Protokoll der Sitzung vom 03.03.2005

(Zustimmung von Herrn Kosmehl, FDP, und von Frau Feußner, CDU)

Wenn man sich der Problematik nur ein wenig seriös nähert, wird man feststellen, dass sich die Sachlage wesentlich differenzierter darstellt und monokausale Verkürzungen im Stil der Gesetzesbegründung der PDS nicht greifen.

Ich nenne ein kleines Beispiel: Bis 1970 gab es in den alten Bundesländern die Möglichkeit, Studiengebühren zu erheben. Trotzdem ist der Anteil der Kinder aus den so genannten bildungsfernen Schichten in den 60erJahren nahezu konstant geblieben.

30 Jahre später nahmen trotz Gebührenfreiheit und BAföG 73 % der Beamtenkinder, aber nur 12 % der Arbeiterkinder ein Studium auf. Ich will das nicht vertiefen. Aber dieses Beispiel soll zeigen, dass die ver

meintlich einfache Rechnung Gebührenfreiheit gleich Chancengleichheit keineswegs aufgeht.

Die Einführung von Studiengebühren ist für mich an Grundprämissen geknüpft, zu denen die Sozialverträglichkeit in Verantwortung des Staates, die Gewährleistung der staatlichen Grundfinanzierung der Hochschulen auf hohem Niveau und die Transparenz bei der Finanzierung über nachgelagerte Finanzierungsansätze gehören.

Es gibt in diesem Zusammenhang bereits Konzepte, die über die nachgelagerte Erhebung der Gebühren Studierende erst dann belasten, wenn sie selbst ein entsprechendes Einkommen erzielen. Die Modelle des Bafög oder der Studienkredite der KfW sind dabei teilweise ein Vorbild.

Ich bin davon überzeugt, dass Studiengebühren eine Chance für die Hochschulen darstellen, die Studienbedingungen zu verbessern. Alle Befürworter von Studiengebühren sind sich darüber einig, dass die über Gebühren erzielten Mittel den Hochschulen zusätzlich zukommen und ausschließlich in die Verbesserung der Lehre fließen sollen.

(Herr Gebhardt, PDS: Das ist der beste Witz, den ich je gehört habe!)

Sie stellen zusätzliche Mittel zur garantierten staatlichen Grundfinanzierung dar und schaffen für die Studenten einen erlebbaren Mehrwert, der sich in der Verbesserung der Betreuungsverhältnisse, der besseren Ausstattung von Bibliotheken und in qualitativ hochwertigen Arbeitsmitteln niederschlagen wird. Wenn zusätzliche Einnahmen beispielsweise in Tutorensysteme fließen, profitieren die Studenten auf beiden Seiten, als Hörer und als studentische Tutoren.

(Zuruf von Frau Bull, PDS)

Die Entscheidung über die Verwendung der Mittel liegt bei den Hochschulen. Es spricht auch eine Vielzahl guter Gründe dafür, Studienbeiträge nicht als staatlich festgesetzten Einheitsbeitrag zu erheben, sondern den Hochschulen das Recht einzuräumen, differenziert nach Studiengängen selbst über die Höhe der Studiengebühren zu entscheiden.

Ich denke, wir sollten in den nächsten Monaten eine fachlich fundierte Debatte mit allen Beteiligten führen und dabei die Vor- und Nachteile von Studiengebühren, verschiedene Modelle der Finanzierung und die entsprechenden gesetzlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten abwägen. Die Frage ist viel zu grundsätzlich, um darüber in einer schnell hingeworfenen Hochschulgesetzänderung zu entscheiden. Vor diesem Hintergrund wird es Sie nicht verwundern, meine Damen und Herren, dass wir den eingebrachten Vorschlag in Gänze ablehnen. - Besten Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Dr. Volk, sind Sie bereit, eine Frage des Abgeordneten Herrn Gebhardt zu beantworten? - Bitte sehr, Herr Gebhardt.

Herr Dr. Volk, Sie sprachen eben ziemlich enthusiastisch von den zusätzlichen Mitteln, die die Hochschulen nach der Einführung von Studiengebühren erhalten würden.

