Protokoll der Sitzung vom 11.11.2004

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Scheurell. - Für die PDS-Fraktion erteile ich nun Frau Dr. Weiher das Wort. Bitte sehr, Frau Dr. Weiher.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ihre letzten Worte, Herr Scheurell, sind für mich ein besonderer Anlass, noch einmal auf die Dringlichkeit unseres Änderungsantrages zu der Beschlussempfehlung hinzuweisen. Genau die Dinge, die bisher abgelaufen sind, in dieser Art und Weise ohne kommunalaufsichtliche rechtliche Vorgaben weiterzuführen, halte ich nicht nur für ge

fährlich, sondern auch für äußerst schwierig im Umgang für das Parlament.

Zurück zu unserem Ursprungsantrag. Wir haben uns im Finanzausschuss anderthalb Jahre lang mit unserem Antrag und dem Änderungsantrag der SPD-Fraktion beschäftigt. Dabei waren die Beratungen einschließlich der - das möchte ich an dieser Stelle sagen - sehr informativen und hochinteressanten Anhörung durchaus auch emotional belegt. Natürlich gab es unterschiedliche Sichtweisen und gegensätzliche Argumente zwischen Machbarkeit und Verbot.

Die Entscheidung, mehr oder weniger abzuwarten, bis im Repräsentantenhaus und im Senat in den USA eine Beschlussfassung für oder gegen Cross-Border-Leasing fällt, hat der Ausschuss im vergangenen Jahr einstimmig gefällt, freilich ohne zu wissen, wie lange wir auf eine diesbezügliche Entscheidung warten müssen.

Das Ziel der PDS-Fraktion war dabei trotz allem, eine möglichst einvernehmliche Beschlussfassung dahin gehend zu treffen, dass solche hoch risikobehafteten Geschäfte in der Art von Cross-Border-Leasing für öffentliche Ebenen, ob es nun Kommunen, Länder oder der Bund sind, tabu werden. Der Grund dafür ist - daran hat sich auch nach der jetzigen Entscheidung in den USA, steuerlichen Vorteilen durch CBL rückwirkend zum 12. März 2004 die Grundlage zu entziehen, nichts geändert -, dass solche Finanzierungsmodelle die Kommunen oder die Länder in langfristige, unüberschaubare Verträge zwingen, deren Risiko eines Scheiterns zwar minimiert, aber eben nicht abgeschafft werden kann.

Bayern ist mit seiner Anfang Januar 2004 vorgelegten Gesetzesänderung im Kommunalrecht wohl am weitesten vorgeprescht, auch wenn dieser Vorschlag letztlich nicht Gesetz wurde. Die Begründung von Innenminister Faltlhauser, die ich hier gern noch einmal zitiere, ist nach wie vor aktuell:

„Einen Ausverkauf der Städte und Gemeinden wegen kurzfristiger lukrativer Steuertricksereien und riskanter Finanzierungsmodelle wollen wir verhindern.“

(Zustimmung bei der PDS)

Was Bayern recht ist, sollte uns billig sein; denn ich bin mir sicher, dass nach Cross-Border-Leasing vielleicht schon ein Double-Cross-Border-Leasing oder etwas anderes in der Art wartet, dessen Zweck einzig und allein darin bestehen wird, die Notlage der öffentlichen Haushalte auszunutzen und es finanzstarken Investoren zu erlauben, auf legale Weise Steuern zu sparen.

(Zustimmung bei der PDS)

Solche Geschäfte werden auch in Zukunft den öffentlichen Ebenen - das hat Herr Scheurell eben eindrucksvoll dargelegt - angeboten werden, weil diejenigen, die sie abschließen, genau wissen, dass der Staat oder die Kommune nicht Pleite gehen kann. Da ist immer noch jemand, der dann einspringt und das Risiko übernimmt. Genau das sollten wir als Gesetzgeber nicht tolerieren und nicht zulassen. Möglicherweise hat Sachsen-Anhalt eines Tages für solche Geschäfte geradezustehen. Deshalb können wir nicht bei einer Warnung vor solchen Geschäften stehen bleiben oder bei der Ansage: Es hat sich erledigt.

