Protokoll der Sitzung vom 20.06.2002

Zum anderen würde eine Neufassung des öffentlichen Auftrags, wie sie insbesondere durch die angehörten Verbände vorgeschlagen wurde, praktisch zu einer Aufgabenerweiterung der Sparkassen führen. Es würden zusätzliche Belastungen der Sparkassen gesetzlich fixiert. Dies würde es den Sparkassen nur schwerer machen, sich den Anforderungen des Wettbewerbes zu stellen, und das müssen sie.

Dies gilt insbesondere für Sparkassen in SachsenAnhalt, die sich wie das ganze Land in einer äußerst

schwierigen wirtschaftlichen Situation befinden. Auch die Sparkassen müssen ihre Erträge steigern und auch die Sparkassen müssen Kosten senken, wenn sie im Wettbewerb bestehen sollen.

Mit dem Sparkassenänderungsgesetz, das im Jahr 2001 verabschiedet wurde, besteht im Übrigen bereits heute die Möglichkeit, bei betriebswirtschaftlich gesunden Sparkassen einen Teil des Jahresüberschusses an den Gewährträger - in der Zukunft muss es natürlich heißen: an den Träger; es gibt dann ja keinen Gewährträger mehr - auszuschütten. Eine weitere Belastung der Sparkassen mit sachfremden Aufgaben, die die betriebswirtschaftliche Rentabilität im Extremfall gefährden könnten, ist deshalb nicht zu rechtfertigen.

Aus diesen Gründen sind fast alle Bundesländer dem Vorschlag des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes gefolgt und haben auf eine Neuformulierung des öffentlichen Auftrags verzichtet. Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf beabsichtigt die Landesregierung auch in Sachsen-Anhalt entsprechend zu verfahren.

Sehr gehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie, beide Gesetzentwürfe für die weitere parlamentarische Behandlung in den Finanzausschuss zu überweisen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich danke dem Minister der Finanzen und eröffne die Debatte der Fraktionen in der genannten Reihenfolge. Zuerst wird Frau Abgeordnete Dr. Weiher für die PDSFraktion sprechen. Frau Dr. Weiher, ich bitte Sie nach vorn.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn Sie gestatten, Frau Präsidentin, beginne ich meine Rede mit einem Zitat:

„Der Weg ist nun frei, um das deutsche Haftungssystem für öffentlich-rechtliche Kreditinstitute mit den Bestimmungen des EG-Vertrages über staatliche Beihilfen in Einklang zu bringen und somit eine seit langem bestehende Wettbewerbsverzerrung im Kern des deutschen und europäischen Finanzsystems zu beseitigen.“

So lauteten Kommissar Montis Worte nach der offiziellen und endgültigen Zusage der deutschen Bundesregierung, der Vereinbarung über die Haftungsformen Gewährträgerhaftung und Anstaltslast öffentlich-rechtlicher Kreditinstitute endlich nachzukommen.

Zwei Jahre lang wurde intensivst verhandelt. Zwei Jahre lang wurde vonseiten der Bundesregierung und der Länder versucht, das Problem der staatlichen Beihilfen mit den Wettbewerbsbedingungen auf europäischer Ebene kompatibel zu machen - vergeblich; auch nach zwei Jahren zeigt sich, dass Montis Meinung über Beihilfen und Wettbewerb in Europa maßgebend ist und die Bundesregierung mitsamt den Ländern den Kürzeren zieht.

Die Entscheidung sieht im Wesentlichen vor, die Gewährträgerhaftung zu streichen, die Anstaltslast zu ersetzen und die Sparkassengesetze bis Ende des Jahres 2002 anzupassen. Einziger Kompromiss auf dem Wege zu normalen Kreditinstituten ist eine relativ lange Übergangszeit bis zum Jahr 2006.

