Protokoll der Sitzung vom 20.11.2003

Hat sich erübrigt. Herr Bullerjahn verzichtet offenbar. - Dann erteile ich für die SPD-Fraktion der Abgeordneten Frau Mittendorf das Wort. Bitte sehr, Frau Mittendorf.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPDFraktion wird den Antrag der PDS-Fraktion unterstützen. Mit dem Änderungsantrag der CDU können wir nicht so gut leben, weil wir der Meinung sind, dass er eigentlich das Problem nicht so gut trifft.

(Frau Feußner, CDU: Weil er fachlich richtig ist!)

- Nun mal sachte. Frau Feußner, die Überheblichkeit, die Sie hier gegenüber den Oppositionsparteien an den Tag legen, finde ich unerhört.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Meine Damen und Herren! Auslöser der Debatte ist ein Brief des Kultusministeriums vom 1. Oktober dieses Jahres an die Eltern der Schülerinnen und Schüler der Klasse 9 in den Sekundarschulen und Gesamtschulen. Dieser hat zu einer allgemeinen Verunsicherung geführt und ist der Auslöser des Antrags der PDS. Wir, meine Damen und Herren, halten sowohl den Inhalt als auch den Versendezeitpunkt des betreffenden Briefes an die Eltern der Neuntklässler mitten im Schuljahr für unzumutbar, wenn nicht sogar für gesetzeswidrig.

Eine besondere Brisanz entsteht dadurch, dass die betroffenen Schüler zu Beginn des Schuljahres noch von anderen Ausgangsvoraussetzungen ausgegangen sind. Bei der Wahl des A- oder B-Kurses konnten - -

(Unruhe)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie, Ihre Reden einzustellen und Platz zu nehmen.

Danke, Herr Präsident. - Bei der Wahl des A- oder BKurses konnten die Schülerinnen und Schüler eben nicht davon ausgehen, dass die Kurswahl am Ende des Schuljahres darüber entscheiden könnte, ob man bereits nach Klasse 9 mit einem Hauptschulabschluss die Schule verlassen muss oder aber die Klasse 10 absolvieren darf.

(Herr Gürth, CDU: Das gehört in den Ausschuss! Spektakel!)

- Darüber, was in den Ausschuss gehört und was nicht, Herr Gürth, entscheiden, glaube ich, in dem Fall andere.

Im Achten Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes wurde festgelegt, dass die neunjährige Vollzeitschulpflicht erst am 1. August 2004 in Kraft tritt.

(Frau Feußner, CDU: Richtig!)

Die logische Konsequenz dieser Regelung wäre nach unserem Rechtsverständnis, meine Damen und Herren, dass die Schüler des gegenwärtigen 9. Schuljahrganges noch nicht unter diese Regelung fallen, da das Schuljahr 2003/2004 am 7. Juli endet. Dies bedeutet, meine Damen und Herren, dass diesen Schülern als quasi Übergangsjahrgang alle bisherigen Rechte der Schullaufbahn zugestanden werden müssen.

(Frau Feußner, CDU: Das machen wir doch!)

Die in dem Brief des Ministeriums angekündigte Erhöhung der Anforderungsniveaus in allen Fächern auf das Niveau des Realschulabschlusses in Klasse 10 ab dem Schuljahr 2004/05 setzt die Eltern und Schüler in unzulässiger Weise zusätzlich unter Druck. Unserer Überzeugung nach haben alle Schülerinnen und Schüler des 9. Schuljahrgangs, die das möchten, das Recht auf einen weiteren Besuch der Schule bis zum Abschluss des 10. Schuljahrganges.

(Frau Feußner, CDU: Haben sie doch!)

Dies bedeutet, meine Damen und Herren, dass es die Pflicht der Landesregierung ist, entsprechende Fördermöglichkeiten bereitzustellen, um eben diesen Anspruch abzusichern.

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Genau das ma- chen wir doch! - Frau Feußner, CDU: Das ma- chen wir doch!)

Der Änderungsantrag der CDU und der FDP ist insofern eine Farce, als er das gesetzlich festgeschriebene Recht ignoriert und so tut, als ginge es dabei um eine Geste des guten Willens. Da helfen alle Versuche von Erklärungen, Frau Feußner, nicht.

(Frau Feußner, CDU: Falls Sie wieder etwas nicht verstanden haben! Genauso ist es!)

Zu dem ewigen Wiederholen von Äußerungen hinsichtlich der A- und B-Kurse, die Sie uns anhängen wollen, ist zu sagen: Sie wissen genauso gut wie wir, dass es nicht die Entscheidung der Vorgängerregierung war,

(Herr Gürth, CDU: Das ist argumentativ aber ziemlich schwach, weil es an der Realität vorbei- geht!)

sondern nur die Erfüllung der Vorgaben der Kultusministerkonferenz,

(Zustimmung bei der SPD - Starke Unruhe bei der CDU)

der B-Länder, die genau die äußere Fachleistungsdifferenzierung wollten.

(Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren! Insbesondere die Fragen des verantwortlichen Ministerialbeamten am Schluss des Briefes

(Herr Gürth, CDU: Wer hat Ihnen das aufge- schrieben?)

stimmen schon sehr nachdenklich bzw. ärgern mich einfach. So steht darin geschrieben: Wenn Sie sich noch

nicht sicher sind, welcher weitere Bildungsweg für ihr Kind der richtige ist, empfehle ich Folgendes zu bedenken und zu klären: Welche Vorstellungen haben Sie und Ihr Kind für den weiteren Bildungsweg? Besteht die realistische Chance, den angestrebten Schulabschluss zu erreichen? Beachten Sie die Kursbelegung, die Leistungen, die Anstrengungsbereitschaft.

Herr Minister, wenn Sie das toll finden, dann, muss ich sagen, haben wir wirklich völlig unterschiedliche Vorstellungen von dem, wie das hier funktionieren soll.

(Zurufe von der CDU - Unruhe)

In diesen Formulierungen zeigt sich konsequent der schon mit der achten Schulgesetznovelle eingeschlagene Weg der strikten Bildungswegetrennung, der Schubfachzuordnung und des Aussortierens. Das, meine Damen und Herren, hat mit Chancengleichheit, auch mit Chancengerechtigkeit, nichts mehr zu tun.

(Zustimmung bei der SPD und von Herrn Grü- nert, PDS - Zurufe von der CDU)

Besonders verblüffend, meine Damen und Herren, ist die Tatsache, dass der betreffende Ministerialbeamte die Eltern dazu auffordert, sich weitere Informationen und individuelle Beratung bei den Lehrkräften einzuholen,

(Zuruf von Herrn Tullner, CDU - Weitere Zurufe von der CDU)

aber die entsprechende Schulleitungsberatung zu diesen Fragen erst zwei Wochen nach dem Versenden des Briefes stattfand.

(Frau Budde, SPD, lacht - Unruhe bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Wenn dies nicht alles so schlimm wäre, könnte man ja an einen schlechten Scherz glauben. Aber nach dem bisher Gehörten ist es den Protagonisten furchtbar ernst damit. Das ist das Erschreckende und es zeigt einmal mehr, dass der pädagogische Ansatz nicht fördern und fordern heißt, sondern abschieben und aussortieren.

(Oh! bei der CDU und bei der FDP - Unruhe)

Meine Damen und Herren der CDU und der FDP, schauen Sie sich Ihre Regelungen genau an.

(Unruhe)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte, Frau Mittendorf ausreden zu lassen.

Ich wiederhole es: Die betreffenden Neuntklässler haben ein Recht auf Absolvierung des 10. Schuljahrganges und unter den besonderen Rahmenbedingungen auch ein Recht auf entsprechende Förderung. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Vielen Dank, Frau Mittendorf. - Meine Damen und Herren! Für die FDP-Fraktion erteile ich der Abgeordneten Frau Seifert das Wort. Bitte sehr, Frau Seifert.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit der achten Schulgesetznovelle, die am Anfang des Jahres vom Landtag beschlossen wurde, wurde an den Sekundarschulen wieder ein Haupt- und Realschulbildungsgang eingeführt. Unsere Schüler werden zu deutschlandweit vertrauten und anerkannten Abschlüssen geführt. Die abschlussbezogene Differenzierung, die an den Sekundarschulen ab der 7. Klasse eingeführt wird, entspricht unserem Ziel, die Schülerinnen und Schüler entsprechend ihren individuellen Leistungen, Fähigkeiten und Begabungen zu fördern.

Am Ende des laufenden Schuljahres stehen die Sekundarschülerinnen und Sekundarschüler des jetzigen 9. Schuljahres vor der Entscheidung, mit dem Hauptschulabschluss ihre Schulzeit zu beenden oder das 10. Schuljahr zu besuchen und damit den Realschulabschluss zu erwerben. Bei dieser Entscheidung, vor der der einzelne Schüler steht, darf man aber nicht außer Acht lassen, dass sich die Unterrichtsinhalte und die Unterrichtsanforderungen am angestrebten Realschulabschluss orientieren. Das 10. Schuljahr dient dem Erreichen dieses Ziels, nämlich des Realschulabschlusses.

Es liegt auf der Hand, dass Schüler, die bisher überwiegend die so genannten B-Kurse belegt haben, besondere Anstrengungen unternehmen müssen, um das Realschulniveau zu erreichen. An dieser Stelle muss und wird - der Minister führte es vorhin aus - es Fördermöglichkeiten vonseiten der Schule geben. Somit wird den Schülern, die die Leistungsbereitschaft und die Leistungsfähigkeit zum Erwerb des Realschulabschlusses unter Beweis stellen, die Möglichkeit eröffnet, diesen auch zu erreichen.