Protokoll der Sitzung vom 09.07.2004

Vielen Dank, Herr Wolpert. - Für die PDS-Fraktion spricht nun Frau Dr. Paschke.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Mit dem von der Landesregierung vorgelegten Gesetzentwurf - das wurde vom Herrn Innenminister und auch von meiner Kollegin Frau Fischer bereits erklärt - werden Teile jener Aufgabenbereiche in die Kreisebene verlagert, bei denen der Landtag die Verlagerung auf die Kreisebene im Jahr 2002 beschlossen hatte und deren Verlagerung zusammen mit anderen Aufgabenbereichen, zum Beispiel mit der Zusammenführung der örtlichen und überörtlichen Sozialhilfe im Kreis, bereits zu Beginn des Jahres 2003 vonstatten gehen sollte. So war es jedenfalls im Koalitionsvertrag festgelegt und auch zum Beginn der vierten Legislaturperiode von der Landesregierung ausgeführt worden.

Ich möchte darauf hinweisen, dass in der letzten Legislaturperiode im zeitweiligen Ausschuss zu den Aufgabenkomplexen, die jetzt für die Verlagerung vorgesehen sind, sehr ausführliche Diskussionen über die Vor- und Nachteile dieser Verlagerung geführt wurden. Um die Beratung zügig und effizient durchführen zu können, rege ich an, dass von der Landtagsbibliothek all die Unterlagen einmal komplett vorgelegt werden, die in der dritten Legislaturperiode zur Diskussion standen; denn offensichtlich sind diese im Einzelnen nicht so gut auffindbar. Im Sozialministerium gab es diesbezüglich auch schon Probleme. Vielleicht könnten wir dieses Material einmal gebündelt zur Verfügung gestellt bekommen.

Über alle aktuellen Probleme, die sich im Zusammenhang mit der Aufgabenverlagerung ergeben werden, werden wir ohnehin noch einmal auf der Grundlage der Anhörungen im Ausschuss diskutieren, vor allem auch über die schon erwähnte Frage der Kostenerstattung, die nunmehr auf der Grundlage des KGST-Berichtes 7/2003 vorgenommen wurde, was meiner ersten Bewer

tung zufolge sinnvoll ist, da man für diesen schwierigen Bereich keine eigene Grundlage finden muss, um die Kostenerstattungen abzusichern.

Ich kündige an, dass wir auch zu allen Aufgabenbereichen, die nicht im Gesetz stehen, deren Verlagerung aber im Koalitionsvertrag angekündigt worden ist, eine Diskussion im Ausschuss führen müssen. Es muss nämlich im Verlauf der Gesetzesberatung geklärt werden, ob diese Aufgaben generell nicht mehr verlagert werden sollen oder ob die Landesregierung und die Koalitionsfraktionen tatsächlich davon ausgehen, dass dafür eine Kreisgebietsreform erforderlich ist.

Die PDS-Fraktion hat die Verlagerung staatlicher Aufgaben auf die kommunale Ebene bereits in der dritten Legislaturperiode immer ins Zentrum ihrer politischen Aktivitäten bei der Funktional-, Verwaltungs- und Kommunalstrukturreform gestellt. Jede Aktivität, die die Landesregierung jetzt unternimmt, werden wir auf der Grundlage der Kernpunkte unseres Konzeptes messen, um festzustellen, ob es positiv zu bewerten ist.

Einige zentrale Punkte möchte ich deshalb noch einmal herausgreifen. Bürgernähe bei der Aufgabenerfüllung schreibt sich sicherlich jeder auf die Fahne. Deshalb haben wir es auch sehr kritisiert, dass die überörtliche Sozialhilfe nicht gleich in einem Zuge kommunalisiert wurde. Wir sprechen uns nach wie vor dafür aus, dass die Kreise die entscheidende Bündelungsbehörde sein müssen und dass das im Zuge der Kreisgebietsreform absolut Priorität haben sollte.

(Zustimmung bei der PDS)

Wir bekräftigen unseren Ansatz, dass, wenn schon nicht kurzfristig, so aber doch mittelfristig - ich spreche schon ungefähr vom Jahr 2010 - ein zweistufiger Landesaufbau gesichert werden sollte. Dahin geht die Entwicklung. Das ist Nachhaltigkeit. Das ist Zukunftsfähigkeit.

Wir haben, wenn wir jetzt auch über die Aufgaben des Landesverwaltungsamtes sprechen, darüber nachzudenken, ob wir die Aufgaben jetzt noch einmal hochziehen oder ob wir sie nach unten verlagern. Insofern gehören aus unserer Sicht solche Strukturen wie die Schulverwaltung und ähnliche Bereiche, die auch im Zusammenhang mit dem im Jahr 2002 gefassten Beschluss nicht ausdiskutiert worden sind, hinein.

