Meine Damen und Herren! Nun mache ich noch zwei Anmerkungen im Hinblick auf den Antrag der PDSFraktion, vornehmlich zu Punkt 2. Dieser ist für uns nicht ganz nachvollziehbar. Wenn die Stundentafeln der Klassenstufen 1 und 2 um drei bis vier Stunden angehoben werden sollen, dann ergäbe sich ein Soll von bis zu 27 Stunden. Das hätte zur Folge, dass - wenn die Öffnungszeit weiterhin 5,5 Stunden betragen würde - noch nicht einmal Zeit für eine Ein- und Ausgangsphase da wäre. Die Kinder kämen zur Schule, hätten sechs Stunden Unterricht, kleine Pausen und gehen nach Hause.
Fraglich ist auch, ob eine Pflichtstundentafel von bis zu 27 Stunden für Sechs- bis Siebenjährige angemessen wäre. Von erweiterten Gestaltungsspielräumen ist dann nichts mehr da, und einen kindgerechten Unterricht, den wir brauchen, bekommen wir so nicht organisiert.
Einen Sinn macht der Vorschlag erst, wenn auch die Öffnungszeiten auf sechs bis sieben Stunden ausgedehnt würden. Der Minister hat es angesprochen. Dann kämen wir an ein Ganztagsschulkonzept heran - warum auch nicht? Das wäre jedoch ein neues Themenfeld, und das gehört in die grundlegende Diskussion um Veränderungen.
Ich komme zum Schluss. - Meine Damen und Herren! Ohne Zweifel benötigen wir ein langfristiges Konzept für die Grundschulen im Land, bei dessen Erarbeitung auch über die notwendigerweise zu verändernde Pflichtstundenzahl und über Bildungsstandards diskutiert werden muss. Wir denken, dass der von der PDS-Fraktion in Punkt 2 vorgeschlagene Weg im Moment noch nicht ausgereift ist. Eine pauschale Beschlussfassung ohne eine ausgiebige Diskussion im Bildungsausschuss erscheint uns in diesem Fall nicht zweckdienlich und verfrüht zu sein. Den Punkten 1 und 3 können wir zustimmen. - Vielen Dank.
Danke, Frau Abgeordnete Mittendorf. - Meine Damen und Herren! Wir begrüßen auf der Tribüne Damen und Herren der CDU-Ortsgruppe und der Stadtratsfraktion Wolfen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir brauchen sicherlich die emotional geführte Debatte um die Bildungspolitik. Wir sollten aufpassen, dass wir sie nicht mit ideologischen Worthülsen überfrachten. Aber wir brauchen auch die sachliche Diskussion über die Umsetzung der Ergebnisse in Gesetzen. Ich denke, die öffentliche Diskussion über unseren Gesetzentwurf zur Einführung der Grundschule mit verlässlichen Öffnungszeiten in den letzten Wochen hat gezeigt, dass sich die Auseinandersetzung versachlicht hat.
Es gibt in der Bildungspolitik in Sachsen-Anhalt noch viele Fragen, die konstruktiv und mit dem Blick auf das Wohl der Schülerinnen und Schüler diskutiert und gelöst werden müssen. Die Lehrerinnen, Eltern und Kinder erwarten auch nichts anderes von uns.
So zeigte auch die ausführliche Beratung des Gesetzentwurfs im Ausschuss für Bildung und Wissenschaft mit der damit verbundenen Anhörung, dass es uns mit unserem Gesetzentwurf gelungen ist, den Respekt vor der Erziehungshoheit der Eltern mit dem Vorhalten pädagogischer Angebote und einer verlässlichen Betreuung in der Grundschule zu kombinieren.
Wenn wir dieses Gesetz heute beschließen werden und es zum 1. August in Kraft treten wird, beginnt das nächste Schuljahr ohne große Brüche und Schwierigkeiten unter Berücksichtigung der notwendigen organisatorischen Veränderungen, die an den Schulen zu treffen sind. Das Vorhalten eines verlässlichen Angebots im Rahmen von fünfeinhalb Zeitstunden wird den Schülerverkehr, den Personal- und Raumbedarf nicht verändern.
