Protokoll der Sitzung vom 27.01.2005

Insofern bleibt der SPD-Antrag weit hinter dem zurück, was eigentlich notwendig wäre. Einzelmaßnahmen ohne jede Einordnung in ein dringend notwendiges Gesamtkonzept sind bestenfalls Strohfeuer ohne nachhaltige Wirkung. Wer Zukunft durch Innovation gestalten will, erliegt einem Irrtum, wenn er glaubt, eine bessere Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft allein werde es schon richten. Die PDS hat diese enge Sichtweise nicht.

Innovation muss unseres Erachtens alle gesellschaftlichen Ebenen und Strukturen erfassen. Dafür bedarf es allerdings eines politischen Paradigmenwechsels. Die Landesregierung folgt seit drei Jahren jedoch mehr dem

roten Faden des Durchwurstelns als dem Ansatz eines Konzeptes.

(Beifall bei der PDS - Herr Gürth, CDU: Wo ha- ben Sie das herausgeschrieben? Wahrscheinlich aus der Karnevalsrede der PDS!)

Auch die Bundespolitik lässt sich trotz aller Rückschläge nicht davon abbringen, die Zukunft des Ostens läge in der Vergangenheit des Westens. Nichts lässt an der Politik der Landes- oder der Bundesregierung darauf schließen, dass man für die ostdeutschen Länder irgendeine Art von Entwicklungsperspektive hat - im Gegenteil.

(Herr Schomburg, CDU: Sie haben aber eine?)

Worum muss es uns gehen? Welchen Kontext erfordert ein schlüssiger Innovationsansatz? - Zum Stichwort Bildung. Sie ist die entscheidende Ressource des 21. Jahrhunderts. Sie ist die zentrale Herausforderung dieser Zeit. Hohe Bildung für möglichst alle und Spitzenleistungen in Wissenschaft und Forschung erreichen wir aber nur, wenn wir den Zugang zu Bildung nicht ständig weiteren Restriktionen unterwerfen und endlich gerechter gestalten.

(Beifall bei der PDS)

Die Landesregierung hat bisher alles dafür getan, sich dieser notwendigen Bedingung für Zukunftsfähigkeit zu verweigern. Die PDS Sachsen-Anhalts hat mit ihren Vorschlägen für eine Schule für alle Kinder ein Konzept auf den Tisch gelegt.

(Herr Tullner, CDU: Ja!)

Wir brauchen in ungleich stärkerem Maße als bisher die gezielte Förderung wissenschaftlicher Spitzenleistungen. Mit Ihren Entscheidungen für den Hochschulbereich in der letzten Zeit haben Sie diesem Ziel einen schweren Schaden zugefügt.

(Beifall bei der PDS - Herr Dr. Schrader, FDP: Was soll denn das?)

Zum Stichwort „Demokratie und Verwaltung“. Man konnte in den letzten Jahren den Eindruck gewinnen, die Entwicklung moderner innovativer öffentlicher Strukturen sei für die Landesregierung Gotteslästerung. Wir als PDS haben bereits vor einem Jahr ein Konzept vorgestellt. Wir werden dieses in den nächsten Monaten weiterentwickeln.

Wer wie Sie auf der einen Seite den ganzen Tag von Europa redet, auf der anderen Seite aber alles für eine größtmögliche Kleinteiligkeit tut, ist nicht nur strukturkonservativ, er setzt die Zukunftsfähigkeit unserer Regionen aufs Spiel.

(Beifall bei der PDS - Herr Gürth, CDU: Quatsch!)

Regionen haben in Europa eine Chance; Landkreise kleinsten Zuschnitts haben eben keine.

(Herr Gürth, CDU: Wer sagt denn das? Womit begründen Sie denn diese Aussage?)

Zum Stichwort „ländliche Räume“. Wo ist Ihr Konzept für die Peripherie? - Die PDS hat vor geraumer Zeit Thesen zur Entwicklung der ländlichen Räume vorgelegt. Dabei geht es um viel mehr als nur um Landwirtschaft. Die Landesregierung? - Fehlanzeige. Diese Regionen müssen aber ihren Platz in einem zukunftsfähigen Konzept für Sachsen-Anhalt finden.

(Herr Dr. Schrader, FDP: Thema!)

Es müssten eigentlich noch weitere Punkte angeführt werden; die Zeit lässt es nicht zu.

Fazit: Letztlich zielführend und langfristig Erfolg versprechend ist nur eine Politik, die ein gesellschaftliches Umfeld schafft, in dem Bildung zum zentralen Thema von der Kita bis ins hohe Alter wird, in dem Wirtschaftsförderung nicht als unendliche Geschichte der Subventionen verstanden, sondern genau dort eingesetzt wird, wo langfristig gesellschaftlicher Gewinn zu erwarten ist, in dem öffentliche Strukturen und Verwaltungen nicht Bremse, sondern Motor und kreativer Begleiter wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Prosperität sind, in dem Vorsorge statt Nachsorge Priorität hat und Menschen nicht durch eine verfehlte Sozialpolitik auf Dauer aus dem gesellschaftlichen Prozess ausgeschlossen, sondern ihre individuellen Potenziale in ihrem wie im gemeinschaftlichen Interesse aktiv gefördert werden.

(Beifall bei der PDS - Herr Schomburg, CDU: Hoffentlich wissen Sie, wovon Sie sprechen!)

