Protokoll der Sitzung vom 19.07.2002

Sehr geehrter Herr Präsident, ich wollte das Verfahren etwas beschleunigen und bereits den Platz am Rednerpult einnehmen, da die Damen und Herren ins verdiente Wochenende wollen. Aber entschuldigen Sie!

Ich muss zunächst den Tagesordnungspunkt 28 aufrufen:

Beratung

Wahl von stimmberechtigten Mitgliedern sowie stimmberechtigten stellvertretenden Mitgliedern des Landesjugendhilfeausschusses für die vierte Wahlperiode durch den Landtag von Sachsen-Anhalt

Wahlvorschlag der Landesregierung - Drs. 4/74

Meine Damen und Herren! Eine Debatte dazu ist nicht vorgesehen. Aber ich stelle fest, dass Sie, Herr Minister, dazu sprechen wollen, was Sie jederzeit können. Bitte schön.

Danke schön, Herr Präsident, für die Möglichkeit, den Wahlvorschlag der Landesregierung vorzustellen.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Wahlvorschlag liegt Ihnen vor. Ich wollte kurz einige Bemerkungen dazu geben.

(Zuruf: Nicht gewünscht!)

- Nicht gewünscht? - Bestimmt doch. - Die Grundlage ist das SGB VIII, das die Organisation des Jugendamtes in § 70 bestimmt, wo es heißt, die Aufgaben des Landesjugendamtes werden durch den Landesjugendhilfeausschuss und durch die Verwaltung des Landesjugendamtes im Rahmen der Satzung und der dem Landesjugendamt zur Verfügung gestellten Mittel wahrgenommen.

Die Zusammensetzung des Landesjugendhilfeausschusses regelt sich nach § 71. Ihm gehören mit zwei Fünfteln des Anteils der Stimmen Frauen und Männer an, die auf Vorschlag der im Bereich des Landesjugendamtes wirkenden und anerkannten Träger der freien Jugendhilfe von der obersten Landesjugendbehörde zu berufen sind.

Die übrigen Mitglieder werden nach dem Landesrecht bestimmt, das durch unser KJHG konstituiert wird. Das heißt, acht Mitglieder sind auf Vorschlag der überörtlich wirkenden anerkannten freien Träger zu wählen und zwölf Mitglieder werden vorgeschlagen von Kirchen, kommunalen Spitzenverbänden und den für bestimmte Aufgabengebiete in der Landesverwaltung zuständigen Ministerien.

Dieser Katalog der vorschlagsberechtigten Institutionen soll die verschiedenen Gruppen und Aufgaben innerhalb der Jugendhilfe repräsentieren. Dabei sind insbesondere die Vorschlagsrechte der kommunalen Spitzenverbände und der Kirchen traditionell begründet.

Wenn Sie in der Ihnen vorliegenden Liste von einer Institution keine Vorschläge finden, so liegt es daran, dass dort im Sommer neue Vorstandswahlen stattfinden und somit erst zu einem späteren Zeitpunkt Kandidaten benannt werden können. Wir haben den Vorschlag trotzdem jetzt schon eingebracht, weil am 18. September 2002 die Wahlperiode des alten Landesjugendhilfeausschusses abläuft und wir es als dringend geboten erachten, seine Arbeitsfähigkeit weiterhin gewährleisten. Ich bitte Sie also um Durchführung der Wahl der Ihnen vorgeschlagenen Mitglieder des Landesjugendhilfeausschusses. - Danke schön.

(Zustimmung bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. - Meine Damen und Herren! Die Regularien sind Ihnen so weit schon vorher bekannt gewesen und jetzt noch einmal ergänzt worden. Die Wahl kann durch Handzeichen vorgenommen werden, wenn niemand widerspricht. Wenn jemand dies tun will, müsste er das kenntlich machen. - Das ist nicht der Fall. Wir können somit insgesamt und offen abstimmen.

Wer für den Wahlvorschlag ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist eindeutig die Mehrheit. Ist jemand dagegen? - Niemand. Enthält sich jemand der Stimme? - Das ist auch nicht der Fall. Dann kann ich feststellen, dass die in dem Wahlvorschlag aufgeführten Damen und Herren zu stimmberechtigten Mitgliedern bzw. stimmberechtigten stellvertretenden Mitgliedern des Landesjugendhilfeausschusses gewählt sind. Ich darf den Gewählten im Namen des Hohen Hauses einen herzlichen Glückwunsch aussprechen und erfolgreiche Arbeit wünschen. Damit ist der Tagesordnungspunkt 28 erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 31 auf:

Beratung

Besetzung der Parlamentarischen Kontrollkommission nach § 24 des Verfassungsschutzgesetzes

Wahlvorschlag der Fraktionen der CDU, der SPD und der FDP - Drs. 4/82

Eine Debatte ist nicht vorgesehen. Wünscht dennoch jemand das Wort? - Das ist nicht der Fall.

