Protokoll der Sitzung vom 16.09.2004

Im Gefolge des Hochwassers vor zwei Jahren hat es sich als notwendig erwiesen, für die elektronischen Grundbücher eine gemeinsame Datensicherung, ein so genanntes Back-up-System, zu errichten. Das müssten sonst alle drei Länder getrennt tun. Eine Verschmelzung der elektronischen Grundbücher insgesamt ist nicht angestrebt, weil sich die einzelnen Länder schon viel zu unterschiedlich entwickelt haben. Aber mit dem Aufbau einer gewissen Datensicherung muss in allen Ländern neu begonnen werden und dies wollen wir deshalb abgestimmt und auch gemeinsam tun.

Wir geben uns auch Mühe, außerhalb der offiziellen Tätigkeiten der Landesregierung so viel wie möglich Gemeinsamkeiten zu organisieren, und wir bitten die Verbände, dies auch zu tun. Es geht dabei zum Beispiel um das Verschmelzen von Berufsverbänden. Diesbezüglich hat sich schon einiges getan. Andere sind dabei, dies zu beraten.

Es geht auch um die Ausschreibung eines mitteldeutschen Innovationspreises durch das Regionenmarketing Mitteldeutschland. Auch dies wollen wir vorantreiben.

Wir haben auch schon einige gut funktionierende gemeinsame Einrichtungen, zum Beispiel die Konferenz mitteldeutscher Barockmusik, den mitteldeutschen Verkehrsverbund und das mitteldeutsche Multimediazentrum in Halle. Dies alles läuft schon richtig gut, ohne dass sich das immer die Landesregierungen auf die Fahne schreiben müssen.

Wir sind bewusst bemüht, diese Entwicklung in kleinen, systematischen Schritten weiter zu begleiten. Wer zu viel fordert, belastet diese Entwicklung in einer Weise, die Widerstand organisiert. Deswegen bitte ich herzlich um Verständnis dafür, dass wir dies aus Ihrer Sicht relativ langsam, aber dafür ganz systematisch weiter verfolgen wollen. Wer mehr fordert, muss das sagen und muss dann damit rechnen, dass es auch Gegenstimmen gibt, die die Lösung dieser Probleme und die Schaffung von Gemeinsamkeit mehr erschweren als ihr zu nutzen. Dafür bitte ich um Verständnis. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. - Nun bitte die Beiträge der Fraktionen. Für die CDU-Fraktion spricht Herr Gürth.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die CDU-Fraktion begrüßt ausdrücklich die Initiative Mitteldeutschland der Landesregierung. Sie ist notwendig, weil wir alle, in Thüringen, in Sachsen, in SachsenAnhalt, aber auch in anderen Ländern, zu mehr Ländergrenzen überschreitender Zusammenarbeit kommen müssen, um effizienter zu werden.

Wir haben heute Morgen über den Haushalt gesprochen. Dies hätte kein besserer Anlass dafür sein können, heute auch über die Initiative Mitteldeutschland zu sprechen; denn das macht noch einmal deutlich, wie wichtig es ist, in allen Bereichen des öffentlichen Lebens zu schauen, wie die Arbeit und die Dienstleistungen, die wir zu erbringen haben, effizienter erbracht werden können.

Genau das ist das Ziel der Initiative der Landesregierung, und deswegen können wir froh sein, dass Ministerpräsident Böhmer und das Kabinett diese Initiative ergriffen haben. Besonders wichtig scheint uns dabei zu sein, dass wir nicht irgendwelchen Phantomvorstellungen hinterher rennen, die wir nicht erreichen können. Wichtig ist vor allem, dass man zwei Dinge beachtet: Diese Initiative muss Zielstrebigkeit nachweisen und mit Zielstrebigkeit verfolgt werden und der ganze Prozess bedarf eines ordentlichen Fingerspitzengefühls, denn ohne Fingerspitzengefühl kann man nichts erreichen.

Wir dürfen uns nichts vormachen. Wir können nicht beschließen, dass es so kommen soll. All das, was wir uns wünschen und was auch sinnvoll ist, kann nur erreicht werden, wenn in den Ländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen und auch bei den betreffenden handelnden Personen grundsätzliche Zustimmung erreicht worden ist. Deswegen ist es richtig, dass wir uns heute in einem Beschluss des Landtages zu diesen Grundsätzen der Initiative Mitteldeutschland bekennen, ohne aber Wege vorzugeben, die die Handlungsspielräume einengen.

