Menschen vor Alkoholmissbrauch zu schützen beispielsweise hat natürlich ein enormes Gewicht. Trotzdem bedarf das wiederum unterschiedlicher Strategien - das Stichwort „soziale Ungleichheit“ ist gefallen -; denn es ist ein Unterschied, ob ich einen Sozialhilfeberechtigten, der leider einen Großteil seines Lebens an der Kaufhalle
verbringt, für dieses Problem aufschließen will oder ob ich das mit einem Workaholic tun will, der den Umfang seiner Arbeit nur noch mit Alkohol bewältigt. Es ist völlig richtig, Menschen innerhalb ihrer Lebensbereiche anzusprechen. Dem kann man nur zustimmen.
Meine Damen und Herren! Eine letzte Bemerkung. Der sozialpolitische Teil der Antwort auf diese Große Anfrage ist, mit Verlaub, ein Spiegelbild der Sozialpolitik dieser Landesregierung: Lax, oberflächlich, und ich werde das Gefühl nicht los, so richtig geheuer ist Ihnen Sozialpolitik nicht.
Wir haben im vergangenen Jahr an dieser Stelle über den Armuts- und Reichtumsbericht Sachsen-Anhalt diskutiert. Die Zahlen waren damals aus dem Jahr 1998. Wir haben jetzt das Jahr 2004, 2003 ist also abgeschlossen. Wenn ich den Dialog der fragestellenden SPDFraktion mit der Landesregierung vorlesen würde, meine Damen und Herren, müssten Sie feststellen, dass das kabarettreif ist.
Der Ministerpräsident dieses Landes kündigt ein sozialpolitisches Gesamtkonzept an. Die SPD-Fraktion fragt: Welche Auswirkungen leitet die Landesregierung für die zukünftigen Anforderungen an die Gesundheits- und Sozialpolitik in Sachsen-Anhalt, beispielsweise für das sozialpolitische Gesamtkonzept, aus den Analysen ab? Als Antwort steht dort: siehe Antwort zu Abschnitt III Frage 2.1, meine Damen und Herren. Unter der Antwort zu Abschnitt III Frage 2.1 steht: Haben wir nicht, kriegen wir nicht. Kriegen wir erst in der nächsten Legislaturperiode.
Das halte ich, wie gesagt, für ein Spiegelbild der Sozialpolitik dieser Landesregierung und angesichts der Gesundheits- und Sozialreformen, die real sind und die zu erwarten sind, für schlichtweg eine Katastrophe. Entwaffnende, gähnende Leere!
Geehrter Herr Präsident! Meine Herren, meine Damen! Die Beantwortung dieser Großen Anfrage, die aus 85 Einzelfragen besteht, ist quasi eine Beanstandsaufnahme von ausgewählten Bereichen der Gesundheits- und Sozialpolitik in Sachsen-Anhalt. Natürlich kann auch ich in zehn Minuten nicht erschöpfend zu allen 85 Fragen Auskunft geben. Deshalb bin ich froh, dass zum Beispiel das Jahr der Menschen mit Behinderungen schon abgehandelt wurde. Auf Fragen des Rettungsdienstgesetzes wird unter einem anderem Tagesordnungspunkt dieser Landtagssitzung noch eingegangen werden.
Als erstes möchte auf die Fragen zu den Gesundheitszielen eingehen. Dabei sollen auch die bislang weniger motivierten Bevölkerungsgruppen erreicht werden und soll durch Gesundheitsaufklärung, Bildung und Erziehung auf den Lebensstil eingewirkt werden. Zu sehen sind dabei zum Beispiel Bewegungsmangel, falsche Ernährung oder der Gebrauch von Suchtmitteln. Die Kampagne „Vorsorgen - Gesundheit für Sachsen-Anhalt“ ist
Erfreulicherweise ist festzustellen, dass das Gesundheitsziel „Senkung der Säuglingssterblichkeit auf Bundesdurchschnitt“ erfüllt ist. Die Säuglingssterblichkeit in Sachsen-Anhalt ist seit 1999 unter den Bundesdurchschnitt gesunken. Im Jahr 2000 lag sie bei 411 auf 100 000 Geburten; der Bundesdurchschnitt beträgt 426.