Wir sind der Auffassung, dass sich der Staat weitgehend aus der Fläche zurückziehen sollte. Ich meine das nicht im Sinne eines Hochziehens der Aufgaben, sondern ich meine das im Sinne von Kommunalisierung.

Wenig spielt bei den jetzt verlagerten Aufgaben ein zentraler Punkt eine Rolle. Es ist die Frage, ob ich den kommunalen Bereich ausschließlich zu einer unteren staatlichen Behörde ausbaue oder ob es gelingt, Aufgabenkomplexe in die kommunale Selbstverwaltung hineinzutragen. Das ist eigentlich eine Stärkung des kommunalen Bereichs. Diesbezüglich werden noch einige Aufgaben anstehen. Bei den derzeitigen Ansätzen bleibt noch sehr viel zu wünschen übrig. Man stärkt damit die kommunalen Entscheidungsträger auch nicht.

Wir müssen bei der Reform einfach aufpassen, dass die Kommunalverwaltungen nicht im Sinne von staatlichen unteren Behörden gestärkt werden, sondern dass die kommunalen Entscheidungsträger mehr Kompetenz und Entscheidungsfreiheit bekommen. Dazu ist es erforderlich - das haben wir mit unserem Leitbild, das wir vor

einigen Monaten vorgelegt haben, deutlich gemacht -, dass im Zuge der Vergrößerung der Kreise eine kommunale Politikreform mit angedacht, durchdacht und umgesetzt werden muss. Ich gebe zu, dass auch dieser Aspekt beim Leitbild in der dritten Legislaturperiode vielleicht etwas unterbelichtet gewesen ist. - Das war in Kurzfassung noch einmal das Konzept bzw. das, was uns aus unserem Konzept wichtig ist. Ich trage das in aller Deutlichkeit vor.

Ich schätze es genau wie meine Kollegin von der SPDFraktion so ein, dass die Grundlage eines Gesamtkonzeptes für das erste Funktionalreformgesetz nach wie vor nicht vorlag. Deshalb haben Sie nach meiner Meinung, Herr Minister,

(Zustimmung bei der PDS)

auch diesmal darauf verzichtet zu sagen, was denn alles danach noch kommt. Deshalb wird es ähnlich sein wie beim Investitionserleichterungsgesetz: Wir machen jetzt ein erstes. Dann gucken wir, was noch möglich ist. Wir machen ein zweites Gesetz, wenn noch etwas möglich ist. Und wenn wir das als zweites bezeichnen, gucken wir, ob noch ein drittes möglich ist.

Aber über einen Landesaufbau und die dazugehörigen Strukturen und Aufgaben - diesbezüglich unterscheide ich mich auch von Herrn Wolpert - muss schon einmal in einem Guss diskutiert werden.

(Zustimmung bei der PDS)

Weil dieser Fahrplan nicht feststeht, gibt es auch noch andere Probleme, die uns die ganze Zeit begleiten. Das sind die Eingriffe in die einzelnen Fachgesetze. Ich will das nur beispielhaft sagen. Beim Denkmalschutzgesetz haben Sie selbst nicht mehr durchgesehen, wie oft Sie das verändert haben; denn zwei Veränderungen sind bereits vorgenommen worden, als das Fachgesetz zum dritten Mal in dieser Legislaturperiode, glaube ich, in Angriff genommen wurde.

Insofern sind diese Änderungen zum Teil schon getätigt worden. Das ist solch ein Beweis, und es sagt uns auch: Wenn nicht einmal die zuständige Behörde diese Änderungen im Griff hat, dann wird es ganz schlimm, wenn zum Beispiel kommunale Entscheidungsträger mit der Gemeindeordnung, die jetzt wieder angefasst wird, die wir gerade als Frischdruck bekommen haben, umgehen sollen.

Ähnlich sieht es bei der Novelle zum Wassergesetz aus, die parallel dazu vor der Tür steht. Dass das nicht in einem Guss passieren kann, ist auch darauf zurückzuführen, dass man den Änderungen immer hinterherlaufen muss, weil man nicht weiß, was in dem Zusammenhang geändert und in welcher Zeitfolge etwas beraten wird.

