Protokoll der Sitzung vom 12.11.2004

(Herr Tullner, CDU: Ach!)

Damit war die Katze aus dem Sack. Damit ist das, was Herr Schily für die Bundesregierung seit einiger Zeit vorbereitet,

(Herr Tullner, CDU: Zentralismus!)

nämlich die Zuständigkeiten zu zentralisieren, nur eine Zuständigkeit des Bundes über die Sicherheitsbehörden zu schaffen und den Ländern diese wegzunehmen, in die Diskussion eingeworfen worden. Ich sage es noch einmal: Das war in der letzten Arbeitssitzung der Kommission. Lange war Zeit, darüber zu diskutieren. Das ist wahrhaft ein Thema, über das man trefflich streiten kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, dabei wird es kein Ergebnis geben. Aber ich finde dieses Vorgehen, das übrigens mit Duldung der Bundesregierung so theatralisch initiiert wurde, schon sehr bedenklich.

(Zustimmung bei der FDP - Beifall bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf diese Art und Weise werden wir zu keinen guten Ergebnissen kommen. Diese brauchen wir aber; wir brauchen Ergeb

nisse; wir wollen die bundesstaatliche Ordnung modernisieren. Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, - ich wiederhole noch einmal das, was ich am Anfang gesagt habe - bin ich auf den Vorschlag gespannt, den die beiden Ko-Vorsitzenden vorlegen werden, über den wir im Anschluss trefflich streiten können.

Ich hoffe, dass bis zu einer möglichen Kommissionssitzung im, ich glaube, Januar/Februar die Möglichkeit besteht, noch ein paar Hinweise zu geben, die bis zur endgültigen Beschlussfassung und in der Folge im Rahmen der Umsetzung aufgegriffen werden, dass wir dabei noch Impulse setzen können.

Ein Bonmot will ich mir an dieser Stelle nicht verkneifen. Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ich beglückwünsche Sie zu Ihrer Entscheidung an diesem Dienstag, in der Fraktion nun endlich eine Arbeitsgruppe zum Thema Föderalismus einzusetzen,

(Herr Tullner, CDU: Das hat lange gedauert!)

die sich dann mit der Umsetzung der Ergebnisse der Kommission beschäftigen wird. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie sich früher damit beschäftigt hätten. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zuruf von Frau Fischer, Naumburg, SPD)

Vielen Dank, Herr Kosmehl. - Meine Damen und Herren! Für die SPD-Fraktion erteile ich nun dem Abgeordneten Herrn Tögel das Wort. Bitte sehr, Herr Tögel

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muss einmal sehen, ob die fünf Minuten Redezeit, die ich habe, ausreichen, um auf das einzugehen, was bisher gesagt wurde und was vor allem Herr Kosmehl in die Diskussion gebracht hat.

Dass die Diskussion an Fahrt aufnimmt, wird keinem verborgen geblieben sein. Allen Unkenrufen zum Trotz, auch den eben von Herrn Kosmehl wieder eingebrachten, bin ich davon überzeugt, dass wir zu einem Ergebnis, und zwar zu einem guten Ergebnis kommen werden.

(Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

Am Mittwoch gab es den Vorschlag der Bundesregierung. Am Nachmittag haben sich die Verhandlungsführer getroffen. Bis zum 17. Dezember - so wurde gesagt - gibt es den förmlichen Beschluss, an den sich das Gesetzgebungsverfahren anschließen wird, in dem vermutlich noch die eine oder andere Veränderung hineinkommen wird und das im Laufe des nächsten Jahres - ich hoffe sogar, vielleicht bis zur Sommerpause - abgeschlossen werden kann.

Dass diese Diskussion eigentlich frei von parteipolitischen Erwägungen in der Bundesregierung und auch frei von den aktuellen Mehrheitsverhältnissen im Bundesrat geführt werden sollte, dürfte jedem klar sein, zumindest aber denjenigen, die die Diskussion über die Änderung unserer Landesverfassung, die heute ihren Abschluss gefunden hat, verfolgt haben. Es geht hierbei nicht darum, wer gerade irgendwo Macht hat oder wer gerade in der Bundesregierung ist oder die Mehrheit im Bundesrat hat, sondern darum, wie es tatsächlich für das Land, für die Bundesrepublik am sinnvollsten ist, hier etwas zu tun.

Sie haben eben kritisiert, dass die SPD Vorschläge macht. Ich finde das gut. Von der FDP habe ich seit Monaten keine Vorschläge mehr im Rahmen der Bundesstaatskommission gehört,

(Zustimmung bei der SPD - Herr Kosmehl, FDP: Haben Sie schon einmal teilgenommen?)

ich habe jedenfalls nichts gehört, was in dieser Diskussion substanziell wichtig gewesen wäre.

