Protokoll der Sitzung vom 18.07.2002

(Lachen bei der SPD und bei der PDS - Frau Bull, PDS: Ach so! - Frau Budde, SPD: Hier geht es nicht um die Interpretation!)

Ich stehe dazu. Ich habe das falsche Wort gewählt. Gemeint war die Untersetzung, nicht die Vertitelung. Seien Sie doch bitte einmal so großzügig und erlauben Sie mir eine falsche Terminologie in diesem Punkt. Ich habe das im Finanzausschuss eindeutig korrigiert. Spätestens zum jetzigen Zeitpunkt sollte das absolut klar sein.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Zu- ruf von Herrn Dr. Polte, SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist überhaupt nicht einzusehen, warum im laufenden Haushaltsvollzug jetzt noch den Ministerien und den von ihnen bewirtschafteten Einzelplänen zusätzliche enge Korsette verpasst werden sollen. Wir brauchen in der schwierigen Aufgabe des Haushaltsvollzugs natürlich noch einen gewissen Spielraum, um diese Einsparziele wirklich sinnvoll zu realisieren.

Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir noch eine Bemerkung zum Antrag der SPD-Fraktion, den ich vorhin auf meinem Platz vorfand. 200 Millionen € Defizit sollen nicht eingestellt werden und 30 Millionen € zusätzliche Personalkosten sollen nicht berücksichtigt werden.

Ich muss schon sagen, der Vorschlag zu den Personalkosten zeigt eigentlich nur, dass Sie den grundlegenden

Wechsel, den wir vollziehen wollen, in seiner Logik noch gar nicht verstanden haben.

Lieber Herr Dr. Püchel, wir haben aufgrund der Istzahlen des Monats Mai 2002 eine Hochrechnung gemacht. Aus dieser Hochrechnung ergibt sich eben eine Zahl für die zusätzlichen Personalkosten in Höhe von 30 Millionen €, die Sie in Ihren Hochrechnungen nicht berücksichtigt haben. Wir sind so ehrlich, das auch im Haushalt zu berücksichtigen.

Es wäre ein Rückfall in alte, in diesem Punkt wirklich unseriöse Praktiken, wenn man jetzt einfach hinginge, diese 30 Millionen € streichen und dann bis zum SanktNimmerleins-Tag hoffen würde, dass die Kosten nicht entstehen.

(Zustimmung von Herrn Kolze, CDU)

Nein, wir haben konkrete Anhaltspunkte dafür, dass diese Kosten entstehen. Deswegen müssen sie im Haushalt entsprechend veranschlagt werden. Das tun wir.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Herr Dr. Püchel, SPD: Wie viel Personal bauen Sie denn ab?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich nenne einen letzten Punkt, der von großer Bedeutung ist. Wir gehen mit diesem Nachtragshaushalt in der Verschuldung über die von der Verfassung vorgegebene Grenze der eigenfinanzierten Investitionen hinaus. Wir tun dies natürlich mit großen Bedenken und mit großem Bedauern. Über die Begründung im Einzelnen ist im Finanzausschuss intensiv gesprochen worden. Ich selbst habe mich dazu entsprechend ausführlich geäußert.

Ich weise auch an dieser Stelle noch einmal darauf hin: Auch der Rechnungshof hat unsere Argumentation bestätigt. Es war nicht so, dass der Rechnungshof sagte, diese Argumentation sei nicht nachvollziehbar. Nein, der Rechnungshof hat ausdrücklich festgestellt: Die Argumentation, die von dieser Landesregierung vorgelegt wurde, ist zutreffend und im Kern richtig und die daraus gezogenen Konsequenzen sind voll zu rechtfertigen.

Lassen Sie mich an dieser Stelle allerdings noch drei zusätzliche Anmerkungen machen, die auch einige Redebeiträge von vorhin betreffen, insbesondere von Herrn Doege und von Herrn Gallert.

Erstens. Wir sehen das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht in Sachsen-Anhalt als gestört an. Eben dies hindert uns, aus volkswirtschaftlicher Verantwortung heraus auf kurze Sicht jene Einschnitte bei Investitionen und Konsum vorzunehmen, die notwendig wären, um die in der Verfassung festgelegte Grenze für die Verschuldung einzuhalten.

