Protokoll der Sitzung vom 04.03.2004

Eine wirkliche Innovation wäre es, das Geld in die Bildungsangebote der Kindertagesstätten zu stecken, meinethalben in Computer, in Bücher, in kreatives Spielzeug, in freundliche Räume usw.

(Widerspruch bei der CDU)

Dann hätten Sie uns aus gutem Grunde an Ihrer Seite. Ich finde, Sie sollten jetzt langsam mit dem Nachdenken zu Ende kommen, etwas Konkretes vorlegen, und das möglichst im Ausschuss.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung bei der SPD)

Danke, Frau Bull. - Meine Damen und Herren! Für die Landesregierung hat nunmehr der Minister für Gesundheit und Soziales Herr Gerry Kley um das Wort gebeten. Bitte sehr, Herr Minister.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Bull, ich muss gestehen, ich lebe mit meiner Frau ordentlich verheiratet und mit den Kindern zusammen. Ich habe auch nicht vor, mich jetzt zu verändern.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Für das Protokoll!)

- Für das Protokoll sei das festgehalten. - Das ist also keine plurale Lebensform. Ich hoffe, ich darf trotzdem mit Ihnen noch weiter über diese Themen reden.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Un- ruhe bei der PDS)

Zu der Frage des Landeserziehungsgeldes liegt eine Kleine Anfrage vor, die wir auch beantworten werden. Ich möchte der Antwort nicht vorgreifen, ansonsten würde es niemand mehr lesen und es wäre schade um die Arbeit an dieser Stelle. Aber zu den beiden Anträgen, die uns im Einzelnen vorliegen.

Sozialpolitik betrifft letztlich jeden Bürger und berührt uns unmittelbar: zum einen, indem wir soziale Leistungen in Anspruch nehmen, und zum anderen, indem wir über Steuern, Abgaben, so genannte Lohnnebenkosten oder andere Quellen zur finanziellen Sicherstellung und Gewährleistung dieser sozialen Leistungen deutlich beitragen.

Die Sozialpolitik fällt - darauf wurde vorhin schon verwiesen - in die Zuständigkeit des Bundes, der Länder und der Gemeinden, ist also nicht nur auf einer Ebene abzuhandeln. Die maßgeblichen rechtlichen Bedingungen werden dabei jedoch durch den Bund gesetzt, der über die konkurrierende Gesetzgebung die wesentlichen Kompetenzen auf diesem Gebiet an sich gezogen hat. Die Länder sind über den Bundesrat und über die Ausführung der Bundesgesetze als eigene Angelegenheit beteiligt und die Umsetzung vor Ort geschieht vielfach durch die kommunalen Gebietskörperschaften.

Angesichts der faktischen Übermacht des Bundes bei der Gesetzgebung und der relativ leichten Durchsetzbarkeit seiner Vorstellungen insbesondere auch bei Einspruchsgesetzen können die Länder etwa im Rentenbereich zwar ihre Vorstellungen einbringen, diese letztlich aber nur mit Unterstützung der Bundesregierung auch durchsetzen. Gleiches gilt für den Teilbereich des Gesundheitswesens.

Dort, wo die Zustimmung der Länder zu Gesetzesvorhaben zwingend erforderlich ist, sind die Einwirkungsmöglichkeiten der Länder besser, allerdings auch mit der Gefahr verbunden, dass man sich letztlich auf einen relativ kleinen gemeinsamen Nenner einigt.

Diese Rechtslage ist bei allen Überlegungen für sozialpolitische Konzeptionen zu berücksichtigen. Die Länder können eigene Schwerpunkte nur im Rahmen des ihnen überlassenen oder verbliebenen Gestaltungsspielraumes setzen. Dies haben wir im Bereich der Gesundheitspolitik in den letzten Jahren durchaus an einigen

Stellen wahrgenommen. Beispielsweise erfolgt die stationäre Versorgung unserer Bevölkerung in modernen Krankenhäusern auf hohem Niveau.

Im Bereich der Eingliederungshilfe sind erhebliche Anstrengungen unternommen worden, um die Betreuung unserer älteren und behinderten Mitbürger im Respekt vor ihrer Menschenwürde und ihrer Lebensleistung deutlich zu verbessern. Wir haben bessere Möglichkeiten für eine adäquate Betreuung in Alteneinrichtungen, Heimen und Werkstätten für behinderte Mitmenschen, aber auch für die Betreuung unserer Kinder und Jugendlichen geschaffen.

