Protokoll der Sitzung vom 17.06.2004

(Beifall bei der PDS)

Danke. - Für die FDP-Fraktion wird die Abgeordnete Frau Dr. Hüskens sprechen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eigentlich hatte ich vor, mich den Ausführungen von Herrn Gürth anzuschließen, weil ich fand, dass seine Ausführungen ausreichend klar waren.

Herr Dr. Eckert, Ihre Ausführungen zeigen mir aber, dass ich den Sachverhalt offensichtlich doch noch einmal darstellen muss.

Wir haben alle erlebt, dass sofort nach der Streichung des Sterbegeldes in Höhe von bisher 525 € aus den Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen im politischen Raum eine Diskussion begonnen hat. Das ist menschlich nachvollziehbar. Sie drehte sich um die Frage, ob und, wenn ja, inwieweit das im Abgeordnetengesetz auch der Bundestagsabgeordneten verankerte Sterbegeld dem Regelungskreis der gesetzlichen Krankenkassen zuzuordnen ist oder ob es eher in den Kreis der tariflichen Leistungen gehört.

Die Ursache für diese Diskussion ist die Verwendung des Begriffs Sterbegeld sowohl für den Zuschuss zu den

Beerdigungskosten - darum handelt es sich schlicht und ergreifend bei den Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen - als auch für die Hilfszahlungen an Hinterbliebene, in den meisten Tarifverträgen als Überbrückungsgelder bezeichnet.

Diese Überbrückungsgelder sind in vielen Arbeitsverträgen und eigentlich in allen Tarifverträgen, die ich gesehen habe, enthalten. Sie sind für den Fall vorgesehen, dass ein Arbeitnehmer verstirbt und seine Hinterbliebenen in den ersten ein bis zwei Monaten eine Unterstützung brauchen, bis Leistungen und andere Dinge greifen. Die Höhe der gezahlten Gelder reicht dabei vom Rest eines Monatsgehaltes bis hin zu mehreren Monatsgehältern.

Ich habe mit Unternehmern im Land telefoniert, weil immer wieder gesagt wird: Im Land wird kaum nach Tarif bezahlt. Auch von diesen habe ich unisono gehört, dass niemand etwa überzahlte Gehälter - das dauert meist etwas - von Hinterbliebenen wieder zurückfordert. Mit Beerdigungskosten - ich sage das noch einmal deutlich - hat dies nichts zu tun.

Die Gelder, über die ich rede, werden auch in Zukunft gemäß den Tarifverträgen gezahlt. Nur - so meine Recherche - in der Beamtenversorgung ist im Sterbegeld - dort heißt es auch so - unabhängig von den Beihilfeleistungen, für die es ebenfalls einen entsprechenden Regelungskreis gibt, ein Anteil für Beerdigungskosten enthalten.

Da sich die Regelungen für Abgeordnete im Wesentlichen an die von Beamten anlehnen, sind die Abgeordneten des Deutschen Bundestages zu dem Ergebnis gekommen, dass sie ihre Versorgungsleistungen im Sterbefall um die Summe reduzieren wollen, um die bei den gesetzlichen Krankenkassen reduziert wurde. Das heißt, pro Monat, für den das Überbrückungsgeld gezahlt wird, wird eine Reduzierung um 525 € vorgenommen. Das heißt im Landtag von Sachsen-Anhalt: eine Reduzierung um 1 050 €.

Hinterbliebene von Abgeordneten werden zukünftig weder von ihrer gesetzlichen Krankenkasse noch aus der Abgeordnetenversorgung Zuschüsse für die Beerdigung erhalten. Aber Überbrückungsgelder für die Hinterbliebenen werden auch zukünftig ebenso wie bei den Beamten im öffentlichen Dienst und - ich habe es dargestellt - bei allen anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern anfallen. Das halte ich auch bei Abgeordneten für außerordentlich sinnvoll.

Die Diskussion, ob die Regelung des § 22 des Abgeordnetengesetzes in Gänze abgeschafft werden soll, kann man führen. Allerdings halte ich in solchen Bereichen punktuelle Änderungen nach dem Motto „Hier ein bisschen herumdoktern und da ein bisschen herumdoktern“ nicht für zielführend. Die Regelungen der Abgeordnetenversorgung sind zum überwiegenden Teil dem Beamtenrecht entliehen. Dies entsprach offensichtlich dem Selbstverständnis der Bundestagsabgeordneten, die damals die entsprechenden Regelungen getroffen haben. Dies entsprach ganz offensichtlich auch dem Willen des Gesetzgebers im Land Sachsen-Anhalt, der sich diese Auffassung bei der Verfassung des Abgeordnetengesetzes zu Eigen gemacht hat.