Ich nehme jetzt einmal das aktuelle Beispiel SachsenAnhalt. Da gibt es die Berechung, dass den Universitäten nach der Einführung von Studiengebühren ungefähr 30 Millionen € zur Verfügung stehen würden. In dem Wissen, dass die Landesregierung in dieser Legislaturperiode in der Hochschullandschaft eine Kürzung um 10 % durchgeführt und eben diese 30 Millionen € eingespart hat, ist das ein Nullsummenspiel. Ich möchte gern von Ihnen wissen, wo Sie dabei zusätzliche Mittel für die Hochschulen erkennen können. Das ist meine erste Frage.

Die zweite Frage: Wie wollen Sie gesetzlich garantieren, dass die Mittel, die bei Studiengebühren vielleicht direkt an die Hochschulen fließen, nicht an anderer Stelle vom Finanzministerium oder von der Landesregierung den Hochschulen wieder weggenommen werden? Wie wollen Sie das gesetzlich verhindern?

Zur zweiten Frage vielleicht so viel: Wir sind der Haushaltsgesetzgeber. Wir bestimmen die Ansätze, über die die Hochschulen verfügen, die Budgets. Es liegt in unserer Verantwortung, die Hochschulbudgets zu gestalten.

(Frau Bull, PDS: Das haben wir gesehen! - Wei- tere Zurufe von der PDS)

Zu den 30 Millionen €: Die Reduzierung der Grundansätze in den Budgets um 30 Millionen € erfolgt nicht im Jahr 2006. Sie wissen, dass wir einen Entschließungsantrag beschlossen haben, mit dem die Reduzierung entsprechend gestreckt wird. Der Einsparbetrag von 30 Millionen € ist verbunden mit strukturellen Veränderungen in den Hochschulen. Wenn die strukturellen Veränderungen umgesetzt werden, lassen sich diese Einsparungen erzielen.

Hochschulgebühren sind zusätzliche Mittel für die Verbesserung der Lehre. Ich denke, es liegt in der Verantwortung der Hochschulen, diese Mittel auch der Verbesserung der Lehre zukommen zu lassen.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Volk - Für die SPD-Fraktion erteile ich der Abgeordneten Frau Dr. Kuppe das Wort. Bitte sehr, Frau Dr. Kuppe.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren, sehr geehrte Damen Abgeordnete! Vor knapp einem Jahr, am 2. April 2004, beschloss die Mehrheit dieses Hauses, bestehend aus Abgeordneten der CDU- und der FDPFraktion, das neue Hochschulgesetz des Landes.

Ich erinnere daran, dass die SPD-Fraktion dem Landtag einen eigenen Gesetzentwurf zur Änderung des Hochschulgesetzes in Sachsen-Anhalt vorgelegt hatte, um die Attraktivität und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Hochschulen im nationalen und internationalen Rahmen zu verbessern. Bis zur abschließenden Plenarberatung im April 2004 haben wir uns damals mit konstruktiven Vorschlägen in die Gesetzesberatung eingebracht.

Ganz besonders wichtig waren uns dabei solche Punkte wie die Einschränkung der viel zu hohen Regelungsdichte, die Verbindlichkeit von Zielvereinbarungen, das Promotionsrecht für Fachhochschulen, die Mitwirkung der

Gleichstellungsbeauftragten, die demokratische Verfasstheit der Hochschulen, die Ermöglichung von Stiftungshochschulen und die Einführung von Studienkonten.

Nach Einschätzung der SPD-Fraktion bestehen nach wie vor gravierende Mängel im nunmehr geltenden, mit den Stimmen der CDU und der FDP verabschiedeten Hochschulgesetz des Landes.

Die PDS-Fraktion sieht das offensichtlich anders; denn in ihrem Gesetzentwurf zur Änderung des Hochschulgesetzes bezieht sie sich ausschließlich auf die §§ 111 und 112, die sich auf Gebühren und Entgelte beziehen. Von einem Hochschuländerungsgesetz der PDS-Fraktion für Sachsen-Anhalt hätte ich mir, ehrlich gesagt, mehr versprochen,

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

vor allem, Herr Höhn, nach dem, was Sie in der letzten Debatte zum Auf- und Ausbau eines mitteldeutschen Forschungsdreiecks gesagt haben. Sie forderten damals eine gesellschaftspolitische Gesamtdebatte zur Bildungslandschaft in Sachsen-Anhalt. Mit einem fundierten neuen Hochschulgesetz für Sachsen-Anhalt hätten Sie eine Grundlage für eine solche Debatte geben und eine solche Debatte wirklich anstoßen können. Aber das haben Sie unterlassen.

