Protokoll der Sitzung vom 14.04.2005

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hiermit eröffne ich die 57. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der vierten Wahlperiode. Dazu möchte ich Sie, sehr verehrte Anwesende, auf das Herzlichste begrüßen.

Zunächst stelle ich die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Landtag von Sachsen-Anhalt erinnert in Dankbarkeit einer großen historischen und charismatischen Persönlichkeit in der Geschichte nicht nur der Kirche, sondern auch der politischen Welt.

Am 2. April dieses Jahres verstarb in Rom Seine Heiligkeit Papst Johannes Paul II. im Alter von 84 Jahren. Sein mehr als 26 Jahre dauerndes Pontifikat zählt zweifellos zu bedeutendsten der Kirchengeschichte. Das Lebenswerk Johannes Paul II. hat das 20. Jahrhundert maßgeblich geprägt und die Welt menschlicher gemacht. Sein Einsatz für Frieden und die Würde des Menschen, sein Engagement für die Schwachen und Benachteiligten dieser Welt und die Entschiedenheit, mit der Papst Johannes Paul II. seine Gesellschaftskritik in kapitalistischen wie kommunistischen Systemen vortrug, nötigten selbst Kritikern Respekt ab.

Seine Wahl am 16. Oktober 1978 war die wohl historisch entscheidende Zäsur im Kalten Krieg. Ohne ihn wäre der Zusammenbruch kommunistischer Herrschaftssysteme in Osteuropa nicht so schnell und vor allem nicht als evolutionärer, sondern eher als revolutionärer Prozess verlaufen.

Johannes Paul II. war auch unserem Land sehr verbunden. Die deutsche Einheit hat er von Anfang an begrüßt und gefördert. Unvergessen bleibt sein Besuch im wiedervereinigten Berlin und sein symbolträchtiger Gang durch das Brandenburger Tor im Jahr 1996.

Als geistliche Autorität und moralische Instanz hat er sich weltweit hohen Respekt erworben. Sein Eintreten für globalen Frieden, für die Versöhnung der Religionen, die Würde, die Freiheit und die Gleichheit aller Menschen ist sein bleibendes Vermächtnis. Sein Tod ist für alle Menschen ein Verlust. Sein Leben und Wirken soll uns eine Verpflichtung sein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Uns hat die Nachricht erreicht, dass am 11. April 2005 das ehemalige Mitglied des Landtages Herr Günter Otterpohl im Alter von 72 Jahren verstorben ist. Herr Otterpohl war Mitglied des Landtages der ersten Wahlperiode und somit einer der Abgeordneten, die sich in den ersten Jahren nach der Wende um den Aufbau unseres Landes verdient gemacht haben.

Er gehörte der Fraktion der CDU an und war Mitglied im Ältestenrat sowie im Ausschuss für Petitionen und im Ausschuss für Arbeit und Soziales. Hier im Parlament fungierte er zudem als Schriftführer. Nach seinem Ausscheiden aus dem Landtag gehörte Herr Otterpohl der Vereinigung ehemaliger Mitglieder des Landtages von Sachsen-Anhalt e. V. an.

Ich möchte Sie, meine Damen und Herren, bitten, sich im Gedenken an den Verstorbenen zu einer Schweigeminute von den Plätzen zu erheben.

Ich danke Ihnen. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Uns liegen Entschuldigungen von Mitgliedern der Landesregierung vor. Herr Ministerpräsident Professor Dr. Böhmer bittet seine Abwesenheit in der heutigen Sitzung ganztägig aufgrund der Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin zu entschuldigen. Aus dem gleichen Grund bittet Herr Staatsminister Robra sein Fehlen am heutigen Tag zu entschuldigen. Herr Minister Professor Dr. Paqué entschuldigt sich für die heutige Landtagssitzung bis 16 Uhr. Er nimmt am Vormittag an der Sitzung des Finanzausschusses des Bundesrates und anschließend an der Finanzministerkonferenz in Berlin teil.

Am morgigen 15. April 2005 findet in Halle der neunte Erfahrungsaustausch zum Thema „Audit Beruf und Familie“ statt, zu der Herr Minister Kley ein Grußwort halten wird. An dieser Veranstaltung, die zum ersten Mal in den neuen Bundesländern durchgeführt wird, nehmen Vertreter von 129 Institutionen und Organisationen, unter anderem von Bundesministerien und Großkonzernen, teil.

