Protokoll der Sitzung vom 20.11.2003

(Beifall bei der PDS - Zustimmung bei der SPD - Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Nein, nein! - Zu- ruf von Herrn Tullner, CDU)

Dass der Landtag in der inhaltlichen Debatte über die Schwerpunktsetzung außen vor bleibt, rundet den Eindruck nur ab. Es geht um Entwicklungsfragen des Landes. Mit der Umsetzung der Kabinettsvorlage werden Entwicklungen gekappt, denen Investitionen in Höhe von dreistelligen Millionenbeträgen vorausgegangen sind. Damit schneiden wir jetzt die Ergebnisse weg.

Lassen Sie mich an Folgendes erinnern: Über Jahre hinweg haben die ostdeutschen Hochschulen um Anerkennung in der Hochschullandschaft der Bundesrepublik gerungen. Obwohl die Professoren vielfach aus den alten Bundesländern kamen, mussten sie gegen zahllose Vorurteile ankämpfen. Endlich ist Anerkennung gewachsen. Endlich kommen mehr Studierende. Endlich kommen die begehrten Aufträge zur Drittmittelforschung. Endlich stehen Mittel in Umsetzung der Rahmenplanung des Bundes weiter in Aussicht. Genau in dem Moment, in dem man die ersten größeren Ernten des Gesäten einfahren könnte, wird die Hochschulstruktur so verändert, dass diese Erträge ausbleiben. Das ist weder aus der Sicht der Hochschulen noch aus der Sicht der Steuerzahler nachvollziehbar.

(Lebhafter Beifall bei der PDS - Zustimmung bei der SPD)

Ich habe zwischenzeitlich bei vielen Gesprächen den Eindruck gewonnen, dass man extrem wenig über die praktischen und unmittelbaren Folgen der Strukturentscheidungen weiß. Typisch für die letzten Monate ist, dass man sich auf keinerlei inhaltliche Debatten mehr eingelassen hat.

(Herr Tullner, CDU, und Frau Liebrecht, CDU: Das stimmt doch nicht!)

Hinzu kommt, dass auch die Strukturveränderung Kosten verursacht. Offensichtlich sollen auch diese von den Hochschulen getragen werden.

Wie Sie wissen - das ist jetzt nichts Neues -, halte ich Ihre Kürzungsziele ab dem Jahr 2006 für hochschul- und bildungspolitisch falsch.

Aber wenn der Minister im Ausschuss sagt, er ließe sich auf keine anderen inhaltlichen Vorschläge der Hochschulen ein, die im günstigsten Fall auch noch Einsparungen erbringen könnten, weil er glaube, dass die Kabinettsvorlage das Optimum sei, dann ist natürlich klar, warum sich die Hochschulen nicht mehr als Partner fühlen.

(Herr Tullner, CDU: Das ist doch Quatsch! - Herr Dr. Schellenberger, CDU: In welchem Ausschuss hat er das gesagt?)

- Das war im Bildungsausschuss.

(Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

Selbst wenn der Entwurf an viel zu wenigen Stellen Veränderungen zeigt, so hoffe ich immer noch auf Vernunft.

Im Gesetzentwurf vom „ins Benehmen setzen“ mit Hochschulen zu schreiben, verändert nicht die stärkere Position der Landesregierung gegenüber den Hochschulen. Zudem fehlt dem Verfahren, um ins Benehmen überhaupt zu kommen, jegliche Transparenz, ganz zu schweigen von den Erlassrechten, die der Minister selber angeführt hat.

Zweitens. Dieser Gesetzentwurf nimmt einen Paradigmenwechsel in Bezug auf Selbstverwaltung und Selbstverwaltungsrechte vor. Klassische und bewährte Mitbestimmungsformen wie das Konzil werden schlicht und ergreifend aufgelöst. All die Jahre habe ich nicht ein einziges Mal Kritik an der Leistungsfähigkeit des Konzils gehört. Auch das inhaltlich neu gestaltete Kuratorium wird und soll diese Aufgabe nicht übernehmen. Die geplante Besetzung des Kuratoriums ist Beleg dafür.

Mit dem Landeshochschulrat institutionalisiert die Landesregierung ein weiteres Gremium, welches ihr weitere Zugriffsmöglichkeiten in die Hochschulangelegenheiten sichert.

Leitungsgremien der Hochschulen werden nach dem Vorbild des Aktienrechts durchgestylt. Studierende als die größte Gruppe spielen nur noch eine marginale Rolle in den Gremien. Gleiches gilt für wissenschaftliches, künstlerisches und sonstiges Personal. Auf der einen Seite werden die Studierenden gedrängt, mehr Leistungsansprüche an die Lehrenden zu stellen, andererseits wird ihnen aber die Möglichkeit genommen, dies auch wirklich durchzusetzen.