Die Fortsetzung solcher Modelle bzw. die Frage nach dem Umgang mit den abgeschlossenen Geschäften in der Bundesrepublik hat unserer Meinung nach unter an

derem auch zur Befassung der Präsidentinnen und Präsidenten der Landesrechnungshöfe und des Bundesrechnungshofes am 1. Oktober 2003 geführt. Diese haben sich auf ihrer Konferenz sehr ausführlich diesem Thema gewidmet und Leitsätze aufgeschrieben, von denen ich hier - mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident - nur die Nr. 3 zitieren möchte:

„Aufgrund der langen Laufzeit und der kreditähnlichen Wirkung sind die Verträge nicht den Geschäften der laufenden Verwaltung zuzuordnen. Soweit Geschäfte der Kommunen betroffen sind, unterliegen sie nicht nur der Beschlussfassung durch die zuständigen Gremien, sondern nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen auch einer Anzeigepflicht oder der kommunalaufsichtlichen Genehmigung. Dies gilt auch bei der Übernahme von Gewährleistungen von Kommunen für entsprechende Geschäfte.“

Genau das ist bei Vertragsabschluss durch Kommunen in Sachsen-Anhalt nicht passiert. Hier gab es keine kommunalaufsichtlichen Genehmigungen, ja, sie wurden für überflüssig gehalten. Das macht die Brisanz der Geschäfte deutlich.

Was passiert, wenn jetzt, nachdem die Investoren eigentlich kein Interesse mehr an den abgeschlossenen Geschäften haben, nur eines der Risiken eintritt und an die Städte Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe gestellt werden?

Derzeit laufen bereits die ersten Betriebsprüfungen in den kommunalen Unternehmen, offensichtlich mit dem Ziel, durch eine Fehlersuche die entgangenen Steuervorteile in Richtung Kommunen zu schieben. Wer haftet dann im Falle eines Falles? Das ist ungeklärt. Wenn ich nach dem jetzigen Beschlussvorschlag des Ausschusses urteile, besteht auch bei der Mehrheit der Abgeordneten offensichtlich kein Interesse, diese unklare Lage zu klären oder sich um Klärung zu bemühen.

Wir halten das politisch und rechtlich für fragwürdig und wollen daher eine Entscheidung im Landtag, die zumindest für die Kommunen und das Land als unterstes Level Empfehlungen formuliert, wie zukünftig beim Abschluss ähnlicher Geschäfte zu verfahren ist. Daher unser Änderungsantrag zur Beschlussempfehlung. Ich bitte Sie eindringlich, diesem zuzustimmen. - Danke.

(Zustimmung bei der PDS)

Vielen Dank, Frau Dr. Weiher. - Meine Damen und Herren! Damit ist die Debatte abgeschlossen. Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein.

Zunächst stimmen wir über den Änderungsantrag der PDS-Fraktion in der Drs. 4/1892 ab. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Zustimmung bei der PDS-Fraktion. Gegenstimmen? - Bei den Fraktionen der SPD, der CDU und der FDP. Enthaltungen? - Keine. Damit ist dieser Antrag mehrheitlich angelehnt worden.

Wir stimmen nun über die Beschlussempfehlung in der Drs. 4/1865 ab, den Sachverhalt für erledigt zu erklären. Wer dieser Beschlussempfehlung seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Zustimmung bei Teilen der SPD-Fraktion, bei der CDU- und bei der FDP-Fraktion. Gegenstimmen? - Bei der PDS-Fraktion. Enthaltungen? - Etliche Enthaltungen bei

der SPD-Fraktion. Damit ist dieser Beschlussempfehlung mehrheitlich zugestimmt worden. Der Tagesordnungspunkt 16 ist damit erledigt.

