- Ich habe bereits betont, dass es sich um eine überregional bedeutsame Gedenkstätte handelt. Das hat der Landtag bereits vor einigen Jahren per Beschluss festgeschrieben.
(Herr Kolze, CDU: Aber der Landkreis ist doch der Träger, nicht das Land! - Herr Tullner, CDU: Aber der Landrat hat es doch beschlossen! - Wei- tere Zurufe von der CDU)
Die Landesregierung ist aufgefordert, endlich eine langfristig tragfähige Lösung für den Erhalt der KZ-Gedenkstätte Schloss Lichtenburg im Zusammenwirken mit dem Bund und dem Landkreis zu finden. Das muss nun endlich auch einmal ernsthaft angegangen werden. Vorstellbar ist eine Mischträgerschaft, an der sich sowohl das Land als auch der Landkreis finanziell beteiligen.
Meine Damen und Herren! Um noch einmal zurückzugehen: Wenn Sie im Zusammenhang mit dieser Debatte die Schließung einer Gedenkstätte zur Erinnerung an ein
Konzentrationslager ernsthaft mit der Bemerkung abtun, wir seien kein Kreistag, dann sind Sie genauso geschichtslos wie der Landrat.
Die Frage einer modernen Gedenkkultur in unserem Land wird angesichts der Tatsache, dass immer mehr Zeitzeugen sterben, immer zentraler. Wir dürfen nicht zulassen, dass durch ein solch gedankenloses Handeln, wie im Falle der Lichtenburg geschehen, eines der dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte ausgelöscht wird. Das sind wir den Millionen Opfern einfach schuldig. Ich hoffe, von der Debatte heute geht diesbezüglich ein klares und eindeutiges Signal aus.
Abschließend will ich in diesem Zusammenhang auf die Resolution des Europäischen Parlaments zum europäischen und internationalen Schutz der Gelände der nazistischen Konzentrationslager als historische Gedenkstätten hinweisen, die am 11. Februar 1993 beschlossen wurde. Darin heißt es unter anderem:
„Berücksichtigend die Bedrohung, die auf der Erhaltung der Gelände der nazistischen Konzentrationslager und auf ihrer besonderen Bedeutung auf historischer Ebene lastet, und in der Auffassung, dass den Millionen Toten aller nazistischen Konzentrationsstätten der Respekt der heutigen und künftigen Generationen gebührt und dass die Erziehung unserer Jugend der Bedeutung ihrer Opfer für die Sache der Freiheit, der Menschenrechte und des Friedens Rechnung tragen muss, fordert das Parlament die Mitgliedstaaten, den Rat und die Kommission auf, jede Initiative zur Erhaltung der Bedeutsamkeit der nazistischen Konzentrationslager zu unterstützen“
Vielen Dank, Herr Gärtner. - Meine Damen und Herren! Wir begrüßen auf der Südtribüne eine Gruppe von Abgeordneten aus Provinzen der Republik Südafrika. Seien Sie herzlich willkommen!
Meine Damen und Herren! Nunmehr hat für die Landesregierung in Vertretung des Ministers des Innern Herr Minister Becker um das Wort gebeten. Bitte sehr, Herr Minister.
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Das Hohe Haus, aber auch die Landesregierungen haben sich in den vergangenen Jahren mehrfach mit der schwierigen Situation der KZ-Gedenkstätte Lichtenburg befasst. Herr Gärtner hat die Entwicklung aufgezeigt und darauf hingewiesen, dass im Jahr 2002 ein Beschluss dieses Hohen Hauses gefasst wurde. Parteiübergreifend war man sich einig über die Notwendigkeit des Erhalts und des Ausbaus dieser Gedenkstätte.
Wir mussten nun - auch darauf wurde bereits von meinem Vorredner hingewiesen - vor wenigen Tagen der Presse entnehmen, dass die Gedenkstätte seit dem 8. November 2004 geschlossen ist. Die für die Gedenkstätte verantwortliche Mitarbeiterin sei von der Kreisverwaltung abgezogen worden, um die laufenden Prüfungen von Anträgen im Zusammenhang mit Hartz IV zu übernehmen. Die Landesregierung hat dies mit Bestürzung zur Kenntnis genommen. Sie war von diesem Schritt des Landkreises nicht im Vorhinein unterrichtet worden.
Wie allgemein bekannt ist, setzt sich die Landesregierung seit Jahren für den Erhalt und den Ausbau der KZGedenkstätte Lichtenburg ein. Sie hat den Landkreis Wittenberg als derzeitigen Träger der Gedenkstätte im Rahmen ihrer Möglichkeiten in vielfältiger Weise unterstützt, weil sie der Auffassung ist, dass die gegenwärtige Situation der Gedenkstätte so nicht hinnehmbar ist. Weder die äußeren noch die inhaltlich-konzeptionellen Bedingungen entsprechen den aktuellen Erfordernissen und werden der historischen Bedeutung des Geschehens an diesem Ort gerecht. Ich kann das insbesondere deshalb sagen, weil ich in den Jahren von 1968 bis 1973 bei der Zentralstelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg mit dieser KZ-Gedenkstätte im Zusammenhang mit dem KZ Ravensbrück befasst war.
