Protokoll der Sitzung vom 16.09.2004

Das, was ich eben gesagt habe, gilt nicht für die Veranschlagung der Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen - Sonderlasten durch die strukturelle Arbeitslosigkeit. In diesem Zusammenhang haben wir nach meiner Auffassung von Anfang an richtig, erfolgreich und auch umfassend etatisiert. Das Land gibt von den 187 Millionen € insgesamt 157 Millionen € an die Kommunen weiter. Hierbei war es notwendig, dass das Land einen Teil der eigenen zu erwartenden Umsatzsteuereinbußen infolge des Kaufkraftverlustes kompensiert. Das ist von Anfang an so verabredet worden. Das steht auch, auf Heller und Cent genau, so im Haushaltsplan.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Abschluss dieser nicht ganz kurzen Rede zusammenfassen. Der Doppelhaushalt 2005/2006 ist eine Herausforderung, der sich Landesregierung und Landtag gestellt haben und die das Land Sachsen-Anhalt bisher noch bisher nicht gekannt hat.

Die Eckwerte des Haushaltes weisen einen klaren Konsolidierungskurs aus, der durch bundesindizierte Einflüsse leider in erheblichem Maße erschwert wird. Wir müssen deshalb weitaus stärker sparen, als wir es uns bei Regierungsantritt gedacht haben. Wir werden trotzdem die globalen finanzpolitischen Ziele, nur zeitlich verzögert, erreichen. Aber, meine Damen und Herren, nach meiner Auffassung ist dieser Haushalt in seinen Eckpunkten ohne finanzwirtschaftliche Alternative. Daher hat die CDU-Fraktion auf ihrer Klausursitzung dem Ministerpräsidenten zugesagt, die Eckwerte dieses Haushaltsplans im Beratungsgang zu halten.

Meine Damen und Herren! Es ist noch kein Haushalt aus dem Parlament so herausgegangen, wie er abgeliefert wurde. Veränderungen sind bei einzelnen Titeln möglich. Diese wird es selbstverständlich auch geben. Aber wir werden die Eckwerte dieses Haushaltsplans halten.

Ich rufe daher alle Parlamentarier zu einer konstruktiven und zügigen Arbeit am Haushalt auf, damit wir im Dezember die zweite Lesung des Haushaltsplanentwurfs durchführen können und alle Zuwendungsempfänger Planungssicherheit - erstmals für zwei Jahre - bekom

men. Das wäre eine große Leistung dieses Landtags. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP und von der Regierungsbank)

Vielen Dank, Herr Scharf. - Meine Damen und Herren! Die Debatte wird durch den Beitrag der SPD-Fraktion fortgesetzt. Dazu bitte ich Herrn Bullerjahn, das Wort zu ergreifen. Bitte sehr, Herr Bullerjahn.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zwei kurze Vorbemerkungen. Erstens. Mich juckt es doch ein bisschen, zur Einbringungsrede der Regierung etwas zu sagen, auch wenn ich mir angesichts meiner Funktion vorgenommen habe, einen anderen Faden für die heutige Debatte zu finden. Dieses Nirvana - ich sage dies ganz bewusst - von Vergleichen von Zahlen, Zusammenhängen von 1995 und Steuereinnahmen wird sicherlich im Parlament seine Wirkung verfehlen. Ich denke, darüber einmal im Kreis Interessierter zu reden, das würde wahrscheinlich Ihnen, Herr Paqué, so manches Argument einleuchtend erscheinen lassen, dass das, was Sie hier sagten, so, glaube ich, nicht glaubhaft zusammengebracht werden kann. Aber das ist eine Sache, die immer - - Außerdem weiß ich diese Diskussion bei Herrn Felke, der nachher noch dazu reden wird, in guten Händen.

Zweitens. Herr Scharf, ich habe Ihnen zwar generell zugehört,

(Herr Kühn, SPD: Obwohl es schwergefallen ist! - Herr Scharf, CDU: Schön! - Zuruf von Herrn Gal- lert, PDS)

aber manchmal habe ich gezweifelt, als was Sie hier vorn eigentlich reden, als Oppositioneller gegen den Kanzler

(Zuruf von Herrn Gallert, PDS)

oder ein bisschen als Kritiker der Landesregierung. Sie haben einen Satz gesagt, mit dem Sie Ihren Ansprüchen nicht gerecht geworden sind. Sie haben gesagt: Man darf es einerseits nicht durch eine rosarote Brille sehen und man darf andererseits nicht alles pauschal schlecht finden. Genau das haben Sie getan.