Nun zur Tagesordnung, meine sehr verehrten Damen und Herren. Die Tagesordnung für die 30. Sitzungsperiode liegt Ihnen vor.

Am 12. April 2005 wurde von der Fraktion der CDU fristgemäß eine Aktuelle Debatte zum Thema „Ethik und Religion - Säulen eines wertebezogenen Unterrichts“ beantragt. Dieser Antrag liegt Ihnen in der Drs. 4/2140 vor. Obwohl formal die Einordnung als Tagesordnungspunkt 2 b erfolgt, sollte das zweite Thema der Aktuellen Debatte nach dem Tagesordnungspunkt 3 behandelt werden, um die Anträge zur Einheitsforstverwaltung im Komplex behandeln zu können.

Im Ältestenrat ist weiter vereinbart worden, die Tagesordnungspunkte 1 sowie 17 bis 19 als erste Punkte am morgigen Beratungstag zu behandeln.

Gibt es weitere Anmerkungen zur Tagesordnung? - Herr Dr. Thiel, bitte sehr.

Herr Präsident, die Fraktion der PDS möchte signalisieren, dass wir bei Tagesordnungspunkt 10 - Änderung des Gesetzes über die Tierseuchenkasse - einen kurzen Redebedarf haben.

Zu Tagesordnungspunkt 10 melden Sie einen Diskussionsbeitrag an. Das ist bei uns schon angekommen und vermerkt.

Gibt es Widerspruch gegen die Tagesordnung? - Das ist nicht der Fall. Dann können wir nach der so festgelegten Tagesordnung verfahren.

Meine Damen und Herren! Noch eine Anmerkung zum zeitlichen Ablauf der 30. Sitzungsperiode: Die heutige Landtagssitzung werden wir in Abhängigkeit vom Stand der Abarbeitung der Tagesordnung voraussichtlich gegen 19 Uhr schließen. An dieser Stelle möchte ich auch an die um 20 Uhr beginnende parlamentarische Begegnung mit dem Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverband im Hause der NordLB erinnern. Die morgige 58. Sitzung beginnt wie üblich um 9 Uhr und wird voraussichtlich gegen 12.30 Uhr beendet sein.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 a auf:

Aktuelle Debatte

Erhaltung des Einheitsforstamtes

Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 4/2131

Ich erinnere daran, dass die Redezeit in der Aktuellen Debatte zehn Minuten je Fraktion beträgt. Die Landesregierung hat ebenfalls eine Redezeit von zehn Minuten. Die Debatte wird in folgender Reihenfolge durchgeführt: SPD, CDU, PDS und FDP.

Zunächst hat für den Antragsteller der Abgeordnete Herr Oleikiewitz das Wort. Bitte sehr, Herr Oleikiewitz.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie alle haben die lautstarken Proteste und die eindrucksvolle Demonstration wahrgenommen, mit denen die Waldarbeiter und die Bediensteten der Forstwirtschaft auf ihre Probleme aufmerksam gemacht haben. Viele von ihnen sind persönlich enttäuscht über die Pläne der Landesregierung. Das Schicksal der Waldarbeiter ist wieder einmal ungewiss. Die Landesregierung hüllt sich trotz fortgeschrittener Planungen zur Umstrukturierung der Landesforstverwaltung in Schweigen.

Um die Interessenvertreter der im Forstbereich Beschäftigten in die weitere Diskussion einzubeziehen, haben wir diesen Antrag gestellt, damit die Thematik frühzeitig und umfassend diskutiert werden kann und damit Entscheidungen nicht allein auf ideologischer oder finanzieller Grundlage, sondern fachlich fundiert und im Interesse des Waldes und der Beschäftigten getroffen werden können.

Nicht umsonst haben sich die Bediensteten der Forstverwaltung, die Waldarbeiter und deren Interessenvertreter an die Fraktionen des Landtages gewandt, um mit ihnen das Gespräch zu suchen. Nicht umsonst gab es Mahnwachen vor dem Landtag.