Ich würde mich jetzt sehr gern an Herrn Gallert wenden, der zurzeit leider nicht im Raum ist und der mir vorhin einen kurzen Vortrag über den angeblichen Widerspruch zwischen dem kurzfristigen Aspekt dieser Entscheidung und einem langfristigen wirtschaftsliberalen Programm, das auf Steuersenkungen setzt und das vor allem auch auf finanzpolitische Konsolidierung setzt, gehalten hat.

Meine Damen und Herren! Ich betone an dieser Stelle, da ist überhaupt kein Widerspruch. Das ist vollkommen anerkannte volkswirtschaftliche Logik.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit noch bemerken, dass ich bis vor wenigen Monaten nicht weit von hier makroökonomische Grundkurse für Studenten im dritten

Semester gehalten habe, in denen ich eben auf diesen Punkt, nämlich den Unterschied zwischen der kurzen Frist und der langen Frist, mit allem Nachdruck hingewiesen habe.

Vielleicht können Herr Gallert und ich uns einmal bei einem Glas Wein über die Einzelheiten dieser volkswirtschaftlichen Logik unterhalten. Dann kommen wir in diesen Punkten ein gutes Stück weiter.

Es ist also völlig klar, dass Kürzungen in der kurzen Frist natürlich ganz anders zu beurteilen sind als ein angekündigtes Sparprogramm, auf dessen Logik und auf dessen Konsequenzen sich die Akteure im Markt einstellen können. Das gehört zu den volkswirtschaftlichen Grundweisheiten.

Herr Doege, wenn Sie von einem liederlichen Umgang mit der Verfassung sprechen, dann muss ich das wirklich an dieser Stelle mit allem Nachdruck zurückweisen. Hier geht es überhaupt nicht um einen liederlichen Umgang mit der Verfassung, sondern hier geht es um die konsequente Umsetzung von wichtigen Elementen des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes, das in diesem Punkt eine klare Sprache spricht.

Wohlgemerkt: Natürlich gibt es auch strukturelle Aspekte in einer solchen Ungleichgewichtslage. Das haben wir überhaupt nicht bestritten; denn eine konjunkturelle Schieflage, die durch eine drastische kurzfristige Ausgabenkürzung verursacht werden kann, ist natürlich immer dann von besonderer volkswirtschaftlicher Dramatik, wenn sich die betreffende Region oder das betreffende Land bereits in einer strukturellen Schieflage befindet. Wir sind uns doch darin einig, dass das in SachsenAnhalt nach acht Jahren sozialdemokratischer Regierung leider Gottes allemal der Fall ist.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU und von der Regierungsbank)

Übrigens, die Rating-Agenturen - diese Argumentation habe ich natürlich bei Moody’s auch vorgetragen - verstehen diese Argumentation.

(Herr Bullerjahn, SPD: Das haben Sie schon er- wähnt!)

- Das ist an dieser Stelle aber besonders wichtig, weil Herr Doege von einem liederlichen Verfassungsbruch gesprochen hat.

(Herr Bischoff, SPD, lacht)

Meine Damen und Herren! Wir stellen auch fest, dass die verfassungsmäßige Grenze im Vollzug des Haushalts 2002 ohnehin überschritten worden wäre. Herr Scharf hat das bereits erwähnt. Um es noch einmal in aller Klarheit und Deutlichkeit zu sagen: Diesen Zustand haben nicht wir zu verantworten. Wir legen ihn nur offen. Dieser Zustand wäre auch dann eingetreten, wenn die Regierung nicht gewechselt hätte, dann allerdings im Haushaltsvollzug.

Der Rechnungshof hat mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass auch der Haushaltsvollzug für die Beurteilung der Verfassungsgemäßheit von Bedeutung ist und nicht nur der Haushaltsplan.

Wir stellen schließlich fest, dass die Überschreitung der verfassungsmäßigen Grenze der Nettokreditaufnahme für diese Regierung selbstverständlich ein einmaliger Vorgang bleiben wird. Das ist ein Phänomen des Übergangs zu einer neuen, zu einer soliden und zu einer seriösen Haushaltsführung.

Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal klarstellen, was ich in den letzten Wochen immer wieder betont habe: Der Nachtragshaushalt bringt noch nicht die strukturellen Veränderungen, um die sich unsere Vorgängerregierung acht Jahre lang herumgedrückt hat.

(Zuruf von Herrn Dr. Polte, SPD)

Erst im Rahmen der Aufstellung des Haushaltsplans 2003 werden wir genau prüfen, welche Einschnitte wir wo ansetzen werden, damit wir auf längere Sicht bis Ende 2006 die Nettokreditaufnahme auf null absenken können.

(Zuruf von Herrn Dr. Polte, SPD)

Es ist völlig klar: Es geht um tiefgreifende strukturelle Veränderungen in den Ausgaben des Landes und seiner Gemeinden. Wir kommen um diese Veränderungen nicht herum. Dieses wird schmerzhaft werden. Jeder wird seinen Beitrag leisten müssen. Wir werden uns auch von lieb gewordenen Besitzständen zu trennen haben. Für die Zukunft unseres Landes Sachsen-Anhalt werden wir alle gemeinsam sparen, damit die künftigen Generationen nicht unter erdrückenden Zinslasten leiden müssen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zustim- mung von der Regierungsbank)

Der Nachtragshaushalt legt die Grundlage für eine Zeit des soliden und seriösen Wirtschaftens. Wir sind es den Bürgern unseres Landes Sachsen-Anhalt schuldig, endlich zu einer vernünftigen Haushalts- und Finanzpolitik zurückzukehren. Dafür wurden wir gewählt, dafür stehen wir ein, dafür haben wir mit dem Nachtragshaushalt die erste Grundlage gelegt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aus diesem Grund bitte ich Sie, dem vorliegenden Gesetzentwurf in seiner jetzigen Form zuzustimmen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Danke, Herr Finanzminister. Sie hatten in Aussicht gestellt, noch eine Anfrage des Abgeordneten Herrn Doege zu beantworten. Herr Doege, Sie haben das Wort.

Herr Minister, wenn Sie sich noch an die Beratungen zum Einzelplan 02 erinnern, dann werden Sie wissen, dass die SPD-Fraktion den Antrag auf Streichung einer Stelle der Besoldungsgruppe B 9, der Stelle des ehemaligen Staatssekretärs in der Staatskanzlei, gestellt hatte. Da wir jetzt einen Staatsminister haben, wäre diese Stelle eigentlich verzichtbar. Können Sie mir eine Begründung dafür geben, weshalb Sie dieser Streichung nicht zugestimmt haben, obwohl sogar Frau Dr. Hüskens diesen Antrag im Finanzausschuss unterstützt hat?

(Frau Dr. Hüskens, FDP: Was? - Widerspruch bei der FDP und bei der CDU - Herr Doege, SPD: Das steht im Protokoll!)

Das Letzte war faktisch falsch; aber wir haben über diese Dinge im Finanzausschuss ausführlich diskutiert. Ich komme hier darauf nicht mehr zurück.

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Minister, gestatten Sie noch eine Anfrage des Abgeordneten Herrn Rothe? - Bitte, Herr Rothe.

Herr Minister, trifft es zu, dass Sie die Absicht haben, beginnend ab dem Jahr 2003 die Nettokreditaufnahme jährlich zu halbieren, um dann in 2006 bei Null zu landen? Bedeutet das, dass wir uns für 2003 auf eine Neuverschuldung in der Größenordnung von 750 Millionen € einzustellen haben?

Wir werden mit Abschluss dieses Nachtragshaushaltes über all die Pläne, wie wir weiter verfahren werden, im Detail im Kabinett beraten. Es ist nicht der Zeitpunkt und nicht die Stelle, um über diese Dinge zu sprechen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Minister Herr Dr. Daehre: Richtig! So ist das! - Frau Bud- de, SPD: Das haben Sie aber schon mal gesagt! Öffentlich!)

Damit ist die Debatte mit dem Redebeitrag des Finanzministers - - Herr Abgeordneter Dr. Püchel, bitte.