Protokoll der Sitzung vom 24.10.2003

Ferner möchte ich das seit 1998 jährlich durchgeführte Lehrerbetriebspraktikum nennen, das ich für einen sehr wichtigen Zugangspfad zum Transfer von Erfahrungen und Eindrücken zwischen Schule und Wirtschaft halte.

Somit kann abschließend festgestellt werden, dass die Landesregierung der Berufsorientierung und Berufsvorbereitung von Schülerinnen und Schülern der Schulformen in der Sekundarstufe I, insbesondere der Sekundarschule, bereits sehr große Aufmerksamkeit zumisst. Die gesetzlichen Grundlagen und die schulischen Bedingungen, die in dem Antrag der Fraktion der PDS gefordert werden, sind ebenfalls vorhanden.

Weitere Möglichkeiten der Intensivierung der Berufsvorbereitung sehe ich vor allem in den außerschulischen, also durch die Landesregierung zwar zu begleitenden,

aber nur bedingt zu steuernden Aktivitäten der Wirtschaft. In der Tat müssen wir hierbei die Zusammenarbeit noch wesentlich intensivieren.

Ich möchte Ihnen vorschlagen, dem Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP zuzustimmen, der einige - im Grunde zwar kleine, aber in der Sache bedeutsame - Änderungen enthält. Der Antrag enthält unter anderem die Änderung, dass wir nicht nur die Arbeitgeberverbände, sondern alle an der Berufsvorbereitung Beteiligten in diese gemeinsame Vereinbarung einbeziehen; denn das ist eine komplexe Kooperationslage, in der wir einen größeren Kreis zusammenbringen müssen, um zu einer solchen Vereinbarung „Schule und Wirtschaft“ zu gelangen, die man im Grundsatz begrüßen kann. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zustim- mung von der Regierungsbank)

Vielen Dank, Herr Minister. - Meine Damen und Herren! Die Fünfminutendebatte wird durch die Abgeordnete Frau Röder für die FDP-Fraktion eröffnet. Bitte sehr, Frau Röder.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was erwartet die Wirtschaft von einem Schulabgänger? Über welche Fähigkeiten und welche Kenntnisse muss ein Schulabgänger verfügen, um eine Chance zu haben, in der Wirtschaft einen Ausbildungsplatz zu bekommen?

Die IHK hat irgendwann einmal ein Faltblatt herausgegeben - vielleicht kennen es einige von Ihnen -, auf dem steht, was sie von einem Schulabgänger erwartet. Zum einen sind es fachliche Kompetenzen. Das sind die Dinge, die man in der Schule lernt, wie die grundlegende Beherrschung der deutschen Sprache, die Beherrschung einfacher Rechentechniken, grundlegende naturwissenschaftliche Kenntnisse, Kenntnisse über wirtschaftliche Zusammenhänge, ein wenig Englisch, einige Kenntnisse im Umgang mit der modernen Informationstechnik und Kenntnisse über und das Verständnis hinsichtlich der Grundlagen unserer Kultur. Das sind die Dinge, die Schule vermitteln sollte.

Bei einigen Punkten scheint es durchaus Probleme zu geben. Das sind die grundlegenden Kenntnisse, die den Schülern in Deutsch, Mathematik, in Englisch, in Physik, in Chemie usw. beigebracht werden sollen. An einigen Stellen scheint das wohl unzureichend zu geschehen bzw. wird den Schülern unzureichend vermittelt, dass das, was sie in der Schule lernen, wirklich wichtig für ihren Beruf und für ihre Zukunft ist. Hierbei gibt es grundlegenden Nachholbedarf.

Insofern unterstützt die FDP-Fraktion im Grundsatz den Antrag der PDS-Fraktion, allerdings mit den Änderungen, die der Minister vorgeschlagen hat. Im Grundsatz sind wir uns darin einig, dass auf diesem Gebiet einiges geschehen muss.