Wir treten nun ein in die Behandlung des Tagesordnungspunktes 17:

Beratung

Haushaltsrechnung für das Haushaltsjahr 2002 - Entlastung

Jahresbericht 2003 über die Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung 2002 - Teil 1 und 2

Unterrichtungen - Drs. 4/995 und 4/1668

Antrag des Ministers der Finanzen - Drs. 4/1299

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Finanzen - Drs. 4/1864

Berichterstatter des Ausschusses für Finanzen ist der Abgeordnete Herr Bönisch. Bitte sehr, Herr Bönisch.

Vielen Dank, Herr Präsident. Die Ankündigung war schon länger als meine Rede. Aber gut.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Frage der Entlastung - der Herr Präsident hat die Drucksachen genannt - stützen wir uns im Wesentlichen auf zwei Grundlagen, zum einen auf den Bericht des Landesrechnungshofes für das Jahr 2002, der im Jahr 2003 veröffentlicht wurde, und zum anderen auf die Haushaltsrechnung für das Jahr 2002.

Der Unterausschuss Rechnungsprüfung hat sich in sieben Sitzungen mit dieser Problematik beschäftigt und eine Beschlussempfehlung für den Finanzausschuss erarbeitet. Dieser hat sie aufgegriffen und Ihnen heute in der Drs. 4/1864 vorgelegt. Dieser Beschlussempfehlung ist im Ausschuss einstimmig gefolgt worden. Insofern muss ich nicht viele Überzeugungsreden halten, sondern kann mich auf wenige Schwerpunkte konzentrieren. Dies möchte ich aber wirklich tun.

Die Themen, die der Landesrechnungshof insgesamt aufgegriffen hat, sind in den Jahresberichten nachzulesen. Sie sind auch ein Bestandteil der Anlage zur Drucksache. Insofern muss ich sie an dieser Stelle nicht gesondert nennen.

Breiten Raum sowohl im Bericht als auch in unseren Diskussionen dazu nahm die Frage der Landesbetriebe ein. Ich persönlich finde es wirklich bemerkenswert, wie oberflächlich in diesem Bereich Gesetze und Bestimmungen eingehalten wurden, wenn es darum ging, die Gesellschafterpflichten wahrzunehmen.

Ebenso bemerkenswert finde ich allerdings auch das Verhältnis der Bezahlung derer, die den Besitzer eines Landesbetriebes repräsentieren, und derer, die im Auftrag des Besitzers agieren. Diesen Teil der Anlage empfehle ich Ihrer Aufmerksamkeit in besonderer Weise. Wir haben uns im Ausschuss jedenfalls den Empfehlungen des Landesrechnungshofs angeschlossen, dieses Verhältnis zu korrigieren.

Ganz unabhängig von diesen Überlegungen haben wir auch empfohlen, bei den Landesbeteiligungen verstärkt

mit erfolgsabhängigen Gehaltsbestandteilen zu arbeiten, zumal es dort wirklich möglich ist. Erfolgreiches Arbeiten wurde aber offenbar - hierbei muss man der Wahrheit die Ehre erweisen - auch schon unter der SPD-geführten Regierung besonders honoriert; denn noch in ihren letzten Amtswochen achtete sie darauf, dass die Besten der Besten noch einmal eine Gehaltserhöhung bekamen. Hierbei hat man wirklich Weitsicht bewiesen.

Das Thema Landesbeteiligungen und Landesbetriebe wird uns aber noch weiterhin beschäftigen; denn der ganz große Konsens zwischen allen Beteiligten, insbesondere bezüglich der LHO-Betriebe, ist leider noch nicht gefunden worden.

