Ich bitte um die Einbringung der beiden Anträge. Zum Antrag der SPD-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Mittendorf. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den letzten Tagen und Wochen wird im Zusammenhang mit der anstehenden Veröffentlichung der Pisa-E-Ergebnisse, der Bundesländerstichprobe, wieder sehr viel über notwendige gesamtdeutsche Bildungsreformen diskutiert.
Ich denke, diese Debatte ist notwendig, und sie wird den Landtag nach der eingehenden Betrachtung der Ergebnisse sicherlich noch weiterhin stark beschäftigen. Die dazu im Landtag im Dezember 2001 geführte Diskussion
war sachlich. Ich hoffe sehr, dass uns dies auf einer ähnlich objektiven Grundlage noch einmal gelingt, obwohl man schon den Eindruck gewinnen kann, dass derzeit bereits etwas überzogen polemisiert wird.
Eine zentrale Rolle im Hinblick auf die anstehenden Aufgaben kommt unseren Lehrerinnen und Lehrern zu. Schließlich sind sie es, die Schulkonzepte, hoffentlich auch verstärkt Schulprogramme mit erarbeiten. Sie sind es, die durch ihre Unterrichtstätigkeit den Lernprozess der Schülerinnen und Schüler entscheidend prägen.
Wer die Rolle der Bildung in dieser Gesellschaft stärken will, muss auch etwas dafür tun, dass die Arbeit von Lehrerinnen und Lehrern besser anerkannt wird, dass der Lehrerberuf in der Gesellschaft wieder mehr Achtung genießt. Dazu sind gemeinsame Anstrengungen sowohl aufseiten der Lehrerschaft als auch aufseiten der Politik notwendig.
Bildung braucht die richtigen Rahmenbedingungen. Dazu zählen auch klare Beschäftigungs- und Einkommensperspektiven. Der zurzeit geltende Arbeitsplatzsicherungstarifvertrag für Lehrkräfte läuft im Sommer 2003 aus. Die bisherige Landesregierung verständigte sich mit den Tarifpartnern im Februar 2002 auf zügige Verhandlungen im Hinblick auf einen Anschlusstarifvertrag gleich im Anschluss an die Landtagswahlen. Im Herbst sollte ein Anschlusstarifvertrag unterschriftsreif vorliegen.
So ist es geradezu notwendig, in der heutigen Landtagssitzung über den Arbeitsplatzsicherungstarifvertrag bzw. einen Anschlusstarifvertrag zu sprechen. Sicher hat die Regierungsseite auch nichts anderes erwartet; denn dabei, meine Damen und Herren, geht es um Geld, um viel Geld, aber eben nicht nur um Geld, sondern es geht auch um die Rahmenbedingungen, unter denen Schule, sprich Bildung, in unserem Land weiter stattfindet. Und ich denke, dies ist das Entscheidende.
Selbstverständlich ist uns bewusst, dass die Tarifverhandlungen Sache der Tarifpartner sind. Wir wollen auch keine verdeckten Tarifverhandlungen führen. Jedoch besteht die wesentliche Aufgabe des Parlaments und vorrangig der Opposition darin, die Regierung zu kontrollieren. In unserem speziellen Fall ist das Land der Arbeitgeber und damit der eine Tarifpartner. Auf diesen möchten wir hinsichtlich seiner Entscheidungen schon inhaltlich Einfluss nehmen.
Wir begrüßen es, dass die neue Landesregierung sehr zügig in die Verhandlungen eingestiegen ist, zu Terminen, die noch von der vorherigen Landesregierung vereinbart worden sind. Das ist in unseren Augen ein Zeichen für die Ernsthaftigkeit der Bemühungen.
Die Verhandlungen müssen auch sehr zügig geführt und aus unserer Sicht möglichst im Frühherbst abgeschlossen werden, damit eine Anschlussregelung rechtzeitig vor dem Beginn des Schuljahres 2003/2004 bekannt ist und eine Chance auf eine angemessene und korrekte Umsetzung bekommt. Die Beschäftigten, die Schulleitungen und die Schulbehörden müssen aktiv in die Umsetzung der Vereinbarung und die Vorbereitung des Schuljahres einbezogen werden.
