Protokoll der Sitzung vom 11.12.2003

Sehr geehrte Kollegen! Werter Herr Präsident! Ich will als vermutlich letzter Redner unserer Fraktion etwas zu den finanzpolitischen Aussagen des Landeshaushaltes sagen. Ich werde mich insofern wirklich darauf konzentrieren, was wir sachlich in diesen mehreren hundert Seiten Papier eigentlich vorliegen haben, und werde mich nicht in gleicher Art und Weise wie Herr Tullner über die Form der Auseinandersetzungen im Ausschuss auslassen.

Es gibt zwei wesentliche Kritikpunkte, die bei Einzelplan 13 aus unserer Sicht angepackt werden müssten. Das ist zum einen die These: „Dieser Landeshaushalt ist ein Landeshaushalt der Konsolidierung.“ Die zweite These ist: „Bei den Kommunalfinanzen ist alles gleich geblieben.“

Ich komme zu der ersten These, der sehr mutigen These meiner Meinung nach, dass wir es mit einem Konsolidierungshaushalt zu tun haben. Ich frage mich: Welches sind die Maßstäbe dieser Landesregierung, um einen Haushalt „Konsolidierungshaushalt“ nennen zu können? Im Normalfall wäre ein Kriterium zumindest eine deutliche Absenkung der Nettoneuverschuldung im Vergleich zu den Vorjahren.

Da müssen wir uns einfach einmal die Realität anschauen. Wir haben, so der Minister heute Morgen, eine Nettoneuverschuldung von 949 Millionen € in diesem Haushaltsplan 2004, so der Haushalt nicht noch defizitärer abläuft, als er jetzt geplant ist.

Dazu sage ich ganz deutlich: Das ist die zweithöchste Neuverschuldung, die dieses Land - zumindest seit 1994 - erlebt. Die höchste Neuverschuldung hatten wir im Jahr 2002 mit dem Nachtragshaushalt. Das ist die zweithöchste Neuverschuldung und da finde ich es ausgesprochen mutig, von Konsolidierung zu reden.

(Beifall bei der PDS und bei der SPD)

Aber die These der Landesregierung geht dann weiter, weil auch sie an diesem Faktum nicht vorbeikommt, und sie sagt: Schon, aber wir hätten konsolidiert, wenn... Hinter diesem „Wenn“ folgen verschiedene Anstriche.

Der erste Anstrich ist der der Arbeitszeitkonten der Lehrer. Also: Wir hätten konsolidieren können, hätten wir nicht diese 260 Millionen € auszahlen müssen. - Nun muss man sicherlich fairerweise dazu sagen, dass die

Nettbelastung des Haushalts 2004 mitnichten 260 Millionen € beträgt, sondern sie beträgt 200 Millionen €, weil wir auch im Haushaltsjahr 2004 entsprechend dem Plan eine Verschiebung von Lasten in die Zukunft insoweit vornehmen, als nämlich die Sozialbeiträge für den Monat Dezember 2004 für die Angestellten erst im Januar 2005 gezahlt werden sollen und deswegen nicht geplant sind.

Darüber hinaus gibt es weitere Elemente in diesem Landeshaushalt, die Kosten in die weitere Zukunft verlagern, etwa Einsparungen im Bereich der Personalkosten in Höhe von 30 Millionen € - allein 27 Millionen € davon im Bildungsbereich - durch Verbeamtungen.

Nun kann der eine oder andere Finanzunkundige fragen: Was haben Verbeamtungen mit der Erhöhung der Lasten in der Zukunft zu tun? - Darauf gibt es eine einfache Antwort: Diese knapp 30 Millionen €, die wir jetzt an Sozialversicherungsbeiträgen sparen, werden in Zukunft die Pensionskosten und Versorgungskosten dieses Landes darstellen.

(Zustimmung von Herrn Reck, SPD, von Frau Bull, PDS, und von Herrn Czeke, PDS)

Das heißt, das, was uns bezüglich der Lehrerarbeitszeitkonten vorgeworfen wird, wird in einer anderen Art und Weise in diesem Landeshaushalt, nämlich durch Verbeamtung, realisiert.

(Herr Scharf, CDU: Ist doch Quatsch!)

