Das sind wir nicht nur unseren jüdischen Mitbürgern schuldig, sondern das sind wir uns, unserer Vergangenheit und auch unserer Zukunft schuldig.
Man kann natürlich über die Politik der israelischen Regierung streiten. Die Israelis tun dies selbst. Wir dürfen übrigens nicht vergessen, dass Israel die einzige Demokratie in diesem Raum ist, und die Israelis streiten heftig in ihr. Dass Deutschland eine besondere Verantwortung dafür hat, dass Israel in Sicherheit und in sicheren Grenzen leben kann, muss aber unstreitig sein.
Es muss auch nicht jeder in Deutschland jeden sympathisch finden. Dass jemand Christ, Muslim oder Atheist
ist, macht ihn noch nicht zu etwas Besonderem. Aber dass es nach Auschwitz wieder ein jüdisches Leben in Deutschland gibt, ist etwas Besonderes.
Der ehemalige Botschafter Israels in der Bundesrepublik wurde von Alfred Biolek vor einigen Wochen gefragt, was denn eigentlich Antisemitismus sei. Dieser antwortete sinngemäß, dass er das auch nicht definieren könne, aber sagen könne, was kein Antisemit ist: Wenn jemand mit einem Juden eine schlechte Erfahrung gemacht hat und dies nicht auf alle Juden verallgemeinere, dann sei er seiner Meinung nach kein Antisemit.
Ich stimme der Aussage von Daniel Goldhagen in seinem Buch „Hitlers willige Vollstrecker“ nicht zu, in der er sagt, dass der Antisemitismus ein immanenter Teil der deutschen Mentalität sei. Und ich erkenne dies auch nicht bei den Mitgliedern der FDP.
Der Bundesvorsitzende der FDP hat in den letzten Tagen klar gemacht, wo die FDP steht und wo die Grenzen sind. Dass es mit der Fraktion in NordrheinWestfalen Probleme gab, liegt in der Natur der Sache begründet; denn Fraktionen sind keine Untergliederungen von Parteien. Unsere Verantwortung aus der Vergangenheit ist für uns alle zu wichtig, als dass wir sie leicht und billig in kleine Münze parteitaktischer Vorteile ummünzen sollten.
Meine Damen und Herren! Der Antisemitismus ist in allen politischen Lagern beheimatet. Durch einen Zufall fand ich gerade am letzten Wochenende einen Artikel, aus dem ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten gern zitieren möchte.
Das Fernsehmagazin „Report München“ berichtete am 8. Februar 1993 über Aktenfunde, die Michael Wolfssohn in der Gauck-Behörde gemacht hatte. Demnach nahm das SED-Politbüro am 16. April 1961 den Eichmann-Prozess in Jerusalem zum Anlass, eine Kampagne gegen die Bundesrepublik zu beschließen. Das MfS führte sie Anfang Mai als Aktion „Vergiss mein nicht“ durch. Jüdischen Mitbürgern in Köln, Mainz, München und anderen Städten, deren Adressen von den Agenten ausgekundschaftet worden waren, wurden Briefe zugeschickt, die antisemitische Drohungen enthielten, unter anderem „Auch du stehst auf unserer Liste!“ oder „Tod euch Judengesindel!“, unterschrieben mit dem Namen eines Gefolgsmanns des Führers.
Vielleicht - diesbezüglich möchte ich mich der Argumentation unseres ehemaligen Bundesvorsitzenden Wolfgang Schäuble anschließen - nähren sich populistische Bewegungen in Deutschland und in anderen europäischen Ländern eher daraus, dass viele Menschen den Eindruck haben, die politische Klasse einschließlich der Medien beschäftigt sich mit vielen Problemen nicht so ernsthaft, wie sie die Menschen in ihrem Alltag erleben und erfahren. Deswegen ist es wichtig, dass wir uns nicht in Scheindebatten aufregen, sondern dass wir uns mit den wirklichen Problemen der Menschen beschäftigen.
Je bessere Lösungen für diese Probleme gefunden werden, desto weniger werden die Populisten eine Chance haben. Ich darf im Namen der Landesregierung sagen, dass sie, auch in Kontinuität zur vorherigen Landes
regierung, alles tun wird, was der Gesetzgeber auf diesem Gebiet bereitgestellt hat, um sich gegen antisemitische Bewegungen, Bestrebungen und Aussagen von Bürgern in Sachsen-Anhalt zu wehren.