Die fünf weiteren Gesundheitsziele wurden neu justiert. Dazu gehört unter anderem die „Erreichung eines altersgerechten Impfstatus bei über 90 % der Bevölkerung“. Bei Keuchhusten und Masern zum Beispiel wurde das Ziel schon bei den Schuleingangsuntersuchungen erreicht. Nachholbedarf gibt es ganz klar bei Hepatitis B. Die Steigerung im Durchimpfungsgrad von 4,9 auf 53,3 % ist zwar beachtlich, vom gewünschten Ergebnis aber noch weit entfernt.
Auch bei der Verwirklichung eines anderen Gesundheitsziels, der „Reduzierung des Verbrauchs und der Auswirkungen des Konsums legaler Suchmittel“, ist noch viel Arbeit zu leisten. Besorgnis erregend ist zum Beispiel, dass seit 1998 die Zahl der rauchenden Schwangeren konstant bei 16 % liegt. Deshalb und auch wegen des hohen Anteils rauchender Jugendlicher begrüßt die CDU-Fraktion ausdrücklich die „Rahmenempfehlung zur Raucherentwöhnung“, die als erste zwischen Ministerium, der Landesstelle gegen Suchtgefahren und den Krankenkassen vereinbart und unterzeichnet worden ist. Auf die zu erwartenden Erfolge sind wir gespannt, und wir überlegen, wie wir weiterhin und besser präventiv tätig sein können.
Ein weiterer Punkt, den ich herausgreifen möchte, ist die Krankenhausplanung. Die Zielstellung des Landes bleibt unverändert - die qualitativ und quantitativ angemessene Versorgung unserer Menschen mit Krankenhausleistungen. Allgemein ist zu sagen, dass durch bessere Behandlungsmöglichkeiten und technischen Fortschritt in der Medizintechnik die Verweildauer in den Krankenhäusern deutlich gesunken ist. Gleichzeitig werden aber mehr Krankheiten erkannt, was zu höheren Fallzahlen führt.
Die Landesförderung für Krankenhäuser hat sich nach Investitionsspitzen zwischen 1995 und 2001 auf ca. 150 Millionen € pro Jahr stabilisiert. Die Pauschalförderung haben wir von 706 € je Platz im Jahr 2000 auf 1 911 € im Jahr 2003 fast verdreifacht.
Ein wichtiges Kriterium für die Krankenhausplanung ist die Trägervielfalt. Während im Jahr 1991 mehr als drei Viertel aller Krankenhäuser in öffentlicher Hand waren, verzeichnen wir jetzt einen immer höheren Anteil an freien und gemeinnützigen Trägern.
Die jährliche Krankenhausplanung anhand der Betten war überarbeitungsbedürftig. Die Auslastung der Krankenhäuser war die Maßzahl für das geplante Jahr. Dieser falscher Anreiz, das Krankenhaus möglichst hoch auszulasten, wird in der künftigen Planung keine Rolle mehr spielen.
Nach dem Bundesgesetz führt auch Sachsen-Anhalt Fallpauschalen ein. Dabei stützt sich das Land auf das Rüschmann-Gutachten, welches dem Land SachsenAnhalt eine sehr gute Umsetzung der Schwerpunktvorgaben bescheinigt. Bestandteil der weiteren Planung bleiben jedoch die Standorte, die bettenführenden Fachrichtungen sowie die Ausbildungsstätten. Die Rahmenvereinbarungen für die Krankenhausplanung werden
künftig durch Leistungs- und Qualitätsvereinbarungen umgesetzt. Die Leistungsvereinbarung für DRGs erfolgt jährlich.
In einem weiteren Punkt meiner Ausführungen will ich - wie bereits Minister Kley - auf den Grad der Versorgung mit Ärzten im ambulanten und stationären Bereich eingehen. Grundlegend ist dabei die Frage: Wie viel Arzt braucht der Menschen?