- Ist es eben nicht, Herr Scharf, auch wenn es Ihnen nicht gefällt.

Wir haben eine weitere Umstellung, die Lasten aus dem aktuellen Haushaltsplan in die Zukunft transferiert, und zwar indem wir bei investiven Maßnahmen, vor allen Dingen im Baubereich, immer stärker auf Investoren- oder PPP-ähnliche Modelle umsteuern. Das bedeutet: Wir haben zwar jetzt keine Ausgaben für den Staatshochbau im engeren Sinne, aber wir mieten Gebäude über 20, 25 Jahre an und legen somit Zukunftsbelastungen, die im Endeffekt betriebswirtschaftlich ähnlich wie eine Nettoneuverschuldung wirken, fest.

Wenn ich also auf Lasten, die aus der Vergangenheit resultieren, hinweise und sie zur Entschuldigung meiner Nettoneuverschuldung heranziehe, dann muss ich auch auf Entlastungen, die ich jetzt schaffe und die in Zukunft wieder Belastungen sein werden, hinweisen und sie gegenrechnen. Dann relativiert sich dieses Wenn.

Dann gibt es ein zweites Wenn: Ja, wir hätten konsolidiert, wenn wir nicht Steuerausfälle in Höhe von 360 Millionen € gehabt hätten. - Richtig. Aber wir sagen auch: Diese Steuerausfälle in Höhe von 360 Millionen € sind keine Naturkatastrophe. Sie sind nicht gottgegeben, sondern sie sind Auswirkungen politischer Aktivitäten in dieser Bundesrepublik und sie sind Ergebnis politischen Handelns eben auch dieser Landesregierung.

Wir haben selbstverständlich die Auswirkungen der Unternehmenssteuergesetze und der Einkommensteuergesetze seit 1999 zu verzeichnen - das ist klar. Aber es gibt auch den, wenn auch verschämten, Versuch aus Berliner Sicht, diese negativen Auswirkungen abzumildern, zum Beispiel im Interesse der Kommunen durch die Einführung einer Gemeindewirtschaftssteuer, die die Bemessungsgrundlage verbreitert.

Wir wissen, wie die Landesregierung dazu steht: Sie will dies verhindern. Also sollte man sich anstelle des Fi

nanzministers nicht über Mindereinnahmen in Höhe von 360 Millionen € in diesem Land beklagen; vielmehr muss man sich die Frage gefallen lassen: Was hat das Land dafür getan, diesen Betrag in Höhe von 360 Millionen € nicht als Negativeinnahme verbuchen zu müssen?

In dem Augenblick, in dem wir alle Wenns beiseite wischen, sehen wir, dass dieser Haushaltsplanentwurf nichts mit Haushaltskonsolidierung zu tun hat, höchstens mit einer virtuellen Haushaltskonsolidierung, einer Haushaltskonsolidierung, die unter dem Vorzeichen eines „Wenn“ steht.

Zweitens zur Verfassungsgemäßheit. Jawohl, Herr Lukowitz, wir bezweifeln die Verfassungsgemäßheit dieses Haushalts, und zwar weil nicht entscheidend ist, welcher Plan aufgestellt wird und wie hoch die darin veranschlagten Investitionsmittel und die Schulden sind, sondern weil - dies betonte der ehemalige Chef des Landesrechnungshofs immer wieder - die Durchführung entscheidend ist.

Wir haben bei den kommunalen Zuweisungen bei insgesamt absinkender Masse - dazu komme ich gleich noch - eine erneute Erhöhung der investiven Zuschüsse zu beobachten, die sich das Land wiederum als eigenfinanzierte Investitionen anrechnet, um damit die verfassungsgemäße Obergrenze für die Nettoneuverschuldung nach oben zu schrauben.

Wir wissen aber schon, dass unter den jetzigen Bedingungen eine Reihe von Kommunen diese investiven Zuweisungen überhaupt nicht mehr investiv einsetzen kann. Es ist überhaupt nichts Mutiges dabei zu prognostizieren, dass das im nächsten Jahr noch viel weniger der Fall sein wird. Das bedeutet, wir wissen genau, ein Teil dieser Investitionen wird in die Verwaltungshaushalte zurückgebucht werden. Das bedeutet, dass man diese Zuschüsse eigentlich nicht unter dem Aspekt der eigenfinanzierten Investitionen berechnen dürfte. An der Stelle wäre die verfassungsgemäße Obergrenze tatsächlich berührt.