Über die Frage, ob solche Regelungen heute noch zeitgemäß sind, ist bereits in verschiedenen Landtagen in Deutschland diskutiert worden, zuletzt in Schleswig-Hol

stein, mit nicht übermäßigem Erfolg. Aber einer solchen Diskussion muss man sich stellen. Das hat aber insgesamt einen Paradigmenwechsel zur Folge.

Ein Herumbasteln halten wir, die FDP-Fraktion, für wenig zielführend. Die FDP-Fraktion trägt deshalb den vorliegenden Entwurf mit. Wir würden uns aber einer grundsätzlichen Diskussion über einen wirklichen Paradigmenwechsel, über eine deutliche Veränderung, nicht verschließen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP)

Danke, Frau Dr. Hüskens. - Für die SPD-Fraktion wird die Abgeordnete Frau Krimhild Fischer sprechen. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die SPDLandtagsfraktion unterstützt das Anliegen, das mit dem heute eingebrachten Gesetzentwurf verfolgt wird. Mit dem Gesetzentwurf wird das Sterbegeld für Abgeordnete abgeschafft. Damit werden die entsprechenden Änderungen bei der gesetzlichen Krankenversicherung nachvollzogen. Das ist für uns ein Gebot der Gerechtigkeit. Der Zuschuss in Höhe von 1 050 € zu den Bestattungskosten, der seit dem 14. November 2003 nicht mehr im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung enthalten ist, soll auch nicht Angehörigen von Mitgliedern des Landtages zustehen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger wird mit diesem Gesetzentwurf zum Thema Sterbegeld geregelt.

Gleichzeitig bestimmt der Gesetzentwurf entsprechend den Bestimmungen des Beamtenrechts und des Bundesangestelltentarifvertrages ein Überbrückungsgeld für Mitglieder des Landtages. Auch das ist gerecht; denn die Mitglieder des Landtages sollen nicht schlechter als die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes gestellt werden.

Meine Damen und Herren! Fakt ist allerdings: Während des Wahlkampfes haben wir an den Ständen die Erfahrung gemacht, dass sehr viele Bürgerinnen und Bürger die von mir eben genannten Gründe für die Neuregelung nicht nachzuvollziehen vermögen. Viele glaubten tatsächlich, der bisher gemäß § 22 des Abgeordnetengesetzes im Todesfall gewährte Betrag sei ein astronomisch hohes Sterbegeld, das, selbst bei einer Minderung um 1 050 €, noch immer astronomisch hoch und daher schlichtweg eine Frechheit sei.

Wenn dies der Wille des Gesetzgebers gewesen wäre, dann hätten die Bürgerinnen und Bürger Recht. Aber, wie gesagt, hierbei handelt es sich um ein Missverständnis. Sterbegeld und Überbrückungsgeld sind zwei Paar Schuhe. Ich hoffe, unsere heutige Aussprache trägt dazu bei, die Debatte im Lande zu versachlichen.

Der Schaden ist allerdings schon ein Stück weit angerichtet; denn die Debatte über das Sterbegeld hat sich sicherlich nicht positiv auf die Wahlbeteiligung ausgewirkt. In Wahlkampfzeiten kann über solche Sachverhalte schlicht nicht sachlich verhandelt werden.

Die SPD-Landtagsfraktion wird im Gesetzgebungsverfahren dennoch weiterhin den Versuch unternehmen, auch mithilfe konkreter Gesetzesformulierungen deutlich zu machen, dass das Sterbegeld nicht gekürzt, son

dern gänzlich gestrichen wird und lediglich ein Überbrückungsgeld verbleibt. Ich verhehle nicht, dass die Formulierung „Der Auszahlungsbetrag des Überbrückungsgeldes vermindert sich vom 1. August 2004 an um 1 050 €“ durchaus geeignet war, das von mir geschilderte Missverständnis zu erzeugen.

Ich habe also volles Verständnis für so manche geäußerte Kritik, wobei ich die Kritik von Vertretern der Fraktion der PDS ausdrücklich ausnehme. Sie, meine Damen und Herren, kannten den Regelungsgegenstand des Gesetzentwurfs und haben meiner Meinung nach der Neigung zum Populismus nachgegeben - an der falschen Stelle, wie ich meine.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Die Fraktion der SPD ist jedenfalls der Auffassung, das es der parlamentarischen Demokratie insgesamt schadet, wenn die politischen Akteure mit den ihnen anvertrauten demokratischen Institutionen nicht sorgsam umgehen. Dies ist immer dann der Fall, wenn ungerechtfertigte Kritik falsche Vorurteile gegenüber demokratischen Institutionen verstärkt. Wir werden auch künftig entsprechend diesem Grundsatz handeln, auch wenn wir nicht der Mehrheit im Landtag angehören. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke, Frau Fischer. - Für die CDU-Fraktion wird Herr Gürth sprechen.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wollte eigentlich zu diesem Thema nicht noch einmal sprechen. Aber nach dem Beitrag des PDSAbgeordneten kann ich mich nicht mehr zurückhalten. Ganz ehrlich: Ich bin stinksauer. Der Beitrag der PDSFraktion zu diesem Thema enthielt Behauptungen, war unerträglich populistisch und inhaltlich falsch. Das muss man schlichtweg sagen.

