Protokoll der Sitzung vom 14.04.2005

Zu dem Vorwurf des die Fahne-in-den-Wind-Drehens. Wissen Sie, ich bin im Jahr 1990 angetreten, weil ich Mehrheiten akzeptiere und Demokrat bin. Das will ich jedenfalls für mich, für viele oder für fast alle in Anspruch

nehmen. Ich wäre doch mit irgendetwas gepudert, wenn ich auf eine Riesenwelle aus der Altmark nicht reagieren würde, die sagte: Daehre, deine raumordnerischen Vorstellungen sind raumordnerisch-theoretisch richtig, aber das Leben ist anders; wir wollen alle zusammengehen und wollen einen großen Altmarkkreis machen.

Deshalb habe ich diese Antwort gegeben. Unter Demokraten sollte man das können, sollte man das aushalten. Man kann aus raumordnerischen Gründen vieles theoretisch begründen. Bei den Kreisstadtfragen werden wir noch erleben, dass wir raumordnerisch alles begründen und dann plötzlich Mehrheiten entstehen, die sagen: Raumordnung ist das eine, aber wir haben andere Mehrheiten organisiert. Das haben wir in diesem Hause alles schon erlebt. Dabei gucke ich niemanden an, meine Damen und Herren.

Das ist das Entscheidende. Als Politiker muss man sich immer noch die Möglichkeit offen halten zu reagieren, wenn von der Basis etwas anderes gewollt ist, als es vielleicht die Raumordnung theoretisch hergibt. Deshalb habe ich diese Äußerung so gemacht. Dazu stehe ich auch. Aus raumordnerischen Gründen ist es barer Unsinn, wenn man das macht. Aber wenn es in der Altmark oder woanders Stimmen in erheblicher Größenordnung gibt, die sagen, es ist anders, dann ist das so.

Natürlich ist bei Ihnen - ich habe die Meinung von Herrn Dr. Köck schon ein bisschen im Hinterkopf - immer ein bisschen Zentralismus dabei. Gestatten Sie, dass ich zumindest das noch sage. Das ist bei Ihnen so. Wir sind für die andere Form der kommunalen Selbstverwaltung.

Eine letzte Anmerkung, liebe Kollegen von der SPD.

(Herr Gürth, CDU: Es ist doch letztlich das, was sie wollten!)

- Ich wollte es nicht sagen, Herr Gürth, aber es muss doch noch einmal ausgesprochen werden: Wir liegen im Prinzip gar nicht weit von dem entfernt, was vor der kurzen Zeit von 24 Monaten auch von Ihnen noch vertreten wurde. Das hat mir zumindest Sicherheit gegeben, als beim Landkreistag alle SPD-Landräte für die Grenze von 150 000 Einwohnern gestimmt haben. Damals war von anderen Modellen überhaupt nicht die Rede. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke, Herr Minister. - Wir treten jetzt ein in die Debatte der Fraktionen. Als erster Debattenredner wird für die SPD-Fraktion der Abgeordnete Herr Rothe sprechen.

Doch zuvor haben wir die Freude, Gäste vom Kinderheim „Waldmühle“ Wernigerode und der Frauen- und Seniorenunion aus dem Landkreis Wernigerode zu begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Bitte sehr, Herr Abgeordneter.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister Daehre, das Aussprechen fulminanter Gesetzesüberschriften habe ich in den letzten drei Jahren gelernt. Aber wir sollten nicht verlernen, das ernst zu meinen, was in den Gesetzen steht, meine Damen und

Herren; denn sonst verliert diese Veranstaltung ihren guten Sinn.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS)

Damit bin ich bei der Intervention des Kollegen Reck. In dem Gesetz wird in einigen Punkten ein fester Rahmen gesetzt. - Herr Schröder nickt. - Das ist im Ausschuss auch bestätigt worden. Es ist so gewollt, dass diese Obergrenze gilt, und sie ist als eine fixe Obergrenze bei 2 750 km² gesetzt. Das heißt, es kann im Einzelfall dann nicht eine Ausnahme zugelassen werden, die mehr beinhaltet.

Es steht auch in der Begründung zu dem Gesetz, dass es sich um zukünftig zu beachtende Grundsätze handelt. Das Gesetz hat kein Verfallsdatum. Es geht nicht nur um das, was wir in diesem Jahr beschließen wollen, sondern es wird der Altmark gesagt: Lasst es sein; ihr braucht nicht weiter zu diskutieren. - Daher wird sich auch nichts von der Basis entwickeln können.

Ich meine, so geht das nicht, Herr Minister. Lassen Sie meinem Gesinnungsgenossen Karl-Heinz Reck die Freiheit, die Altmark zu einen.

