Wenn ich mich auf die Äußerungen beziehe, die Herr Gallert und Herr Bullerjahn in den vergangenen Tagen und Monaten in der Presse getätigt haben, so glaube ich, dass wir, was den Konsolidierungsprozess anbelangt, vom Grundsatz her wohl an einem Strang ziehen, auch wenn mir aufgrund der Äußerungen von Herrn Bullerjahn zum KiFöG diesbezüglich wieder einige Zweifel kommen. Wenn Sie einmal die Richtung wechseln und nicht immer nur dann sparen wollen, wenn es - ich sage es einmal so - ein bisschen nebulös ist und irgendwo um den öffentlichen Haushalt geht, wenn Sie auch die Einsparungen mittragen, die weh tun - und das wird weh tun -, dann sind wir gern bereit, dabei kräftig an diesem Strang zu ziehen. Ich habe aber Zweifel, dass wir uns dabei mit allen vier Fraktionen in einem Boot befinden. - Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Frau Dr. Hüskens. - Für die SPD-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Herrn Gallert das Wort.
Herr Präsident! Werte Kollegen! Erstens. Frau Hüskens, Ihre Sorge, dass alle vier Fraktionen unter einen Hut kommen bzw. in einem Boot sitzen, ist vollkommen berechtigt.
Ich werde versuchen, in den nächsten 13 Minuten auszuführen, weshalb diese Sorgen tatsächlich begründet sind. Ich beginne zunächst mit der Vorlage des Nachtragshaushalts.
Die zentrale Zahl des Nachtragshaushalts ist die Neuverschuldung in Höhe von 1,336 Milliarden €, die mit diesem Nachtragshaushalt für das Haushaltsjahr 2004 der Landesregierung bewilligt wird. Alle anderen Beträge, die außerdem in diesem Haushalt enthalten sind, sind zumindest quantitativ Marginalien im Vergleich zu dieser Zahl.
Als Opposition könnte man nun versucht sein, mit einer entsprechenden Häme zu reagieren. Man könnte auf die Konsolidierungsrhetorik im Wahlkampf 2002 verweisen. Man könnte auf Schuldzuweisungen im Jahr 2002 an die Vorgängerregierung verweisen. Ich glaube, all das sollten wir uns ersparen. Im Grunde genommen wissen Sie, dass Sie mit Ihren Vorwürfen damals falsch gelegen haben. Wir müssen diese Dinge nicht permanent wiederholen, weil wir es damals schon wussten.
Die Neuverschuldung von 1,336 Milliarden € beinhaltet eine nochmalige Steigerung des ursprünglichen Betrages um 20 Millionen € als Ergebnis der Beratungen über den Nachtragshaushalt, obwohl - das will ich auch noch einmal ganz deutlich sagen - eine Reihe von entlastenden Faktoren im diesem Haushalt auch eine Rolle gespielt hat. Aber wenn man sich die Quantitäten noch einmal ganz objektiv und ganz ruhig anschaut, dann wissen wir alle: Sämtliche Anträge der Fraktionen bewegten sich in einer Dimension zwischen 2 und 3 % des Defizits. Das bedeutet: Wir stochern inzwischen alle in dieser Haushaltssuppe herum, aber auslöffeln will und kann das niemand mehr.
Wir haben Kredite mit einem Volumen von 400 Millionen € über den eigenfinanzierten Investitionen zu genehmigen. Niemand von uns hat die Illusion, dass mit dieser extremen Überschreitung der Verfassungsgrenze wirklich ein konjunktureller Effekt im Land SachsenAnhalt eintritt, dass also die Situation dadurch deutlich und radikal gebessert werden würde.
Nein, wir brauchen diesen um 400 Millionen € höheren Betrag, um die notwendigen gesellschaftlichen Aufgaben im Land Sachsen-Anhalt noch einigermaßen zu finanzieren, weil wir die Einnahmen, die wir dafür bräuchten, nicht mehr haben. Wir haben sie nicht, weil der Staat in einer neoliberalen Heilserwartung auf diese Einnahmen verzichtet hat und nun nicht mehr in der Lage ist, die gesellschaftliche Funktion wahrzunehmen, die ihm obliegt.