Noch im Jahr 1997 hatte der Bundesrat in einer Entschließung am 21. Februar festgestellt - ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis -:

„Mit der Bundesregierung sind sich die Länder einig, dass die Struktur öffentlich-rechtlicher Kreditinstitute, insbesondere deren Anstaltslast und Gewährträgerhaftung, nicht durch die Europäische Kommission infrage gestellt werden darf.“

Man war sich zwar einig, aber man war sich wohl nicht mehr sicher, ob es im Rahmen der EU zu einer Sicherung der gültigen Haftungsformen kommen wird.

Vorangegangen war der nun erfolgten endgültigen Entscheidung ein über Jahre anhaltender Prozess von Vorwürfen, Beschwerden und Klagen. Bereits 1994 hatten private Banken eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission eingereicht. Inhalt der Beschwerde war, dass Sparkassen Vermögen als Eigenkapital bezeichneten, welches keines sei oder welches ihnen vom staatlichen Eigentümer zu billig zur Verfügung gestellt würde. Dies würde klar zu einer Wettbewerbsverzerrung führen.

Das Fass zum Überlaufen brachte wohl unter anderem das Gerangel um die ostdeutschen Kunden. Hierbei hatten eindeutig die Landesbanken der alten Bundesländer gegenüber der privaten Konkurrenz die Nase vorn.

So war es wohl nicht verwunderlich, dass gegen die Übertragung von nordrhein-westfälischem Wohnungsvermögen an die WestLB als faktisch kostenlose Kapitalaufstockung und somit illegale Beihilfe aus der Sicht der Banken geklagt wurde. Brüssel erklärte das im Jahr 1999 für nicht vereinbar mit dem bestehenden EUReglement und gab damit den Banken im Wesentlichen Recht. Auch wurde bekannt, dass weitere sechs Landesbanken, darunter interessanterweise auch die NordLB, durch ähnliche Vergünstigungen bereits ins Visier von Kommissar Monti geraten waren.

Doch damit nicht genug. Im Dezember 1999 reichte die Bankenvereinigung der Europäischen Union bei der EUKommission eine Wettbewerbsbeschwerde gegen drei öffentlich-rechtliche Kreditinstitute ein. Diese richtete sich genau gegen die Bestandsgarantien Anstaltslast und Gewährträgerhaftung. Damit stand das gesamte öffentlich-rechtliche Bankensystem am politischen Pranger.

Um es ganz nüchtern zu sagen: Einigen privaten Großbanken war und ist das System der Sparkassen lästig. Das Ziel war es, es zu zerschlagen und übernahmereif zu machen.

Wie wichtig aber für Menschen, für Kommunen, für Unternehmen, für Kultur, Sport und anderes mehr gerade Sparkassen sind, ist bereits in der Plenardebatte im September 2001 zu dem Antrag der PDS-Fraktion mit dem Titel „Sparkassen und Landesbanken bald private Kreditinstitute?“ deutlich geworden. Ich kann mich mit einigen Fakten und Zahlen kurz fassen.

In Deutschland existiert ein fast flächendeckendes Netz von etwa 20 000 Filialen. Der Unterschied zu den knapp 7 600 Filialen von Privatbanken ist deutlich. Etwa 300 000 Beschäftigte und Auszubildende sind in Sparkassen tätig. Damit gehören Sparkassen zu den größten Arbeitgebern in ihren Regionen und sie zahlen Gewerbesteuer - in Ostdeutschland besonders wichtig!

Jeder zweite private Haushalt hat als Hausbank eine Sparkasse. Etwa 80 % aller Sozialhilfeempfänger unterhalten ihr Girokonto bei einer Sparkasse. Darunter sind

viele Menschen, denen von anderen Institutionen das heute fast lebensnotwendige Konto verweigert wird.

Der Kern des öffentlichen Auftrages, den Sparkassen haben, ist die Präsenz in allen Regionen und Kundengruppen, sagt das Bundesfinanzministerium. Diese wenigen Worte machen den Unterschied zu Privatbanken deutlich.

