Protokoll der Sitzung vom 02.04.2004

Es war auch einer der Kerngedanken der Reform, dass wir den Hochschulen möglichst viel Freiheit lassen, diese Dinge praxisnah umzusetzen und nicht starr in Strukturen leben zu müssen, die wir ihnen vorgeben.

Wir haben auch im Ausschuss intensiv diskutiert. Wir haben auch heute noch einen Änderungsantrag eingebracht. Deswegen müssten Sie, Frau Kuppe, Ihre Zahlen noch um eins erhöhen. Er betrifft das Landesstudienkolleg. Das ist auch ein Punkt, der uns durch die gesamte Diskussion begleitet hat. Ich hoffe, dass wir mit diesem Antrag eine Regelung gefunden haben, die der Problematik gerecht wird.

Der Ausschuss hat sich über drei Monate lang intensiv mit der Hochschulpolitik befasst. Wir haben sozusagen fast die Schulpolitik blockiert. Aber ich denke, das ist der Bedeutung der Hochschulen durchaus angemessen.

Ich möchte mich an dieser Stelle insbesondere beim Vorsitzenden bedanken, der die nicht immer leichten

Diskussionen sehr stringent und sachorientiert geleitet hat. Ich denke, das sollte an dieser Stelle ruhig einmal lobend erwähnt werden.

(Zustimmung bei der CDU und von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz)

Ich möchte mich zugleich bei den Kollegen der Arbeitsgruppe der CDU-Fraktion, bei der FDP-Fraktion und trotz der polemischen Rede auch bei der Opposition bedanken, weil ich immer noch von dem Gedanken getragen werde, dass wir eigentlich doch, was den Ausschuss angeht, eine sachorientierte und konstruktive Debatte hatten. Das lasse ich mir auch nicht durch solche polemischen Redebeiträge, wie Sie, Frau Dr. Kuppe, einen gehalten haben, kaputtmachen.

(Zustimmung bei der CDU)

Dennoch gab es durchaus einige polemische Ausführungen. Auf eine sind Sie, Frau Dr. Kuppe, eingegangen - die Sprachregelung bezüglich der Geschlechter. Ich muss wirklich sagen: Lassen wir doch bitteschön die Kirche im Dorf. Sie wissen doch genau, was die Intention dieses Antrages war, und Sie wissen auch genau, wie er gemeint war und wie darüber diskutiert worden ist.

Sich nun hierher zu stellen und die Gefahr auszurufen, dass wir sozusagen einen Rückschritt in der Frauenpolitik fabrizieren wollten,

(Frau Bull, PDS: Genau das ist der Fehler!)

das ist doch Unfug. Das ist ideologisch determiniert.

(Frau Bull, PDS: Darum geht es eigentlich!)

Aber wenn Sie einmal sachlich und pragmatisch an die Dinge herangehen, dann wissen Sie ganz genau, dass das nicht stimmt.

(Frau Dr. Kuppe, SPD: Was trauen Sie eigentlich den Frauen Ihrer Fraktion zu?)

Ich bin schon sehr traurig darüber, dass Sie solche Dinge hier artikulieren.

Meine Damen und Herren! Wir haben den Entwurf deutlich verändert. Das ist schon mehrfach berichtet worden. Ich will gar nicht so sehr auf die Einzelheiten eingehen, weil auch die Zeit fortgeschritten ist.

Wir haben die Zielvereinbarungen stärker in den Mittelpunkt der Gesetzesmaterie gestellt. Wir haben die Beteiligung des Parlaments sichergestellt. Wir haben die Kompetenz der Hochschulleitung gestärkt. Wir haben familienfreundliche Komponenten in das Gesetz eingebaut. Wir haben dem wissenschaftlichen Nachwuchs über Tenure-Tracks die Möglichkeit eingeräumt, auch hier die Dinge im Sinne der Juniorprofessur, sofern es von den Universitäten gewünscht wird, zu fokussieren.

Bedauerlich ist natürlich - Sie haben es angesprochen - die Assistentenproblematik. Sie wissen ganz genau, dass eine Übergangsregelung von einem halben Jahr die Dinge überhaupt nicht befördert hätte. Wir müssen alle gemeinsam unterhalb des Gesetzes nach Regelungen suchen.

(Frau Dr. Kuppe, SPD: Die Betroffenen haben es aber gewollt!)

Aber die Verantwortlichkeit Ihrer Partei im Bund hat veranlasst, dass die Dinge jetzt so geregelt sind, dass die jungen Leute im Moment keine Perspektive haben.