(Beifall bei der CDU)

Hier wird versucht, Stimmung zu machen, weil die Leserbriefe in den Zeitungen eine bestimmte Meinung wiedergeben. Man glaubt, politisch Kapital daraus zu schlagen. Ich möchte nicht wissen, was im Versorgungsfall wirklich passiert und wie viele Leistungsempfänger auf Ihren Bänken und in Ihren Reihen mitkassieren würden, obwohl Sie solche Reden halten. Diesbezüglich kann man nur theoretisch in die Zukunft blicken. Ob es so kommt, weiß ich nicht.

Aber das von Ihnen Vorgetragene ist schlichtweg populistisch. Der Antrag ist in seiner Begründung auch inhaltlich falsch. Sie schreiben, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der PDS-Fraktion, in der Begründungen zu Ihrem Antrag, dass das, was in § 22 des Abgeordnetengesetzes geregelt ist und nun um 1 050 € für die Hinterbliebenen gekürzt werden soll, eine grundlegende Besserstellung der Parlamentarier gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes ist.

Das ist faktisch inhaltlich falsch. Ich will nicht sagen, es ist gelogen, aber es ist wissentlich falsch hereingeschrieben worden.

Ich habe vorhin versucht, Ihnen nachzuweisen, dass die Leistungen, die bei uns im Abgeordnetengesetz geregelt sind, bereits jetzt geringer sind als die in vielen Tarifverträgen. Das gilt für Tarifverträge für den öffentlichen Dienst - da kommt alles aus der Steuerzahlerkasse -, aber auch für Tarifverträge, nach denen die Leistungen, die gewährt werden, von den Arbeitern und Mitarbeitern der Unternehmen erwirtschaftet werden müssen, um sie zahlen zu können. Auch darin gibt es Regelungen.

Das betrifft etwa den Deutschen Journalistenverband. Auch die Journalisten und Journalistinnen, die Drucker - und wie sie alle heißen - müssen das durch ihre Zeitungen erwirtschaften. Sie haben das in ihrem Tarifvertrag geregelt und wir haben das im Gesetz geregelt. Die Leistungen, die wir für Hinterbliebene geregelt haben, sind geringer als die in vielen Tarifverträgen. Insofern ist Ihre Behauptung inhaltlich voll daneben, falsch und populistisch.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD und bei der FDP)

Sie hätten vielleicht zu einem anderen wirklich wichtigen Punkt sprechen können, der vielleicht die wirkliche Ursache ist für die Meinung, die in den Leserbriefen zutage kommt.

Es ist nicht das Thema, was tariflich gewährt wird oder was wir im Abgeordnetengesetz festgeschrieben haben. Die eigentliche Ursache ist doch, dass viel zu wenige Leute ordentlich tariflich bezahlt werden. Deswegen müssen wir uns über diesen Unmut nicht wundern. Darüber müssen wir uns nicht wundern. Tatsache ist, dass ganz viele Menschen in diesem Land unterhalb des Tarifvertrages auf solche Leistungen überhaupt nie Anspruch haben.

(Unruhe)

Ich finde es schändlich, ungerecht und unsachlich, vor diesem Hintergrund eine solche Meinungsmache zu betreiben. Deswegen muss ich das, bevor ich an Herzdrücken sterbe, hier so unmissverständlich aussprechen.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist besser, man regt sich nicht darüber auf, man hakt das ab und stellt einfach fest: Die PDS ist nicht in der Lage, der süßen Traube des Populismus zu entrinnen, sondern sie greift zu, wo es geht. Wenn sie glaubt, sie kann nun einen Tageserfolg der politischen Stimmung für sich verbuchen, dann muss ich sagen: Es ist kein Ruhmesblatt, was sie zu diesem Thema hier geäußert hat. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD und bei der FDP)

Frau Dr. Sitte, wünschen Sie das Wort als Fraktionsvorsitzende oder haben Sie eine Frage? - Bitte sehr.

Herr Gürth, wir wollen doch mal auf dem Teppich bleiben. Wir haben die Debatten regelmäßig im Zusammenhang mit den Diätenerhöhungen geführt. Dabei haben

wir uns immer klar geäußert und haben gesagt, wir lehnen es - -

(Frau Feußner, CDU: Ihr nehmt sie doch trotz- dem! - Zurufe von der PDS)

- Frau Feußner, Sie müssen doch erst einmal abwarten, was ich sagen will. - Wir lehnen es ab, weil es um den Kontext geht, in dem wir diese Entscheidung fällen. Das trifft hier genauso zu. Wir sind nicht für die Leserbriefe verantwortlich.

(Frau Feußner, CDU: Nö!)