Aber letztlich ist für mich viel wichtiger, dass die Eltern über den Zeitraum, über den die Kinder dann in der Schule noch verfügen, entscheiden entlang der Qualität der Angebote. Das ist für mich auch eine Form der modernen Steuerung oder Ermöglichung von Vielfalt und Gestaltung in den Schulen und ist besser, als durch eine formale Vorschrift die Präsenz sozusagen zu erzwingen und sich ansonsten nicht darum zu kümmern, was die Schulen in dieser Zeit eigentlich anbieten. Das ist für mich ein sehr wichtiger Punkt.
Die Dauer der Eingangs- und der Ausgangsphase wird in dem Gesetzentwurf deshalb vernünftigerweise nicht festgelegt, da dies für die einzelnen Schuljahrgänge und auch entsprechend den örtlichen Gegebenheiten variieren kann. Die Schulen sollen nämlich weiterhin einen großen Entscheidungsspielraum bei der pädagogischen und organisatorischen Gestaltung des Schulalltages haben.
Wenn die Schulkonferenzen im Einvernehmen mit den Eltern zu Konzeptionen kommen, die die Justierung und die Einbettung der Unterrichtsphasen innerhalb dieser verlässlichen Zeit in einer bestimmten Weise gestalten, gibt es überhaupt keine Gründe, dort zu intervenieren. Wichtig ist, dass der Elternwille geachtet wird. Dann kann die Schule - vor allem wenn sie ein attraktives Konzept hat, wird sie gar keine Angst haben müssen, dass das nicht angenommen wird - weiterhin oder mindestens sehr weitgehend ihre bisherigen Pläne verwirklichen.
Bei einer zügigen Beratung und Verabschiedung des Gesetzes könnte die Umsetzung bereits zum neuen Schuljahr erfolgen.
Zum Schluss: Dies ist ausdrücklich noch nicht die angekündigte Grundschulreform. Mit der jetzt zu beschließenden Änderung wird noch lange nicht eine bessere Initiation in das Lernen geleistet oder die Voraussetzungen für die Stärkung der Lese- und Rechtschreibkompetenz
oder das Rechnen geschaffen, sondern es ist zunächst einmal nur der äußere Rahmen für solche Reformen betroffen, die ich nachhaltig vorhabe. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Minister, Sie sprachen eben von einer Entscheidung der Eltern aufgrund der angebotenen Qualität in der Schuleingangsphase oder nach dem Unterrichtsende. Sie kennen mit Sicherheit auch die Situation in den Landkreisen. Dort müssen Kinder mit Schulbussen zu den Grundschulen gefahren werden, über kleinere oder über größere Entfernungen, oftmals auch über längere Zeiträume. Sie wissen auch, dass die Schülerbeförderung in der Verantwortung der Kommunen liegt.
Inwieweit sehen Sie es denn als eine echte Entscheidung der Eltern an, ob die Kinder an dieser Vorphase oder der späteren Phase teilnehmen können, wenn sie von den Fahrzeiten der Schulbusse abhängig sind? Oder wären Sie als Landesregierung bereit, mehr Geld in die Schülerbeförderung zu stecken, damit die Landkreise entsprechend entscheiden können?
Frau Dr. Weiher, mit der Beschreibung des Problems haben Sie vollkommen Recht. Sie kriegen es nur nicht durch eine staatliche Festlegung der Anwesenheitspflicht der Schülerinnen und Schüler in den Schulen geregelt. Es ist auch ein Teil der Elternfreiheit, innerhalb der Konstellation, in der sich das für die konkrete Familie abspielt, zu entscheiden, nach welchen Kriterien man sich sozusagen darauf verständigt.
Wir können nicht - das sage ich ausdrücklich; ich habe diesbezüglich keine Illusionen und das darf ich auch nicht - eine Individualisierung der Schülertransporte vornehmen. Die Eltern, die von dem Recht Gebrauch machen wollen, ihre Kinder unmittelbar nach dem letzten Unterrichtsblock abzuholen, und zwar aus welchen Gründen auch immer - es steht mir nicht zu, diese Gründe zu bewerten; das ist mir sehr wichtig -, müssen die Konsequenzen dieser Entscheidung mit in die Erwägung einbeziehen und dann entscheiden, in welchem Rahmen sie für ihre Kinder und für die Interessen der Familie und vor dem Hintergrund der Angebote der Grundschule eine Entscheidung treffen. Das ist richtig.
