Protokoll der Sitzung vom 02.04.2004

- Natürlich, im Ausschuss.

(Unruhe)

- Verzeihung. Wir können uns über das eine oder andere, was Sie gern wissen wollen, nicht in einer öffentlichen Sitzung unterhalten. Ich kann Ihnen aber eines

sagen: Wir haben in den letzten Monaten - wir waren nicht untätig -

(Zurufe von der SPD: Aha!)

mit den maßgeblichen Leuten gesprochen. Der Ministerpräsident war in Kanada und ich habe in Berlin sehr detaillierte Gespräche geführt. Dabei ist von der Konzernleitung letztlich die Position vertreten worden, dass es aus betriebswirtschaftlichen Gründen leider nicht anders gehe, als Ammendorf zu schließen. Das war deren Position.

Die Alternative wäre, dass man in Aachen ein Werk schließt. In Aachen werden aber die Waggons für die niederländischen Eisenbahnen produziert. Das kann man nicht nach Ammendorf verlagern. Ich möchte das bei diesem einen Beispiel bewenden lassen.

Aber verstehen Sie: Wir sind kein Gremium, das das Recht hätte, sich über die betriebsinternen Dinge eines Unternehmen auszulassen. Der Wirtschaftsministerium wird erst recht nicht diese betriebsinternen Überlegungen im Einzelnen ausbreiten. Dafür gibt es den Aufsichtsrat. Darin ist die Arbeitnehmerseite, die Gewerkschaften vertreten. Dort wird das alles im Detail gemacht.

Gehen Sie bitte von einem aus: Die Landesregierung wird alles in ihrer Macht Stehende tun, um den Standort vernünftig weiterzuentwickeln, sei es in die eine oder in die andere Richtung. Das ist unsere Aufgabe. Die nehmen wir ernst.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Möchten Sie eine weitere Frage beantworten? - Frau Dr. Sitte, bitte.

Ich möchte nur auf den Beschluss des Aufsichtsrats vom Dienstag verweisen. Darin ist ausdrücklich davon die Rede, dass es um ein solides alternatives Konzept zur Weiterführung des Standortes geht. In diesem Aufsichtsratsbeschluss ist ausdrücklich auch davon die Rede, dass es um die Einbindung von externem Sachverstand geht, dass es um die Einbindung von anderen Akteuren geht, die irgendetwas in diesem Prozess unterstützen können. Nun sage ich Ihnen: Dann müssen Sie nach meinem Dafürhalten - Entschuldigung - den Faden aufnehmen und aktiv mit an diesem Strang ziehen. Sie hinterlassen genau den gegenteiligen Standpunkt.

Verehrte Frau Dr. Sitte, es ist nett, dass Sie mir das alles erzählen. Aber meinen Sie, ich brauche Ihre Aufforderung, um mich um diese Dinge zu kümmern?

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Frau Dr. Sitte, PDS: Ja, offensichtlich!)

Das ist doch geradezu lächerlich.

Vielen Dank, Herr Minister. - Meine Damen und Herren! Das Thema Ammendorf berührt uns alle. Auf der Nordtribüne darf ich Gäste begrüßen, die davon unmittelbar

betroffen sind. Das ist der Betriebsrat des Waggonbaus Ammendorf.

(Beifall im ganzen Hause)

Wir setzen die Debatte fort. Für die FDP-Fraktion spricht Herr Dr. Schrader. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Fall Ammendorf ist schlimm und tragisch für die Stadt Halle, für die Region, für das Land und vor allem für Sie als Betroffene. Meine Damen und Herren! Die Proteste und das Bemühen der Beschäftigten sind nachvollziehbar und auch richtig. Ich würde ganz genauso reagieren.

Nicht verständlich ist für meine Begriffe aber, wie durch Teile der SPD-Fraktion falsche Hoffnungen geweckt werden und Parteipolitik auf dem Rücken von Beschäftigten ausgetragen wird.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Herr Dr. Püchel, SPD: Langsam!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Beispiel Ammendorf ist ein typisches Beispiel für die Begrenztheit der Möglichkeiten von Politik und Staat bei einzelbetrieblichen Fällen.