Darüber hinaus ist ein ganz wichtiger Punkt die Unterstützung der regionalen Wirtschaft, insbesondere der kleinen und mittleren Unternehmen, die in Ostdeutschland überwiegen und für viele private Großbanken eben gerade nicht kreditwürdig sind. Das heißt, viele kleine Unternehmen hätten gar keine Chance, sich am Markt zu behaupten oder eine Krise durchzustehen, wenn sie nicht in Sparkassen vor Ort Unterstützer ihrer Ideen gefunden hätten.

Wir brauchen unsere Sparkassen, um den Menschen unabhängig vom Geldbeutel die Teilnahme an Finanzdienstleistungen zu ermöglichen. Wir brauchen die Sparkassen weiter als öffentlich-rechtliche Institutionen mit dem klaren Auftrag, hier im Land die vielen kleinen und mittleren Unternehmen bei der Kapitalaufnahme zu unterstützen und Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum zu ermöglichen.

Das trifft auf einer etwas anderen Ebene natürlich auch für die Landesbanken zu. Auch sie erfüllen in erster Linie als Sparkassenzentralbank und Staatsbank der Bundesländer, in denen sie tätig sind, einen wichtigen öffentlichen Auftrag. Sie helfen, etwas platt gesagt, die Arbeit der öffentlichen Hand zu finanzieren, kommunalnahen Unternehmen günstige Kredite zu verschaffen und eine Brücke zu internationalen Finanzmärkten zu schlagen.

Sparkassen und Landesbanken spielen eine überaus wichtige Rolle im Gesamtgefüge der Daseinsvorsorge. Und damit will ich einen Punkt ansprechen, der uns zunehmend Sorge bereitet.

Wir müssen mit der Entscheidung zur Kenntnis nehmen, dass die Grundlage des bisherigen Sparkassensystems, die den Sparkassen die Wahrnehmung ihrer Aufgabe in diesem Umfang bisher erst ermöglichte, der EU-Kommission nicht passt. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass sie genügend Gründe findet, das Problem staatlicher Beihilfen für öffentlich-rechtliche Kreditinstitute auf ihre Art zu lösen.

Einer der Gründe besteht darin, dass die Kommission gegen alle Formen staatlicher Beihilfen etwas tun will, die nach ihrer Auffassung nicht dem EU-Recht entsprechen - und derer gibt es viele in Deutschland, die nicht in das Muster von Monti passen, aber für das Zusammenleben in den Kommunen unverzichtbar sind.

Das Stichwort Daseinsvorsorge ist bereits gefallen. Dazu gehören unter anderem Leistungen des Personennahverkehrs, Wasser, Abwasser, Müllentsorgung, Energie, Beratungsangebote, Kultur, Sport und eben auch Sparkassendienste - Leistungen, die allen Bürgerinnen und Bürgern dienen und zu erschwinglichen Preisen allen zur Verfügung stehen sollten, Leistungen, die vorrangig von Kommunen verantwortet und ausgestaltet werden.

Die Angst, dass nach der Liberalisierung der Energie- und Strommärkte nach und nach andere Bereiche der rigiden Durchsetzung des europäischen Beihilferechts unterliegen könnten, ist nahe liegend. Stephan Articus, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, hat

diese Angst am 6. Juni dieses Jahres in der „Welt“ so formuliert:

„Erst Sparkassen, dann Busse und Bahnen, dann Wohlfahrtspflege und demnächst Wasserwerke, Kultur oder Sport. Brüssel macht das scheibchenweise.“

Mario Monti hat sich bereits eine Liste aller staatlichen Beihilferegelungen in Deutschland geben lassen und wird diese sehr sorgfältig durchforsten; da bin ich mir ganz sicher.