Es ist unsere Aufgabe - wir werden sie hier erfüllen -, dies deutlich auszusprechen und nicht so zu tun, als könne man sich mit Wunschdenken über diese Tatsachen hinwegsetzen. Trotzdem sagen wir: Es ist vollkommen richtig, dass wir, wenn wir die Verantwortung für diesen Haushalt hätten, nicht zwingend in einer anderen Situation sein würden; denn die Realeinnahmen und die notwendigen Ausgaben, die wir realisieren müssen, um die Zukunft dieses Landes zu sichern, befinden sich in einer sehr großen Disparität. Dies ist allerdings in der Tat nicht allein Ihre Schuld.

Einige Faktoren, die als Haushaltskonsolidierung bewertet werden, sind es wert, etwas näher beleuchtet zu werden. Wir haben zum Beispiel das große Problem oder den großen Brocken beim Personalabbau. Die Zahl von 2 500 Stellen ist noch einmal genannt worden.

Wenn wir mittelfristig und langfristig über die Zukunft dieses Landes nachdenken wollen und müssen, dann muss man konstatieren, dass etwa zwei Drittel des angestrebten Personalabbaus nur aufgrund der radikal sinkenden Schülerzahlen in den Schulen Sachsen-Anhalts möglich wird. Das heißt, etwa 1 500 Stellen werden im Haushaltsjahr 2003 in diesem Bereich abgebaut.

Man kann sich die Frage stellen: Wie ist das möglich? - Das ist nur möglich, weil wir so radikal sinkende Schülerzahlen haben. Aber man muss sich auch die Frage stellen: Was bedeuten diese radikal sinkenden Schüler

zahlen für die Zukunftsfähigkeit dieses Landes? - Dazu muss man deutlich sagen: An der Stelle sind wir zwar in der Lage, Personalausgaben zu reduzieren, aber die Ursache dafür ist nicht eine steigende Effizienz im Bereich des Landespersonals, sondern vielmehr eine extrem traurige demografische Entwicklung, die die Zukunftsfähigkeit dieses Landes substanziell infrage stellt.

Ein letzter Aspekt zu den Investitionen in diesem Land. Jawohl, Herr Paqué, Sie haben eine interessante Diskussion aufgenommen - ich betone: aufgenommen, nicht angestoßen -,

(Herr Bullerjahn, SPD: Die gibt es schon lange!)

die wir seit 1990 geführt haben, und zwar über die Frage: Was ist als Investition und damit als verschuldungsrelevant zu bewerten? Wir sagen dazu ausdrücklich: Wir stützen Ihre Position. Investitionen in Bildung und Forschung sind allemal wichtiger und oftmals für die Zukunft relevanter als Investition in Beton. Das ist absolut korrekt.

Aber wenn Sie diese Position vertreten, dann fordern wir die Landesregierung und speziell Sie als Finanzminister auf, die Ausgabenkürzungen im Bereich von Kindergärten, von Schulen und von Hochschulen neu zu bewerten. Wenn Sie selbst sagen, das seien Investitionen in die Zukunft, dann verträgt sich das nicht mit der Politik der Landesregierung.

(Zustimmung bei der PDS - Herr Schröder, CDU: Die höchsten Ausgaben!)

Lassen Sie mich am Ende noch ein Wort zu den Kommunalfinanzen sagen. Nein, wir ändern das Finanzausgleichsgesetz an der sensible Stelle der Verteilungsquoten nicht. Aber trotzdem ist es so, dass die Kommunen im Jahr 2003 gegenüber dem beschlossenen Haushaltsplan Mittel in Höhe von knapp 70 Millionen € mehr bekommen haben. Die Frage, woher diese Mittel kommen, ist eine interessante Angelegenheit für Insider, aber für einen Außenstehenden kaum zu erklären.