Wir werden unter Berücksichtigung der immer knapper werdenden Finanzmittel, aber vor allem auch aus eigener Überzeugung in nächster Zeit darauf hinwirken, dem Gedanken „ambulant vor stationär“ und der Hilfe zur Selbsthilfe verstärkt Geltung zu verschaffen.

Wir werden mit der gerade vom Landtag beschlossenen Zentralisierung sozialhilferechtlicher Aufgaben bei der Sozialagentur bessere Steuerungsmöglichkeiten für eine bedarfsgerechte Versorgung unserer hilfebedürftigen Mitbürger und Mitbürgerinnen erlangen. Die Gewährung von Leistungen der ambulanten und stationären Betreuung wird damit mit Blick auf den individuellen Bedarf und die Lebensqualität erfolgen und zu einer gerechten Verteilung der Ressourcen führen.

Gemeinsam mit den Kommunen und mit der Arbeitsverwaltung müssen wir der vom Bundesgesetzgeber vom Jahr 2005 an gewollten Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe entsprechen. Wir begleiten derzeit diesen Prozess intensiv. Welche Auswirkungen sich daraus speziell für die kommunalen Gebietskörperschaften ergeben, ist gerade in finanzieller Hinsicht noch nicht endgültig abgeklärt; aber diesem Bereich ist von seinen Auswirkungen her vor allem mit konzeptionellen Überlegungen weiterhin intensiv Aufmerksamkeit zu widmen.

Lassen Sie mich an dieser Stelle gleich noch zu dem PDS-Antrag überleiten, der von der Landesregierung fordert, ein familienpolitisches Konzept vorzulegen. Wie Sie wissen, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist die Familienpolitik eine Schwerpunktaufgabe der Landesregierung in dieser Legislaturperiode. Bereits in der Koalitionsvereinbarung und in der Regierungserklärung ist die besondere Bedeutung der Familie betont worden. Der Wunsch, in einer Familie zu leben, hat nach wie vor bei der Mehrzahl der Menschen, vor allem der jungen Frauen und Männer, in unserem Lande einen hohen Stellenwert. In der Familie werden Werte gelebt und vermittelt.

Mit der zunehmenden Komplexität der Lebensbedingungen und Chancen hat sich allerdings auch die Vielfalt der Familienformen entwickelt, wie Frau Bull eben noch einmal betont hat. Auch die Vorstellungen, wie Partnerschaft und Familienleben gestaltet werden, sind sehr verschieden. Familien sind überall dort, wo es Verantwortungsgemeinschaft mit Kindern gibt.

Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung wird es immer wichtiger, Bedürfnisse von Familien rechtzeitig zu erkennen und familienfreundliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Einige statistische Zahlen möchte ich an dieser Stelle nennen.

Die Angaben des Statistischen Landesamtes SachsenAnhalt weisen im Mikrozensus 2002 für Sachsen-Anhalt

insgesamt 1 073 900 Familien aus. Davon leben 415 800 Familien mit wenigen Kindern und 658 100 Familien ohne Kinder zusammen. Gegenüber 1991 ist das ein Rückgang von über 70 000 Familien. Die Zahl der allein erziehenden mit wenigen Kindern ist dagegen steigend: von 112 800 im Jahr 1991 auf 133 900 im Jahr 2002.

Insbesondere aber der Geburtenrückgang hat nachhaltige Auswirkungen auf unsere Region. Im Jahr 1990 wurden über 31 000 Kinder geboren; im Jahr 2002 waren es noch ganze 17 600. Das Statistische Landesamt hat ganz aktuell prognostiziert, dass in Sachsen-Anhalt im Jahr 2020 nicht mehr 2,9 Millionen Menschen wie 1990, sondern nur noch etwa 2,05 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner leben werden.

Die Folgen der Bevölkerungsentwicklung in SachsenAnhalt sind gravierend für alle gesellschaftlichen Bereiche. Eine aktive Familienpolitik ist deshalb aktueller denn je notwendig. Die Zustimmung zur Familie ist das Fundament unserer Gesellschaft und sichert auch deren Zukunftsfähigkeit. Es ist ein Konzept notwendig, das zu einer nachhaltigen Verbesserung der Rahmenbedingungen für Familien mit Kindern in unserem Lande führen soll und Anreize für Familien mit Kindern in SachsenAnhalt schafft.

