Protokoll der Sitzung vom 05.03.2004

Ich bitte daher darum, den Antrag abzulehnen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kolze. - Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Dr. Püchel das Wort.

Verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich am 19. Dezember 1999 mein Leitbild vorstellte, kam nach der Fraktionssitzung ein Kollege zu mir und sagte: Der nächste Innenminister muss aus einer Großstadt kommen. - Ich sage heute: Er hatte Recht. Leider aber kommt der derzeitige Minister aus einem viel kleineren Dorf als ich.

(Heiterkeit bei der SPD - Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

Was Herr Jeziorsky geliefert hat, war wohl eine Selbsttäuschung; denn ich kann mir nicht vorstellen, dass er wirklich daran glaubt. Für mich war das, was Sie gesagt haben, eine Demontage Ihrer Person durch Sie selbst.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS - Zuruf von der CDU: Unsinn!)

Die Demontage hat bei Ihnen schon längst eingesetzt; darauf werde ich noch zu sprechen kommen.

Ich will auf zwei Dinge eingehen, die Sie angesprochen haben.

Sie haben vom Flächenbedarf der Großstädte gesprochen. Es geht jedoch nicht allein um Flächen, sondern es geht um Verflechtungen, Beziehungen zwischen den Städten und dem Umland. Dabei geht es darum, wer wo arbeitet, wer wo zur Schule geht usw. usf. Dabei spielen viele Kriterien eine Rolle.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Dies nur auf Flächen zu reduzieren und den Rest beiseite zu lassen greift zu kurz. Das greift überhaupt nicht.

Es ist gesagt worden, wir hätten nichts gemacht. Herr Gallert, ich habe beim parlamentarischen Abend erst gelächelt. Ich habe nicht gelitten, aber ich habe mich dann geärgert, als der Ministerpräsident sagte, es sei zehn Jahre lang nichts getan worden.

(Ministerpräsident Herr Prof. Dr. Böhmer: Das ha- be ich nicht gesagt! Sie können nicht zuhören! - Beifall bei der CDU)

- Ich wiederhole das, was Herr Gallert gerade gesagt hat. Ich habe mich auf Herrn Gallert bezogen; indirekt auch auf Sie, Herr Ministerpräsident.

Im Jahr 1994 fand die erste Kreisgebietsreform statt. Bis zum Jahr 1994 war die Bildung der Verwaltungsgemeinschaften abgeschlossen. Sollten wir im Jahr 1994, ohne abzuwarten, wie sich alles entwickelt, die nächste

Kreisgebietsreform machen, die nächsten Verwaltungsgemeinschaften bilden?

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Es musste erst einmal abgewartet werden, wie sich die Strukturen entwickeln würden. Es hat sich herausgestellt, dass die Strukturen, die von Ihnen geschaffen worden waren, nicht zukunftsfähig waren. Deswegen haben wir Anfang 1999 damit begonnen, über eine neue Reform im Lande nachzudenken. Ich habe im Frühjahr 1999 die Stabsstelle eingerichtet. Herr Dr. Klang, der sie maßgeblich begleitet hat, sitzt noch hier.

(Zuruf von der CDU)

- Lassen Sie mich einmal ausreden! - Ausgangspunkt war übrigens eine Resolution des Landkreistages von Dezember 1998, in der 19 Landkreise bzw. Landräte eine Gemeindegebietsreform gefordert haben. Nur zwei Landräte waren dagegen; einer von ihnen sitzt wahrscheinlich hier. - Soweit zur Gemeindegebietsreform.

(Zustimmung bei der SPD - Zurufe von der CDU)

Wir haben dann Ende 1999 ein Leitbild vorgelegt, das sich auf die Landesverwaltung, auf die Kreise und auf die Gemeinden bezog. Im darauf folgenden Jahr kam das Erste Vorschaltgesetz; es folgten dann das zweite und das dritte. Es gab klare Fristen und es waren überschaubare Zeiträume. Es war völlig klar, wann welcher Prozess abgeschlossen werden würde. Ich sehe hier keine Zeitverzögerung. Sie allerdings haben alles unterbrochen, indem sie die Gesetze gekippt haben.

(Beifall bei der SPD)

Herr Ministerpräsident, ich weiß nicht, ob Sie dazu noch sprechen werden. Aber ich glaube, nach dem, was ich eben gehört habe, sind Sie mehr gefordert als der Innenminister, uns zu erklären, wie es wirklich weitergehen soll.

(Beifall bei der SPD)

Was die Verflechtungsanalyse angeht, Herr Jeziorsky, so weiß ich nicht, welcher Vermerk das ist. Unterschrieben haben werde ich ihn nicht. Es ist garantiert so gewesen, dass dieser Vermerk zu dem Gutachten geschrieben worden ist; denn wenn ein Gutachter den Auftrag erhält, ein Gutachten zu erstellen - ich weiß nicht, vielleicht sind Sie auch nicht beteiligt; vielleicht läuft es bei Ihnen anders ab -, dann stimmen sich die Beamten mit den Gutachtern ab und verfolgen den Prozess. Sie sagen auch, an welchen Stellen es ihnen zu wenig ist oder nicht oder an welchen Stellen nachgearbeitet werden muss.