(Zustimmung bei der SPD - Zuruf von Herrn Tull- ner, CDU - Minister Herr Dr. Daehre: Das ha- be ich ihm nicht verboten! - Zuruf von Herrn Dr. Schellenberger, CDU)

Herr Minister, ich schätze Sie als einen streitbaren Konservativen, und Sie sind nicht der Erste, den ich aus dieser Klasse kennen gelernt habe und kennen lernen durfte. Ich erinnere mich gut an Alfred Dregger; er war damals Vorsitzender der CDU-Fraktion im Deutschen Bundestag. Das war ein Wertekonservativer und kein Strukturkonservativer.

Ich fordere Sie auf: Nutzen Sie die Gelegenheit, auch in diese Kategorie eines Wertekonservativen zu gehen und nicht in dem Strukturkonservatismus zu verharren, aus dem Herr Minister Jeziorsky wohl leider nicht mehr herausfinden wird.

(Zustimmung bei der SPD - Herr Schomburg, CDU: Das war wohl nichts!)

Herr Abgeordneter Rothe, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Stadelmann?

Bitte.

Herr Kollege Rothe, ich hätte eine Frage: Ist Ihnen bekannt, dass es bei der Abstimmung über dieses Gesetz im Salzwedeler Kreistag nur eine einzige Gegenstimme eines fraktionslosen Kreistagsmitgliedes gab?

(Herr Gürth, CDU: Hört, hört! - Herr Bischoff, SPD: Was für eine Stimme?)

Parteiübergreifend gab es Zustimmung zu diesem Punkt.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege, ich habe einmal den früheren Kollegen Egon Sommerfeld in Pretzier besucht. Dort hat er mir

gesagt, der Altmarkkreis war der größte Ferkel produzierende Kreis zwischen Königsberg und Aachen. - Ich wünsche der Altmark dieses Selbstbewusstsein von Egon Sommerfeld, dann wird daraus auch ein Kreis entstehen. Er ist übrigens in dieser Frage sehr viel offener als sein Nachfolger im Amte des Landrates, meine Damen und Herren.

(Herr Gürth, CDU: Weltoffener Rentner! - Zuruf von Herrn El-Khalil, CDU)

Wenn ich an dieser Stelle noch einen anderen Altmärker erwähnen darf, weil Sie sagen, es war nur der Kollege Reck: Was würde denn unser früherer Abgeordnetenkollege, der am 1. April vor 190 Jahren in Schönhausen geboren worden ist, zu diesem Thema sagen? Er wäre sicher kein Anhänger von Kleinstaaterei, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Das sind Leute, auf die die Altmark stolz sein kann.

(Zurufe von der CDU und von Minister Herrn Je- ziorsky)

Es gibt Nachfragen von Herrn Gürth und von Frau Brakebusch.

Sehr geehrter Herr Kollege Rothe, Sie warfen die rhetorische Frage auf, was Herr von Bismarck dazu sagen würde.

(Unruhe)

Herr Abgeordneter Gürth, Sie haben eben einen Ruf aus dem Plenum bekommen, Sie sollten lauter sprechen. Ich würde empfehlen, die anderen sind leiser.

Das war auch meine Idee. Der Geräuschpegel pendelt sich ein. - Ich möchte Ihnen jetzt die Frage stellen, was wohl Herr Püchel, der ja leider nicht anwesend ist, der acht Jahre lang Innenminister war - -

(Zurufe: Doch!)

- Ich habe ihn gar nicht gesehen. - Uns interessiert dringend die Frage, was wohl er dazu sagt, wenn er Sie so reden hört und mitbekommt, dass Sie seine Ideen von der Kreisgebietsreform total beerdigen, kein eigenes Modell mehr haben und nur noch das Modell der PDSFraktion vertreten.

(Zuruf von Frau Fischer, Leuna, SPD)

Herr Kollege Gürth, Herr Dr. Püchel und ich arbeiten im Arbeitskreis Innen- und Rechtspolitik der SPD-Landtagsfraktion weiterhin sehr intensiv und gut zusammen.

(Zuruf von Herrn Scharf, CDU)

- Ich lade Sie ein, einmal dazu zu kommen und sich davon zu überzeugen. Ich war vorhin bei Alfred Dregger.

(Herr Gallert, PDS: Sie waren bei Bismarck! - Wei- tere Zurufe)

Bevor Sie dort sind, gibt es noch eine Frage. Lassen Sie diese noch zu?

Als letzte.

Vielen Dank, Herr Rothe, dass Sie meine Frage doch noch zulassen. Ich bin noch nicht sehr lange Parlamentarierin. Aber ich verstehe mein Amt eigentlich so, dass wir als Vertreter für die Bürger im Landtag sitzen. Ich denke schon, dass ich unseren Minister Herrn Daehre unterstützen möchte, wenn es dazu kommt, dass wirklich eine Vielzahl von Menschen sagt: Wir möchten das aber so. Dann sind wir als Parlamentarier gezwungen zu sagen, wir müssen das überdenken und müssen es vielleicht noch einmal verändern. So verstehe ich das.