Protokoll der Sitzung vom 11.11.2004

Wir müssen berücksichtigen, dass die zur Information erforderlichen Handlungen der Exekutive verhältnismäßig sind. Das zu gewährleisten ist Teil der politischen Gesamtverantwortung des Parlaments. Es liegt nicht im Interesse des Landes, wenn die Landesregierung unverhältnismäßig viel Aufwand betreiben muss, um stets Informationspflichten abzuwägen und diesen gerecht zu werden, und dabei das Regierungshandeln gelähmt wird. Deswegen wird dem Parlament und der Regierung mit dem nun zu beschließenden LIG sowie der LIV die

Verantwortung auferlegt, in der Praxis das Gewollte im Interesse unseres Landes mit Leben zu erfüllen.

Ich sage aber genauso deutlich, dass sich dieses Haus einig weiß in der Verantwortung, die Informationen beanspruchen zu können und zu wollen, die zur Wahrnehmung der eigenen Kompetenzen unverzichtbar sind. Auch insofern sind Informationsgesetz und Informationsvereinbarung Stationen und Wegmarken in dem gemeinsamen Bemühen um ein interorganfreundliches Agieren. Wir haben deshalb verabredet, die Informationsvereinbarung in nicht allzu ferner Zukunft kritisch zu evaluieren.

Auch die Informationsvereinbarung wurde nach dem Willen des Ältestenrats im Sinne der Änderungen des Entwurfs des LIG geändert. Diese Änderungen gehen im Wesentlichen auf die Verhandlungen mit der Landesregierung und zwischen den Initianten zurück, die die Beratungen des Ältestenrates begleiteten.

Ich verweise auf die Beschlussempfehlung: Der Ältestenrat hat diesen Einzeländerungen bei fünf Stimmenthaltungen einstimmig zugestimmt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine längere Etappe der Umsetzung eines Verfassungsauftrages liegt nun hinter uns. Vor uns liegt die Beschlussfassung zu einem Paket von Bestimmungen, das die Parlamentsinformation nunmehr - so hoffe ich - auf solide beschriebene Fundamente stellen wird.

Ich danke allen, die sich hieran konstruktiv beteiligt haben. Es ist das erste Mal, dass wir eine solche Vereinbarung in Umsetzung eines Verfassungsauftrages heute beschließen werden. Ich bitte Sie alle im Namen des Ältestenrates, der beide Beschlussempfehlungen bei zwei Stimmenthaltungen einstimmig verabschiedet hat, nunmehr um Ihre Zustimmung. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Gürth. - Meine Damen und Herren! Der verbundenen Berichterstattung folgt nun die verbundene Debatte mit einer Redezeit von fünf Minuten je Fraktion. Wir beginnen mit dem Beitrag der SPD-Fraktion. Das Wort hat Herr Rothe. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist bekanntlich schwer zu entscheiden, ob ein Glas halb voll oder halb leer ist. Sozialdemokraten neigen im Zweifel dazu, es als halb voll zu betrachten.

(Heiterkeit bei allen Fraktionen - Frau Bull, PDS: Das ist wohl wahr! - Zurufe von Herrn Gallert, PDS, und von Herrn Gürth, CDU)

Wir werden sowohl dem Landtagsinformationsgesetz als auch der Landtagsinformationsvereinbarung, die eine Anlage zu diesem Gesetzentwurf ist, zustimmen.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Mit der Verabschiedung eines Landtagsinformationsgesetzes erfüllen wir den in Artikel 62 Abs. 3 der Landesverfassung geregelten Auftrag, das Nähere hinsichtlich der Informationspflicht der Landesregierung durch Gesetz zu regeln. Herr Kollege Gürth hat dazu eben schon einige zutreffende Ausführungen gemacht.

Das Land Sachsen-Anhalt, Herr Gürth, ist in der Tat eine parlamentarische Demokratie und nicht etwa als Ministerialräterepublik oder gar als Wahlmonarchie verfasst.

(Zustimmung von Herrn Gürth, CDU)

Deshalb hat das Parlament auch einen solch umfassenden Informationsanspruch.