Meine Kollegin von der SPD hat schon auf einige weitere Fragen hingewiesen, die diskutiert werden müssen, die Sie ja im Vorspann schon als offene Fragen bzw. als unterschiedliche Entscheidungen zu Einwendungen von Angehörten bezeichnet haben. Ich möchte nur noch einmal sagen: Natürlich müssen wir uns noch einmal zum Kostenausgleich verständigen. Ich weiß im Moment nicht, ob die 50 % Effizienzrendite ausreichend sind oder nicht. Es ist nur so, dass die Landkreise, die ohnehin die Aufgabe jetzt dringend haben wollen, sagen könnten, sie schluckten das, und nachher kommen sie mit den Finanzmitteln nicht aus.

Sehr wichtig ist uns auch die Rahmenvereinbarung, die schon genannt wurde. Wir müssen tatsächlich gucken, ob wir nicht mehr vertrauensbildende Maßnahmen für das Personal hineinbekommen, wenn wir es ins Gesetz nehmen. Ich teile die Auffassung, dass uns mit der letzten Rahmenvereinbarung, die dann aufgelöst wurde, nicht unbedingt ein Meisterstück für das Personal seitens der Landesregierung gelungen ist.

Das Gleiche trifft für die Änderung des Bodenschutzausführungsgesetzes zu. Wir sollten darüber noch einmal diskutieren, weil gerade dieses Gesetz in der letzten Legislaturperiode zu enormen Diskrepanzen geführt hat. Also sollten wir neu darüber reden.

Jetzt ist meine Redezeit abgelaufen. Wir stimmen einer Überweisung des Gesetzentwurfes zu.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung von Frau Fi- scher, Naumburg, SPD, und von Herrn Oleikie- witz, SPD)

Vielen Dank, Frau Dr. Paschke. - Nun zum Abschluss bitte Herr Kolze.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Entwurf eines Ersten Funktionalreformgesetzes gehen wir einen weiteren Schritt auf dem Weg der konsequenten Verwaltungsmodernisierung.

Mit dem Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetz haben wir die erforderliche umfassende Reformierung der Landesverwaltung eingeleitet. Hierzu gehört die Errichtung des Landesverwaltungsamtes, die Reform auf der Ebene der Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften, hierzu wird auch eine Kreisgebietsreform gehören, ebenso wie die hiermit in Angriff genommene Übertragung von Aufgaben im Rahmen der Funktionalreform.

All diese Modernisierungsvorhaben beruhen auf dem Grundsatz: So viel Staat wie nötig, so wenig Staat wie möglich.

Unser Ziel muss es sein, übertriebene Kontroll- und Überwachungsbürokratie abzuschaffen, um vermehrt Freiraum für eigenverantwortliches Handeln von Bürgern, Wirtschaft und Kommunen einzuräumen.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll also der Auftrag aus dem Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetz umgesetzt werden, Aufgaben, die nicht verzichtbar und nicht privatisierbar sind, zu kommunalisieren.

Im Mittelpunkt stand hierbei die Frage, von wem die staatlichen Aufgaben am effektivsten erfüllt werden können. Mit der Aufgabenverlagerung auf die kommunale Ebene werden Verwaltungsverfahren abgekürzt. Die Aufgaben werden in Zukunft dort wahrgenommen, wo sie anfallen. Somit können die Entscheidungen im Interesse von Unternehmen und Bürgern ortsnäher getroffen werden. Indem möglichst viel Verantwortung nach unten gereicht wird, erweitern wir die Freiräume insbesondere auch für die Kommunen. Dies entspricht dem Grundsatz der Subsidiarität, dem selbstverantworteten Menschenbild und stärkt die kommunale Selbstverwaltung.

Meine Damen und Herren! Natürlich werden dabei nur solche Aufgaben übertragen, deren Erledigung auf kommunaler Ebene wirtschaftlicher erfolgen kann. Hierbei wird von vielen als allererstes das Konnexitätsprinzip ins Feld geführt, aber übersehen, dass durch eine solche Aufgabenübertragung auch die Effizienz des Handelns der kommunalen Verwaltung gesteigert wird. Bei der gemeinsamen Erfüllung staatlicher und eigener Aufgaben kommt es zu Synergieeffekten und somit natürlich auch zu Einsparungen. Die ortsnahe Erledigung führt zu mehr Bürgernähe und Wirtschaftlichkeit.

Selbstverständlich muss daneben auch nach den Vorgaben der Landesverfassung aus Artikel 87 Abs. 3 ein angemessener Ausgleich an die Kommunen erfolgen, soweit durch die Aufgabenübertragung eine Mehrbelastung entsteht.