Meine Damen und Herren! Nach dem entsprechenden Gesetz muss die Mehrheit der gewählten Abgeordneten zustimmen, muss also eine qualifizierte Mehrheit hergestellt sein. Demnach brauchen wir mindestens 58 Jastimmen. Das Ergebnis kann man durch Namensaufruf ermitteln, was eine gewisse Zeit beansprucht. Man kann sein Votum aber auch, wenn niemand widerspricht, durch Kartenzeichen kundtun. Die beiden Schriftführer würden unabhängig voneinander die Stimmen zählen. Das geht deutlich schneller. Wenn niemand widerspricht, wählen wir das zweite Verfahren.

Ich bitte Sie, Ihre Stimmkarte deutlich und so lange, bis der Zählvorgang abgeschlossen ist, zu heben, wenn Sie dem Wahlvorschlag folgen wollen. Behalten Sie die Karten bitte oben. Jetzt wird gezählt. Ich brauche eine genaue Zahl.

Meine Damen und Herren! Die Schriftführer haben kein übereinstimmendes Ergebnis feststellen können. Bitte heben Sie Ihre Karte noch einmal ganz deutlich.

Um den Wahlvorschlag zu unterstützen, brauchen wir mindestens 58 Stimmen. Die bisherigen Zählungen haben noch nicht so viele Stimmen ergeben. Aber da das Ergebnis beider Schriftführer differiert, hätte ich es in jedem Fall prüfen lassen müssen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Keine Stimmenthaltungen. Dann darf ich Ihnen das Ergebnis mitteilen. Die übereinstimmende Zählung hat ergeben: Mit Ja haben 62 Abgeordnete, mit Nein 13 Abgeordnete gestimmt. Damit ist die Zahl von 58 überschritten und die Mehrheit erreicht worden, die nach dem Gesetz notwendig ist.

Im Namen des Hohen Hauses spreche ich den Gewählten meinen Glückwunsch aus und wünsche ihnen Erfolg in ihrem unter Umständen besonders verantwortungsvollen Amt. Der Tagesordnungspunkt 31 ist damit abgeschlossen.

Meine Damen und Herren! Wir kommen jetzt zum Tagesordnungspunkt 18. Das ist der Tagesordnungspunkt, den wir am gestrigen Tag nicht mehr abgearbeitet haben. In diesem Zusammenhang darf ich darauf aufmerksam machen, dass wir in unserer Zeitplanung ein wenig hinterherhinken und nach jetziger Schätzung die Sitzung erst gegen 21.30 Uhr beenden würden. Ich werde mich bemühen, die Verhandlung so zügig wie möglich zu führen. Ich bitte Sie, darüber nachzudenken, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, gewisse Schriftstücke, die vorbereitet sind, zu Protokoll zu geben. Ich jedenfalls würde in jedem Fall die Erlaubnis dazu erteilen.

(Zustimmung bei allen Fraktionen)

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 18:

Beratung

a) EU-Agrarreform muss Strukturen in Ostdeutschland berücksichtigen

Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 4/54

b) Keine Obergrenzen oder Degressionen bei Ausgleichszahlungen für landwirtschaftliche Unternehmen

Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 4/59

Zur Einbringung des Antrags der Fraktionen der CDU und der FDP bitte ich zunächst Frau Wybrands das Wort zu nehmen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Agrarkommissar Fischler hat am 10. Juli in Brüssel die Halbzeitbewertung zur Agenda 2000 vorgestellt. Monatelang vorher hatte er immer wieder erklärt, die so genannte Midterm-Review werde einen Zwischenbericht mit allenfalls nachsteuernden Maßnahmevorschlägen sein. So entspricht es auch den 1999 in Brüssel gefassten Beschlüssen. Am Mittwoch letzter Woche präsentierte er nun unter anderem folgende Vorschläge, die einen radikalen Kurswechsel in der Landwirtschaftspolitik einleiten könnten:

Erstens. Die Direktbeihilfen, die den Bauern flächen- und produktionsbezogen zum Ausgleich von Preissenkungen gewährt worden sind, sollen pro Betrieb auf maximal 300 000 € begrenzt werden. Das bedeutet einen Einstieg in die Entkoppelung von Beihilfe und Produktion.

Zweitens. Die Roggenintervention soll abgeschafft werden.

Drittens. Jährlich sollen die Direktbeihilfen um 3 % gekürzt werden und der Kürzungsbetrag auf dem Umweg über den EU-Haushalt den Mitgliedstaaten für ländliche Entwicklung als Fördermittel zur Verfügung gestellt werden, also die obligatorische Einführung der in anderen Ländern umstrittenen Modulation. - Man stelle sich allein den bürokratischen Aufwand einer solchen Regelung vor.