Sie haben völlig Recht: Das, was hinterher beschlossen wird, muss mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden. Deswegen ist es gut, zum jetzigen Zeitpunkt noch Dinge in die Diskussion einzubringen, als dies gar nicht mehr zu tun und hinterher zu sagen: Da hätte man vielleicht etwas machen müssen.

Über die Inhalte haben wir hier im Hause schon öfter geredet, etwa über die Frage der Kulturhoheit, über die Dienstrechte, über Bildungsfragen, über Artikel 23 zu Europaangelegenheiten, der sehr strittig und noch immer in der Diskussion ist, zu dem sich noch nichts Entscheidendes getan hat. Wir haben hier auch kritisch angemerkt, dass die mangelnde Einbeziehung der Landtage problematisch ist.

Ich finde das, was Frau Klein gesagt hat, an der Stelle nicht nachvollziehbar. Wir als Landtag haben versucht, uns einzubringen. Wir haben dies über die Landtagspräsidenten getan. Diese haben - leider erfolglos - versucht, ihren Einfluss geltend zu machen, nicht zuletzt mit der Münchener Erklärung. Insofern haben wir als Landtag das versucht.

Dass wir dabei nicht erfolgreich waren, ist tatsächlich ein Problem. Wir müssen vor allem sehen - das ist der Punkt, den Herr Kosmehl eben auch angesprochen hat -, wie wir das, was für uns interessant ist, umsetzen. Wie setzen wir dann die Ergebnisse der Föderalismuskommission um? Wie setzen wir die Ergebnisse um, die zur Folge haben, dass der Landtag neue Gesetzgebungskompetenzen erhält? Dies wollen wir zukünftig noch stärker begleiten.

Auch mir ist der Punkt wichtig, den der Berichterstatter Herr Sobetzko schon angesprochen hat. Wir haben heute nicht den Satz in Punkt 6 beschlossen. Dieser lautet: „Aus diesem Grund lehnt er“ - der Landtag - „derzeit Zu- und Abschlagsrechte für die Länder bei den Ertragssteuern ab.“

Die Ministerpräsidenten und die Länder sind sich darin einig, dass dieser Punkt wichtig ist und dass es derzeit keinen Wettlauf um niedrigere Steuern geben darf. Das ist vor allem ein Punkt, der den armen und kleinen Ländern schaden könnte. Ich bin schon etwas erstaunt darüber, dass sich die FDP in Sachsen-Anhalt vorbehaltlos hinter das Steuerkonzept der Bundes-FDP stellt, welches vorrangig die Situation der reichen Bundesländer berücksichtigt. Herr Döring, Ihr ehemaliger Vize, hat an der Stelle federführend mitgewirkt.

Dass es Ihnen schon nicht gelingt, die Interessen des Landes in das Bundeskonzept einfließen zu lassen, finde ich bedauerlich, aber ich hätte eigentlich gedacht, dass Sie zumindest hier im Land die Interessen vertreten.

(Herr Tullner, CDU: Ich auch! - Herr Kosmehl, FDP: Erst lesen!)

Wenn Sie hierbei nicht berücksichtigen, dass wir als armes Land nicht auf Steuereinnahmen verzichten können

und einen Steuerwettbewerb nicht vernünftig überleben würden bzw. dass dieser zu unseren Lasten gehen könnte, dann werden Sie sich, genauso wie Ihnen das Etikett, Partei der Besserverdienenden zu sein, wie ein Hundehaufen an der Schuhsohle klebt, auch das Etikett „Partei der reichen Länder“ anheften lassen müssen.

(Zustimmung bei der SPD)

Das ist tatsächlich kein Punkt, der uns förderlich ist.

Was bedeutet das nun für uns als Landtag? - Die Übertragung der Kompetenzen auf die Landesebene bedeutet einerseits mehr Arbeit, aber andererseits auch mehr Verantwortung für den Landtag, auch den von SachsenAnhalt. Es muss uns gelingen, diesen Zuwachs in der Gesetzgebungskompetenz des Parlaments zu halten. Wir dürfen nicht, wie es bei dem mit der Mehrheit der Regierungskoalition im letzten Jahr beschlossenen Landesentwicklungsplan der Fall ist, mit Ermächtigungen die Zuständigkeiten an die Verwaltung und die Regierung übertragen. Nur wenn wir das nicht tun, haben wir als Landtag tatsächlich einen Zuwachs an Kompetenzen. Nur dann kommen wir weg vom Exekutivföderalismus, den wir derzeit haben, hin zu einer Stärkung der Landtage.