Was bleibt uns in einer solchen Situation? - Nicht etwa das Eingeständnis dieses Fehlers, sondern eine neue Diskussion über Aufgabenverzicht, ein Verzicht, der dies wieder ausgleichen soll. Aber dieser Aufgabenverzicht wird - morgen haben wir ein beredtes Beispiel für diese Entwicklung, nämlich das Hartz-IV-Gesetz - zu gewaltigen gesellschaftlichen Deformationen auch für die nächsten Generationen in diesem Land führen. Die Aufgaben,
die wir nicht wahrnehmen, werden für diese Gesellschaft in Zukunft Schaden zur Folge habe. Man kann aber nicht folgende Generationen dafür in Anspruch nehmen, dass wir die Aufgaben, die in dieser Gesellschaft notwendigerweise erfüllt werden müssen, jetzt nicht realisieren.
Darüber hinaus müssen wir unseren Blick jedoch auf die Effizienz bei der Aufgabenerledigung in diesem Land richten. Wir müssen uns die Frage nach der Prioritätensetzung innerhalb dieser extrem schlechten Rahmenbedingungen stellen; denn es gibt landesinterne Spielräume. Die gibt es sehr wohl. Gerade die extrem negativen Rahmenbedingungen für diesen Landeshaushalt verlangen politische Prioritätensetzungen, Schwerpunktsetzungen.
An dieser Stelle unterscheidet sich die Auffassung der PDS-Fraktion darüber, was die Landesregierung innerhalb dieser vorhandenen Spielräume zu realisieren hat, sehr deutlich von der Meinung anderer. An erster Stelle stehen für uns nämlich die Investitionen in die Menschen. Diese haben Vorrang vor dem herkömmlichen Investitionsbegriff, der die Investition in Beton realisieren will.
Unsere Schwerpunktorientierung innerhalb dieses Landeshaushaltes konzentriert sich auf die Kinder, auf die Jugend, auf die Bildung, auf die Wissenschaft und auf Innovation. Wir wollen die Selbstbefähigung innerhalb dieses Landes Sachsen-Anhalt für eine progressive Entwicklung. Wir wollen weg von der Subventionsmentalität, die sich hier entwickelt hat.
Deswegen konzentrieren sich die Anträge der PDSFraktion auch auf solche Bereiche wie Hochschulen und Kindertagesstätten. Wir wollen ausdrücklich die neuerliche globale Minderausgabe - bei den Hochschuletats - in Höhe von 2,5 Millionen € gestrichen haben. Es ist schließlich widersinnig, in Sachsen-Anhalt eine Abwanderungsdebatte zu führen und gleichzeitig im Augenblick des höchsten Bedarfes die Kapazitäten der Hochschulen im Land so einzuschränken in der Hoffnung, die Leute werden möglicherweise woanders studieren. Eine solche Entwicklung kann man doch nicht sehenden Auges zulassen.
Darüber hinaus werden wir auch noch in dieser Landtagssitzung die Rücknahme der Kürzung bei den Investitionen für die Kindertagesstätten fordern. Dieses Problem wird im Rahmen des nächsten Tagesordnungspunktes und während der morgigen Sitzung noch eine Rolle spielen. Deswegen will ich darüber jetzt nicht intensiver reden.
Wir könnten, wenn wir dies wollen, zur Refinanzierung die eigenen Strukturen nutzen. Natürlich haben wir nachher ein Katastergesetz zu verabschieden, bei dem nach der Beschlussempfehlung das Land Sachsen-Anhalt auf Einnahmen in Höhe von 3 Millionen € verzichtet,
- Wenn das nicht stimmt, Herr Kosmehl, dann setzen Sie sich bitte mit denjenigen auseinander, die die Begründung für diesen Gesetzentwurf der Landesregierung geschrieben haben. Dort steht das genau so drin.