Ich sage es hier mit aller Deutlichkeit, vor allem, um die Szenarien, die von der Opposition an dieser Stelle vor vier Wochen gezeichnet wurden, zu widerlegen. Den Eltern, deren Kinder in zwei Wochen Einschulung haben, kann ich versichern, dass der Start der Abc-Schützen an den Grundschulen planmäßig und reibungslos erfolgen kann. Insbesondere fordere ich dazu auf, keine weiteren unbegründeten Ängste bei den Eltern und bei den pädagogischen Mitarbeitern zu schüren.
Ich möchte heute nicht noch einmal alle Argumente wiederholen, die für unsere Grundschule mit verlässlichen Öffnungszeiten sprechen. Ich möchte nur betonen, dass wir überzeugt sind, damit eine wesentlich bessere als die bisherige Regelung gefunden zu haben.
Die Gespräche, die ich in den letzten vier Wochen insbesondere mit Eltern zukünftiger Schulkinder geführt habe, bestätigen uns auf diesem Weg. Die Entscheidungsfreiheit der Eltern ist ein hohes Gut, dem wir mit dieser Änderung wieder mehr Beachtung schenken. Das darf nicht durch zusätzliche Regelungen aufgeweicht werden.
So erscheint mir der Änderungsantrag der SPD-Fraktion, der öffentlich als Kompromissvorschlag propagiert wurde, eher wie eine Hintertür. Durch diese Hintertür soll der soeben aufgehobene Zwang wieder eingeführt werden, und dies mit einem Antrag, der nur scheinbar die Autonomie der Schulen stärkt.
Ziel unserer Bildungspolitik ist es, die Schulautonomie zu stärken. Die Verlagerung der Entscheidung über die
Schulpflicht in die Schulkonferenz ist juristisch nicht möglich, da sie eine Entscheidung über materielles Recht darstellt. Solange die Schuleinzugsbereiche festgelegt sind, wäre das Gesetz mit der vorgeschlagenen Änderung nicht nur widersinnig, sondern auch juristisch höchst problematisch.
Wir lehnen den Änderungsantrag ab, weil er Probleme nicht löst, sondern eher schafft und keinen wirklichen Kompromissvorschlag darstellt.
Der eigentliche Kern unserer Novelle wird erst durch das klare Bekenntnis zur Freiwilligkeit der Eingangs- und Ausgangsphase verwirklicht. Ein Angebot, das gut ist, das Schüler mitreißt und Eltern beeindruckt, wird in jedem Fall angenommen werden, gerade weil es freiwillig ist.
Unsere verlässliche Grundschule sichert und erhöht die Qualität der Bildungsangebote, auch die der pädagogischen Mitarbeiter, vor allem in den so wichtigen Anfangsjahren der Schulzeit. Statt starrer Zeiten geht es jetzt um Inhalte, um Attraktivität, um Kreativität. Das steht einer Schule, insbesondere einer Grundschule, besser zu Gesicht als ein unverrückbares Stundenkorsett. Wir verlassen das Konzept des äußeren Korsetts und formen eine Stütze von innen wie ein Skelett, um das sich Qualität ranken kann.
Für die Gestaltung des Schultags ist von der Schule in enger Kooperation mit den Eltern ein pädagogisches Konzept zu entwickeln, das Aussagen zum Pflichtunterricht, zur Gestaltung der Aktivpausen sowie Aussagen über die vorgesehenen Angebote der Ein- und Ausgangsphasen enthält. Wir haben immer deutlich gemacht: Diese Gesetzesänderung respektiert den Elternwillen, der in der bisherigen Gestaltung der Grundschule missachtet wurde.