Ich will auch noch sagen: Das wird natürlich auch eine sehr viel weiterreichende Bedeutung haben. Das wird auch zu einer Veränderung der Parteiprogramme führen. Es wird zu einer Veränderung der Wahlkämpfe führen; denn wir werden uns dann in den Parteien unter Umständen über Studiengebühren streiten.

(Herr Tullner, CDU: Nicht streiten!)

- Diskutieren. - Wir werden uns über Umweltstandards verständigen müssen, und wir werden dann auch tatsächlich unterschiedliche Positionen in den einzelnen Parteien entwickeln, die nach außen hin deutlich werden. Wir können uns als Parteien in dem Bereich stärker profilieren.

Es wird also nicht mehr nur um Schulpolitik und innere Sicherheit gehen. Wir werden tatsächlich zu einer Stärkung des Parlaments kommen, wenn wir sehr bewusst und sehr dezidiert darauf bestehen, dass die Rechte, die an die Länder übertragen werden, auch im Landtag ankommen und nicht an die Landesregierung übergehen. - Ich bedanke mich für Ihre Geduld und bitte auch im Namen der SPD-Fraktion, dem Antrag zuzustimmen.

(Zustimmung bei der SPD)

Herr Abgeordneter Tögel, sind Sie bereit, eine Frage der Abgeordneten Frau Dr. Hüskens zu beantworten? - Er hat ja gesagt. Bitte sehr, Frau Dr. Hüskens.

Herr Tögel, ich gehe davon aus, dass Sie jetzt gerade Steuerkonzept und Föderalismus durcheinander gebracht haben. Anderenfalls könnte ich nämlich Ihren Ausführungen nicht ganz folgen.

Wie würden Sie in dem Zusammenhang die Aussagen zum Beispiel Ihres Parteifreundes Steinbrück, der für die Abschaffung der GA eintritt, und die Aussagen, was die Abschaffung vieler Instrumentarien für den Aufbau Ost anbelangt, bewerten, wenn Sie das Steuerkonzept der FDP - ich gehe nicht davon aus, dass Sie es gelesen haben - als Hindernis für den Aufbau Ost betrachten?

Zu Ihrer ersten Frage, die die Aussagen von Herrn Steinbrück betrifft. Ich teile die Meinung von Herrn Steinbrück nicht. Ich denke, wir brauchen in bestimmten Angelegenheiten die GA. Ich denke, wir haben auch hier, in der SPD in Sachsen-Anhalt, eigene Positionen. Im Gegensatz zu Ihnen werden wir diese auch nach außen hin deutlich machen, wenn es um die Interessen des Landes geht. Das ist der erste Punkt.

(Oh! bei der CDU - Frau Wybrands, CDU: Was Sie können, ist durchsetzen!)

Der zweite Punkt betrifft die Steuern. Natürlich ist hier zwischen dem Steuerkonzept und dem Föderalismus ein Problem zu sehen. Herr Kosmehl hat im Ausschuss sehr dezidiert dafür gestritten, dass dieser Punkt herausgenommen wird, der letztlich aussagt, wir wollen derzeit keinen Steuerwettlauf innerhalb der Bundesrepublik. Es ist eine einheitliche Position der Ministerpräsidenten, dass ein Steuerwettlauf derzeit nicht günstig ist. Er würde gerade den armen Ländern zum Schaden gereichen.

Lesen Sie sich den Satz noch einmal durch. Darin steht eindeutig: „Aus diesem Grund lehnt er“ - der Landtag - „die derzeit zu hohen Abschlagsrechte für die Länder bei den Ertragssteuern ab.“ Diesen Satz wollten Sie nicht aufgenommen haben. Dieser Satz ist eindeutig wichtig, um sagen zu können, dass wir den Steuerwettbewerb nicht wollen.

(Herr Kosmehl, FDP: Warum denn? Dieser Satz ist doch darin geblieben!)

- Nein, dieser Satz ist gestrichen. Sie haben diesen Satz streichen lassen. Lesen Sie es sich durch, Herr Kosmehl. - Das ist der Punkt, bei dem ich tatsächlich ein Problem sehe. - Danke.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Tögel. - Meine Damen und Herren! Die Debatte wird fortgesetzt mit dem Redebeitrag des Abgeordneten Herrn Dr. Sobetzko für die CDU-Fraktion. Bitte sehr, Herr Dr. Sobetzko.