Man kann unter vernünftigen Leuten unterschiedlicher Auffassung darüber sein, ob der Regelungsinhalt der vorliegenden Beschlussempfehlung zu dem Gesetzentwurf überhaupt ein solches Gesetz rechtfertigt, ob man sich besser auf eine Informationsvereinbarung beschränkt oder das ganze Projekt gelassen hätte.

Der Herr Landtagspräsident hat schon bei der Einbringung des Gesetzentwurfes am 18. Juni 2004 von einem relativ knappen Landtagsinformationsgesetz gesprochen. Was Ihnen heute vorliegt, ist leider noch etwas knapper, weil das, was unser Landtagspräsident zu Recht als knapp bezeichnet hat, aus der Sicht der Staatskanzlei zu üppig ausgefallen ist.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Ich möchte einen Aspekt ansprechen, bei dem wir uns haben behaupten können, und zwar die maßgebliche Berücksichtigung von Stellungnahmen des Landtages durch die Landesregierung überall dort, wo die Gesetzgebungszuständigkeiten des Landes wesentlich berührt sind oder es um Änderungen des Grundgesetzes geht.

Das Erfordernis einer maßgeblichen Berücksichtigung solcher Stellungnahmen ist Artikel 23 Abs. 5 des Grundgesetzes nachgebildet. Dieser sieht vor, dass die Bundesregierung Stellungnahmen des Bundesrates maßgeblich berücksichtigen muss, wenn im Schwerpunkt Gesetzgebungsbefugnisse der Länder, die Einrichtung ihrer Behörden oder ihre Verwaltungsverfahren betroffen sind.

So hat der Bundesrat in seiner Sitzung am 15. Oktober 2004 eine maßgeblich zu berücksichtigende Stellungnahme zu einem Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission zur Reform der Strukturpolitik für den Zeitraum von 2007 bis 2013 beschlossen. Maßgebliche Berücksichtigung bedeutet, so heißt es in einer Pressemitteilung des Bundesrates vom 15. Oktober 2004, dass die Auffassung des Bundesrates im Konfliktfall von der Bundesregierung auf europäischer Ebene als die Verhandlungsposition Deutschlands vorzutragen ist.

In den Verhandlungen über eine Reform der bundesstaatlichen Ordnung vertreten die Länder mit Festigkeit die Position, dass es bei dieser Fassung des Artikels 23 des Grundgesetzes bleiben soll. Wir unterstützen diese Bemühungen um einen Erhalt der Mitwirkungsrechte des Bundesrates in der Europapolitik, wenn wir heute eine entsprechende Formulierung in dem Gesetzentwurf und für die Informationsvereinbarung mit der Landesregierung beschließen.

(Ministerpräsident Herr Prof. Dr. Böhmer: Sagen Sie das auch der Bundesregierung, damit sie es auch so sieht!)

- Herr Professor Böhmer, heute geht es darum, Sie in Ihren Verhandlungen zu stärken.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Ein anderer Streitpunkt war die Frage, ob die Landesregierung auf Stellungnahmen des Landtages schriftlich zu antworten hat oder ob eine mündliche Rückäußerung genügen soll. Nach meiner Einschätzung verdient es in jedem Fall eine schriftliche Antwort, wenn der Landtag sich die Mühe macht, eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Die Schriftlichkeit erzeugt Öffentlichkeit und damit die Kontrolle im Sinne einer politischen Bindungswirkung. In der letzten Fassung steht es der Landesregierung nunmehr frei, ob sie mündlich im Ausschuss oder schriftlich berichtet.

Als Verschlechterung betrachte ich auch die Einfügung, wonach eine rechtliche Bindung der Landesregierung an die Stellungnahme des Landtages nicht besteht. Ich will aber deutlich feststellen, dass das Gesetz und die Informationsvereinbarung keine Einschränkung von verfassungsrechtlichen Positionen der Beteiligten enthalten können und sollen. Das gilt insbesondere auch für das in Artikel 53 der Verfassung gewährleistete Frage- und Auskunftsrecht der Mitglieder des Landtages.