Viertens. Direktzahlungen an die Landwirte werden an die Einhaltung von Standards in den Bereichen Umwelt, Lebensmittelsicherheit und Tierschutz gebunden.

Das alles soll schon im November 2002 als Vorschlag der Kommission beschlossen werden und Anfang 2004 in Kraft treten. Die bisherigen Vereinbarungen hatten den Bauern eine Planungssicherheit bis zum Jahr 2006 gegeben.

Nicht zuletzt die aktuellen Ereignisse um den Hormonskandal machen deutlich, dass die Vorschläge durchaus interessant sind. Die Reform rückt die Perspektive der Verbraucher in den Mittelpunkt. Die grundsätzliche Umstellung von reinen Produktionshilfen ohne Orientierung am Markt auf andere Maßstäbe wie Lebensmittelsicherheit, Umweltschutz und Pflege von Kulturlandschaften ist sicherlich bedenkenswert. Auch der Extrabonus für freiwilligen Tierschutz ist begrüßenswert und ebenso der zaghafte Versuch, die Bürokratie einzudämmen.

Allgemeiner Konsens ist es darüber hinaus schon des Längeren, dass ein grundlegendes Umsteuern in der gemeinsamen Agrarpolitik der EU ohnehin überfällig ist und das Thema nicht zuletzt wegen der anstehenden EU-Osterweiterung angepackt werden muss.

Wenn es um eine grundlegende Neuausrichtung der europäischen Agrarpolitik geht - eine Aufgabe, an der sich in der Vergangenheit nicht nur Generationen von Europapolitikerinnen versucht haben -, frage ich mich,

warum diese Vorschläge jetzt im Rahmen einer Halbzeitbewertung gemacht werden. Dazu sollen diese Vorschläge mehr oder weniger sofort beschlossen werden, ohne Diskussion über die Auswirkungen und Alternativen und ohne Verständigung über die zu verfolgenden Ziele über Allgemeinplätze hinaus. Jetzt die sicherlich notwendige Reformdiskussion für die gemeinsame Agrarpolitik im Rahmen einer Halbzeitbewertung zu führen, widerspricht allen Verabredungen und wird dem Thema nicht gerecht.

Wie schwierig das Problem ist und wie sorgfältig die Vorschläge abgewogen werden müssten, zeigt sich doch bereits an Folgendem: Die EU fordert die internationale Wettbewerbsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe ein und bestraft mit den jetzt vorgelegten Vorschlägen die Betriebe, die wettbewerbsfähige Strukturen aufgebaut und ihre Produktionskosten verringert haben. Gerade und, wie auch zu vermuten, fast ausschließlich die landwirtschaftlichen Betriebe in Ostdeutschland sind von der Kappung der Direktbeihilfen bei 300 000 € betroffen. Sie haben eine vergleichsweise gute Flächenausstattung, und die Kappungsgrenze wird meinen Schätzungen nach in Sachsen-Anhalt von etwa 300 Betrieben erreicht.

Meine Damen und Herren! Das Fischler-Konzept wird in der Öffentlichkeit häufig unter dem Slogan resümiert „Klasse statt Masse“. Für uns muss es heißen: Klasse mit Masse. Unsere Landwirte haben effiziente Betriebe aufgebaut. Wir sind in manchen Gegenden mit dem besten Boden gesegnet, den man sich vorstellen kann.

Neulich habe ich durch Zufall ein Interview gehört, in dem Herr Fischler, dem natürlich durchaus klar war, aus welcher Richtung Gegenwind kommen würde, den Bauern Ostdeutschlands seine Vorschläge zu versüßen versuchte. Er wies auf die Subvention in Höhe von 5 000 € für die ersten beiden und in Höhe von 3 000 € für die folgenden Arbeitskräfte pro Jahr hin. Das ist nicht viel und keineswegs ein Anreiz oder auch nur ein Ausgleich für die Betriebe, die arbeitsintensive Bereiche, wie Viehhaltung, bewirtschaften.

Das mit der Kappung eingesparte Geld steht darüber hinaus nicht mehr den Betrieben selbst zur Verfügung. Neue Aufgabenfelder - die bisherigen Fördergrundsätze müssten erweitert werden - sind schwer zu erschließen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Direktbeihilfen wurden als Ausgleich für die Preissenkungen bei den landwirtschaftlichen Produkten eingeführt und natürlich auch, um den landwirtschaftlichen Betrieben die Weiterexistenz bei niedrigem Preisniveau zu ermöglichen, auch wenn sich die Produktionskosten, wie etwa die Kosten für Diesel, für Maschinen und für Düngemittel, sowie die Lebenshaltungskosten für die bäuerlichen Familien nicht entsprechend nach unten anpassen.