Dann schauen Sie sich den von Ihnen verabschiedeten Haushaltsplan 2004 an. Warum wurden dort 3,9 Millionen € abgesetzt?
Darüber hinaus haben wir als PDS-Fraktion sehr wohl eine Reihe von Einsparvorschlägen unterbreitet, die Frau Dr. Hüskens interessanterweise schon genannt hat. Das sind keine nebulösen Einsparvorschläge. Wer sich in diesem Land Sachsen-Anhalt hinstellt und sagt, wir würden die Mittel für den Landesstraßenbau um 3 Millionen € kürzen, der muss damit rechnen, dass er mit diesem Vorschlag vom Kollegen Daehre in jedem Wahlkreis konfrontiert wird.
Das ist nichts Nebulöses, das ist etwas Schwieriges, das tut weh und trotzdem haben wir gesagt, solche Vorschläge würden wir realisieren. Das ist übrigens eine Aufgabe, von der der jetzige Ministerpräsident immer gesagt hat, die Opposition habe sie nicht. Wir hätten darüber hinaus natürlich weitere Einsparpotenziale erschließen können.
Im Verlaufe der Haushaltsberatungen haben wir auf einmal die Situation gehabt, dass wir über die Trennungsgelder in Höhe von 2,5 Millionen € im Kontext des Landesverwaltungsamtes gestolpert sind. Das ist keine ganz neue Diskussion, aber zumindest die Höhe des Betrages war für uns interessant.
2,5 Millionen € Trennungsgeld - warum eigentlich in dieser Höhe? Es gibt einen Schnellbrief der Landesregierung vom März 2003, und dieser ist die Ursache für diese extreme Höhe der Trennungsgelder.
Was steht in diesem Schnellbrief? - Darin steht, dass all diejenigen, die im Kontext des Landesverwaltungsamtes in Institutionen arbeiten, in denen Personalabbau ansteht - das sind faktisch alle Institutionen im Land Sachsen-Anhalt -, das Trennungsgeld sage und schreibe zwei Jahre lang für sich beanspruchen können, obwohl entsprechende Bundesgesetze nur einen dreimonatigen Anspruch vorsehen.
In dem Schnellbrief steht, man wolle damit die Akzeptanz bei den Betroffenen erhöhen. Das tut man zweifel
los. Nur tut man das erstens, indem man ein Gesetz in einer Art und Weise auslegt, die einem Rechtsbruch extrem nahe kommt, so wie es der Landesrechnungshof beurteilt, und zweitens tut man es in einem Schnellbrief am Parlament vorbei. Mehrkosten in Höhe von vielleicht 2 Millionen € sind hierbei offensichtlich machbar gewesen. Dabei hatte man es auf einmal nicht mehr mit einem Einspardruck zu tun. Also, an manchen Stellen geht es offensichtlich und an anderen Stellen nicht.
Damit komme ich schon zur Quintessenz dieser Rede. Wir haben mit den Haushaltsdiskussionen Wertediskussionen. Mit diesen Haushalten wird das finanziert, was die jeweilige politische Mehrheit als oberste Priorität setzt. Deswegen ist auch die nachfolgende Diskussion zur Kindertagesstättenproblematik eben nicht nur eine Zahlendiskussion, sondern sie ist eine Wertediskussion.
Wenn wir als PDS sagen, wir wollen innerhalb der Haushaltsberatungen in diesem Land unseren Schwerpunkt Kinder, Jugend, Bildung, Innovation, Wissenschaft an die oberste Stelle setzen, dann sagen wir: Jawohl, selbst unter den gegebenen Voraussetzungen würden wir innerhalb dieses Landeshaushalts Mittel dafür bereitstellen und für andere Dinge dann eben weniger. Das sind die unterschiedlichen Prioritätensetzungen.
Deswegen kann man sich nicht hinstellen und sagen: Weil wir kein Geld haben, müssen wir dort kürzen. Nein, je enger der Landeshaushalt ist, um so stärker und um so entscheidender ist die Frage nach der politischen Prioritätensetzung innerhalb dieses Haushaltes.