Ich kann mir ohne weiteres Familien vorstellen, für die dieses Kriterium ein sehr wichtiges und relevantes ist. Das heißt, die Schülertransporte stehen nach den fünfeinhalb Stunden natürlich zur Verfügung. Damit ist der Elternwille, der niemals traumwandlerisch und frei ist, sondern der ein Abwägen ist, weiterhin berücksichtigt. Ich will das Problem nicht niederreden.
Vielen Dank, Herr Minister. - Dann kann die Debatte fortgesetzt werden. Es spricht für die PDS-Fraktion Frau Dr. Hein. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man kann über die Pisa-Studie klagen und jammern, wie man will, man muss die Ergebnisse einfach zur Kenntnis nehmen. Uns überraschen sie nicht. Die Ursachen für das
schlechte Abschneiden - diesbezüglich bin ich vermutlich sogar mit dem Kultusminister einig - liegen schon, wenn auch nicht allein, in den unbefriedigenden Lernergebnissen in der Grundschule. Er hat eben in seiner Rede auch bekundet, dass er für diesen Bereich nach Änderungen sucht. Es ist richtig, dort zu beginnen.
Man hatte dazu eigentlich relativ lange Zeit, nämlich mindestens seit Mitte der 90er-Jahre. Dort wurden die ersten Signale ausgesendet, dass das Lernen an Grundschulen nicht mehr das Ergebnis bringt, das früher erwartet wurde und auch heute noch erwartet wird.
Die Grundschule mit festen Öffnungszeiten ist also, Herr Kultusminister, mehr als ein Rahmen. Sie ist ein Versuch, mit dieser Situation umzugehen, auch noch mit mehr dazu ausgebildetem pädagogischem Personal, das sogar das Unterrichten gelernt hat, wenngleich es das in diesem bürokratischen System nicht darf.
Gerade einmal ein Einführungsjahr wurde diesem Versuch der Verbesserung von Lernsituationen gegeben. Nun will die Regierungskoalition wieder Hand an das Gesetz legen. Zwar haben Landes- und Bundesverfassungsgericht einer Minderheit von Gegnern dieser bildungspolitischen Neuerung die Legitimität dieser Gesetzgebung bestätigt, zwar gibt es landauf, landab bundesweit heiße Debatten über den Sinn von Ganztagsschulen - die Grundschule mit festen Öffnungszeiten ist eine halbe solche -, aber was stört das die Koalitionsfraktionen? Versprochen ist versprochen.
Was soll nun verändert werden? Oberflächlich gesehen sind die Veränderungen marginal. Nur die Ein- und Ausklangphasen sollen aus der Anwesenheitspflicht herausgenommen werden. Wer aber legt die Länge der Phasen fest? Die derzeitige Regelung ermöglicht schon nach der Entscheidung der Gesamtkonferenz auf Wunsch der Eltern für zweieinhalb Stunden pro Woche zumindest für die 1. und 2. Klassen eine Lockerung. Für die 3. und 4. Klasse ist das ohnehin angesichts des Unterrichtsrahmens kaum wahrscheinlich. Das wäre also eine halbe Stunde pro Schultag, wenn man so will.
Die Konzepte der Landesregierung und die Vorschläge zur Gestaltung der Grundschule mit festen Öffnungszeiten sehen für die Ein- und Ausklangphase einmal 35 und einmal 30 Minuten vor. Das, wie gesagt, regelt schon die Verordnung. Das können Sie jetzt schon leisten.
Wenn Sie aber mehr wollen, dann fragt man sich schon, was aus dem Gesamtkonzept werden soll; denn in der 1. und 2. Klasse haben Sie insgesamt, wenn man es auf Zeitstunden umrechnet, durchschnittlich zwei Stunden und ein paar Minuten pro Tag, inklusive Pausenzeiten. Die sind dort bereits in die Zeit eingerechnet, die man für die Gestaltung außerhalb der Stundentafel zur Verfügung hat. In der 3. und 4. Klasse sind es gerade einmal noch 1,6 Stunden, immer 5,5 Zeitstunden pro Tag vorausgesetzt.
Wenn Sie davon noch die halbe Stunde abziehen, bleibt nicht so furchtbar viel Zeit für die Gestaltung von Lernräumen übrig. Die Frage ist also, was wollen Sie denn mit der Ein- und Ausklangphase, die nun freiwillig werden soll, erreichen?