Selbst die Landesregierung gibt zu, dass eine Neustrukturierung der Landesforstverwaltung aus einem Guss nicht möglich ist. Mir scheint, als wolle man hierbei auf den angestrebten Termin zielen, ohne die Betroffenen einzubeziehen, und als wolle man sie vor vollendete Tatsachen stellen. - Meine Damen und Herren! Das Zitat könnte von mir sein, ist es aber nicht. Das war O-Ton von Frau Wernicke in einer Debatte zur Forststrukturreform der letzten SPD-Landesregierung am 17. Dezember 1999.

In diesem Stil könnte ich fortfahren, meine Damen und Herren. Das wäre vielleicht amüsant, aber das Ganze ist zu traurig, um es so vorzutragen.

Die Tatsache, dass Politiker mit der Übernahme von Regierungsverantwortung völlig aus ihrem Gedächtnis streichen, was sie noch vor wenigen Jahren in der gleichen Sache zum selben Thema gesagt und geschrieben haben, scheint - jedenfalls in dieser Landesregierung - über die Maßen ausgeprägt zu sein. Eines lässt sich jedenfalls aus den vielen Redebeiträgen zum Thema Wald- und Forstwirtschaft der vergangenen Jahre feststellen: Eine klare Linie ist eher nicht zu erkennen.

(Beifall bei der SPD)

Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, haben offensichtlich, je nach aktueller Lage, immer nur das eine oder das andere gesagt. Schwarzmalen und Schlechtmachen war das, was man aus den Reden ablesen konnte.

Nun wäre das relativ unschädlich, wenn es nur um die Frage ginge, ob eine Ortsumgehung dort oder dort entlang geführt wird. Aber hierbei geht es um mehr. Hierbei geht es um die Frage, ob der Wald in Sachsen-Anhalt auch in Zukunft seine - gestatten Sie mir bitte, mit den Worten von Frau Wernicke zu sprechen - „hohen kulturellen und nachhaltigen Aufgaben erfüllen kann“.

(Beifall bei der SPD)

Wie Sie richtig festgestellt haben, sehr geehrte Frau Ministerin Wernicke: Wald ist eben mehr als ein Wirtschaftsgut und vieles lässt sich eben nicht in Zahlen ausdrücken.

(Zustimmung bei der SPD)

Damit haben Sie mir aus dem Herzen gesprochen. Genau das ist es, was Wald tatsächlich ausmacht. Er ist mehr als ein Wirtschaftsgut und die in der Forstwirtschaft Beschäftigten können eben nicht alle paar Jahre hin- und hergeschoben werden. So können die von Ihnen beschworenen vielfachen Funktionen, die der Wald zu erfüllen hat, jedenfalls nicht gewährleistet werden; denn dazu gehören auch Menschen, die Motivationen und klare Perspektiven brauchen. Auch das waren einmal Ihre Forderungen. Für uns, für die SPD galt das damals und gilt es auch noch heute.

Meine Damen und Herren! Wie vielen von Ihnen bekannt ist, hat die letzte SPD-Landesregierung mit der Gründung des Landesforstbetriebes am 1. Januar 2002 versucht, die Bewirtschaftung des Landeswaldes auf eine neue wirtschaftliche Basis zu stellen und dabei gleichzeitig die anderen forstlichen Aufgaben, wie Beratung, Umweltbildung, Pädagogik, Betreuung des Privatwaldes und andere wichtige Aufgaben, zu gewährleisten.

Wegen dieses Vorhabens hat sie sich damals Beulen geholt, aber nach zwei Jahren Existenz hat sich nicht nur die wirtschaftliche Lage des Landesforstbetriebes stabilisiert - immerhin erwirtschaftete er im Jahr 2003, also nur ein Jahr nach seiner Gründung, ein Gesamtergebnis von 26 Millionen € -, sondern der Landesforstbetrieb hat auch die anderen Aufgaben in den 24 Forstämtern so effizient gelöst, wie es der Gesetzgeber und wie es die Gesellschaft verlangt.

(Zustimmung von Herrn Kühn, SPD)

Was kann man eigentlich mehr erwarten? Wo wurde jemals in einer solch kurzen Zeit ein solches Ergebnis erzielt? Wie kann man angesichts der genannten vielfältigen Aufgaben des Landesforstbetriebes davon reden, das Ganze wäre ein defizitäres Unternehmen? Redet man denn von anderen Bereichen der Landesverwaltung auch so? Von der Schulverwaltung vielleicht oder von der Polizei, von den Finanzämtern oder vom Landesrechnungshof? - Nein, das tut man mit Recht nicht; denn es kann keinen Zweifel daran geben, dass die Wahrnehmung von Aufgaben für die Gesellschaft, für unsere Umwelt und eben auch für unseren Wald nicht zum Nulltarif zu machen ist.