Wir stehen fest zu der Ansicht, dass Antisemitismus in Sachsen-Anhalt keine Chance haben sollte. - Vielen Dank.
Herzlichen Dank, Herr Schomburg. - Meine Damen und Herren! Die Landesregierung hat, wie ich bereits anmerkte, auf einen Redebeitrag verzichtet.
Beschlüsse in der Sache werden gemäß § 46 Abs. 6 der Geschäftsordnung des Landtages nicht gefasst. Damit ist die heutige Aktuelle Debatte abgeschlossen und der Tagesordnung 2 erledigt.
Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Erleichterung von Investitionen und zur Entbürokratisierung von Verwaltungsverfahren (Erstes Investitionserleichte- rungsgesetz)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Aber mir fällt es ein wenig schwer, nach der Aktuellen Debatte einfach zum nächsten Thema überzugehen, insbesondere nach der sehr guten und nachdenklichen Rede des Kollegen Schomburg.
Aber Herr Schomburg hat auch gesagt, es ist umso wichtiger, dass wir uns den wirklich wichtigen Problemen der Menschen in diesem Lande und damit den Sachthemen widmen, damit Radikale, woher auch immer, und erst recht Antisemiten in diesem Land keine Chance bekommen.
Die Koalition will genau dies tun. Ihnen liegt ein erster Gesetzentwurf für ein Investitionserleichterungsgesetz im Land Sachsen-Anhalt vor.
Wer sich die volkswirtschaftlichen Kennziffern ansieht, der weiß um die Lage Sachsen-Anhalts. Ich muss nicht die ganzen Statistiken bemühen, um deutlich zu machen, wie dringend es ist, dass wirksam gegen die hohe Arbeitslosigkeit in Sachsen-Anhalt vorgegangen wird. Wir haben die niedrigste Selbstständigenquote, eine extrem hohe Arbeitslosenquote, uns fehlen mehr als 30 000 Unternehmen, und viele weitere Daten machen deutlich, wie hoch der Handlungszwang für die politisch Verantwortlichen ist.
Mir liegen aktuelle Mitteilungen wie „Beschäftigtenzahl im Handwerk im Jahr 2002 wiederholt auf Talfahrt“ vom Statistischen Landesamt vor. Die Handwerkskammer in
Halle schreibt: „Die Stimmung ist am Boden. Der Geschäftsklimaindex hat den niedrigsten Wert seit dem Jahr 1991 erreicht. Die Situation ist insgesamt alarmierend.“ - Zur Bauindustrie brauche ich nicht viel zu sagen. Man kann die Situation mit den Worten „ernste Krise“ beschreiben.
Dies allein macht deutlich, wie groß der Handlungsdruck ist und dass wir aufgefordert sind, endlich etwas Wirksames gegen die Situation zu machen, damit auch wieder Hoffnung auf Beschäftigung in der Realität in Sachsen-Anhalt in den nächsten Jahren zu verzeichnen ist.
Mit dem ersten Investitionserleichterungsgesetz der Koalitionsfraktionen in Form eines Artikelgesetzes wollen wir insbesondere dort ansetzen, wo wir Handlungsmöglichkeiten haben.
Wir haben gestern im Zusammenhang mit dem Nachtragshaushalt sehr eindrucksvoll erfahren, wie leer die Kassen sind. Der neuen Regierung stehen keine finanziellen Möglichkeiten zur Verfügung, um über Gebühr mit neuen Sonderprogrammen die Konjunktur anzukurbeln.
Umso wichtiger und ernster ist unser Vorhaben, insbesondere dort anzusetzen, wo wir durch Abbau der Bürokratie dem Investor wieder mehr Freiheit und mehr Entwicklungschancen in Sachsen-Anhalt geben können. Das Ziel der Koalitionsfraktionen ist es, nicht durch ein Placebogesetz vermeintlich etwas zu lösen, sondern durch konkretes Regierungshandeln Bürokratie abzubauen.