Die inhaltliche Reform der Grundschule steht uns noch bevor. Insoweit verstehe ich auch den Entschließungsantrag der PDS. Das darf nicht losgelöst von der Gesamtdiskussion um Bildung nach Pisa geschehen. Das Problem mit Ihren Anträgen, liebe Kollegen von der PDS, ist die Verquickung von akzeptablen Grundforderungen, bei denen wir alle uns einig sind, mit punktuelldogmatischen Festschreibungen, die ohne Diskussion das Gesamtkonzept in Stückwerk schlagen und nur Partikularinteressen dienen. Deshalb wird der Antrag von uns abgelehnt.
Die verlässliche Grundschule, die wir anstreben, gewährt die Sicherstellung einer umfassenden Betreuung der Grundschüler, ohne dem Dogma starrer Zeitvorgaben zu huldigen.
Verehrte Damen und Herren! Die FDP wird dem vorliegenden Gesetzentwurf bei Einarbeitung der formaljuristischen Änderungen, die als Änderungsantrag vorliegen, zustimmen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Danke, Herr Dr. Volk. - Für die PDS-Fraktion erteile ich nun der Abgeordneten Frau Dr. Hein das Wort.
Mit der Gesetzesnovelle werden hoffnungsvolle Ansätze einer Veränderung der Lernsituation in der Grundschule weitgehend zunichte gemacht. Mit der beabsichtigten Ausgliederung der so genannten Ein- und Ausgangsphase aus der Schulpflicht, also aus der Anwesenheitspflicht, werden jene Schulen beschnitten, die im vergangenen Jahr ein wirklich integratives Lernkonzept zur Grundlage ihrer Arbeit gemacht haben. Das hat der Kulturminister in seiner Rede vorhin gerade noch einmal bestätigt. Er erwartet, dass sie, weil sie am innovativsten sind, sich am schnellsten mit dem Zustand abfinden werden.
Angesichts der verheerenden Lernergebnisse, die nun auch schwarz auf weiß gerade Sachsen-Anhalt ins Stammbuch geschrieben worden sind, ist der Vorstoß der CDU und der FDP nur ein Ausweis von Ignoranz.
Mindestens muss man doch feststellen, dass das derzeit in der Grundschule zu Lernende nicht ausreicht, um jene Sicherheit in den Kulturtechniken zu erlangen, die Schülerinnen und Schüler in die Lage versetzt, mit diesen frei und souverän umgehen zu können.
Das Defizit wird besonders deutlich, wenn man die Stundentafeln der früheren Unterstufe mit der Grundschule heute allein im Fach Deutsch vergleicht. Hatten früher Schülerinnen und Schüler der 1. bis 4. Klasse aufwachsend zehn bis 14 Stunden Deutsch pro Woche, sind es heute nur noch fünf, im ersten Jahr sechs Stunden. Selbst wenn man den Heimat- und Sachkundeunterricht noch hinzunimmt, der früher von der Systematik her zum Deutschunterricht zählte - was übrigens ein interessanter pädagogischer Ansatz ist -, bleibt ein beträchtliches Stundendefizit übrig, das im Verlauf von vier Schuljahren mehrere hundert Unterrichtsstunden umfasst - allein im Fach Deutsch.
- Die Rechnung stimmt! - Ich erinnere daran, dass nicht das Lesenkönnen von Schülerinnen und Schülern in Deutschland in Abrede gestellt wird,
Diese Fähigkeiten auszuprägen, erfordert aber vor allem mehr Zeit zum Lernen und zum Üben. Wir hatten eine aus der Not geborene gute Situation unter Einbeziehung von pädagogisch geschultem Personal, das auch etwas vom Unterrichten und von der Unterrichtsmethodik in der Grundschule versteht, das übende Lernen in der Grundschule auszuweiten. Sie führen nun die zur Verfügung stehende Zeit für gemeinsames Lernen fast auf die reine Stundentafel zurück. Dahinter steckt eine ziemlich beschränkte Vorstellung von Lernprozessen, die in der Wissenschaft seit Jahren kritisch hinterfragt wird. Dass das ein Kultusminister mitträgt, der selber Erziehungswissenschaftler ist, macht mich besonders traurig.