Innovation ist das Schlüsselwort. Aber Innovation greift zu kurz, wenn wir sie nur im technologischen Sinne verstehen. Innovation ist keine Sache allein der Forschung. Sie muss Bestandteil aller gesellschaftlichen Ebenen und Entscheidungen werden. Wer Innovation fördern will, der muss selbst innovativ sein; das ist nun wirklich das Letzte, was diese Landesregierung ist.

(Zustimmung bei der PDS)

Auch der vorliegende Antrag strotzt nicht gerade vor Innovationspotenzial.

(Herr Gürth, CDU: Das stimmt allerdings!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aufgrund meiner Ausführungen müsste ich eigentlich beantragen, dass wir den Antrag in alle Ausschüsse überweisen. Wir haben uns allerdings darauf verständigt, Ihnen eine Überweisung in die Ausschüsse für Bildung und Wissenschaft, für Wirtschaft und Arbeit, für Finanzen, für Kultur und Medien sowie für Gesundheit und Soziales vorzuschlagen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Höhn. - Für die CDUFraktion erteile ich nun dem Abgeordneten Herrn Tullner das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin ein wenig gehandicapt. Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich es in der Kürze der Zeit nicht abstellen konnte.

Ich hatte mir, bevor ich hier an das Rednerpult trat, gedacht: Der Worte sind genug gewechselt. Ich könnte mich den Ausführungen des Kollegen Volk, des Kollegen Olbertz und von Frau Dr. Kuppe anschließen.

Aber bevor ich auf das Thema doch noch einmal eingehe, möchte ich Ihnen, Herr Höhn, Dank für die erleuchtende Rede, die Sie gehalten haben, sagen. Sie, der offenbar beansprucht, die Speerspitze der Erleuchtung und der Innovation zu sein, haben das nachdrücklich hier vortragen.

(Herr Bullerjahn, SPD: Ist das jetzt für alle hier ein Anspruch?)

Ich muss sagen: Ich habe das eher als eine Profilierungsrede eines Landesvorsitzenden in spe als eine Rede zum Thema aufgefasst.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Herr Dr. Schrader, FDP: Aber ohne Profil!)

Ich denke, bevor wir uns in metaphorischen Gedankenschweifungen über die Rolle und die Bedeutung von Innovation verlieren, sollten wir uns lieber am Thema, dem Antrag der Sozialdemokraten, orientieren. Der Antrag ist vom Ansatz her, auch wenn Sie ihn als kleingeistig und nicht besonders produktiv bezeichnet haben, wichtig, weil er auf die Thematik hindeutet, der wir uns alle hier irgendwie verpflichtet fühlen. Ich dachte zumindest, dass das bisher auch für die PDS galt. Aber offensichtlich scheint sie sich graduell davon zu verabschieden.

Altrektor Kreckel hat immer davon gesprochen, dass Wissenschaft vom Vergleich lebt. Ich denke, man könnte diesen Spruch durch die Aussage ergänzen: Wissenschaft lebt vom Austausch. Eigentlich eine Plattitüde - so könnte man meinen. Aber ich komme doch in Zweifel, wenn ich den Kollegen Höhn dazu höre.

Ich denke, dieser Austausch kann von der Politik nicht organisiert werden. Er kann von der Politik befördert werden. Gerade die Initiative Mitteldeutschland hat insbesondere die Bereiche Wissenschaft, Forschung und Technologie in den Mittelpunkt gerückt. Ich denke, in diesem Zusammenhang ist dieser Antrag von uns zu sehen. Ich denke, dass der Alternativantrag, auch wenn Frau Dr. Kuppe damit nicht ganz zufrieden war, dazu dienen kann, dass wir uns im Ausschuss zu dieser Thematik noch einmal intensiver austauschen können.

Ich denke, dass man das nur auf die Region Halle/Jena/ Leipzig konzentriert, wie Sie, Frau Dr. Kuppe, es getan haben, ist zwar, wenn man die Rolle der historischen Universitäten Mitteldeutschlands betrachtet, legitim - insbesondere weil Sie Hallenserin sind, kann ich das gut nachvollziehen -, Mitteldeutschland reicht aber ein wenig weiter.

Wir sollten uns schon auf die Strukturen dieser drei Länder konzentrieren. Magdeburg und auch Dresden sind genannt. Es gibt noch andere Standorte, die durchaus in diesen Verbund mit einbezogen werden sollten. Ich denke, wenn uns das ein Stück weit gelingt und wir das im Ausschuss noch ein wenig vertiefen, dann haben wir einen Schritt in die richtige Richtung getan. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Tullner. - Meine Damen und Herren! Als letzter Rednerin erteile ich noch einmal der Einbringerin Frau Dr. Kuppe das Wort. Bitte sehr, Frau Dr. Kuppe.

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Aber jetzt reden Sie zur PDS!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren und Damen Abgeordneten! Ich bin über die weitgehende Übereinstimmung bezüglich des Umgangs mit diesem Thema sehr dankbar.

Herr Höhn, Sie sind aus der Reihe dieser Übereinstimmung ausgeschert. Allerdings muss ich Ihnen sagen,

dass unser Antrag kein Antrag auf eine neue Gesellschaftspolitik war.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP - Zurufe von der PDS)

Wenn Sie über ein solches Thema diskutieren wollen, dann bringen Sie einen Antrag dazu in den Landtag ein. Dann können wir uns damit auseinander setzen.

(Frau Dirlich, PDS: Das haben wir auch ge- macht!)

Uns ging es mit diesem Antrag tatsächlich um ein etwas eingegrenzteres Thema der Gesellschaftspolitik,

(Lachen bei und Zurufe von der PDS - Minister Herr Dr. Daehre: Acht Jahre haben nicht ausge- reicht!)