So wurde das von Stefanie Endlich, einer bundesweit anerkannten Gedenkstättenexpertin, vor Jahren erarbeitete Gutachten, in dem verschiedene Varianten für eine Neuorientierung der Gedenkstätte aufgezeigt worden sind, vom Land initiiert und finanziert. Weiterhin hat das Land das darauf aufbauende Gutachten eines Architekturbüros im Wesentlichen finanziert, in dem die bauliche Machbarkeit der verschiedenen von Stefanie Endlich erarbeiteten Varianten untersucht und die für deren Realisierung notwendigen Finanzmittel grob strukturiert worden sind.
Ferner hat das Land bereits erhebliche Kosten für die Erforschung der Geschichte des KZ Lichtenburg getragen, ohne die die notwendige inhaltliche Ausgestaltung der Gedenkstätte, das heißt die Erstellung einer neuen Dauerausstellung sowie die gedenkstättenpädagogische Arbeit, nicht erfolgen kann. Das Land hat auch den Landkreis Wittenberg finanziell unterstützt und ihm in konzeptioneller Hinsicht unter die Arme gegriffen.
Unter der Federführung des Ministeriums des Innern war eine Lenkungsgruppe tätig, an der neben dem Landkreis Wittenberg und der Stadt Prettin die Oberfinanzdirektionen beteiligt gewesen sind. Gemeinsam wurde der so genannte Werkstattbeschluss gefasst, über den auch im Landtag bereits diskutiert worden ist.
Ferner tagte unter der Federführung des Gedenkstättenreferats im Landesverwaltungsamt eine Arbeitsgruppe, deren Ziel es war, eine detaillierte Konzeption für die Gedenkstätte im Werkstattbereich zu erarbeiten. An den Sitzungen dieser Arbeitsgruppe nahmen in der Regel die wissenschaftlichen Mitarbeiter des damaligen Regierungspräsidiums Magdeburg, die beauftragten Wissenschaftler, die Studenten von verschiedenen Einrichtungen sowie der Landkreis und Baufachleute teil.
Das Konzept, das eine inhaltlich fundierte und detaillierte Aussage hinsichtlich der neuen Gedenkstätte Lichtenburg enthalten soll und als Grundlage für die Förderung durch den Bund dienen wird, befindet sich noch in der Erstellung und ist noch nicht ganz abgeschlossen. Der Landkreis Wittenberg sah sich aufgrund seiner schwieri
gen finanziellen Situation nicht mehr in der Lage, die für die weitere Arbeit an diesem Konzept notwendigen Finanzmittel aus dem Fördertopf des Landes abzurufen.
Diese Beispiele zeigen dennoch stichhaltig, dass sich das Land seiner Verantwortung hinsichtlich der KZ-Gedenkstätte Lichtenburg bewusst und dass es aufgrund der entsprechenden Landtagsbeschlüsse auch tätig geworden ist.
Parallel zu diesen Aktivitäten hat das Land - hier wiederum das Ministerium des Innern - Sorge dafür getragen, dass die erforderlichen Finanzmittel aufgebracht werden. In den vergangenen Haushaltsjahren sind Mittel zur Förderung der Gedenkstätte, auch investive Mittel, bereitgestellt worden.
Mit dem Bund als Eigentümer der Schlossliegenschaft ist über die Bereitstellung von Bundesmitteln sowohl unter dem Aspekt der Bauunterhaltung als auch im Hinblick auf die Förderung der Gedenkstättenarbeit verhandelt worden, und zwar mit positiver Tendenz. Der Bund hat signalisiert, dass er ohne nennenswerte Gegenleistung den für die zukünftige Gedenkstätte vorgesehenen so genannten Werkstattbereich an das Land übereignen wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die jetzige Schließung der KZ-Gedenkstätte Lichtenburg, die nach Presseberichten nur vorübergehend sein soll, macht deutlich, welche Probleme der Landkreis Wittenberg mit dem Betrieb der Gedenkstätte hat. Dem Vernehmen nach bestehen beim Landkreis Wittenberg sogar Überlegungen dahin gehend, im Rahmen des vom Kreistag beschlossenen Haushaltskonsolidierungskonzeptes die KZ-Gedenkstätte Lichtenburg auf Dauer zu schließen. So kann es aber nach Auffassung der Landesregierung nicht weitergehen.
Vor einem Jahr besuchte der Ministerpräsident zusammen mit anderen, unter anderem mit Edzard Reuter, dessen Vater, wie wir gerade gehört haben, dort inhaftiert war, die Gedenkstätte. Bei diesem Besuch wurde die Idee geboren, sämtliche Gedenkstätten des Landes in einer Stiftung zu vereinen, so auch die Gedenkstätte Lichtenburg - nicht das gesamte Schloss; das muss klar sein. Es geht immer nur um diesen Teil, in dem sich die Gedenkstätte befinden soll. Dabei soll die Selbständigkeit der Gedenkstätten im Land weitgehend erhalten bleiben. Die Stiftung soll als Dach dienen und die Möglichkeit des Einwerbens von Drittmitteln eröffnen.