(Frau Dr. Sitte, PDS: Daran können Sie sich wie- der rausreden!)

Das Thema Ammendorf beschäftigt das Land seit Jahren. Im Vorfeld der Landtagswahlen 2002 wurde es zu einem Politikum. Jeder kann sich noch an die Bilder erinnern. Tatsache ist, dass sich im Jahr 2001 abzeichnete, dass dem Werk in Ammendorf die Schließung droht. Zahlreiche Verhandlungen auf Bundes- und Landesebene haben dazu geführt, dass Ammendorf bis 2004 als Produktionsstandort und danach als Servicestandort weitergeführt werden soll. Ganz offensichtlich gab es zum damaligen Zeitpunkt jedoch keine schriftlichen Vereinbarungen zwischen den damaligen Verhandlungspartnern.

Es waren im Wesentlichen zwei Punkte, die zu einer Änderung der damaligen Schließungsabsichten geführt haben. Erstens waren es vom Bundeskanzler in Aussicht gestellte Aufträge der Deutschen Bahn, ein Vorziehen von Zugbestellungen. Eine Reaktion der Bundesregierung ist nicht bzw. im Zuge der Beantwortung einer Kleinen Anfrage erfolgt. Nichts ist diesbezüglich passiert.

Zweitens war es der Verkauf von nicht betriebsnotwendigen Flächen an das Land. Das Land hat die Zusagen eingehalten, die Flächen gekauft und entwickelt sie für neue Arbeitsplätze.

Meine Damen und Herren! Die Aufgabe von Politik und Staat ist es, in der Wirtschaftspolitik zum einen Rahmenbedingungen zu setzen wie Infrastruktur, Förderpolitik, Arbeitsrecht, das Investitionsklima zu entwickeln und sich zum anderen im Rahmen der Möglichkeiten aber auch um Einzelvorhaben zu kümmern.

Bei der Beschaffung von Aufträgen hat der Staat nur begrenzt und immer nur im Rahmen von Ausschreibungsverfahren Einfluss. Das gilt für ein Bundesland bei einem Unternehmen dieser Größenordnung erst recht. Diesbezüglich hat eher der Bund die Möglichkeiten. Dies war auch der Ansatz des Kanzlers im Jahr 2002, Aufträge von der Deutschen Bahn AG zu versprechen. Aber es

muss festgestellt werden: Auch hierbei wäre man um ein Ausschreibungsverfahren und das Vergaberecht nicht herum gekommen.

Aufträge sind in erster Linie am Markt zu akquirieren. Politisch motivierter massiver Subventionseinfluss geht schief in doppelter Hinsicht: Zuerst werden falsche Hoffnungen geweckt; dann ist es eine Frage der Zeit, bis doch geschlossen wird und die Steuermittel sind weg. Das Beispiel Holzmann ist hierfür ein beredtes Beispiel.

Wenn volle Auftragsbücher vorhanden sind, das Unternehmen wettbewerbsfähig ist und momentane Liquiditätsprobleme aufgrund nicht selbst verschuldeter Ursachen herrschen, dann kann und sollte der Staat im Rahmen der Möglichkeiten unterstützen. Dies tut er auch. Das hat die Landesregierung Sachsen-Anhalts zu allen Zeiten in einer Reihe von Fällen getan und sie wird es auch weiterhin tun.

Es gibt jedoch ein Grundprinzip: Dies sollte man nicht auf dem Tablett öffentlich vor sich hertragen. Wenn ein Unternehmen mit Schwierigkeiten in der Presse auftaucht oder nur öffentlich erwähnt wird, dann ist das kontraproduktiv. Alle Wettbewerber und erst recht die Kunden sehen das mit hoher Sensibilität. Guter Wille auch von Gewerkschaften, über Medienpräsenz Hilfe zu bekommen, schlägt oft in das Gegenteil um.

Wenn die Marktlage und die Unternehmensstrategie es nicht hergeben, sind die Möglichkeiten des Staates tatsächlich sehr begrenzt. Die Politik darf nicht Hoffnungen wecken, die nicht erfüllbar sind, sondern sollte und muss sich um realistische Perspektiven kümmern.