Die Studienkommission ist ein neues Instrument, dem aber derartige Veränderungskompetenzen nicht eingeräumt werden. Hochschulleitungen haben sich immer - das ist bei vielen Gesprächen deutlich gemacht worden - die Straffung von Leitungsstrukturen gewünscht.

Eine Liquidierung bisheriger Gremien hat allerdings nie jemand gefordert. Klar: Wenn die Landesregierung künftig wesentliche Entscheidungen über Verordnungen lösen will, dann liegt ihr Strukturmodell in der Logik dieses Herangehens.

Das Vorhaben, den Hochschulen mehr Freiraum bei der Einführung von Studiengängen zu geben, indem sich das Ministerium innerhalb eines Monats zu einem Widerspruch befleißigen sollte, klingt reizvoll - wohl wahr. Aber was passiert, wenn der Widerspruch fristgemäß erfolgte? Dauert der Rest dann genauso lange wie bisher?

Letztlich ist vollkommen unklar, wie die Forderung nach der Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen an den Hochschulen umgesetzt und die Akkreditierungsforderung realisiert werden soll. Masterabsolventen der Fachhochschulen wird die Promotion immer noch erschwert und den Fachhochschulen selbst nehmen Sie die Möglichkeit.

Drittens. Die Langzeitstudiengebühren werden eingeführt. Ignoriert wird der Kontext der gesellschaftlichen Diskussion. Herr Merz sagt doch immer so schön, dass Bildung nicht mehr umsonst zu haben sein werde. Herr Volk hat auch der Einführung von Studiengebühren das Wort geredet.

(Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

Der Minister behauptet noch immer, dass Langzeitstudiengebühren kein erster Schritt zur Einführung von Studiengebühren wären. Selbst in Berlin ist es der PDS nicht wirklich gelungen, diese Entwicklung zu verhindern, obwohl sie es dort mit einer Koalitionspartnerin zu tun hat, die im Wahlprogramm und in der Koalitionsvereinbarung noch ausdrücklich das Verbot von Studiengebühren versprochen hatte. Die jetzt gefundene Berliner Variante kann nur als Schadensbegrenzung empfunden werden. Allerdings wird wenigstens in diesem Modell der Weiterbildung ein ganz anderer Stellenwert gegeben.

Im Übrigen fehlt in diesem Gesetzentwurf der Nachweis dafür, dass die Hochschulen ihrerseits alle Voraussetzungen zur Einhaltung der Regelstudienzeit erfüllt haben. Die Nachweispflicht liegt ausschließlich bei den Studierenden.

Dieser Gesetzentwurf legalisiert zugleich die Erhebung von Praktikums- und Laborgebühren bzw. Gebühren für Lernmittel. Sollten Hochschulen bzw. Fachbereiche von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, verteuerte sich das Studium nochmals erheblich.

Viertens. Der Gesetzentwurf hat wichtige Entscheidungen aber auch vertagt. Dazu gehört die Rechtsform der Universitätskliniken, obwohl nach dem Arbeitsgruppenbericht klar ist, wohin die Entwicklung gehen soll.

Personalrechtliche Fragen, Mitbestimmungstatbestände werden gestrichen. Dieser Gesetzentwurf beendet das relative Gleichgewicht im Beziehungsgefüge zwischen Hochschulen, Landesregierung und Landtag. Im Zentrum des Systems ist nun das Ministerium und alle anderen kreisen um dieses Zentrum. Auf welchen Umlaufbahnen, das entscheiden die Eruptionen dieses Zentrums. Lassen Sie mich daran erinnern, dass schon einmal geglaubt wurde, die Erde sei eine Scheibe. Dem hat die Wissenschaft den Garaus gemacht. Allerdings

muss ich auch feststellen: Bürokratie gab es vorher und es gibt sie nachher - leider.

(Lebhafter Beifall bei der PDS - Zustimmung von Frau Dr. Kuppe, SPD, und von Herrn Reck, SPD)

Vielen Dank, Frau Dr. Sitte. - Abschließend für die CDUFraktion Herr Dr. Tullner bitte. - Herr Dr. Tullner habe ich gesagt; Entschuldigung: Herr Tullner. Ich wollte Sie nicht kränken.

(Heiterkeit)

Herr Präsident, an diesem Thema bemühe ich mich immer noch. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich zu meiner eigentlichen Rede komme, ein Satz zu Frau Dr. Sitte: Wenn Sie Ihre Positionierung auf Demagogie, Populismus und Kassandra-Rhetorik aufbauen, dann kann ich nur davor warnen, dass wir so nicht zu einem Konsens in der Hochschulpolitik kommen. So geht es nicht, Frau Dr. Sitte, so nicht.

(Zustimmung bei der CDU und von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz - Zuruf)

Meine Damen und Herren! Drei Vorbemerkungen:

Erstens. Die heutige Debatte, auf die ich mich sehr gefreut habe, weil wir, das Parlament, endlich diesen Hochschulgesetzentwurf als Sachgegenstand in unseren Beratungsgang bekommen, zeigt noch einmal deutlich, wie überflüssig die Aktuelle Debatte in der letzten Sitzung mit all ihrer Kampfrhetorik und ihren Kampfparolen war. Das war einfach unnötig und hat der ganzen Sache eher geschadet.