Aus diesem Grund ist es auch besonders gut für dieses Parlament - wir begrüßen dies ausdrücklich -, dass wir in dem Beschluss des Landtages, wenn ihm zugestimmt werden sollte, festhalten wollen, dass die Landesregierung uns als Parlament in diesen Prozess einbezieht und uns frühestmöglich über alle wichtige Entscheidungen unterrichtet.

Die CDU-Fraktion empfiehlt also, der Beschlussempfehlung zuzustimmen. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Gürth. - Nun bitte Frau Dr. Klein.

(Im Plenarsaal klingelt ein Mobiltelefon)

- Die Musik bitte aus!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich müsste die Überschrift dieses Tagesordnungspunktes

trotz der Stellungnahme des Ministerpräsidenten wie folgt heißen: „Die seltsame Metamorphose eines Antrags“.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung von Frau Bud- de, SPD, und von Herrn Oleikiewitz, SPD)

Denn die heute vorliegende Beschlussempfehlung hat mit dem von uns im November 2003 eingebrachten Antrag ungefähr so viel gemeinsam wie ein Wellensittich mit einem Dackel: Beide sind Tiere.

(Heiterkeit und Beifall bei der PDS)

In beiden Papieren tauchen die Worte - ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis - „von der Landesregierung initiierte Initiative Mitteldeutschland“ auf. Das war es aber schon mit den Gemeinsamkeiten.

Die nach einer sehr ausführlichen Diskussion in mehreren Ausschüssen entstandene Beschlussempfehlung, in die eigentlich auch die Ergebnisse der Großen Anfrage der SPD-Fraktion hätten einfließen können, ist nicht einmal mehr eine Beerdigung erster Klasse, wie es Herr Püchel in der Debatte im November vergangenen Jahres formulierte, sondern ein Armenbegräbnis.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung von Frau Bud- de, SPD, und von Herrn Oleikiewitz, SPD)

Das Sterbegeld ist ja inzwischen auch gestrichen.

Insofern entspricht meine Charakterisierung dieser Beschlussempfehlung nicht dem Frust darüber, dass „Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen jetzt enger zusammenrücken, als wir uns das früher erträumt haben“, um aus der Rede von Herrn Kosmehl im November vergangenen Jahres zu zitieren, sondern schlicht und ergreifend dem Frust über die immer mehr wegbrechenden Inhalte, und dies aufgrund von Strategien, die einer Kooperation entgegenlaufen. Man kann halt nicht auf der einen Seite Wettbewerbsföderalismus predigen und auf der anderen Seite den Wirtschaftsstandort Mitteldeutschland fördern wollen.

Frau Dr. Klein, möchten Sie eine Frage von Herrn Gürth beantworten?

Am Ende. - Man kann nicht die wirtschaftliche Zusammenarbeit fördern, wenn man nicht gewillt ist, die entsprechenden politischen Rahmenbedingungen zu schaffen. Es war eigentlich klar, dass eine Kooperation und eine Koordination zwischen den drei Ländern schwierig ist, nachdem man jahrelang bewusst getrennte Wege gegangen ist - das kleine Beispiel Elektronisches Grundbuch zeigt das. Gleichwohl gibt es auf lange Sicht keine vernünftigen Alternativen zu einer Kooperation der drei Länder.

Deshalb wollten wir mit unserem Antrag die Debatte zur Angelegenheit aller und nicht nur zu einer der Landesregierung und der Verwaltung machen. Darauf haben Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, mit Ihrer Beschlussempfehlung verzichtet.

Aus mir nicht nachvollziehbaren Gründen gehen Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, sogar noch hinter Ihre Positionen aus den vergangenen Debatten zurück. Die Einbeziehung des Landtags reduzieren Sie auf einen jährlichen Bericht der Landesregierung. Das ist eine echt gute Idee. Können wir diesen nicht noch schriftlich

bekommen? - Dann sparen wir uns nämlich die Zeit im Plenum. Auf eine Zusammenarbeit der Landtage wollen Sie freiwillig verzichten. Dann brauchen wir aber auch nicht mehr im Rahmen der Föderalismusdebatte über die Rolle und Bedeutung der Landesparlamente zu diskutieren.