Doch, meine Damen und Herren, ich will den Blick auch ein wenig über den heutigen Tag hinaus lenken und ein bisschen in die Zukunft blicken. Wir stehen national und international vor einer großen Diskussion.

Ich erinnere nur an die verschiedenen Klagen vor Verfassungsgerichten zu Studiengebühren, zur Habilitation und auch zur verfassten Studierendenschaft. Wir haben die Diskussion über die Eliteuniversitäten. Wir haben die Föderalismusdiskussion. Es entsteht fast der Eindruck, dass wir einem Reformeifer verfallen sind, der des Guten zu viel ist.

Ich möchte an dieser Stelle auch ganz bewusst sagen: Wir dürfen die Hochschulpolitik nicht allein unter finanzpolitischen Punkten diskutieren.

(Frau Dr. Kuppe, SPD: Das machen Sie doch aber!)

- Lassen Sie mich doch bitte einmal ausreden. - Es ist wahr: Auch die Hochschulen müssen sich für den Einsatz von Ressourcen rechtfertigen. Das ist durchaus wahr.

Aber die Diskussion in Deutschland - in Deutschland, wohlgemerkt - ist doch im Moment von der Intention geprägt, möglichst viele Absolventen zu möglichst geringen Kosten in kürzester Zeit auszubilden. Das kann nicht allein selig machend sein. Das wissen doch alle miteinander. Ich hoffe, dass wir wenigstens hierzu den Konsens haben, Frau Dr. Kuppe, den Sie an anderer Stelle infrage gestellt haben.

Ich möchte einfach noch einmal unsere Definition der Schlüsselkompetenzen mit der von Fichte dokumentieren, der dazu mal geschrieben hat: „Die höhere Gelehrtenschule zeichnet sich aus durch die Kunst der Kritik, des Sichtens, des Scheidens des Wahren von Falschem,... des Nützlichen vom Unnützen und das Unterordnen des Minderwichtigen unter das Wichtige.“ - Ich denke, das ist eine der Kernaussagen, was die akademische Ausbildung angeht, und die sollten wir uns nicht kaputtreden lassen innerhalb der Diskussion, die wir in Deutschland im Moment führen.

(Zustimmung bei der CDU)

Was war denn der Sinn der Humboldt’schen Reformidee? Humboldt hat die Berliner Universität als Neugründung ins Leben gerufen, die von den drei großen Prinzipien „Autonomie der Hochschule“, „akademische Freiheit als Voraussetzung für wissenschaftliches Arbeiten“ und „Einheit von Lehre und Forschung“ geprägt war. Das ist doch sozusagen der Kerngehalt, von dem wir uns immer wieder leiten lassen. - Die rote Lampe blinkt, ich komme deswegen zum Ende, Herr Präsident.

Ich meine, das alles sollte uns doch darin bestärken, dass wir sinnvolle Reformen an den Universitäten und Hochschulen in unserem Land weiterführen müssen. Das heißt, dieses Gesetz ist nur ein Zwischenschritt. Wir müssen, wenn die bundespolitischen Rahmenbedingungen sich ändern, was wohl sehr wahrscheinlich ist, zu anderen Regelungen kommen. Aber davor sollten wir uns nicht scheuen; denn ich denke - das zeigt auch ein Blick in die Geschichte -, Hochschulen wie andere Bereiche des gesellschaftlichen Lebens, die nicht bereit sind, sich reformieren zu lassen, oder Gesellschaften, die nicht bereit sind, Reformen durchzuführen, die werden scheitern. Das wollen wir alle miteinander doch nicht.

Deshalb kann ich nur an Sie appellieren: Lassen Sie uns gemeinsam an diesem Ziel arbeiten, und bitte keine populistischen Beiträge, Frau Dr. Kuppe, wie Sie einen gehalten haben. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Tullner. - Für die PDS-Fraktion spricht nun Frau Dr. Sitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der ursprüngliche Gesetzentwurf hat, was ungewöhnlich ist, zwei Anhörungen gebraucht. Die erste, elf Stunden lang, war durchgängig kritisch. Die zweite Anhörung hatte dann nur noch Änderungen zu bewerten, die in einer ersten Beratung im Ausschuss in Aussicht genommen worden waren.