Wir haben darüber hinaus die Situation, dass im Rahmen der Haushaltsberatungen für das Jahr 2003 zusätzlich Mittel in Höhe von 28 Millionen € zusammengekehrt worden sind, die über das FAG ausgereicht werden. Wir haben des Weiteren die Situation, dass im Jahr 2003 sage und schreibe Mittel in Höhe von 36 Millionen € aus der IfG-Abwicklung an Kommunen geflossen sind.

Wir haben demgegenüber die Situation, dass die Kommunen in diesem Jahr aufgrund der Veränderung in Bezug auf die Krankenhausumlage einen Betrag in Höhe von 10 Millionen € mehr zu bezahlen haben, und wir haben eine unbestimmte Schwungmasse im Bereich der Grundsicherung. All dieses verschärft - mit Ausnahme der Krankenhausumlage - ausdrücklich das Problem der kommunalen Haushalte, und zwar ohne dass wir irgendwelche Gesetze ändern. Das ist einfach so. Das muss man zur Kenntnis nehmen.

Vor diesem Hintergrund wird die Diskussion über die Gemeindefinanzreform extrem spannend. Wir unterstützen ausdrücklich die Ansätze zur Gemeindefinanzreform, die jetzt wenigstens als Teillösung vonseiten der Bundesregierung und der Bundeskoalition vorgeschlagen worden sind. Man kann und man wird auch darüber nachdenken müssen, inwiefern wir im Jahr 2004 notgedrungen die Umsatzsteueranteile zugunsten der Kommunen verändern.

Mir ist jedoch heute überhaupt nicht klar geworden, welche Position denn nun die Koalition dazu vertritt. Der Ministerpräsident hat gesagt, das wäre einer der Notlösungswege für die nächsten ein, zwei Jahre. In einer der letzten Debatten hat Herr Paqué dazu gesagt: Eine Verbesserung der kommunalen Einnahmesituation auf Kosten des Landes wird es nicht geben dürfen. Dasselbe hat Herr Lukowitz heute auch noch einmal gesagt: Eine Verschiebung zwischen Bund, Land und Kommunen, bei der dem einen etwas weggenommen wird, um es den Kommunen zu geben, kommt nicht infrage. - Das sind widersprüchliche Positionen.

In diesem Zusammenhang stelle ich mir die Frage: Welche Haltung wird diese Landesregierung denn nun im Bundesrat letztlich vertreten? Entweder besorgen wir über die Gemeindewirtschaftsteuer neues Geld - das ist seitens der Koalition abgelehnt worden - oder wir verteilen um - das ist von Ihnen abgelehnt worden. Vor diesem Hintergrund stellt man sich letztlich die Frage: Welche Lösung haben Sie, um die desolate Situation bei den Kommunen, die durch die Zuführung aus dem Landeshaushalt noch einmal verschärft worden ist, zu relativieren? Ich habe sie nicht gehört und ich befürchte, Sie haben sie auch nicht. - Danke.

(Zustimmung bei der PDS)

Vielen Dank, Herr Gallert. - Die PDS-Fraktion hat jetzt noch minus 36 Sekunden Redezeit.

(Heiterkeit)

Nun bitte Frau Dr. Hüskens für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Landtag von Sachsen-Anhalt beschließt heute einen verfassungskonformen Haushalt. Vor Jahren wäre das noch selbstverständlich gewesen und jeder hätte gefragt: Warum erzählt ihr uns das?

(Herr Bullerjahn, SPD: Da haben ja wir reagiert!)

Heutzutage ist das in der Bundesrepublik Deutschland ein Ergebnis, mit dem Sie sich unter Finanzpolitikern in den anderen Bundesländern durchaus sehen lassen können;

(Herr Bullerjahn, SPD: Klasse!)

denn die wenigsten Bundesländer schaffen es in diesem Jahr, einen verfassungskonformen Haushalt aufzustellen. Demzufolge, Herr Gallert, denke ich schon, dass dies ein Ziel ist, auf dessen Erreichung wir stolz sein können.

Wir erfüllen zumindest teilweise, anders als auf der Ebene der Bundesregierung, unsere Hausaufgaben in Sachen Maastricht-Kriterien. Dort wurde ein Haushalt mit einer Neuverschuldung in Milliardenhöhe vorgelegt.