Protokoll der Sitzung vom 19.07.2002

(Zustimmung von Frau Feußner, CDU)

Ich will diese beiden Projekte keineswegs gegeneinander ausspielen; damit Sie mich nicht falsch verstehen. Wenn wir aber systematisch und konzeptionell denken, müssen wir an Projekte dieser Art heran.

Für eine Daueraufgabe, so wie sie dargestellt wurde, kann natürlich nicht allein oder vorrangig das Land zuständig sein. Hierbei müssen sich die Schulträger, in der Regel die Kommunen, mittelfristig ebenfalls einbringen.

Im Moment sind zwei Optionen zwischen Herrn Kley und mir im Gespräch. Eine Möglichkeit bestünde darin, das Programm in neue Formen der Förderung zu überführen. Zur Stärkung der Verantwortlichkeit der Kommunen und der Projektträger sowie vor dem Hintergrund nötiger Einsparungen könnte der Landesanteil ab dem Jahr 2003 etwa bis zum Jahr 2006 in maßvollen Schritten bis auf das reguläre Maß von 50 % zurückgeführt werden. Damit wären aus meiner Sicht die Aufgaben der Schulsozialarbeit dann nicht geschmälert, wenn vernünftige Synergien gesucht werden würden.

Die andere Möglichkeit sehen wir darin, einen Vorschlag des Kinder- und Jugendrings Sachsen-Anhalt aufzugreifen. Der KJR machte auf einer Beratung mit Abgeordneten aller Fraktionen am 5. Juni 2002 den Vorschlag, die Programme Jugendpauschale und Feststellenprogramm - beide werden vom MS betreut - sowie Schulsozialarbeit - das bei mir im MK betreut wird - zusammenzuführen.

Die Programme Jugendpauschale und Feststellenprogramm laufen noch bis zum Jahr 2004 bzw. 2005, beinhalten aber einen degressiven Förderansatz des Landes. Sie sind sozusagen in derselben Not. In einer solchen Situation ist man immer gut beraten, wenn man versucht, durch Zusammenlegungen Synergien freizu

setzen und damit zusätzlich Optionen auf Kooperationen anzuregen.

Ich weiß, dass es den Trägern und den Kommunen zunehmend schwer fällt, die nötigen Eigenanteile zur Inanspruchnahme der Programme aufzubringen. Auch dies spricht für eine Zusammenlegung der knappen Ressourcen aller drei Programme in ein neu aufzulegendes Jugendförderprogramm im Sinne der Schulsozialarbeit. Dessen Ziel sollte es dann aber auch sein, von der jährlichen Förderung zu längerfristigen Verträgen mit fest vereinbarten Zielen und Qualitätsansprüchen überzugehen.

Eine kleine Korrektur, Herr Gebhardt: Für die Anmeldung im Jahr 2003 ist doch eine VE in Höhe von 470 000 € eingestellt worden. Das würde, wenn nötig, so lange genügen, bis ein neuer Haushalt verabschiedet ist.

Insgesamt ist die Finanzlage aber leider so, dass wir das Programm sicher nicht in der bisherigen Form und in dem bisherigen Umfang weiterführen können. Das heißt aber nicht, dass sich die Regierung gegen den Ansatz der Schulsozialarbeit wendet; vielmehr bemüht sie sich darum - Herr Kley und ich haben uns das vorgenommen; wir sind schon im Gespräch -, eine machbare und zugleich intelligente Fortsetzung zu finden.

Herr Minister, ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass Ihre Redezeit zu Ende ist, Sie aber die Möglichkeit haben, noch etwas länger zu reden, wenn Sie bereit sind, eine Frage der Abgeordneten Frau Ferchland zu beantworten.

Kann ich das auch nach der Frage entscheiden?

(Heiterkeit bei allen Fraktionen)

Entschuldigung, das war ein Scherz.

Eigentlich nicht, Herr Minister, tut mir Leid.

Herr Minister, ich nehme wohlwollend zur Kenntnis, dass Sie mit Minister Kley an Konzepten arbeiten, die Schulsozialarbeit weiter zu fördern. In einem möchte ich Ihnen aber widersprechen: Ich denke schon, dass Schulsozialarbeit sich auch auf Schulfeste, auf Schulprojekte und auch auf Gemeinwesenarbeit orientieren sollte. Das sollte man nicht außen vor lassen.