Im Vorfeld und parallel zu den Beratungen liefen umfangreiche Proteste, an denen sich Tausende beteiligten. Es gab unzählige kritische Stellungnahmen, Briefe und Mails erreichten uns en masse, und viele, viele Einzelgespräche wurden geführt. Sie betrafen unter anderem die Einschnitte in die demokratische Verfasstheit, bezogen auf die Öffentlichkeit, und die Einschränkung von Selbstverwaltungsrechten durch umfangreiche Eingriffsmöglichkeiten seitens der Landesregierung und nicht zuletzt durch die im Gesetz verankerten Verordnungsermächtigungen.

Sie betrafen aber auch Langzeitstudiengebühren, Studiengebühren und Lernmittelgebühren. Sie betrafen darüber hinaus die Einschränkung des allgemeinen politischen Mandats der Studierendenschaften und die Rechte der Personalvertretungen. Letztlich betrafen sie auch die Regelungen zur Qualifizierung des wissenschaftlichen Nachwuchses, Promotionsrechte, TenureTrack von Juniorprofessorinnen und Juniorprofessoren und die Erhaltung zentraler Einrichtungen sowie das Landesstudienkolleg.

Es liegt also die Frage nahe: Wurden Änderungen vorgesehen, welche diese zahlreichen Kritiken mehr oder weniger gegenstandslos machen? - Die Antwort liegt eigentlich ein bisschen auf der Hand. Allein schon das Indiz der Zahl der Änderungsanträge der SPD und der PDS, die heute gestellt werden, ist Hinweis.

Das Gesetz hat also in seinen Grundzügen kaum Veränderungen erfahren. Die vielen Aktionen haben weder die Landesregierung noch die Koalitionsfraktionen wirklich zum Umdenken veranlassen können.

(Zustimmung von Herrn Gallert, PDS, und bei der SPD)

Änderungsbereitschaft wurde nur dann signalisiert, wenn man sich den Inhalten und juristischen Argumentationen wirklich kaum noch entziehen konnte. Eine inhaltliche Debatte zu Perspektiven von Hochschulen und Hochschulpolitik in Sachsen-Anhalt und vor allem zu den Hochschulstrukturen fand kaum noch statt.

Das gesamte Hochschulwesen der Bundesrepublik und in Europa durchläuft einen Veränderungsprozess, meine Damen und Herren, dessen Anforderungen kaum Konsequenzen im Umgang - wohlgemerkt: im Umgang - mit Hochschulen in diesem Gesetz finden. Der Bologna-Prozess bzw. - Außenstehenden will ich das schon sagen -

die Schaffung eines einheitlichen Hochschulraumes in Europa muss natürlich kritisch begleitet werden. Das ist völlig klar. Insofern teile ich auch manche Auffassung der Landesregierung, nicht alles völlig unkritisch zu übernehmen.

Aber die Landesregierung scheint weder das eine noch das andere wirklich konsequent zu tun. Neue Elemente aus EU-Vereinbarungen, die das Hochschulwesen konditionieren sollen, wurden zwar aufgenommen, aber ihre Trainingslehre hat sich nicht wirklich verändert. Stattdessen beharrt man auf einem Hochschulgesetz, das mit seinem Inhalt und seinen unübersichtlichen Regelungen, also seiner riesigen Regelungsdichte, allen Ankündigungen zuwiderläuft.

(Beifall bei der PDS)

Da werden einerseits Zielvereinbarungen mit den Hochschulen verabschiedet - in Ordnung -, da spricht man von Verlässlichkeit und Planungssicherheit - ja, diese Möglichkeit ergibt sich daraus -, andererseits wird aber ein Gesetz aufgelegt, welches alle Freiräume aus Hochschulbudgets wieder einschränkt und dann sogar noch Ergänzungsvereinbarungen innerhalb des Budgetierungszeitraums einführt. Diese wiederum werden vor allem deshalb notwendig, weil dieses Gesetz den Hochschulen nicht die notwendige Flexibilität dafür einräumt.

(Beifall bei der PDS)

Da schafft man also im Haushaltsrecht die Kameralistik endlich ab und führt sie im Landeshochschulrecht - zumindest im Denken - wieder ein.

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: So ein Unsinn!)

- Ja, ja, das dachte ich mir, dass das Unsinn ist. Über diesen Unsinn haben Sie, wie gesagt, drei Monate intensiv im Ausschuss beraten. - Dahinter verbirgt sich nicht nur die Unfähigkeit, Gestaltungsrechte nach unten an die kompetentere Ebene abzugeben, sondern es verbirgt sich dahinter eben auch ein tiefes Misstrauen gegenüber den Hochschulen.

(Beifall bei der PDS)