(Herr Gürth, CDU: Das war eine der besten Re- den, die ich seit Jahren gehört habe! - Unruhe)

Alles das, was in Berlin gemacht wurde, war schlecht; alles das, was vorher hier gelaufen ist, war auch schlecht; alles das, was Sie gemacht haben, war entweder richtig oder hat aufgrund anderer Außenwirkungen so sein müssen, wie Sie es dargestellt haben.

(Zustimmung bei der SPD - Zuruf von Herrn Scharf, CDU)

Sie, Herr Scharf, ich und auch andere im Raum wissen, dass Haushaltspolitik immer eine Mischung ist zwischen den Dingen, die man berücksichtigen muss, denen, die man machen kann, und denen, die man machen will. Ich glaube, das wissen Sie nur allzu gut. Deswegen würde ich Sie bitten, dass Sie, wenn Sie schon mal einen solchen Anspruch erheben, dann auch dabei bleiben, etwa

beim Thema Kinderförderung. Dazu werde ich nachher noch etwas sagen

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

und auch zu Ihrer Liebe zur FDP.

(Frau Budde, SPD, lacht)

Ich will zu Beginn meiner Rede kurz etwas zum Verfahren, zur Einbringung sagen. Die Landesregierung hat sich entschlossen, für die Jahre 2005 und 2006 einen Doppelhaushalt einzubringen. Die SPD-Fraktion hält dies für einen Fehler, und zwar aus einem einfachen Grund -

(Herr Gürth, CDU: Sie wollten das selbst und ha- ben es nicht hingekriegt!)

das stand in den ganzen Jahren als Problem -, nämlich der mangelnden Verlässlichkeit der Rahmenbedingungen. Eine Verlässlichkeit gibt es in diesem Jahr genauso wenig. Es gibt aus haushaltspolitischer Sicht, denke ich, keinen einzigen Grund, in dieser Situation von der bisherigen Praxis abzuweichen.

Folgendes kommt noch hinzu - ich darf daran erinnern -: Wir haben kaum den Jahresabschluss von 2003 erhalten; Sie haben nach der Verabschiedung des Haushaltsplans 2004 sofort eine Haushaltssperre erlassen. Sie diskutieren - Herr Scharf hat das vorhin gesagt - bei der Vorlage des Entwurfes gleichermaßen über eine Ergänzungsvorlage. Ich habe noch etwas mitbekommen: Den Entwurf des Haushaltsbegleitgesetzes hatte ich noch gar nicht richtig in der Hand, da war er schon wieder weg, weil ein neuer kam.

All diese Gründe lassen es aus der Sicht eines Finanzpolitikers, der ich einmal war und noch ein bisschen bin, unmöglich erscheinen, diesen Doppelhaushalt vernünftig umzusetzen.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

Aber Sie haben die - -

(Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

- Dann sind Sie vielleicht kein Finanzpolitiker, Herr Tullner, sonst würden Sie mir ja folgen können. - Ich möchte aber sagen: Die Verfassung legitimiert Sie dazu. Deswegen ist es auch richtig, dass der Entwurf jetzt eingebracht wird und dass wir darüber reden. Ich denke aber, es gibt einen anderen Hintergrund dafür, dass das so gemacht wird. Auf den werde ich noch zu sprechen kommen.

Ich komme jetzt zum Haushalt selbst, zu der Politik, die dahinter steht, und zu der Zukunft, die er skizzieren soll. Dabei gibt es für mich auch einen ganz persönlichen Ansatz, nämlich eine Sicht aus der Generation eines Anfang 40-Jährigen,

(Herr Gürth, CDU: Ja, ja!)

der auch mit den Entscheidungen bzw. mit den Vorgaben leben muss, die der Haushalt für die nächsten Jahre und Jahrzehnte trifft. Dies trifft wahrscheinlich auch auf viele andere im Parlament zu, denn viele haben Kinder. Auch für diejenigen, die Kinder haben, muss ein solcher Haushalt letztendlich den Zusammenhang herstellen, dass man sagt: Ich kann mich nicht, egal, ob ich in der Opposition oder in der Regierung bin, zurücklehnen und

die Meinung vertreten: Das, was den Haushalt ausmacht, das ist es dann auch. Alles andere, was nach der Wahlperiode kommt, ist mir eigentlich relativ egal.