Nach den uns vorliegenden Informationen ist bei den letzten Verhandlungen vereinbart worden, zwei Arbeitsgruppen zu bilden, die sich mit den unterschiedlichen Aspekten der Zukunft des Tarifvertrags befassen. Die erste Arbeitsgruppe „Arbeitszeitkonten“ hat die schwierige Aufgabe zu lösen, entsprechend dem Rechtsanspruch der Beschäftigten vernünftige Regelungen und
Die neue Landesregierung hat nach dem ersten Gespräch mit den Tarifpartnern verlautbaren lassen, dass sie die Absicht hat, die Guthaben der Arbeitszeitkonten der Lehrkräfte in Jahresscheiben auszuzahlen. Dies hätte ohne Zweifel steuerliche Vorteile für die Lehrkräfte und wäre unter Berücksichtigung der Haushaltslage erfolgversprechender.
Inwieweit die ebenfalls angekündigte Abschaffung der Arbeitszeitkonten im Anschlusstarifvertrag umsetzbar ist, werden die Verhandlungen zeigen. Genau das ist ein Punkt, über den wir sehr gern im Bildungsausschuss reden würden.
Der zweiten Arbeitsgruppe „Lehrkräftebedarf“ kommt aus unserer Sicht besondere Bedeutung zu, da unabhängig von der konkreten tarifvertraglichen Regelung die Diskussion darüber, wie viele Lehrerinnen und Lehrer die Schule bei sinkenden Schülerzahlen eigentlich braucht, vor dem Hintergrund der Pisa-Debatte die alles entscheidende Frage und damit einer der wesentlichsten Unterrichtsparameter ist. Ich denke, meine Damen und Herren, hier müssen die Bildungspolitiker des Parlaments parteiübergreifend eingreifen, wenn sie es mit ihren Wahlversprechen ernst meinten.
Eine weitere entscheidende Frage im Hinblick auf den neuen Tarifvertrag ist die Festlegung der Arbeitszeiten für die Lehrkräfte an den verschiedenen Schulformen. Hierbei muss in Abhängigkeit vom tatsächlichen Bedarf ein Höchstmaß an Beschäftigung und damit auch an Einkommen geboten werden. Bedacht werden muss sicherlich auch eine Anpassung an die weitere Bedarfsentwicklung in den nächsten Jahren. Dies setzt zwingend eine gewisse Flexibilität in den Regelungen voraus, über deren Art und deren Umfang sicherlich zu diskutieren sein wird. Auch das interessiert uns als Bildungspolitiker natürlich.
Aus meiner Sicht ist somit davon auszugehen, dass eine Anschlussregelung nach dem derzeitigen Beratungsstand nur dann zustande kommt, wenn es gelingt, eine Verständigung mit den Gewerkschaften über den zukünftigen Lehrkräftebedarf zu erreichen.
Meine Damen und Herren! Dabei wird allein schon wegen der erhöhten Aufwendungen für den Erhalt eines verantwortbaren Schulnetzes auf dem Tiefpunkt der Schülerzahlen und damit auf der Grundlage der im Jahr 2000 von den Kreisen beschlossenen Schulentwicklungsplanung nur die Fortschreibung der bisherigen Lehrer-Schüler-Relation und nicht deren Anpassung an schlechtere Relationen, wie in anderen, besonders in den westlichen Bundesländern, in Betracht kommen können.
Zu beachten ist in diesem Zusammenhang die neue Dimension von Anforderungen an die Leistungen des deutschen Schulsystems und damit auch an das Schulsystem von Sachsen-Anhalt, die sich aus den Ergebnissen der Pisa-Studie ergeben.
Meine Damen und Herren! Für die viel diskutierte Erweiterung bzw. veränderte Schwerpunktsetzung der Stundentafel - ich denke hier an Kernfächer wie Deutsch, Mathematik und Fremdsprachen, aber auch an die Wiedereinführung von Klassenleiterstunden im Sekundarschulbildungsgang sowie an die Ausweitung von Ganztagsangeboten, an die verstärkte Integration von Schülern mit Förderbedarf, an zusätzliche Angebote zur För
derung leistungsschwacher bzw. sozial benachteiligter Schüler und an die Elternarbeit - sind in erheblichem Umfang zusätzliche Personalressourcen notwendig. Dass hier Handlungsbedarf besteht, wird wohl niemand in diesem Hohen Hause bestreiten wollen.
Zum Ausgleich des Fachlehrermangels, zur Gewährleistung einer fachgerechten Unterrichtsversorgung und im Hinblick auf eine vertretbare Alterspyramide müssen jährlich bis zu 350 junge Lehrkräfte eingestellt werden.