Man kann der Landesregierung nicht vorwerfen, sich in den letzten zwei Jahren nicht bemüht zu haben, auf die Unternehmensentscheidung Einfluss zu nehmen. Es wurde eben gerade erwähnt: Auch mit direkten Gesprächen ist das passiert. Man kann es aber nicht auf dem Tablett vor sich hertragen. Genau dann weckt man falsche Hoffnungen bzw. macht bei Wettbewerbern und Kunden darauf aufmerksam. Das wirkt kontraproduktiv.

Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang möchte ich ausdrücklich die sehr sachliche Diskussion vonseiten der PDS-Fraktion im Wirtschaftsausschuss hervorheben, die diese Situation ganz realistisch und nüchtern eingeschätzt hat. Der Wirtschaftsausschuss hat sich massiv für den Erhalt und die Entwicklung des Industriestandortes Ammendorf ausgesprochen; denn man musste nüchtern im Wirtschaftsausschuss feststellen - das haben die Vertreter der PDS-Fraktion dort auch getan -, dass eine Waggonbauproduktion nach der getroffenen Firmenentscheidung wohl keine Zukunft hat. Für den Erhalt des Industriestandortes mit neuen, aber anderen Arbeitsplätzen lohnt es, sich zu engagieren.

Es ist unseriös - ich sage das noch einmal -, auf dem Rücken der Beschäftigten Parteipolitik zu betreiben, indem man falsche Hoffnungen weckt und suggeriert, dass mit der Vergabe von Aufträgen für das Nordharznetz das Unternehmen hätte gerettet werden können.

(Zuruf von Herrn Reck, SPD)

Erstens ruft man damit zum Bruch des Vergaberechts auf und zweitens wären dies Aufträge mit sehr befristeter Laufzeit.

(Zustimmung von Herrn Schröder, CDU)

Man muss realistisch und nüchtern die Situation betrachten und auf dieser Grundlage die weiteren Schritte unternehmen.

Den Waggonbaustandort Ammendorf zu erhalten, hieße, Aufträge in beträchtlicher Größenordnung zu beschaffen, was bei der Marktsituation - Sie wissen das - sehr schwierig ist, oder zu versuchen, das Werk zu verkaufen. Das ist jedoch eine unternehmerische Entscheidung. Es geht um Privatunternehmen und nicht um einen Staatsbetrieb.

Aber man sollte ab sofort alles dafür tun, um den Industriestandort Ammendorf zu erhalten. Die ersten Schritte dazu sind getan. Die nicht betriebsnotwendigen Flächen wurden vom Land erworben, um hier neue Arbeitsplätze zu schaffen. Als nächstes müsste dann die Vermarktung des Areals insgesamt mit einem wirklich guten Konzept angegangen werden. Das Entscheidende ist, dass im Land und in der Region Halle alles dafür getan wird, neue zukunftsfähige Arbeitsplätze zu schaffen. - Danke schön.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zustim- mung von Minister Herrn Dr. Rehberger)

Herr Dr. Schrader, möchten Sie eine Frage beantworten? Frau Grimm-Benne möchte etwas fragen.

Ja, bitte.

Bitte, Frau Grimm-Benne, fragen Sie.

Herr Dr. Schrader, wenn ich Sie richtig verstanden habe, sehen Sie für das Werk in Ammendorf keine richtige Chance mehr. Sie haben gerade davon gesprochen, dass das Land Flächen erworben hat, um den Industriestandort Ammendorf weiterzuentwickeln. Wissen Sie, wie viele neue Arbeitsplätze an diesem Standort mittlerweile geschaffen worden sind?

Frau Grimm-Benne, das kann ich im Moment so direkt nicht beantworten.

Aber Sie haben den richtigen Satz gesagt: Erhalt des Standortes Ammendorf, Erhalt des Industriestandortes Ammendorf. Das ist die entscheidende Lösung, die wir anstreben müssen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zustim- mung von Minister Herrn Dr. Rehberger)