Dieser Schwerpunktaufgabe hat sich mein Haus gestellt und arbeitet bereits aktiv an deren Umsetzung. Entsprechend dem Querschnittscharakter der Familienpolitik erfolgt eine Zusammenarbeit mit den anderen Ressorts der Landesregierung zu den einzelnen familienpolitischen Handlungsfeldern.

Zur Zeitschiene - das haben Sie ja bereits angesprochen -: Es ist beabsichtigt, im zweiten Quartal den Entwurf für ein familienpolitisches Leitbild zu erarbeiten und im vierten Quartal einen Bericht mit den bis dahin erarbeiteten familienpolitischen Vorschlägen durch mein Haus vorzulegen. Darüber hinaus gehe ich davon aus, dass die Ende des Jahres 2004 vorliegende Studie zu Zukunftschancen junger Frauen und Familien in Sachsen-Anhalt weitere Erkenntnisse liefern wird, die in die Entwicklung von familienpolitischen Maßnahmen einzubeziehen sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie sehen bereits aus diesen schlagwortartig skizzierten Themen die Bedeutung, aber auch den Umfang der Aufgaben, die sich uns im sozialen und familienpolitischen Bereich stellen. Wir sind gern bereit, diese Thematik im Einzelnen in den Ausschüssen zu diskutieren. - Danke schön.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Minister, wären Sie bereit, eine Frage der Abgeordneten Frau Fischer zu beantworten? - Bitte sehr, Frau Fischer.

Herr Minister, Sie haben auf die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe hingewiesen. Die Lösung dieses Problems für das Land bereitet auch uns arges Kopfzerbrechen, zumal es drei Modelle gibt, nach denen die Zusammenführung erfolgen kann. Wie begleiten Sie die Berechnungen der Landkreise, die im Moment überlegen, ob sie das Optionsmodell wählen? Welche Zahlen können Sie zur Verfügung stellen? Das wäre meine erste Frage.

Die zweite Frage: Mit welcher Sicherheit können Sie den Landkreisen versprechen, dass Sie auf Landesebene frei werdende Mittel auch nach unten reichen, sodass sie in den Landkreisen zu einer Entlastung führen können?

Vielen Dank, Frau Fischer. Ich glaube, unser kurzer Dialog jetzt ist nicht in der Lage, die Gesamtthematik abzuhandeln. Wie Sie bereits andeuteten, sind die Landkreise im Moment deutschlandweit intensiv dabei, die Kosten und den Nutzen aus dieser Einigung des Vermittlungsausschusses zu errechnen.

Es ist bereits vorab zu konstatieren, dass vorsichtige Schätzungen des Finanzministeriums unserer Landesregierung darauf hinweisen, dass die Gemeinden keinesfalls entlastet werden, sondern dass im Gegenteil zusätzliche Belastungen auf die Kommunen zukommen, und dies auch noch vor dem Hintergrund, dass die Bundesministerin für Familie, Frau Renate Schmidt, nach wie vor verkündet, dass aus den eingesparten Mitteln in Höhe von 4 Milliarden € 1,5 Milliarden € für die Kinderbetreuung verwendet werden sollen. Wir empfinden das als Hohn oder als grobe Unkenntnis.

Trotzdem haben die verantwortlichen Häuser unserer Regierung - also das Wirtschaftsministerium und mein Haus - den Kommunen zugesichert, dass die Mittel, die bei uns dadurch frei werden, insbesondere beim Wohngeld, dazu dienen werden, die den Kommunen aus der Übernahme der Unterkunft und der Heizung entstehenden zusätzlichen Kosten mit zu decken.

Soweit aus der Wahrnehmung des Optionsmodells, das heißt der Übernahme der Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit, Kosten bei den Landkreisen entstehen, ist es natürlich die Verpflichtung der Bundesagentur, diese Kosten zu decken. Das ist eindeutig so festgelegt.

Die Landesregierung Sachsen-Anhalts beteiligt sich intensiv an der gegenwärtigen Erarbeitung eines Gesetzes für dieses Optionsmodell. Es wird Ihnen sicherlich bekannt sein, dass man versucht, einen parteiübergreifenden Konsens zu erzielen, weil es sich hierbei im Wesentlichen um die Wahrnehmung einer Aufgabe handelt und mit Sicherheit nicht in dem Maße um Politik. Nachdem man sich bereits im Vermittlungsausschuss geeinigt hat, sollte es auch hier möglich sein.