Meine Damen und Herren! Das Informationsgesetz und die Informationsvereinbarung können aus meiner Sicht nur ein Anfang in der Verbesserung der Informationsbeziehungen zwischen Landtag und Landesregierung sein. Es wird wesentlich auf die Handhabung ankommen.

Mein Fraktionskollege Tilman Tögel hat mich darauf hingewiesen, dass es nicht ausreicht, wenn die Landesregierung den Landtag erst vier Wochen vor der Unterzeichnung eines Staatsvertrages unterrichtet. Vier Wochen sind die Mindestfrist und keine Richtlinie.

Lassen Sie mich zum Schluss der CDU-Fraktion Dank und Anerkennung aussprechen.

(Oh! bei der CDU)

Sie war stets bemüht,

(Herr Bischoff, SPD: Stets!)

in den Verhandlungen mit der Staatskanzlei Fortschritte zu erreichen oder den bereits erreichten Verhandlungsstand zu wahren.

(Beifall bei der SPD)

Das heute zur Entscheidung vorliegende Gesetz ist ein kleiner Schritt für die Menschheit, aber ein großer Schritt für die CDU-Fraktion. - Vielen Dank.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD - Lachen bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Rothe. - Nun hören wir den Beitrag der FDP-Fraktion. Es spricht Herr Kosmehl.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Rothe, ich finde es schade, dass Sie - wie das bei Ihnen üblich ist - zwar kritische Worte gefunden haben, aber die Selbstkritik wieder einmal hintangestellt bzw. in diesem Fall sogar vergessen haben.

(Herr Bullerjahn, SPD: Dafür sind Sie zuständig! - Weitere Zurufe von der SPD)

Deshalb wäre es gut und aus meiner Sicht auch notwendig gewesen, wenn Sie darauf eingegangen wären, warum es so lange gedauert hat, bis wir heute nun end

lich ein Landtagsinformationsgesetz und eine Landtagsinformationsvereinbarung verabschieden können.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

„Die Landesregierung unterrichtet den Landtag rechtzeitig über die Vorbereitung von Gesetzen, wichtige Angelegenheiten der Landesplanung und den Abschluss von Staatsverträgen. Das gleiche gilt für Vorhaben der Landesregierung, insbesondere für Bundesratsangelegenheiten, Verwaltungsabkommen, die Zusammenarbeit mit dem Bund, den Ländern, den Regionen, mit anderen Staaten und zwischenstaatlichen Einrichtungen sowie für Angelegenheiten der Europäischen Gemeinschaften, soweit sie für das Land von grundsätzlicher Bedeutung sind. Das Nähere regelt ein Gesetz.“

Das ist der Wortlaut des Artikels 62 unserer Landesverfassung. Artikel 62 ist wie die gesamte Landesverfassung im Juli 1992 in Kraft getreten. Zwölf Jahre später - erst zwölf Jahre später -, im Juni dieses Jahres, haben die CDU, die FDP und die SPD dem Landtag den gemeinsamen Entwurf eines Landtagsinformationsgesetzes nebst zugehöriger Vereinbarung vorgelegt.

Heute nun können wir mit unserer Zustimmung den im Jahr 1992 erteilten Auftrag der Verfassung erfüllen. Sodann können der Landtagspräsident für den Landtag und der Ministerpräsident für die Landesregierung die gemeinsame Vereinbarung unterzeichnen.

Der Weg bis dato war nicht leicht. Obgleich es auch heute festzustellen gilt, dass die Landesregierung ihrer Informationspflicht gegenüber dem Landtag nach Artikel 62 Abs. 1 der Landesverfassung auch in der Vergangenheit nachgekommen ist, waren die Möglichkeiten des Landtages, einzelne Vorgänge, wie Staatsverträge oder Angelegenheiten im Rahmen der Europäischen Union, mit zu moderieren, sich mit zu äußern, nahezu bei null.

Das vorliegende Gesetz, insbesondere aber die vorliegende Vereinbarung, räumen dem Landtag nun diese Möglichkeit ein, zu Staatsverträgen, zu Bundesratsinitiativen oder zu Angelegenheiten der Europäischen Union explizit Stellung zu nehmen. Das, meine Damen und Herren, ist eine deutliche Stärkung der Rechte des Parlaments.