Einen weiteren Schwerpunkt stellte einmal mehr die Personalstellen- und Personalausgabensituation im Bereich der Landesverwaltung dar; denn Sachsen-Anhalt hatte auch im Jahr 2002 den höchsten Stellenbestand aller Flächenländer im Verhältnis zur Einwohnerzahl. Dabei fällt leider insbesondere auf, dass sich der Personalbestand in den Ministerien im Zeitraum von 1999 bis 2002 im Gegensatz zum Gesamtpersonalbestand erhöht hat.

Bemerkenswert ist natürlich auch - daran darf ich ruhig noch einmal erinnern -, dass der Lehrertarifvertrag und der Umstand, dass dieser ab dem Jahr 1997 zu einem Personalkostenanstieg geführt hatte, in der Haushaltsrechnung der entsprechenden Jahre leider nicht Niederschlag gefunden hatte.

Ich bin richtig froh, dass SPD und PDS inzwischen auch der Meinung sind, dass gerade im Personalbereich korrekt gearbeitet werden muss, wenn das Land eine Zukunft haben soll, auch wenn sie dabei heute manchmal etwas ungestüm agieren. Aber ich persönlich kann ihnen das nachsehen; denn ich habe Kinder. Auch bei denen habe ich es erlebt, wie ungeduldig man sein kann, wenn es darum geht, neue Erkenntnisse in die Tat umzusetzen.

Natürlich wurden auch weniger beeindruckende Sachverhalte im Jahresbericht aufgegriffen. Beispielhaft möchte ich die Kraftfahrzeugwerkstätten und die Kleiderkammern der Landespolizei nennen. Aber auch dann, wenn die Quantitäten in diesen Bereichen ganz andere als im Personalbereich sind, sind auch diese Bereiche qualitativ bedeutsam. Wir dürfen optimistisch sein, auch dort ein weiteres Einsparpotenzial aktivieren zu können.

Auch die Verwendung von Fraktionskostenzuschüssen wurde geprüft. Ich will darauf nicht weiter eingehen; denn die meisten wissen, worum es ging. Das ist Schnee von gestern. Aber wir alle sollten wachsam bleiben; denn die Gefahr, gewissen Verführungen zu erliegen, ist genauso groß wie die Grauzonen, in denen man sich da bewegen kann.

Ein interessantes Beispiel für die Wirkungen unserer Bemühungen im Rechnungsprüfungsausschuss ist die Förderung der Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen. Die von uns unterstützte Einführung von Fallpauschalen hat vielleicht wirklich zur Erhöhung der Effizienz in den Beratungsstellen geführt. Aber nun scheinen auch die Kosten anzusteigen. Wir werden diesen Effekt wohl noch erörtern müssen - ergebnisoffen, versteht sich.

Breiten Raum im Teil 2 des Jahresberichts 2003 nimmt die überörtliche Kommunalprüfung ein. Auch die dabei aufgezeigten Ergebnisse sind außerordentlich interes

sant. Aber ich kann auch darauf an dieser Stelle nicht näher eingehen; denn der Stoff ist dafür einfach zu umfangreich. Ich muss es wohl auch nicht; denn ich kann sicherlich davon ausgehen, dass gerade diesen Teil wirklich alle gelesen haben, denen ihr Wahlkreis wichtig ist.

Den Anfang des zweiten Teils des Berichtes des Landesrechnungshofes habe ich mir für den Schluss aufgehoben; denn hierin wird das wichtigste Thema behandelt, nämlich die Entwicklung von Einnahmen und Ausgaben und damit der Verschuldung des Landes. Diesen Abschnitt sollten wir uns vielleicht alle noch einmal durchlesen, bevor wir den Doppelhaushalt für die Jahre 2005 und 2006 verabschieden bzw. Änderungsanträge dazu stellen. Aber weil ich die Dramatik der Situation mit meinen Worten gar nicht eindringlicher schildern kann, als dies die nackten Zahlen vermögen, will ich es an dieser Stelle auch mit diesem Hinweis bewenden lassen.