Der Streitpunkt ist, nachdem viele Probleme der Abrechnung und der Berichterstattung dort ausgeräumt werden konnten, die Frage: Wie hoch ist die Pauschale und welcher Betrag wird den Landkreisen zur Verfügung gestellt? Diesbezüglich gibt es noch nichts Konkretes. Wir bedauern das sehr.

Wir sehen auch, dass Sachsen-Anhalt Probleme hat mit der Kommunalwahl am 13. Juni 2004 und der Notwendigkeit, bis zum 31. August 2004 zu optieren. Es gibt also auch die Schwierigkeit, dementsprechend Ergebnisse von Berechnungen vorzulegen. Wir unterstützen die Landkreise mit den uns gegebenen Möglichkeiten dabei und versuchen auch, sie vor Gefahren zu warnen. Wir sind ja als oberste Landesbehörde in das Genehmigungsverfahren involviert. Es reicht nicht, wenn der Landkreis nur optiert. Wir sind dabei auch gefragt, sodass wir von Anfang an diesem Prozess beteiligt sein müssen.

Ich bin gern bereit, Ihnen im Ausschuss, wenn sich zu diesem Thema etwas Neues ergeben hat, noch einmal

Bericht zu erstatten. Das wird sicherlich auch im Wirtschaftsausschuss noch einmal notwendig sein, weil auch die Frage der Arbeitslosenbetreuung hierbei eine Rolle spielt. Wir sehen das Thema als sehr ernst an und warnen vor den Gefahren, hoffen aber auch, dass sich auch die Chancen aus diesem Gesetz dann dementsprechend ergreifen lassen.

Vielen Dank, Herr Minister. - Meine Damen und Herren! Wir liegen recht gut in der Zeit. Ich mache Sie deshalb darauf aufmerksam und bitte die Fraktionen, dafür zu sorgen, dass sich die Fragesteller für die Fragestunde eventuell noch vor der Mittagspause bereithalten. Es könnte sein, dass wir die Fragestunde bereits vor der Mittagspause durchführen können. - Vielen Dank.

Meine Damen und Herren! Wir treten nun ein in die Debatte zu den Punkten a und b des Tagesordnungspunktes 3, also über die Anträge der Fraktionen der SPD und der PDS. Die Redezeit beträgt zehn Minuten je Fraktion. - Für die FDP-Fraktion erteile ich der Abgeordneten Frau Seifert das Wort. Bitte sehr, Frau Seifert.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die FDP-Fraktion weiß um die Notwendigkeit eines sozialpolitischen Konzeptes, um soziale Ausgewogenheit und soziale Sicherheit zu schaffen.

Wie bereits in der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion der SPD zu dem Thema „Stand und Perspektiven von ausgewählten Bereichen der Gesundheits- und Sozialpolitik in Sachsen-Anhalt“ in der Drs. 4/1065 zu der Frage 2 dargelegt, soll zum Ende der Legislaturperiode ein sozialpolitisches Gesamtkonzept erarbeitet und durch die Landesregierung vorgelegt werden.

Dieses Konzept wird den Rahmen für die Sozialpolitik der fünften Legislaturperiode des Landtages von Sachsen-Anhalt bilden. Zu gegebener Zeit wird es daher wichtig und notwendig sein, im Ausschuss für Gesundheit und Soziales sowie im Ausschuss für Gleichstellung, Familie, Kinder, Jugend und Sport über den Stand der Erarbeitung des Konzeptes zu berichten. Aus diesem Grund werden wir Ihrem Antrag zustimmen. Eine Diskussion über dieses sehr umfangreiche Thema in den oben genannten Ausschüssen halte ich für notwendig und richtig.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Familie als Lebens- und Erziehungsgemeinschaft ist die wichtigste Gemeinschaft unserer Gesellschaft. Sie bildet die Grundlage für Verantwortungsbereitschaft, für Leistungsfähigkeit und für solidarisches Handeln und ist damit Voraussetzung für unsere Zukunftsfähigkeit.

Die sich verändernden Lebensbedingungen haben auch das Bild der Familienstruktur verändert. Die klassische Familie im Sinne von Vater, Mutter und Kind oder im günstigeren Fall von Vater, Mutter und Kindern ist eine rückläufige Form, die immer mehr durch Ein-ElternteilFamilien, also allein Erziehende, nichteheliche Lebensgemeinschaften, die so genannten Patchwork-Familien oder durch gleichgeschlechtliche Partnerschaften mit Kindern ersetzt wird.

Die Familie mit nur einem Kind ist inzwischen der Regelfall und nicht, wie gewünscht, der Einzelfall. Noch be