(Zustimmung bei der SPD und von Herrn Dr. Thiel, PDS)

Die Frage, wo und von wem die entsprechenden Aufgaben wahrgenommen werden, ist in der Regel klar - natürlich dort und von denen, die das seit vielen Jahren verantwortlich tun. Das erwartet man bei der Schulverwaltung, das erwartet man bei der Polizei und das erwartet man natürlich ganz besonders auch bei der Forstverwaltung und bei der Wahrnehmung ihrer umfangreichen Aufgaben.

Bis heute - das heißt, noch bis heute - wird in SachsenAnhalt, so wie in anderen Bundesländern, die Einheitsforstverwaltung praktiziert. Das hat sich in 15 Jahren Forstpraxis bewährt und das hat dank der Beschäftigten in der Verwaltung und vor Ort in unseren Wäldern zu einem naturnahen und nachhaltigen Umgang mit dem Gut Wald mit seinen vielfältigen Wirkungen für Naturschutz, Bildung und Erziehung sowie Klima und Grundwasser geführt. Wir glauben, dass es keinen vernünftigen Grund geben kann, dieses erfolgreiche Modell zu zerschlagen, weder aus wirtschaftlichen noch aus irgendwelchen anderen Gründen. Das sehen große Teile der Gesellschaft genauso, nicht nur die Opposition und nicht nur die Betroffenen.

Die Landesregierung indes sieht das anders. Nicht mehr von „Der Wald ist eben nicht nur ein Wirtschaftsgut“ ist die Rede, nichts mehr von “Es ist schon ein eklatanter Widerspruch, wenn einerseits der ökologische Wert des Naturraumes Wald erwünscht ist, andererseits aber die Effektivität der staats- und kommunalwirtschaftlichen Betriebe ausschließlich an dem Erlös der Holzverkäufe gemessen wird“, wie Sie schon im Jahr 1999 festgestellt haben. Nein, heute scheinen die Uhren anders zu gehen. Heute geht es nur noch um das Wirtschaftsgut und heute geht es natürlich an erster Stelle um Holzverkäufe und deren Erlöse.

Aus unserer Sicht gibt es jedenfalls keinen plausiblen Grund, ein Gutachten mit dem Thema „Optimierung der Landesforstverwaltung Sachsen-Anhalt“ in Auftrag zu geben; denn Inhalt dieses Gutachtens war wohl nicht die Verbesserung der Gemeinwohlleistung des Waldes und auch nicht die Erhöhung der Effizienz von Jugendwaldheimen oder die Herstellung von Effizienz in den Forstämtern. Das kann nicht der Grund für dieses Gutachten gewesen sein.

Das Ergebnis dieses aufwendigen und nicht billigen Gutachtens war ein Fiasko. Werbeveranstaltungen der Ministerin für das Gutachten verfehlten bei den Forstbediensteten ihr Ziel, trotz hohen Einsatzes der Ministerin, trotz aller Überzeugungsversuche. Zu durchsichtig war das Ganze und wesentliche Inhalte des Gutachtens wurden von den Betroffenen sachlich und fundiert ad absurdum geführt. Die Gutachter selbst kamen angesichts bohrender Fragen nicht umhin, Fehler bei der Datenerfassung und -auswertung zuzugeben.

Das war schon peinlich für Frau Wernicke, aber die Grundlagen für dieses Desaster lagen wohl eher in der Aufgabenstellung durch die Landesregierung und auch darin, dass sie im Vorfeld ihrer Strukturüberlegungen die Betroffenen selbst nur halbherzig und alternativlos an dem Verfahren beteiligt hat. Auch hierbei haben Sie nicht das gemacht, wofür Sie als Opposition vehement gestritten haben, nämlich die Entscheidung nicht allein auf ideologischer oder finanzieller Grundlage, sondern sachlich fundiert und im Interesse des Waldes und der Beschäftigten zu treffen.

Ich sehe, dass meine Uhr hier abläuft. Ich muss kürzen.