Jeder, der sich in den letzten Monaten im Zuge der Ausbildungsoffensive mit Unternehmen unterhalten hat, weiß, dass dieser Nachholbedarf flächendeckend in der Wirtschaft erkannt und bemängelt wird. Das ist aber nicht nur ein Problem der Wirtschaft; das ist vielmehr auch ein Problem der Jugendlichen, die nämlich für ihre

weitere Perspektive im Leben einen Ausbildungsplatz brauchen, um später ein selbstbestimmtes Leben auf einer vernünftigen ökonomischen Basis führen zu können.

Der Minister hat ausgeführt, dass in einigen Teilen des Schulunterrichts schon die Berufsorientierung und die Berufsvorbereitung enthalten sind. An den Sekundarschulen ist das in den Fächern Wirtschaft, Technik und Hauswirtschaft der Fall. An den Gymnasien ist es übergreifend in den Fächern Sozialkunde, Ethik oder Wirtschaft untergebracht. Nicht außer Acht lassen sollte man, dass in den speziellen Fächern, wie zum Beispiel in Mathematik oder in Physik, den Schülern klar gemacht werden muss, wozu diese Dinge, die sie dort lernen, im späteren Berufsleben möglicherweise nötig sein werden. In den einzelnen Fächern muss man das den Schülern einfach klar machen.

Es gibt zahlreiche Initiativen, um den Lehrern den Bezug der Fächer zur Wirtschaft und zu den Ausbildungsberufen klar zu machen. Die IHK bietet zum Beispiel Lehrerfortbildungen an, die vom Kultusministerium anerkannt werden. Solche Angebote werden aber in weiten Teilen viel zu wenig wahrgenommen. Dabei gibt es dringenden Nachholbedarf. Ich denke, dass das Kultusministerium über diese Punkte in seiner Arbeitsgruppe „Wirtschaft und Schule“ nachdenkt und daran arbeitet. Dieses Vorhaben ist durchaus unterstützenswert.

Was erwartet die Wirtschaft sonst noch von den Schülern? Die Wirtschaft erwartet vor allem, dass sich die Schulabgänger, bevor sie sich für einen Ausbildungsberuf entscheiden, auch über diesen Beruf informieren. Hierfür gibt es die Möglichkeit der Schulpraktika. Diese werden auch wahrgenommen.

Allerdings ist mir von verschiedenen Seiten zugetragen worden, dass es sich viele Schüler zu einfach machen, indem sie zum Beispiel in jedem Schuljahr in dieselbe Firma gehen, weil sie sozusagen gleich um die Ecke ist. Sie schauen nicht in die Breite der Wirtschaft. Sie sehen sich nicht auch andere Unternehmen und andere Branchen an, um dort nach möglichen Perspektiven für eine Berufsausbildung zu suchen.

Es ist ungünstig, wenn sich die Schulabgänger auf zehn Ausbildungsberufe festlegen und sich nur über diese informieren. In den Schulen muss noch Nachholarbeit dahin gehend geleistet werden, dass Kenntnisse auch über andere Wirtschaftszweige, andere Branchen, andere Berufsbilder und deren Chancen vermittelt werden.

Wie gesagt, ich sehe in der Arbeitsgruppe beim Kultusministerium gute Ansatzpunkte dafür. Ich denke, man wird auch zu Ergebnissen kommen. Ich bitte Sie um die Annahme unseres Änderungsantrages.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Röder. - Für die SPD-Fraktion erteile ich der Abgeordneten Frau Mittendorf das Wort. Bitte sehr, Frau Mittendorf.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Antrag der PDS wird ein Problem aufgegriffen, das in Deutschland, wie man so schön sagt, ewig jung ist, nämlich die Kritik der Arbeitgeber an der Berufsvorbereitung und an der Ausbildungsfähigkeit der Schulabgängerinnen und Schulabgänger.