Meine Damen und Herren! Ein weiteres wesentliches Ziel der Verhandlungen muss auch darin bestehen, betriebsbedingte Kündigungen von Lehrerinnen und Lehrern weiterhin zu vermeiden. Sozialverträgliche Personalmaßnahmen wie Altersteilzeit und Abfindungsregelungen müssen mit dem Unterrichtsbedarf vereinbar sein und werden angesichts voraussichtlicher Tariferhöhungen einschließlich der notwendigen Angleichung des BAT-Ost an den BAT-West wahrscheinlich zu keinen wesentlichen Einsparungen im Bereich der Personalkosten bei den Lehrkräften führen können.
Entscheidend ist, meine Damen und Herren, - das möchte ich doch einmal ausdrücklich betonen - dass der Rückgang der Schülerzahlen nicht automatisch zu einer adäquaten Senkung der Lehrkräftezahl führen kann und führen darf.
Meine Damen und Herren! Ein Scheitern der Verhandlungen würde aufgrund der damit verbundenen Verunsicherung der Lehrkräfte, aber auch der Mitarbeiter in den Schulbehörden zu zusätzlichen gravierenden Belastungen des Schulsystems und in Bezug auf die Auszahlung der Arbeitszeitkonten sowie vor allen Dingen in Bezug auf die Vollbeschäftigung der bisher vom Tarifvertrag erfassten Lehrkräfte zu erheblichen zusätzlichen Belastungen des Landeshaushalts führen. Darüber, meine Damen und Herren, muss sich jeder hier im Klaren sein. Deshalb sind eigentlich alle Beteiligten zum Erfolg in den Verhandlungen verdammt.
Das Parlament als Haushaltsgesetzgeber kann die Landesregierung in diesen Fragen unterstützen. Das geht aber immer nur unter der Voraussetzung, dass wir auch bereit sind, in Bildung und damit in die Zukunft zu investieren und dass wir die entsprechenden Weichenstellungen in den jeweiligen Landeshaushalten vornehmen.
Meine Damen und Herren! Es gibt noch einen nicht unerheblichen Aspekt. Beide Verhandlungsseiten - Landesregierung und Gewerkschaften - müssen ihre Verantwortung für die Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte wahrnehmen. Auch dies hat etwas mit der Anerkennung der Arbeit der Lehrkräfte zu tun.
Es muss das Ziel der Landesregierung und der Gewerkschaften bleiben, den schnellstmöglichen Übergang zur Vollbeschäftigung in diesem Bereich zu ermöglichen. Nur so ist es möglich, jungen, neu ausgebildeten Lehrkräften attraktive Einstellungsbedingungen in SachsenAnhalt zu bieten und den heute schon bestehenden Einstellungsbedarf abzudecken.
Meine Damen und Herren! Aus den von mir genannten Gründen ist es nicht nur notwendig, sondern aus unserer Sicht sowohl bildungspolitisch als auch finanzpolitisch unumgänglich, dass die Landesregierung ihre Vorstellungen noch vor der parlamentarischen Sommerpause in den vorgeschlagenen Ausschüssen vorstellt und die Ausschussmitglieder auch über den Fortgang der Tarifverhandlungen regelmäßig unterrichtet.
Wir bitten um Annahme unseres Antrages. Dem Antrag der PDS-Fraktion, der in die gleiche Richtung zielt, werden wir zustimmen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Mittendorf. - Ich bitte nun für die PDSFraktion Frau Dr. Hein, das Wort zu ergreifen und den Antrag der Fraktion der PDS einzubringen. Bitte schön.
Danke schön. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die PDS hat zur Kenntnis genommen, dass die neue Landesregierung mit den Tarifpartnern Vereinbarungen zur Aufnahme von Gesprächen über einen Anschlusstarifvertrag getroffen hat.
Eigentlich wollte ich mich heute zu diesem Umstand nicht ausführlicher äußern. Die Informationen aus Presse und Fernsehen sowie die Äußerungen des Ministerpräsidenten am heutigen Tage und vor allem des Fraktionsvorsitzenden der CDU geben aber Anlass zur Sorge um die Qualität der von der Landesregierung angestrebten Lösungen.
Ich muss deshalb für alle, die es schon wissen, und vor allem für alle, für die es neu ist, noch einmal auf Ziel und Zweck des Arbeitsplatzsicherungstarifvertrages eingehen, der im Sommer des nächsten Jahres ausläuft.
