Protokoll der Sitzung vom 11.12.2003

(Herr Gallert, PDS: Ja!)

wir sollten uns schämen, unsere Probleme zulasten unserer Kind und Kindeskinder zu lösen. Das trifft aber auf jede Neuverschuldung zu, auch auf die, die wir jetzt machen sollen. Deswegen sind die Gedanken, die uns vorgetragen werden, unlogisch.

Es wird noch schlimmer: Der Herr Bundeskanzler hat in seiner aus meiner Sicht bedeutenden Rede am 14. März dazu Stellung genommen und hat deutlich gesagt: Das werden wir nicht tun. Er hat deutlich gesagt - Sie können das alles nachlesen -: Es wird im Jahr 2004 ein Entlastungsvolumen in Höhe von 7 Milliarden € aufgrund der bisherigen Gesetzgebung und ab 1. Januar 2005 ein Entlastungsvolumen in Höhe von ca. 18 Milliarden € infolge der dann geplanten Steuerreform zu verzeichnen sein; mehr ist nicht zu verkraften.

Er sagte weiter, er lasse sich das Vorziehen der Steuerreform nicht einreden - ich könnte das alles vorlesen, aber Sie können es selbst nachlesen -; denn beide Wege zur Kompensation, eine Erhöhung einer Verbrauchssteuer, in diesem Fall der Mehrwertsteuer, oder eine Verschuldung in dieser Größenordnung, seien nicht zu verantworten.

(Zuruf: Hört, hört!)

Deshalb bleibe es bei den Festlegungen, die wir getroffen haben. Das sei für die Steuerbürgerinnen und -bürger und für die Unternehmen planbar. Das sei der richtige Weg. - So die Worte des Bundeskanzlers.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Merz, Herzog haben Sie zugestimmt!)

- Moment, so weit sind wir noch nicht.

Herr Ministerpräsident, sind Sie bereit, eine Frage zu beantworten?

Am Ende.

Am Ende, Herr Gallert.

Ich muss wenigstens noch etwas sagen dürfen, damit Sie es sich auf der Zunge zergehen lassen können, Herr Püchel.

(Heiterkeit)

Das ist die Meinung des Bundeskanzlers, zugegebenermaßen vom 14. März dieses Jahres.

(Herr Gürth, CDU: Das ist keine lange Zeit!)

Ich teile diese Meinung in wesentlichen Punkten. Nun wirft mir der Vorsitzende der Oppositionsfraktion Herr Dr. Püchel in der Zeitung vor, meine Haltung werde parteipolitisch bestimmt und bedeute einen Schaden für das Land Sachsen-Anhalt. Ich plappere also bloß dem Bundeskanzler nach. Das soll parteipolitisch bestimmt sein und einen Schaden für das Land Sachsen-Anhalt bedeuten?

(Heiterkeit und lebhafter Beifall bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank)

Bitte werfen Sie mir nicht auch noch vor, dass der Bundeskanzler seine Meinung so schnell ändert, dass er für seine eigenen Leute nicht mehr berechenbar ist.

(Heiterkeit und lebhafter Beifall bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank)

Wir werden - nun wird es wieder etwas ernster - in den nächsten Tagen tatsächlich in Bezug auf eine Reihe von schwierigen Problemen entscheiden müssen. Vor allen Dingen ist es mir wichtig, dass wir eine Lösung für die kommunale Finanzsituation finden.

Die Bundesregierung bietet Steuererhöhungen im Bereich der Gewerbesteuer, die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage und die Ausdehnung auf die Freiberufler usw. an. Das würde in den Kontext des Vorziehens der Steuerreform passen. Das eine ist eine höhere Steuerbelastung, das andere ist eine gewisse Entlastung und am Ende soll Wirtschaftswachstum herauskommen. Ich bin noch nicht davon überzeugt, dass das der richtige Weg ist.

Aber es gibt einen anderen Vorschlag, den die Mehrheit der Länder unterbreitet hat, der darauf abzielt, eine Übergangslösung zu finden, bis eine ordentliche Steuerreform kommt, die wir in Deutschland brauchen - das ist unstrittig -, also eine Notlösung für ein oder zwei Jahre, die vorsieht, dass Umsatzsteuerpunkte von Bund und Ländern zugunsten der Kommunen umverteilt werden.

(Zuruf von der PDS)

Wenn eine solche Lösung kommt - das sage ich ganz deutlich -, werde ich mich einer Zustimmung nicht entziehen; denn die Kommunen brauchen Hilfe.

(Beifall bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank)

Aber das bedeutet, dass wir in unseren Haushalt ein Loch reißen müssen; denn dann haben wir Mindereinnahmen. Ich bin noch nicht sicher, inwieweit es Mehrheiten für Kompensationsmechanismen geben wird. Ich halte zum Beispiel das Vorziehen oder das Abschaffen der Halbjahres-AfA für eine zumutbare Entscheidung, die wenigstens für ein Haushaltsjahr eine deutliche Entlastung für die öffentlichen Haushalte bringen würde.