Es ist auf Wunsch der Eltern heute schon möglich. Sie können es in der Verordnung nachlesen. Und nun machen Sie dafür ein Gesetz. Das muss doch einen Grund haben. Ich fürchte, der Grund ist tiefer gehend. Die Arbeit der pädagogischen Mitarbeiterinnen soll den Unterricht ergänzen und unterstützen - das schreiben auch Sie. Aber die Ein- und Ausgangsphasen gehören offenbar nicht mehr dazu. Ihr Besuch ist freiwillig. Wer gestaltet dann diese Phase? Denn die Mitarbeiterinnen sind nur für den Unterricht da, also für das, was zwischen der Ein- und Ausklangphase liegt.
Außerdem werden diese Phasen leer laufen, Herr Olbertz. Dabei glaube ich an Ihre Wünsche und Hoffnungen eben nicht. Wir haben darauf Wert gelegt, dass die Hortbetreuung möglichst schulnah erfolgen soll.
Die Eltern, die ihre Kinder zu Hause haben wollen, die wenigen, werden ihre Kinder abholen. Bei den Kindern, die in den Hort gehen, werden die Hortträger sehr darauf dringen, dass das Mittagessen dann etwas früher eingenommen wird. Die Hausaufgabenbetreuung kann man schließlich auch dort machen. Wir haben sogar Wert darauf gelegt, dass das im Hortgesetz verankert ist. Das heißt, es wird niemand mehr für die Ein- und Ausgangsphasen da sein,
und gemeinsame Ein- und Ausgangsphasen finden nur statt, wenn genügend Kinder da sind. Sie werden es erleben: Das wird nicht funktionieren. Wenn die Tätigkeit der pädagogischen Mitarbeiterinnen schließlich auf das, was dazwischen liegt, beschränkt wird - - Dass Sie es aus der Schulpflicht ausdrücklich herausnehmen, heißt eigentlich, es wird nur noch auf den Unterricht beschränkt; die Betreuungszeit gehört dann nicht mehr dazu. Deshalb muss man schon fragen: Für welche Aufgaben sind die pädagogischen Mitarbeiterinnen überhaupt zuständig und wie viel Arbeitszeit wird durch sie überhaupt pro Tag abgedeckt?
Dann warte ich schon darauf, dass irgendwer auf die Idee kommt, dass man die pädagogischen Mitarbeiterinnen weiß Gott nicht die gesamte Zeit braucht,
(Frau Feußner, CDU: Geht es Ihnen nur um die Arbeitszeit der pädagogischen Mitarbeiter oder um die Kinder als solche?)
dass man daraus gut und gern Halbtagsjobs machen könnte oder sie am Ende ganz abschafft. Das müssen Sie sich bitte dabei auch überlegen. Auch für die Arbeit der pädagogischen Mitarbeiterinnen haben Sie eine Verantwortung.
(Zustimmung bei der PDS - Frau Feußner, CDU: Geht es Ihnen um die Kinder oder um die päda- gogischen Mitarbeiter?)
Unser Konzept geht davon aus, dass es eine sinnvolle Arbeit ist. Dass diese Arbeit pädagogisch begründet ist, das glaube ich Ihnen nicht mehr.
Um diesen neuen Charakter des Unterrichts zu ermöglichen, brauchen Sie aber die pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und Sie brauchen sie über die gesamte Zeit.
- Wir werden uns wieder sprechen, Frau Feußner. Wir werden uns an dieser Stelle wieder sprechen, weil Sie genau dort auf eine Sparidee kommen. Ich glaube, dass genau mit der Einbeziehung der pädagogischen - -
(Zuruf von der CDU: Sie unterstellen uns was! - Herr Koch, CDU: Natürlich wollen Sie sie ver- unsichern! - Weitere Zurufe von der CDU)
Frau Feußner, Sie waren in der ersten Legislaturperiode nicht hier im Hause. Ich kann mich gut daran erinnern, wie die Trennung von Grundschule und Hort auf Anregung der FDP-Fraktion - ich will Sie nicht in die Haftung nehmen; Sie haben es mitgetragen - erfolgte. Das war der Einstieg zum Ausstieg aus der Institution Schulhort. Das heißt, ein Schulhort, wie er in Thüringen bis heute noch gang und gäbe ist, ist in Sachsen Anhalt abgeschafft worden. Die Initiatoren dafür sitzen in der FDP-Fraktion. Das ist nun einmal so.
Da ich diese Gesetzmäßigkeiten und die Entwicklung kenne, warne ich an dieser Stelle davor, an die Arbeitszeit der pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Hand anzulegen. Wenn Sie es nicht vorhaben, dann ist das in Ordnung.