Der Titel des Vertrages sagt eigentlich schon alles Notwendige. Es geht um die Sicherung der Arbeitsplätze von Lehrerinnen und Lehrern hier in Sachsen-Anhalt. Durch den dramatischen Geburtenrückgang in der ersten Hälfte der 90er-Jahre sinken längerfristig die Schülerzahlen an den Schulen Sachsen-Anhalts auf etwa 50 % der Schülerzahlen, die wir in den Jahren vor dem Jahr 1995 hatten. Damit geht logischerweise auch der Lehrkräftebedarf zurück.
Nachdem die Landesregierung der ersten Legislaturperiode schon einmal 6 000 Lehrerinnen und Lehrer entlassen hat, wäre es verheerend gewesen, dem Schülerrückgang nun in gleicher Weise zu begegnen. Übrigens haben alle Ostländer in irgendeiner Weise auf diesen Umstand zu reagieren gehabt.
In Sachsen-Anhalt wurde auf ein solidarisches Modell gesetzt. Die Lehrergewerkschaften - vor allem die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft - hatten daran einen sehr großen Anteil. Dieser solidarische Ansatz geht davon aus, über die gesamte Zeit des Schülerrückgangs bis zur Stabilisierung der Schülerzahlen einen solidarischen Ausgleich zwischen den Schulformen zu schaffen, der am Ende dieses Zeitraums für alle dann im Dienst befindlichen Lehrerinnen und Lehrer wieder in Vollbeschäftigung mündet. Das sollte über ein System von Arbeitszeitkonten geschehen, die in der zweiten Hälfte dieses gesamten Zeitraumes, der absehbar zehn bis zwölf Jahre umfasst, durch Freizeit ausgeglichen werden.
Dass der im Tarifvertrag ausgehandelte Zeitraum von sechs Jahren nicht ausreichen würde, um die Arbeitszeitkonten auszugleichen, war absehbar. Aber die damalige Landesregierung war nicht bereit, längere Verpflichtungen einzugehen. Uns war schon damals klar, dass es nicht funktionieren würde, im Jahre 2003 ausgeglichene Arbeitszeitkonten zu haben, dass vielmehr
ein Anschlusstarifvertrag nötig ist und die Konten in diesen zu überführen sind. In diesem zweiten Tarifvertragzeitraum sollten Lehrerinnen und Lehrer dann schrittweise mehr Vergütung erhalten, als sie arbeiten müssen.
Das wäre nun die Aufgabe dieser Landesregierung. Sie denkt aber offensichtlich über Auszahlungsmodalitäten nach, obwohl das der Landeshaushalt eigentlich verbietet. Allerdings müssen Sie dann auch sagen, was Sie dann mit dem Lehrkräftebestand machen.
Dazu hat Herr Scharf heute deutliche Worte gefunden: Stellenstreichungen sind offensichtlich auch im Bereich von Lehrerinnen und Lehrern vorgesehen. Entsolidarisierung ist angesagt. Sie machen rückwirkend den Effekt des Tarifvertrages zunichte, weil Sie alles, was Sie aus politischen Gründen nicht teilen, einfach zur Disposition stellen. Ich hoffe, die Lehrerverbände haben genau zugehört.
Um eines kommen Sie aber dennoch nicht herum: Gleich welches Verständnis von Arbeitsplatzsicherung Sie haben, verantwortlich sind Sie für eine angemessene Unterrichtsversorgung.
Also gleich welches Verständnis Sie von Arbeitsplatzsicherung haben, verantwortlich sind Sie für eine angemessene Unterrichtsversorgung. Der noch laufende Tarifvertrag berief sich auf Bedarfsprognosen aus dem Jahre 1995. Ihren verschiedentlich gemachten Äußerungen darf man entnehmen, dass Sie Ihren Maßstab am Durchschnitt der alten Bundesländer ausrichten wollen.
Maßstab für den Lehrkräftebedarf können aber nur pädagogisch begründete Rahmenbedingungen sein, die ein Land garantieren will. In den alten Ländern ist dabei in den letzten Jahren viel Schindluder getrieben worden. Das ist allgemein bekannt. Da wurden Klassenfrequenzen erhöht, da wurden die Pflichtstundenzahlen heraufgesetzt, und erst als gar nichts mehr ging, begann man einzustellen.