Wir wissen, dass beispielsweise im stationären Bereich und im Rettungswesen viele Arztstellen nicht besetzt sind, und wir wissen nach einem knappen Monat Wirksamkeit des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung: Auf jeden Fall brauchen wir mehr Hausarzt. Er hat im jetzigen Gesundheitsrecht eine Schlüsselstellung, da er vor einer Überweisung zum Facharzt aufgesucht werden muss. Deshalb erwarten wir für diese Ärztegruppe eine steigende Fallzahl.
Wie sieht die Situation bei der Hausarztversorgung in Sachsen-Anhalt konkret aus? Wir wissen zum Beispiel, dass in den Landkreisen Stendal und Sangerhausen die Medien von einem Hausarztproblem sprachen. Im Land sind rund 1 600 Allgemeinärzte tätig. Bei einem angesetzten Schlüssel von 2 000 Bürgern auf einen vollbeschäftigten Hausarzt scheint diese Zahl in Ordnung zu sein.
Besorgnis erregend wird es aber, wenn wir das Alter dieser Gruppe betrachten. Zirka 27 % aller Hausärzte sind 60 Jahre alt und älter; Allgemeinmediziner in Sachsen-Anhalt sind durchschnittlich 52 Jahre alt. Der Nachwuchs fehlt bzw. steht für den genannten ambulanten Bereich nur in unzureichendem Umfang zur Verfügung.
Jährlich schreiben sich bei uns rund 200 Medizinstudenten ein; davon erlangen 41 die Approbation. Wie viele von diesen in der Medizin tätig und dann auch in Sachsen-Anhalt bleiben, ist ungewiss. Regional betrachtet wird die hausärztliche Versorgung insbesondere im ländlichen Raum problematischer. Einige Beispiele dafür habe ich genannt. Wirklich stabil ist und bleibt die Lage nur in den Städten Halle und Magdeburg.
Meine Damen und Herren! Wie viel Arzt braucht der Sachsen-Anhalter? - Beispielsweise in Bezug auf den Hausarzt - das scheint uns das größte Sorgenkind zu sein - lassen die Zahlen erkennen, dass gehandelt werden muss. Die Kassenärztliche Vereinigung SachsenAnhalts hat bereits erste Maßnahmen ergriffen. Sie bietet in Sicherstellungspraxen Mindestumsatzgarantien in Höhe von 39 000 € pro Quartal. Diese Praxen wurden im „Ärzteblatt“ bundesweit ausgeschrieben.
Mit der Gründung eines Fördervereins zur Errichtung eines Lehrstuhls für Allgemeinmedizin soll die Ausbildung des Nachwuchses in diesem Bereich forciert werden. Ärzte werden außerdem in die Initiative „Ego“ einbezogen. Nicht zu vergessen sind die Praxisbörse, Existenzgründerseminare und Kontakte zu den betroffenen Kommunen. All diese Maßnahmen haben bisher nicht oder noch nicht zu messbaren Verbesserungen geführt.
Zum Thema Hausärztemangel gab es in Sachsen-Anhalt viele Untersuchungen und unterschiedliche Meinungen. Die KBV sah vor zwei Jahren einen beginnenden Mangel. Das Wissenschaftliche Institut der Ortskrankenkassen nimmt an, dass unsere Hausärzte bis zu einem Alter von 68 Jahren arbeiten werden, und sieht demzufolge nur einen Ersatzbedarf von 140 Ärzten. Demgegenüber errechnete die Kassenärztliche Vereinigung einen Ersatzbedarf von 771 Ärzten.
Wir finden, der Streit über die Frage, ob wir einen Ärztemangel haben oder nicht, muss endlich beendet werden. Nur so können wir konkrete Handlungsschritte ableiten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Kley hat in seinem Beitrag darauf hingewiesen, dass aus der Antwort der Landesregierung Akzente und Ziele für die Landespolitik in den Bereichen Gesundheits- und Sozialpolitik hervorgehen. In Bezug auf die Akzente kann ich mich Ihrer Aussage durchaus anschließen. Ziele sind in der Antwort der Landesregierung leider nicht zu erkennen.