(Frau Dr. Sitte, PDS: Genau!)

Wir können uns in aller Ruhe in die Wahlkreise zurückziehen. Den Rest richten die Landesregierung und das Landesverwaltungsamt.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung von Frau Bud- de, SPD)

Vieles braucht sicherlich seine Zeit. Auch ist die regionale Verbundenheit und das in den drei Ländern in unterschiedlichem Maße entwickelte Zugehörigkeitsgefühl der Menschen zu dem jeweiligen Land zu berücksichtigen. Unsere drei Länder sind trotzdem enger miteinander verbunden, als es andere bundesdeutsche Länder sind. Wir haben eine ähnliche Problemdichte, eine stark ausgebaute und miteinander vernetzte Infrastruktur. Der Problemdruck wächst.

Allerdings dominiert gegenwärtig trotz vieler schöner Worte und erster Anfänge, auf die der Ministerpräsident eben verwiesen hat, die Konkurrenz der Landesregierungen. Die unterschiedliche Förderpraxis ist am Beispiel der Klemme AG schon hoch- und runterdekliniert worden. Aber auch die völlig unbefriedigenden Ergebnisse der Raumordnungskommission Sachsen-Anhalt/ Sachsen, das Ausufern des Saaleparks in Günthersdorf zulasten der Städte Leipzig, Halle und Merseburg oder der Streit über den Verlauf der ICE-Trasse Nürnberg - Berlin zeugen von mehr Konkurrenz als Kooperation.

Die PDS setzt auf ein kooperatives und solidarisches Föderalismusmodell, das nicht die Standortkonkurrenz zum Inhalt hat, sondern die Herstellung gleichwertiger - da das gerade in der Debatte ist, sage ich betont: gleichwertiger und nicht gleicher oder einheitlicher - Lebensverhältnisse. Eine transparente und nachvollziehbare und mit den Bürgerinnen und Bürgern gemeinsam vollzogene Kooperation zwischen Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen kann zur Lösung sozialer, wirtschaftlicher, ökologischer und haushaltspolitischer Probleme beitragen. Aber nach dem Prinzip der drei Affen „Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen“ werden wir die anstehenden Probleme in Sachsen-Anhalt nicht lösen, keine effektiven Kooperationsmodelle erarbeiten sowie positive Entscheidungen und Entwicklungen nicht auf Dauer festigen können. Deshalb werden wir die Beschlussempfehlung ablehnen.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung von Frau Bud- de, SPD)

Nun bitte Ihre Frage, Herr Gürth.

Sehr verehrte Frau Kollegin, vor dem Hintergrund, dass wir wohl voraussetzen können, dass wir alle hier im Saal eine stärkere, bessere, effizientere Länder übergreifende Zusammenarbeit wollen und diese auch fördern wollen, frage ich Sie insbesondere angesichts Ihrer Aussage, Ihrer Parabel, Ihres Beispiels mit den drei Affen: Kennen Sie den Unterschied zwischen einer Ente und einem Huhn?

Das Huhn gackert, wenn es ein Ei legt. Das hat zur Folge, dass es nichts von dem Ei hat, weil es ruckzuck weg ist.

(Zuruf von Frau Dr. Weiher, PDS)

Die Ente gackert nicht, legt das Ei und hat mehr davon. Ist es nicht besser, nicht so viel zu gackern, sondern Ergebnisse anzustreben

(Frau Budde, SPD: Sie haben aber gegackert! - Unruhe)

und daran zu arbeiten

(Unruhe)

und erst zu gackern, wenn die Ergebnisse vorliegen?

(Heiterkeit und Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Zurufe von Frau Budde, SPD, und von Frau Dr. Weiher, PDS - Unruhe)

Herr Gürth, ich gebe Ihnen völlig Recht in Bezug auf die Ergebnisse. Aber wenn ich etwas begrüße, dann habe ich noch kein Ergebnis.

(Frau Budde, SPD: Richtig!)