusammenhängenden gesetzlichen Aufgaben. Darauf soll sich der Talsperrenbetrieb künftig wieder konzentrieren.
Die KPMG, eine vom Land beauftragte Treuhandgesellschaft, hat Anfang Oktober 2003 das Interessenbekundungsverfahren eröffnet. Das Ziel ist zunächst, die Veräußerung noch im Jahr 2003, spätestens jedoch im ersten Quartal 2004 zu realisieren. Durch den Privatisierungserlös soll ein Beitrag zur Verbesserung der Finanzen des Landes geleistet werden, um die erheblichen Belastungen zu mildern, die das Land zugunsten der Kommunen auf sich genommen hat.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, der Zeitplan ist eng; denn es empfiehlt sich, die Bildung der Fernwasser Sachsen-Anhalt GmbH zu Beginn des Jahres 2004 abzuschließen; die Bilanzen sind, wie Sie wissen, jährlich zu erstellen.
Ich bitte Sie, darüber im Umweltausschuss zu beraten. Ich habe Sie an den ehrgeizigen Zeitplan erinnert und an die Möglichkeit, diese Gründung zum Jahresbeginn zu realisieren. Ich bitte Sie deshalb auch um eine zügige Beratung im Umweltausschuss. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Ministerin. - Bevor wir in die Debatte eintreten, habe ich die Freude, zwei Besuchergruppen auf der Tribüne begrüßen zu dürfen. Zum einen handelt es sich um Damen und Herren der Fachhochschule der Polizei der ältesten Stadt Sachsen-Anhalts, nämlich aus Aschersleben. Zum anderen begrüße ich Damen und Herren des SPD-Ortsvereins Schönebeck.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf versucht die Landesregierung, Anlagen zur Trinkwassergewinnung, -behandlung und -weiterleitung einschließlich der entsprechenden Anteile, die dem Land gehören, verkaufsfähig zu machen.
Ich verzichte an dieser Stelle ausdrücklich darauf, noch einmal auf unsere Position zu dem Thema Privatisierung der Trinkwasserversorgung generell einzugehen. Unsere Meinung dazu kennen Sie. Ich habe sie in einer der letzten Sitzungen recht deutlich formuliert.
Die Landesregierung setzt zur Problemlösung nach wie vor - und das verstärkt - auf das Pferd Privatisierung, auch an dieser Stelle. Sie will Privatisierungserlöse generieren, um die Schulden zu tilgen, die der Talsperrenbetrieb aus der Entflechtung der Midewa (alt) übernommen hat und für die das Land gerade stehen muss. Frau Wernicke hat den Sachverhalt erläutert.
Dem gut informierten Beobachter stellt sich allerdings die Frage, ob der eingeschlagene Weg der richtige ist; denn eines scheint schon jetzt klar zu sein: Die mit dem Gesetz vorbereitete Veräußerung der neu zu schaffenden Fernwasser Sachsen-Anhalt GmbH scheint nach den vertraglichen Vereinbarungen zwischen den bisherigen Vertragspartnern, die auch die jetzigen sind, nämlich den kommunalen Stadtwerken Leipzig und der Trinkwasserversorgung Magdeburg, ohne Zustimmung bzw. ohne schriftliches Anbieten der betreffenden Anteile an die Vertragspartner rechtlich sehr fragwürdig zu sein.
Gleichwohl habe ich den Eindruck, dass die Landesregierung davon überzeugt ist, dass ihr der große Wurf gelungen ist und dass sie aus den rechtlichen Schwierigkeiten, die sich im Geflecht der verschiedenen Gesellschaften ergeben, einen Ausweg gefunden hat. Er besteht, wenn ich es recht verstehe, darin, dass man Anlagen und Beteiligungen in eine GmbH überführt und diese anschließend veräußert.
Hierbei setzt sich die Landesregierung selbst unter Druck; denn das Bieterverfahren - Frau Wernicke hat es erwähnt - ist bereits eingeleitet. Die Deadline dafür ist der 31. Dezember 2003. Das heißt, das Verfahren ist eingeleitet worden, ohne dass die rechtlichen Probleme vorher gelöst worden sind. Das Verfahren ist eingeleitet worden, ohne dass die rechtlichen Bedingungen dafür vorhanden waren.
Ich weiß nicht, ob es bei all den Unsicherheiten überhaupt seriös ist, dieses Verfahren so, wie Sie es vorhaben, durchzuziehen. Bleiben Sie dabei, wirft das jedenfalls wieder einmal - so muss man sagen - ein Licht darauf, wie die Landesregierung mit diesem Landtag umgeht. Das wirft auch ein Licht auf das Rechtsver
Ich will nicht infrage stellen, dass der mit dem Gesetz vorgeschlagene Formwechsel im Verständnis der Befürworter der Privatisierung, die es auch in der SPD gibt - das möchte ich durchaus einräumen -, einen Weg darstellen kann, um aus den schwierigen rechtlichen Fragen herauszukommen. Aber wir sind seit den Vorstellungen, die mit dem Gesetzentwurf der Landesregierung zum Zweiten Investitionserleichterungsgesetz eingebracht wurden, sehr skeptisch und befürchten nach wie vor, dass die Landesregierung die Wasserversorgung völlig aus der Verantwortung der öffentlichen Hand geben will.
Dass die Landesregierung bei all dem dennoch so etwas wie ein schlechtes Gewissen hat, zeigt sich schon daran, dass der Gesetzentwurf entgegen der eigenen Geschäftsordnung nicht in die Anhörung gegangen ist. Ich höre schon das Argument, es sei nicht nötig gewesen, weil es sich hierbei um einen simplen Formwechsel einer Landesanstalt handele. Aber das ist es natürlich nicht, meine Damen und Herren; denn hinter dem Gesetz steht ein komplexes Problem, mit dem die Landesregierung einfach ungeschickt umgeht.
Der ungeschickte Umgang mit dieser Materie wird unabhängig davon, wie die SPD zu dem Thema Privatisierung steht, auch nicht den erwünschten finanzpolitischen Erfolg bringen. Schließlich strebt die Landesregierung einen Veräußerungserlös von 122 Millionen € an. Das ist aus meiner Sicht eine völlig überzogene Erwartung, insbesondere in Kenntnis der Marktlage. Es wäre nur dann möglich, einen solchen Erlös zu erzielen, wenn potenzielle Bewerber ein wirtschaftliches Interesse an dem Erwerb haben.
Das wirtschaftliche Interesse wird sich danach bemessen, welche Handlungsfähigkeit besteht. Die Handlungsfähigkeit ist aufgrund der rechtlichen Konstruktion der Fernwasserversorgung jedoch entscheidend von den kommunalen Wasserwerken der Stadt Leipzig abhängig.