Ich will das an ein paar Beispielen festmachen. Sie haben gesagt, bei der Pauschalfinanzierung im Krankenhausbereich habe die Landesregierung im Jahr 2003 erstmals einen Aufwuchs zustande gebracht. Das ist richtig. Aber in 2004 ist es schon wieder abwärts gegangen. Was ist also das Ziel der Landespolitik in den nächsten Jahren? Wird es eine Wellenbewegung geben oder geht es jetzt in diesem Bereich wieder kontinuierlich abwärts? Das ist offen geblieben.
Sie haben zum Thema der Einrichtung eines Lehrstuhls für geriatrische Versorgung nicht Stellung genommen. Dazu gibt es einen Landtagsbeschluss. Sie haben in Ihrer Antwort gesagt, um diesen habe sich die Landesregierung nicht gekümmert. Ich denke, es muss mit den Universitäten zusammen darüber diskutiert werden, ob es möglich ist, im Rahmen der Umgestaltung der medizinischen Fakultäten in diesem Bereich einen Akzent zu setzen. Der Akzent muss durch die Universitäten selbst kommen. Aber die Anregung sollte nicht nur aufgrund des Landtagsbeschlusses, sondern auch vonseiten der Landesregierung ausgehen.
Ein zweiter Komplex bezieht sich auf die örtliche und die überörtliche Sozialhilfe. Sie haben sich im Gegensatz zu unseren früheren Beschlüssen statt in Richtung Kommunalisierung zur Zentralisierung bewegt und haben Beschlüsse dazu gefasst. Die zentrale Zusammenfassung von örtlicher und überörtlicher Sozialhilfe besteht seit dem 1. Januar 2004.
Aber das Ziel, insbesondere auf örtlicher Ebene die Versorgung von Menschen mit Behinderung und anderen Bedürftigen mit ambulanten Angeboten verbessern zu wollen, wird überhaupt nicht klar. Mit welchen Maßnahmen, mit welchen strukturellen Entscheidungen wollen Sie sich diesem Ziel nähern? Wie wollen Sie, ohne dass im Landeshaushalt irgendeine finanzielle Vorsorge zu diesem Komplex getroffen wurde, überhaupt ein solches Ziel erreichen? Das ist völlig unklar.
Punkt 3 - Stichwort Verwaltungsreform. Sie haben zu diesem Punkt nichts gesagt, Herr Minister - wahrscheinlich aus gutem Grund; denn es ist offensichtlich, dass Sie, nachdem wir vor mehr als zwei Jahren einen gan
zen Katalog mit Aufgabenfeldern verfasst haben, der in dem Bereich der Gesundheits- und Sozialpolitik kommunalisiert werde kann, bis jetzt erst ein oder zwei derartige Aufgaben umgesetzt haben. In diesem Bereich ist also im Wesentlichen seit zwei Jahren Stillstand eingetreten, was erklärlich ist; denn Sie haben die Gebietsreform auf Eis gelegt und das macht sich auch in diesem Bereich als außerordentlich schädlich bemerkbar.
Die Aufgabenkataloge zur Kommunalisierung oder auch zur Abstimmung mit anderen Ländern wie Thüringen und Sachsen werden laufend auf und wieder zu gemacht und es kommt nicht zu einer soliden Lösung, die für uns und für die Bediensteten in den verschiedenen Verwaltungen überschaubar ist und die dann auch noch einen praktischen Effekt bringt, der nach vorn weist.
Als vierter Punkt ist das sozialpolitische Gesamtkonzept anzuführen. Herr Minister, die Tatsache, dass Sie diesem Thema heute nicht einmal einen Nebensatz gewidmet haben, empfinde ich als Affront gegenüber dem Ministerpräsidenten.
Das ist eine derartige Armutsbilanz eines ganzen Jahres, das ist für uns nahezu unfassbar. Offensichtlich gibt es überhaupt keine Vorstellungen davon, wie ein sozialpolitisches Gesamtkonzept unter Ihrer Ägide aussehen kann, obwohl ich es für notwendig erachtete, dass wir derartige Vorstellungen einmal diskutieren können.
(Herr Gürth, CDU: Sie haben acht Jahre nur Flickwerk präsentiert, ohne Konzept! - Weitere Zurufe von der CDU - Zuruf von Herrn Kosmehl, FDP)