Das, meine sehr geehrten Damen, meine Herren, ist die eigentliche Botschaft dieser heutigen Aktuellen Debatte. Das Land möchte jetzt die Trägerschaft übernehmen und in Form einer Stiftung zusammen mit allen anderen Gedenkstätten weiter betreiben.
Zunächst eine Vorbemerkung. Herr Becker, ich bin außerordentlich froh, dass Sie seitens der Landesregierung zu diesem Thema sprechen, weil Sie über jeden Verdacht erhaben sind, mit den Dingen leichtfertig umzugehen.
Zweitens begrüßen wir ausdrücklich die Ankündigung, die Sie eben gemacht haben, dass das Land sich in Form einer Stiftung als Träger für diese Gedenkstätte organisiert. Darum ist jahrelang gekämpft worden. Wenn jetzt dieser Durchbruch erzielt worden ist, dann stimmt uns das außerordentlich froh.
Drittens habe ich eine Frage, Herr Becker: In welchem Zeitrahmen soll das geschehen? Offensichtlich ist jetzt eine Notsituation eingetreten. In den Beratungen zum Landeshaushalt ist diese Idee meiner Kenntnis nach noch nicht angesprochen worden. Es müsste dann versucht werden, das so schnell wie möglich zu realisieren. Können Sie etwas zum Zeitplan sagen?
Ich kann zu dem Zeitplan sagen, dass in der ersten Hälfte des Jahres 2005 eine entsprechende Vorlage im Kabinett behandelt werden soll. Diese Kabinettsvorlage hat die Tendenz, sämtliche Gedenkstätten in einer Stiftung zu vereinen. Hierbei sind möglicherweise Vorbehalte auszuräumen, etwa die Befürchtung, dass die Gedenkstätten ihre Selbständigkeit verlören und Ähnliches mehr.
Dann müssten die zweifellos vorhandenen Finanzmittel umgepolt werden. Danach müsste der Aufbau dieser Gedenkstätte beginnen. Sie wissen, dass dazu die Verhandlungen mit dem Bund geführt werden müssen. Das Ganze wird natürlich zu einer vorübergehenden Schließung der Gedenkstätte führen.
Um eine vorübergehende Schließung kommt man nicht herum, Herr Gallert, wenn man die Gedenkstätte neu aufbauen will, das ganze Konzept neu aufbauen will; das ist ganz klar. Natürlich wird der Kellerraum zugänglich sein, aber man wird die neue Gedenkstätte nicht parallel eröffnen können, wenn man sie aufbaut.
Das wird also sicherlich längere Zeit in Anspruch nehmen. Man muss - das ist mir vom zuständigen Referatsleiter gerade noch einmal gesagt worden - von mindestens zwei Jahren für den Aufbau ausgehen.
Ich sage Ihnen, Herr Gallert, eines auch ganz offen und in aller Deutlichkeit: Die Art der Darstellung, die jetzt im Grunde genommen in der Lichtenburg vorhanden ist, entspricht natürlich nicht der Bedeutung dieses Ortes. Das muss man sagen. Das muss völlig neu konzipiert werden.
Ich wiederhole: Es ist die Auffassung der Landesregierung, dass die KZ-Gedenkstätte Lichtenburg erhalten bleiben und nach zeitgemäßen Erkenntnissen der Gedenkstättenpädagogik ausgebaut und geführt werden muss. Hierzu bedarf es ausgewiesener Professionalität, die nicht zum Nulltarif zu haben ist. Herr Gallert, darin haben Sie völlig Recht.
Die Landesregierung wird die Gedenkstätte so bald wie möglich in Landesträgerschaft übernehmen. Gespräche
müssten hierzu natürlich auch noch mit dem bisherigen Träger geführt werden; denn das kann keine „kalte Enteignung“ sein. Wir müssen uns natürlich mit dem Landkreis letztlich an einen Tisch setzen und einigen.
Im Innenministerium werden gegenwärtig die in diesem Zusammenhang zu klärenden Fragen geprüft. In der ersten Hälfte des Jahres 2005 wird - ich sagte es schon - das Kabinett hierüber entscheiden, sodass dies - was die haushaltsmäßige Seite anbelangt - in den laufenden Haushaltsberatungen noch keinen Niederschlag gefunden haben kann. Es wäre jetzt, wo noch nicht einmal der Landkreis zugestimmt hat, uns die Trägerschaft zu übergeben, zweifellos zu früh, hier entsprechende haushalterische Vorkehrungen zu treffen.
Für die Übergangszeit wird sich die Landesregierung beim Landkreis Wittenberg für eine schnellstmögliche Wiedereröffnung und für eine Weiterführung der bestehenden Gedenkstätte allerdings einsetzen. Denn es darf nicht der Eindruck entstehen, dass sich die öffentliche Hand von dieser Aufgabe zurückzieht.
Ich fasse zusammen: Die Lichtenburg markiert einen Ort schwerster Menschenrechtsverletzungen während des gesamten Dritten Reiches, die uns und kommenden Generationen auch künftig zum Gedenken und zur Mahnung gereichen muss. - Ich danke Ihnen.