(Herr Gürth, CDU: Das ist eine richtige Einsicht! Die hätten wir uns nur acht Jahre eher ge- wünscht!)

- Herr Gürth, ich nehme für mich in Anspruch, zu der damaligen Zeit mit der gleichen Verantwortung wie jetzt gesprochen zu haben. Ich gebe zu - das werden Sie niemals zugeben -, dass ich damals bestimmte Punkte wie zum Beispiel die Demografie vielleicht falsch beurteilt habe. Es würde Ihnen gut tun, wenn auch Sie solche Dinge einmal eingestehen würden.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Ich glaube, dass es einen wichtigen Grund dafür gibt, dass Sie jetzt auf einen Doppelhaushalt eingeschwenkt sind, und zwar ist es eine Motivation, die ich nicht teile, die ich aber zur Kenntnis nehmen muss. Das ist zum einen die Motivation, Zeit zu gewinnen, weil möglicherweise Wahlchancen verbaut würden, wenn man öffentlich macht, einen Haushalt 2006 vorlegen zu wollen. Zum anderen ist es die Motivation, eine Auseinandersetzung zu vertagen und sich vor Problemen des Landes, die wichtig sind, zu drücken.

Herr Scharf, Sie haben viele der Probleme selbst genannt. Sie wissen doch aber nur zu gut: Das heute zu diskutieren, da alle Beteiligten wissen, dass der Wahlkampf erst im nächsten Jahr losgeht, erspart uns viele Diskussionen, die, wenn wir nächstes Jahr diskutieren würden, viel stärker zutage träten.

(Zustimmung bei der SPD)

Sie haben das gewusst und haben das auch bei der Aufstellung berücksichtigt. Sie haben unter diesen Umständen den Doppelhaushalt - das ist für mich eindeutig - als Weg gewählt.

(Zustimmung von Frau Budde, SPD)

Herr Ministerpräsident, Sie legen den Haushalt vor. Er ist letztendlich für Sie auch eine persönliche Abschlussbilanz für Ihre Amtszeit. Er gibt Rechenschaft über die Versprechungen zu Beginn dieser Legislaturperiode. Das ist der Maßstab dieser Haushaltsdebatte, nichts anderes. Wir diskutieren heute in einem anderen Zusammenhang als noch vor einem Jahr. Ich glaube, es ist vorhin schon von Herrn Scharf angesprochen worden: Dieser Haushalt ist die Summe aller Politiken. Ich glaube, so hat es mein ehemaliger Fraktionsvorsitzender gesagt. Ich denke, das muss gerade für den Ministerpräsidenten bei diesem Haushalt gelten.

(Zustimmung bei der SPD)

Letztlich ist er auch ein Spiegelbild der Wahrnehmung und der Verdrängung politischer Verantwortung.

Meine Damen und Herren! Sie sind 2002 angetreten - das weiß ich noch zu gut - mit dem Anspruch, einen politischen Neuanfang zu wagen, indem Sie mutig verkündet haben, haushaltspolitisch umzusteuern. Sie haben damit letztlich auch hinterfragt, wie viel Verantwortung der Staat, die Zivilgesellschaft oder der Einzelne übernehmen will. Sie hätten, wenn das sozusagen Ihre Logik gewesen wäre, die Entscheidung darüber anschließen müssen, wie die zur Verfügung stehenden Ressourcen

Sachsen-Anhalts künftig eingesetzt werden sollen. Das heißt, Ihre Erwägung, im Wahlkampf bestimmte Dinge zu fordern oder Pläne aufzustellen, hätte sich ja in den Haushalten der letzten Jahre wiederfinden müssen.

Ich habe vorhin vom Finanzminister gehört, 2002 sei ein Neubeginn erfolgt, dieser habe sich in den Jahren 2003 und 2004 fortgesetzt. Nun würde er seinen Höhepunkt erreichen und seinen Abschluss in dem Doppelhaushalt 2005 und 2006 finden. - Herr Paqué, wenn Sie einmal viel Zeit im Landtag haben, dann müssen Sie einmal erläutern, wie Sie diese logische Kette auf die Reihe bekommen;

(Heiterkeit und lebhafter Beifall bei der SPD)

denn Sie haben vorhin eingeschoben, die Logik zwischen Einnahmen, Neuverschuldung und Ausgaben herstellen zu wollen.