Ich teile auch nicht die in Ihrer Begründung geäußerte Auffassung, dass die bisherigen Regelungen Studiengebühren nicht grundsätzlich ausschließen. Hier ist eine Differenzierung notwendig; denn § 111 Abs. 1 schließt nicht nur grundsätzlich, sondern definitiv Studiengebühren für das Studium bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss und für das Studium in einem konsekutiven Studiengang, das zu einem weiteren berufsqualifizierenden Berufsabschluss führt, aus. Eine Einführung von Studiengebühren in Sachsen-Anhalt in diesen Fällen bedürfte einer konkreten Gesetzesänderung,

(Frau Feußner, CDU: Ja!)

und die liegt bis jetzt nicht vor.

§ 112 dagegen setzt, wie Sie auch ausführen, Gebühren bei einer Überschreitung der Regelstudienzeit fest, die wir als SPD-Fraktion wegen unseres Studienkontenmodells abgelehnt hatten. Das verlangen Sie jetzt auch. Zusätzlich wollen Sie noch eine Kannbestimmung aufheben, nach der Hochschulen für die Überlassung von Lernmitteln und Studienmaterialien an Studierende Entgelte erheben können. Letzteres war übrigens in Form einer Verordnungsermächtigung schon nach allen Vorgängern des jetzigen Hochschulgesetzes möglich, auch nach dem Hochschulgesetz in der Fassung aus dem Jahr 2001, das Sie, meine Damen und Herren von der PDS-Fraktion, mit uns beschlossen hatten.

(Zuruf von Frau Dr. Sitte, PDS)

Unbestreitbar ist, dass nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Januar 2005 die deutschlandweiten Diskussionen über Studiengebühren eine neue Aktualität gewonnen haben.

Der Bund darf keine einheitlichen Festlegungen mehr treffen. Die Regelungskompetenz liegt allein bei den Ländern. Ich habe die Sorge, dass die Kleinstaaterei fröhliche Urständ feiert und in Deutschland ein bunter Gebühren-Teilgebühren-Nichtgebühren-Flickenteppich entsteht, der jede Transparenz für in- und ausländische Studierende vermissen lässt.

In der SPD - Sie werden das schon mitbekommen haben - diskutieren wir schon seit geraumer Zeit über das Thema der Studienfinanzierung insgesamt. Es geht uns nicht nur um das Thema Studiengebühren, sondern um die gesamte Studien- und Hochschulfinanzierung. Auf dem Landesparteitag im Herbst 2004 wurden die Gremien und die Mitglieder der SPD beauftragt, bis zum Sommer dieses Jahres eine Meinungsbildung herbeizuführen, die dann in Beschlüsse münden wird.

Die Prämissen bei unseren Überlegungen sind erstens: Es darf keine Zugangsbeschränkung für ein Hochschulstudium aus sozialen Gründen geben.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Zweitens. Der Staat stellt die Grundausstattung mit Mitteln für Lehre und Forschung an den Hochschulen sicher.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Drittens: Jegliche zusätzliche Einnahmen verbleiben bei den Hochschulen, schmälern nicht die staatlichen Zuschüsse und tragen zur Qualitätsverbesserung der Lehre bei.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Viertens. Die Rahmenbedingungen für ein Studium in Deutschland werden einheitlich zwischen Bund und Ländern verabredet.

(Zustimmung von Herrn Kurze, CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unser Interesse ist zum einen darauf gerichtet, in den nächsten Jahren die Zahl der jungen Leute aus Sachsen-Anhalt, die die Hochschulreife erlangen und die ein Hochschulstudium erfolgreich abschließen, deutlich zu erhöhen. Dazu brauchen die Hochschulen entsprechende Strukturen und Mittel. Die Klage der hessischen Landesregierung vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das BolognaProgramm der Bundesregierung erscheint auch unter diesem Gesichtspunkt einfach absurd.

Zum anderen, meine Damen und Herren, sollen Wissenschaft und Forschung in Sachsen-Anhalt auch im europäischen Maßstab bestehen können. Das ist die wichtigste Basis für eine wirtschaftliche Entwicklung in Sachsen-Anhalt.

Unter diesen Gesamtzusammenhängen muss der Gesetzentwurf der PDS-Fraktion diskutiert werden. Deswegen ist er für uns nicht nur ein Wahlprüfstein, wie Sie ihn beschrieben haben, Herr Höhn.