Ich denke, diese Kritik muss man ernst nehmen, wenngleich schon seit Jahren Lösungsvarianten diskutiert und erprobt werden. Die Schwachstellenanalyse der Bundesvereinigung der Arbeitgeber benennt in diesem Zusammenhang folgende Problempunkte:

Erstens die hohe Zahl von Ausbildungsabbrüchen. Auch wenn sich Jugendliche entschieden haben, eine Ausbildung zu beginnen, bricht ein großer Teil von ihnen die Ausbildung wieder ab. Nach Aussage der BDA wird jeder vierte Vertrag wieder gelöst. In der Mehrzahl dieser Fälle wird die Berufsausbildung jedoch nicht generell abgebrochen, sondern es wird der Ausbildungsbetrieb oder der Ausbildungsberuf gewechselt.

In einer Umfrage gaben 42 % der Ausbildungsabbrecher an, dass der gewählte Beruf nicht ihr Wunschberuf gewesen sei und dass sie andere Vorstellungen gehabt hätten. Daraus folgt, dass Begabung allein nicht ausreicht; der Ausbildungsberuf muss sich auch mit den Neigungen und Interessen decken. Daran wird aber auch deutlich, meine Damen und Herren, dass die Jugendlichen zu viele Defizite haben, was das Wissen über die zukünftige Berufswelt betrifft.

Ein zweites Problem sind die ungenügende Ausbildungsfähigkeit und die fehlenden Schlüsselqualifikationen bei den Jugendlichen. Die Betriebe vermissen wichtige Schlüsselqualifikationen wie Selbständigkeit, Verantwortungsbewusstsein und beklagen Defizite bei den Kulturtechniken.

Aus unserer Sicht lassen sich daraus zwei wesentliche Lösungsansätze ableiten: erstens eine Intensivierung der Berufsorientierung in der Schule, vor allem in den Sekundarschulen - dazu haben meine Vorrednerinnen und -redner Etliches gesagt -, und zweitens die Verbesserung der Ausbildungsfähigkeit bei jungen Menschen selbst.

Meine Damen und Herren! Unsere Fraktion hat mit der gestern in den Landtag eingebrachten Schulgesetznovelle eine Vielzahl von inhaltlichen Neuerungen aufgegriffen, die aus unserer Sicht dazu beitragen könnten, die eben genannten Defizite zu vermindern, vor allem im Hinblick auf Defizite bei Schlüsselqualifikationen und Kulturtechniken. Ich erinnere an die Diskussion von gestern und an die Schwierigkeiten dabei, diesen Gesetzentwurf überhaupt in den Ausschuss zu bekommen.

Die PDS greift ihrerseits dieses Thema unter dem fachlichen Gesichtspunkt auf. Es ist richtig, wie unter Punkt 1 des PDS-Antrages gefordert, die Interessen, Bedürfnisse und notwendigen Beiträge der Beteiligten - Schule und Wirtschaft - zu beraten und in einer gemeinsamen Vereinbarung zu fixieren.

Punkt 2 ordnet sich unserer Meinung nach ein in das Konzept zur Entwicklung berufsbildender Schulen zu Kompetenzzentren der Regionen. Unsere Berufsschulen sind zu einem großen Teil hervorragend ausgestattet, und es drängt sich geradezu auf, die nicht gebundenen räumlichen und sächlichen Ressourcen auch mit Blick auf die demografische Entwicklung heranzuziehen. Das betrifft vor allem die Fachkabinette, aber auch die Fachlehrer für die Qualifizierung des Unterrichts in der Fächergruppe Arbeit, Wirtschaft und Technik an den allgemein bildenden Schulen.

Das ist ein Punkt, meine Damen und Herren, zu dem es konkreter Vereinbarungen mit den Schulträgern bedarf. Inwieweit die Einrichtung polytechnischer Zentren an berufsbildenden Schulen hilfreich sein kann und ob die

Schulen in der Fläche damit überhaupt erreicht werden können, kann ich nicht einschätzen.

(Zustimmung von Herrn Schomburg, CDU)

Ich denke aber, das wäre etwas, worüber man im Ausschuss diskutieren sollte. Auf jeden Fall aber bedarf es einer engeren Verknüpfung der Fächergruppe Arbeit, Wirtschaft und Technik mit den anderen Fächern des naturwissenschaftlichen und des sozialwissenschaftlichen Bereiches.