Ich glaube, bei Ihnen ist es anders. Das haben wir bei dem Gutachten im Bereich des Finanzministers gemerkt. Der Finanzminister wusste ja noch nicht einmal, dass es Gutachten gibt. Das ist bei uns anders gewesen.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Wenn der Vermerk zum Beispiel von Herrn Fieber unterschrieben worden ist - er ist jetzt Abteilungsleiter in der Staatskanzlei und für die Verwaltungsreform zuständig -, dann fragen Sie ihn, was da genau abgelaufen ist. Er kann es Ihnen genau sagen, weil er sich damals in dieser Sache sehr engagiert hat. So den Fuß etwas in den Raum zu stellen, reicht nicht aus.

Meine Damen und Herren! Die Überschrift des Antrages der PDS vermittelt, dass das Parlament Verantwortung

im Reformprozess wahrnehmen soll. Bei aller Sympathie für diesen Duktus möchte ich sagen: Das Parlament kann seine Verantwortung nur wahrnehmen, wenn zuvor die Landesregierung ihre Verantwortung wahrgenommen hat. Das aber hat sie bisher nicht getan.

(Beifall bei der SPD)

Die Menschen im Lande, die Kommunalpolitiker und auch der Landtag wollen wissen, wo diese Landesregierung hin will. Sie wollen wissen, wie es in diesem Land weitergehen soll. Das haben wir bisher nur sporadisch und tröpfchenweise erfahren. Das reicht nicht aus, um darüber diskutieren zu können. Deswegen fordern wir die Landesregierung auf, endlich ein schlüssiges Konzept vorzulegen. Eigentlich müsste der Antrag die Überschrift haben: „Exekutive Verantwortung im Reformprozess wahrnehmen“.

Natürlich hat die zögerliche Haltung des Böhmer-Kabinetts Gründe. Da gab es - das dürfen wir nicht vergessen, Herr Madl, Herr Jeziorsky, Herr Becker und wie Sie alle heißen - populistische Wahlversprechen im Wahlkampf, die lauteten „Volksabstimmung über die Reformen“ und „Schluss mit den Reformen“.

(Beifall bei der SPD)

Natürlich kamen Sie nicht so schnell davon runter. Sie mussten nach den Wahlen die Versprechen erst einmal einlösen.

(Herr Kolze, CDU: Das darf doch wohl nicht wahr sein!)

Dann gibt es eben - das haben wir heute wieder gemerkt - einen Innenminister, der einer Kreisgebietsreform ablehnend gegenübersteht, der noch im letzten Herbst - das ist in den Zeitungen nachzulesen - gesagt hat: Wir brauchen keine Kreisgebietsreform.

(Zustimmung bei der SPD)

Zwar hat Herr Jeziorsky jetzt seine persönliche Kapitulationserklärung abgegeben, indem er der „MZ“ gegenüber überraschend seine Vorstellungen zur Kreisgebietsreform dargestellt hat. Wahrscheinlich war es eine PRAktion seines Pressesprechers. Der Koalitionspartner FDP warf dem Minister daraufhin allerdings prompt vor, seine Kompetenz zu überschreiten. Ich frage mich: Welche Kompetenz hat er denn sonst, wenn nicht die, so etwas zu entwickeln?

(Zustimmung bei der SPD)

Die Ursache für seinen revolutionären Schritt war wahrscheinlich der Beschluss der CDU auf dem Landesparteitag in Burg. Dort hat sie die Kreisgebietsreform gefordert. Schließlich hatte er 14 Tage vorher noch gesagt, wir bräuchten keine.

(Herr Schröder, CDU: Falsch! - Herr Gürth, CDU: Das ist eine Verdrehung der Fakten!)

Dass er im Denken immer noch Landrat ohne Verständnis für die Probleme einer großen Stadt ist, zeigte kürzlich erst seine freudige Begrüßung - anders kann man es nicht bezeichnen - des Kragenkreises um Halle und die kategorische Ablehnung von Zwangseingemeindungen in das Oberzentrum.

Ziemlich fassungslos - jetzt brauche ich noch nicht einmal uns zu zitieren - reagierten seine Parteifreunde Herr Dr. Bergner und Herr Rauen. Die warfen ihm nämlich auch Inkompetenz vor.

Herr Dr. Püchel, ich muss Sie leider an die Redezeit erinnern. Sie ist abgelaufen.

(Herr Schröder, CDU: Die Zeit ist um!)

- Unsere Zeit kommt wieder, und, wenn Sie so weitermachen, geht es schneller, als Sie denken.

(Beifall bei der SPD - Lachen bei der CDU und bei der FDP - Herr Stahlknecht, CDU: Zeitung le- sen!)