Die Kommunen dürfen nicht mit staatlichen Aufgaben so belastet werden, dass sie überwiegend staatliche Angelegenheiten wahrnehmen und ihnen dadurch die Bewegungsfreiheit in Selbstverwaltungsangelegenheiten genommen wird. Gerade dies will das vorliegende Gesetz mit seinen Regelungen zum Kostenausgleich verhindern.

Ich möchte Sie aber jetzt nicht mit langwierigen Einzelheiten aus dem Entwurf und der Begründung langweilen. Nur so viel: Die Mehrbelastung der kommunalen Ebene wird anhand der Kosten eines Arbeitsplatzes auf der Basis des Gutachtens der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung berechnet. Näheres entnehmen Sie bitte Artikel 12 des vorliegenden Gesetzentwurfs.

Meine Damen und Herren! Wir sind auf jeden Fall der Ansicht, dass die Kommunen die notwendige Leistungsfähigkeit für die Übertragung von Aufgaben des Landes besitzen. Indem mit dem Gesetzentwurf neben kleineren Aufgabenblöcken aus den Bereichen Inneres, Wirtschaft und Arbeit, Kultus sowie Bau und Verkehr schwerpunktmäßig Umweltaufgaben auf die Landkreise und kreisfreien Städte verlagert werden, tragen wir ein Stück dazu bei, die öffentliche Verwaltung zunehmend zum Dienstleister für Bürger und Wirtschaft weiterzuentwickeln. Das Paket Verwaltungsreform, Funktionalreform und kommunale Neugliederung ist dabei im Gesamtkontext zu betrachten. Die einzelnen Reformvorhaben können nicht losgelöst voneinander gesehen werden, da sie aufeinander aufbauen und sich gegenseitig bedingen.

Für die Leistungsfähigkeit des Landes wird es auch weiterhin unverzichtbar sein, Aufgabenkritik und -verzicht, Entbürokratisierung, Privatisierung, die Deregulierung von Vorschriften und Standards sowie die Strukturreform der Landesverwaltung voranzutreiben. Die Aufgabenwahrnehmung nach dem Grundsatz der Subsidiarität spielt dabei eine entscheidende Rolle.

Auch weiterhin müssen wir im Rahmen der Aufgabenkritik den staatlichen Aufgaben- und Regelungsbestand systematisch auf seine Berechtigung und Notwendigkeit hin prüfen. Dieses ist kein statischer Vorgang, sondern erfolgt fortlaufend. Schon die Bezeichnung als erstes Funktionalreformgesetz macht deutlich, dass weitere Aufgabenverlagerungen geprüft werden und in möglichen weiteren Funktionalreformgesetzen zu übertragen sind, nicht zuletzt auch als Grundlage für eine Strukturreform auf Landkreisebene. Hierbei muss sich der zukünftige Zuschnitt aus den zu erledigenden Aufgaben ergeben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verwaltungsmodernisierung wird ein Thema bleiben, mit dem wir uns auch in Zukunft intensiv zu beschäftigen haben. Das ist für die Zukunft unseres Landes einfach unerlässlich.

Ich bitte daher um Überweisung des Gesetzentwurfs in den Innenausschuss, in den Umweltausschuss, in den Ausschuss Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr und in den Wirtschaftsausschuss. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und von Herrn Schol- ze, FDP)

Vielen Dank, Herr Kolze. - Damit ist die Debatte abgeschlossen. Nein, es gibt noch eine Frage. - Herr Kolze, möchten Sie eine Frage von Frau Dr. Paschke beantworten? - Bitte fragen Sie.

Herr Kolze, Sie haben im Unterschied zu Herrn Wolpert mehr betont, dass es alles ein Paket sein muss und sich alles in gegenseitiger Abhängigkeit befindet. Könnten Sie mir bitte die Frage beantworten: Wann würde aus Ihrer Sicht eine Kreisgebietsreform anstehen? Denn Sie haben gesagt, das gehöre dazu. Könnten Sie mir einen Aufgabenbereich nennen, der aus Ihrer Sicht definitiv erst nach der Gebietsreform verlagert werden kann?

Frau Dr. Paschke, natürlich ist das alles ein Paket und natürlich brauchen wir eine Kreisgebietsreform. Ich bin sehr wohl der Meinung, dass man überall dort, wo die Bewegung erkennbar ist - wie haben überall im Lande Bewegung -, dies auch nutzen muss.

(Zuruf von Herrn Reck, SPD)

- Doch, Herr Reck, wir haben überall Bewegung, außer in Salzwedel vermutlich.

(Herr Reck, SPD: Hauptsache Bewegung! Wohin, ist egal!)