Nach dem Scheitern der Forderung der Bundesländer nach einem umfassenden Bestandsschutz für ihre öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute wird deutlich, dass es um mehr geht als um die Abschaffung von Gewährträgerhaftung und Anstaltslast. Sicher stehen wir heute in der Pflicht - und wir werden es auch tun -, Landesrecht dem europäischen Recht anzupassen. Aber wir stehen auch in der Pflicht, die Diskussion über solche Grundsatzfragen wie: „Inwieweit dürfen Bund, Länder und Kommunen öffentlich-rechtlichen Unternehmen beispringen, weil sie Aufgaben der Daseinvorsorge übernehmen? Muss sich öffentliche Daseinsvorsorge dem Diktat des Wettbewerbs beugen?“, öffentlich zu führen und dies nicht allein der Entscheidung von Bundesregierung und EU-Kommissar für Wettbewerbsfragen zu überlassen.

Herr Professor Paqué, auch wir wollen die europäische Integration. Aber wir wollen sie nicht nur unter wirtschaftlichen Aspekten und nur unter dem Gesichtspunkt des ausschließlichen Wettbewerbs, sondern auch in sozialer Hinsicht. Wir wollen eine Integration der Menschen, der Kommunen, der Länder und nicht nur der Konzerne und Großbanken.

(Beifall bei der PDS)

Zum Staatsvertrag über die NordLB nur zwei Anmerkungen. Das nachträgliche Abnicken eines bereits unterzeichneten Staatsvertrages ist hoffentlich einmalig und möglicherweise dem Termindruck geschuldet. Interessanter wäre es für uns gewesen zu erfahren, wie die Landesregierung entsprechend ihrer Koalitionsvereinbarung die NordLB neu strukturieren will. Hierbei würden wir dann doch gern als Abgeordnete von unserem Recht Gebrauch machen, vor der Unterzeichnung über Inhalte mitzubestimmen.

(Beifall bei der PDS)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Dr. Weiher. - Für die FDP-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Dr. Hüskens. Frau Dr. Hüskens, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Anlass der heutigen Befassung mit dem Staatsvertrag über die NordLB und mit der Änderung des Sparkassengesetzes ist einzig und allein das Verfahren der EU gegen die Sparkassen und Landesbanken. Die EU betrachtet die Anstaltslast und die Gewährträgerhaftung als unzulässigen Wettbewerbsvorteil. Dies ist in den langwierigen Verhandlungen zwischen der Bundesrepublik und der EU deutlich gemacht worden und die Bundesregierung musste letztlich in diesen Punkten nachgeben. Man kann das bedauern, aber es ist nun einmal in einer Partnerschaft so, dass man auch einmal in ein

zelnen Punkten nachgeben muss, die einem nicht so gefallen.

Die dabei ausgehandelten Eckwerte sind in die vorliegenden Gesetzentwürfe aufgenommen worden. Beim Staatsvertrag sind gleichzeitig die bisher nebeneinander bestehenden Staatsverträge und die Regelung des niedersächsischen Gesetzes zusammengeführt worden. Ich denke, dies dient auch der Übersichtlichkeit und Transparenz der Regelungen.

Beim Sparkassengesetz wurde der Wunsch nach der Erweiterung des öffentlichen Auftrages nicht berücksichtigt, und dies aus gutem Grund; denn die Sparkassen sind Wirtschaftsunternehmen, und ich denke, sie sollten sich auf diese Kernaufgabe konzentrieren. Ich halte ein bindendes Engagement für regionalpolitische, soziale und kulturelle Bereiche nicht für sinnvoll. Das spricht nicht gegen ein freiwilliges Engagement - das ist in der Vergangenheit durchaus häufig praktiziert worden -, wenn die Erträge der Sparkassen dies zulassen.

Die vorgelegten Gesetzentwürfe enthalten all die Punkte, die derzeit rechtlich zu regeln sind. Die Schaffung einer Mittelstandsbank, wie von der FDP häufig gefordert, ist allerdings unabhängig von den derzeit erforderlichen Änderungen zu klären und zu beraten.

(Herr Bullerjahn, SPD: Ich denke, das ist erle- digt?)

Ich beantrage für die Fraktion der FDP die Überweisung in den Finanzausschuss und außerdem in den Innenausschuss.

(Zustimmung bei der FDP und von der Regie- rungsbank)