Es gibt einige andere Probleme, zu denen die Meinungsbildung noch stattfindet. Ich denke, dem Steuerbürger muss so viel zugemutet werden, dass für die öffentlichen Haushalte, die wir uns verpflichtet haben vorzuhalten und zu finanzieren, damit die Gesellschaft handlungsfähig bleibt, das notwendige Geld zusammenkommt - nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Der Rest sollte über Impulse in der Wirtschaft kommen. Bis dahin gebe ich Ihnen gern Recht. Aber solange wir ein Steuersystem haben, das 160 Gestaltungslöcher hat und aus dem man sich herausmogeln kann, müssen wir - so bin ich der Meinung - erst einmal über grundsätz

liche Reformen des Steuerrechts reden, bevor wir über Wirtschaftsimpulse und -effekte durch Steuersenkung nachdenken.

(Lebhafter Beifall bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank - Zustimmung bei der PDS)

Das sind die Aufgaben, vor denen wir jetzt stehen. Dass die Situation bei uns in Sachsen-Anhalt nicht einfach ist, ist deutlich genug gesagt worden. Ich kann, aber muss dies an dieser Stelle nicht wiederholen. Ich hoffe, dass es uns gelingt, in dieser Zeit politisch Kurs zu halten, und dass wir uns nicht treiben lassen von denjenigen, deren einzige eigene Leistung darin besteht, nach dem Geld anderer Leute zu schreien.

(Zustimmung von Herrn Kolze, CDU)

Wir können uns aber auch nicht von denjenigen treiben lassen, die mit populistischen Parolen einer Boulevardzeitung versuchen, uns in die Überschuldung zu treiben. Dann wären wir nicht mehr gestaltungsfähig. Dazwischen muss unser Weg liegen. Ich hoffe, dass es immer eine Mehrheit dafür gibt, diesen Weg verantwortungsbewusst zu gehen. - Vielen Dank.

(Starker Beifall bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank)

Herr Ministerpräsident, Sie wollten eine Frage beantworten. - Herr Gallert, Sie haben jetzt das Wort.

Ich wollte die Kollegen ausklatschen lassen. Sie haben sonst so wenig Gründe dafür.

(Heiterkeit bei der PDS)

Herr Böhmer, Ihre kritische Auseinandersetzung mit dem aktuellen Steuersenkungspopulismus war im Vergleich zu dem, was man sonst in diesem Land hört, ausgesprochen wohltuend. Ich frage Sie ausdrücklich: Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund die vollständige Zustimmung innerhalb Ihrer Partei zum Merz’schen Steuerkonzept, welches der Bundesrepublik eine Unterdeckung zwischen - je nach Berechnungsmethode - 25 und 40 Milliarden € bringt?

Herr Gallert, ich erwarte nicht, dass Sie bei Reden, die auf einem CDU-Parteitag gehalten werden, aufmerksam zuhören, obwohl es Ihnen gut täte.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Aber das, was dort vorgetragen wurde, ist nichts anderes als ein Steuerkonzept, das bestimmte Prinzipien festlegt und von dem wir alle wissen, dass es noch nicht die Fassung ist, die in die Gesetzgebung eingehen wird. Das haben Parteitage so an sich. Das ist bei Ihnen nicht anders als bei uns.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Herr Dr. Püchel, SPD: So ernst kann man Ihre Be- schlüsse also nehmen!)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jetzt stünde uns noch eine große Rede von Herrn Tullner bevor.

(Heiterkeit - Unruhe)

Sie wissen, wie sehr es die Parteien schätzen, im Block noch vor der Mittagspause zu reden. Aber da wir bereits Hunger haben,

(Herr Bullerjahn, SPD: Er kann doch trotzdem re- den!)

wollen wir die Großzügigkeit von Herrn Tullner, der gern bereit ist, auch nach dem Mittagessen zu reden, nicht enttäuschen. Ich schlage Ihnen deshalb vor, dass wir eine Mittagspause bis 14.30 Uhr einlegen. - Herzlichen Dank.

Unterbrechung: 13.39 Uhr.

Wiederbeginn: 14.35 Uhr.

Meine Damen und Herren! Es ist das eingetreten, was zu befürchten war, aber jetzt nicht mehr zu ändern ist. Ich eröffne mit fünf Minuten Verspätung den zweiten Teil unserer Sitzung. Der Dank des Hohen Hauses für Ihr Verständnis, Herr Tullner, ist schon ausgesprochen worden. Ich kann mich dem nur noch einmal anschließen. Ich erteile Ihnen das Wort für die CDU-Fraktion. Bitte schön.

(Herr Gallert, PDS: Herr Tullner, wir hören Ihnen zu!)