(Zustimmung bei der CDU)

Zweitens. Wir hatten heute vor dem Landtag eine beachtliche Demonstration, die in Halle wohl ähnlich abgelaufen ist. Ich kann nur sagen: Ich begrüße es außerordentlich, dass sich in diese Gesetzgebung alle betroffenen Gruppen, auch die Studenten, einmischen - und sei es mit ihrem demokratisch legimitierten Recht auf Demonstration. Ich denke, wir werden über Anhörungen und viele Gespräche diese Meinungen mit einbeziehen. Ich will aber gleichzeitig meinem Bedauern Ausdruck verleihen, dass es immer so ist, dass sich die Leute nur dann für Politik interessieren, wenn irgendwer betroffen ist. Aber hier, denke ich, haben wir einen guten Konsens gefunden, dass wir zueinander finden.

Drittens. Frau Dr. Sitte, die parlamentarische Beratung über diesen Gesetzentwurf ist ein sehr wichtiger Punkt. Ich kann nur noch einmal - Frau Dr. Kuppe fiel auch schon wieder in eine ähnliche Rhetorik ein - versichern, dass wir hier im Parlament - das habe ich beim letzten Mal schon gesagt - den Grad an Mitbestimmung sichern werden. Deswegen kann man nicht davon reden, das Parlament werde ausgeschaltet; vielmehr werden wir sehr genau darauf achten, dass wir, das Parlament nicht nur mit im Boot bleiben, sondern die Bestimmenden bei diesem Gesetz sind; denn wir sind der Gesetzgeber. Das ist meine tiefe Überzeugung und auch die Überzeugung meiner Fraktion.

(Zustimmung bei der CDU - Zuruf von Herrn Dr. Püchel, SPD)

Meine Damen und Herren! Wenn man über Hochschulen redet, redet man im Moment über Reformen. Das kommt nicht von ungefähr. Ich denke, wir alle miteinander - zumindest dachte ich das bisher - stimmen darin überein, dass wir Reformbedarf haben, was die Hochschulen angeht. Es hängt eben nicht mit dem Fleiß, der Kreativität und dem Engagement der Wissenschaft zusammen; vielmehr hängt es mit den Strukturen zusammen, die wir ändern müssen.

Meine Damen und Herren! Humboldt ist doch auch nicht vom Himmel gefallen. Auch damals gab es große Strukturbrüche, die man durch diese großartige Reform damals beseitigt hat. Deswegen: Man kann doch nicht immer strukturkonservativ erklären, es sei alles schön und gut und es seien überhaupt keine Veränderungen vonnöten. Das kann es doch wirklich nicht sein, Frau Dr. Sitte. Nein, Strukturänderungen sind nötig.

(Zustimmung bei der CDU und von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz)

Jürgen Kaube hat neulich in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ geschrieben:

„Die Wissenschaftspolitik der Nachkriegszeit hat auf die Gleichheit der Studienverhältnisse gezielt und herausgekommen sind dabei Fächer ohne regionale Zentren. Der politische Wille,“

- so Kaube weiter -

„einige Universitäten zu ausgezeichneten zu machen, fehlte.“

Das ist doch genau das Problem, vor dem wir stehen. Mit diesem Gesetzentwurf versuchen wir, dieses Problem zu lösen bzw. einer Lösung näher zu kommen. Wir können doch nicht so tun, als ob wir im Land flächendeckend gleich gut wären. Das ist eine Fiktion. Von der müssen wir uns lösen und zu den Realitäten kommen, die da heißen: Wir müssen Profilierungen der Hochschulen hinbekommen und müssen sie darin stärken. Das muss unser gemeinsames Ziel sein, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU und von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz)

Lassen Sie mich kurz auf einige Punkte eingehen, die ich nur kursorisch herausgreife, zunächst die Genehmigung von Studiengängen. Das ist auch ein großer Punkt, über den wir im Rahmen der Aktuellen Debatte und auch sonst diskutiert haben. Selbstverständlich ist das ein Problem, mit dem wir uns auseinander setzen. Auf der einen Seite haben wir die Autonomie der Hochschulen, auf der anderen Seite wollen wir sozusagen eine gewisse Steuerung durch das Ministerium einbauen.

Ich denke, wir werden im Laufe der Beratungen noch einmal nachdenken, wo wir uns hierbei finden. Auch hierzu kann ich nur anbieten: Wir sind gewillt, einen Kompromiss zu finden, der allen Interessen gerecht wird. Deswegen biete ich noch einmal an, dass wir uns - das sagte auch Frau Dr. Kuppe am Ende ihrer Ausführungen - im Ausschuss darüber unterhalten.