Meine Damen und Herren! Ein Programm zur Verbesserung der Berufsvorbereitung sollte selbstverständlich wesentlich vielschichtiger aufgebaut werden. Dazu zählen auch verbindliche Bildungsstandards - wir haben im Bildungsausschuss gerade einen Zwischenbericht der Landesregierung erhalten -, Verfahren der Evaluation, die individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler, die Qualifizierung der Lehreraus-, -fort- und -weiterbildung, die Gewährleistung der Durchlässigkeit zwischen den Schulformen und vor allem die stärkere Kooperation der Schulen mit Berufsberatung, Jugendsozialarbeit und Betrieben.

Meine Damen und Herren! Ich wollte mit dieser Aufzählung eigentlich nur klar machen, dass man dieses schon seit Jahren diskutierte Problem nicht mit zwei oder drei Einzelmaßnahmen löst. Dazu bedarf es vielmehr einer Vernetzung der angesprochenen Bereiche.

(Zustimmung von Frau Budde, SPD, von Frau Dr. Hein, PDS, und von Frau Ferchland, PDS)

Darüber hinaus hat die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände in einem Papier weitere Vorschläge zur effizienteren Gestaltung der Berufsvorbereitung unterbreitet. Ich denke dabei zum Beispiel an die Zertifizierungsfragen und an Aspekte der Anrechnung von Elementen der Berufsvorbereitung im späteren Ausbildungsberuf.

Meine Damen und Herren! Wir können mit dem Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP leben, wobei wir der Meinung sind, dass einige Aspekte im PDS-Antrag günstiger formuliert sind. Wir werden aber keine Blockadehaltung einnehmen und werden dem Änderungsantrag zustimmen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Mittendorf. - Für die CDU-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Herrn Schomburg das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich auf Ihren Antrag zu sprechen komme, möchte ich diesen in einen größeren Zusammenhang stellen und auf die tatsächlichen Probleme unserer Schulen in der Berufsvorbereitung hinweisen.

In einer Presseveröffentlichung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände aus dem Jahr 2002, auf die Frau Mittendorf bereits Bezug genommen hat, wird angesichts der Pisa-Ergebnisse konstatiert, dass zwischen 15 % und 20 % der Jugendlichen als nicht ausbildungsfähig angesehen werden können.

Die Einschätzungen zu den schulischen Defiziten sind ernüchternd. Bei dieser bundesweiten Umfrage der BDA

im vergangenen Jahr kam heraus, dass 91 % der befragten Betriebe und Verbände schulische Mängel bei den Auszubildenden konstatierten, wobei 50 % partielle und 41 % gravierende Mängel feststellten. 85 % der Unternehmen beklagten schlechte Rechtschreibungs- und Grammatikkenntnisse. 68 % kritisierten die Rechenkenntnisse und -fertigkeiten der Jugendlichen. Mehr als 65% kritisierten die Schreibfertigkeit und das schriftliche Ausdrucksvermögen. 25 % kritisierten die Lesefertigkeit. Dies sind die Probleme, die unsere Unternehmen derzeit maßgeblich beschäftigen.

Welche Grundlagen sind es denn, mit denen die Schule unserer Meinung nach junge Menschen auf das Berufsleben optimal vorbereiten kann? - Dies sind:

erstens belastbare Grundlagen in Deutsch, Mathematik, den Naturwissenschaften und zumindest einer Fremdsprache,

zweitens ausgeprägte soziale, emotionale und kulturelle Kompetenzen,

drittens fundierte Kenntnisse über unser Wirtschafts- und Sozialsystem und

viertens Kenntnisse und praktische Erfahrungen, auf deren Basis eine qualifizierte Berufswahl getroffen werden kann.

Insofern begrüßt die CDU-Fraktion den von der Landesregierung eingeschlagenen Weg zur inneren Reform der Schule und unterstützt diesen ausdrücklich.