Ich möchte kurz auf einige Schwerpunkte in dem Investitionserleichterungsgesetz eingehen. In Artikel 1 befassen wir uns insbesondere mit der Änderung der Bauordnung. Hier ist ein Verzicht auf die Prüfung von Wärme-, Schall- und Erschütterungsschutz nach § 18 der Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalts vorgesehen. Ebenso ist ein Verzicht auf die Prüfung bauordnungsrechtlicher Anforderungen nach § 67 der Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt durch die Bauaufsichtsbehörde vorgesehen.
Damit wollen wir die Verfahren straffen bzw. die Prüfungsverfahren kürzen. Das führt zu einem beschleunigten Verfahren, kann Gebühren mindern und führt natürlich auch zu mehr Eigenverantwortung der Bauherren.
In Artikel 2 gehen wir an das Denkmalschutzgesetz des Landes. Der Landtag von Sachsen-Anhalt hat sich seit Bestehen des Gesetzes mehrfach mit dieser Thematik befasst. Die CDU-Fraktion hatte im Jahr 1997 nach umfangreichen, monatelangen Anhörungen von Betroffenen und Denkmalschützern eine Gesetzesnovelle eingebracht.
Wir haben diese Gesetzesnovelle aufgegriffen, an die Situation heute im Jahr 2002 angepasst und werden nunmehr das Denkmalschutzgesetz so vereinfachen, dass wir vor allem ein wichtiges Kriterium erreichen: mehr Akzeptanz für Denkmalschutz.
- Gerade der Herr Kollege Kühn. - Wichtig ist es, dass wir, wenn nicht ausreichend Mittel zur Verfügung stehen - -
(Unruhe bei der SPD - Herr Kühn, SPD: Schämt ihr euch nicht? Das ist unglaublich! Das ist Hilf- losigkeit!)
- Lieber Herr Kollege Kühn, der liebe Gott hat seine Gaben gerecht verteilt. Die mit der lautesten Stimme haben nicht immer den meisten Verstand. Das ist ein altes Sprichwort.
Ich bin mir sicher, das trifft auf Sie nicht zu, und da ich Sie sehr schätze, bitte ich Sie, einfach einmal zuzuhören. Sie können sich auch hierzu noch mit Fragen und anderweitig äußern.
Wir werden deshalb um die Akzeptanz des Denkmalschutzes in Sachsen-Anhalt werben, weil Sie durch wirkliche Misswirtschaft gerade in der Finanzpolitik die Kassen so geplündert haben, dass keine Mittel zur Verfügung stehen, um die notwendigen Investitionen in dem Umfang zu fördern, dass sie wirtschaftlich tragbar sind.
Die Bauwirtschaft liegt am Boden. Sie hat keine Aufträge. Sie haben die Investitionsquote verringert. Gleichzeitig droht der Verfall unserer Innenstädte. Deswegen muss das Denkmalschutzgesetz so novelliert werden, dass die Akzeptanz für den Denkmalschutz dadurch wieder geschaffen wird, dass wir aufgrund vernünftiger Regelungen schnellere Entscheidungen im Interesse der Sache treffen können.
- Herr Kollege Kühn, zu Ihren unqualifizierten Zwischenbemerkungen in Bezug auf Kulturlosigkeit möchte ich sagen: Ich kann nachweisen, dass ich schon zu DDRZeiten nach Feierabend mit der Schubkarre Bruchsteine durch Aschersleben gekarrt habe, um dabei mitzuhelfen, die alte Stadtbefestigungsanlage meiner Heimatstadt aus dem 16. Jahrhundert zu erhalten.
Ich kann Ihnen nachweisen, dass ich mich auch für Denkmalschutz engagiere. Ich weiß nicht, wie es die meisten Zwischenrufer hier im Saal machen. Ich kann das nachweisen und deswegen weise ich eine solche Unterstellung wie Kulturlosigkeit einfach zurück.
Wir ändern das Denkmalschutzgesetz in wenigen ganz wesentlichen Punkten. Wir nehmen einen Systemwechsel bei der Klärung der Frage vor: Was ist ein Denkmal? Wir haben jetzt ein deklaratorisches Prinzip. Bisher war es so, dass man durch das Land gegangen ist. Dabei wurde nachrichtlich erfasst, was ein Kulturdenkmal ist. Allein durch die nachrichtliche Erfassung wurde es erst einmal festgestellt.