Ein Zweites, Herr Minister. Wir haben Schulsozialarbeit nicht nur an Grundschulen, sondern auch an Berufsschulen. Dort bestehen ganz andere Problemlagen als in der Grundschule. Dort werden Jugendliche aus den verschiedensten Ausbildungsformen unterrichtet. Denken Sie nicht auch, dass wir in der Situation, die wir im Bereich der berufsbildenden Schulen derzeit haben und auch noch in den nächsten Jahren haben werden, also Motivationsverlust, Ausbildungsabbrecher und schwierige Leistungen - ich erwähne hierbei einmal die DelphiStudie, die nie genannt wird; das ist die Studie, die über die Berufsausbildung berichtet, aus der ganz andere Zahlen hervorgehen und die große Defizite aufzeigt -, nicht weiterhin Schulsozialarbeit brauchen, um Jugendliche auf das spätere Leben vorzubereiten?

Zum Ersten: Inhaltlich sehe ich natürlich keine schroffe Abgrenzung zwischen dem, was Sie sich an schulsozialarbeitsrelevanten Tätigkeiten und Aktivitäten in der Schule vorstellen, und dem, was am Ende Unterricht ist. Wir müssen das nur von den jeweiligen Professionen irgendwie abgrenzen. Es ist sehr schwer, Schulsozialarbeit mit harten Fakten zu legitimieren, wenn sie sich durch die Begleitung von Klassenfahrten, die Organisation von Schulfesten usw. im Grunde genommen selbst vernebelt. In diesem Sinne meinte ich das.

Der innere Zusammenhang ist mir vollkommen klar. Am Ende müssen wir aber Ausgaben legitimieren, und hierfür brauchen wir professionsbezogene Konzepte, die im Schulalltag in ihrer Besonderheit auch irgendwie identifizierbar sind.

Zum Zweiten: Sie haben Recht, wenn uns die inneren Schulreformen nicht gelingen, dann werden wir weiterhin einen enormen Bedarf an Schulsozialarbeit haben. Das sehe ich in der Tat auch so. Damit sind die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die im Moment sehr ungünstig sind, keineswegs bereits ausgeräumt; aber in der Tendenz müsste es gelingen, die Ansätze für die Schulsozialarbeit durch eine kluge Schulreform zu reduzieren und - das hoffe ich - durch ein insgesamt erfolgreiches Konzept der Regierung zu einer Konsolidierung in der Gesellschaft insgesamt beizutragen. Unter diesen Voraussetzungen hoffe ich, dass die Anlässe für die sozialpädagogische Betreuung an den Schulen nicht mehr, sondern eher weniger werden.

Danke, Herr Minister. - Als nächster Rednerin erteile ich für die Fraktion der FDP der Abgeordneten Frau Seifert das Wort. Bitte, Frau Seifert.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die FDP-Fraktion ist schon der Ansicht, dass der Schulsozialarbeit als wichtigem Bestandteil der Jugendarbeit eine große Bedeutung zukommt. Das möchte ich hier ausdrücklich betont wissen.

Um Benachteiligungen von Kindern und Jugendlichen abzubauen und in Konfliktsituationen Hilfe anbieten zu können, ist die inhaltliche Arbeit der Schulsozialarbeit am Ort des Geschehens von erheblichem Nutzen. Es ist auch eine Tatsache, dass die Schülerzahl insgesamt stetig abnimmt, jedoch die Zahl derer, die orientierungslos und hilfebedürftig sind, im Verhältnis dazu ständig steigt. Demzufolge ist die Schulsozialarbeit eine der vielen Möglichkeiten, Defizite in der elterlichen Erziehung in Verbindung mit Schule auszugleichen. Lehrer stoßen dort in ihrer pädagogischen Arbeit oft an Grenzen, was sich wiederum auf ihr Lehrverhalten auswirkt. Hierbei ist die Arbeit der Schulsozialarbeiter nicht wegzudenken.

Die Schulsozialarbeit muss erhalten bleiben, um die Chancengleichheit der Kinder und Jugendlichen zu sichern, um eine Vermittlerrolle zwischen Lehrern und Schülern zu ermöglichen und um als Ansprechpartner für Schüler in Bereiche vorzudringen, in die Lehrer und auch Eltern oft nicht vordringen können.

(Zustimmung von Frau Ferchland, PDS)

In vielen Meinungsäußerungen für den Erhalt der Schulsozialarbeit ist deutlich geworden, dass sich das soziale

Klima an den Schulen durch Schulsozialarbeit deutlich verbessert hat. Dies kam nicht nur den Schülern, sondern auch den Lehrern zugute.

Wir sollten uns Optionen offen halten, förderungswürdige Projekte weiter finanziell zu unterstützen und langfristig zu sichern. Das schließt aber die Suche nach neuen Projekten oder Organisationsformen nicht aus. Im Rahmen der Debatte zum Haushaltsplan 2003 werden wir uns in den Ausschüssen intensiv mit dem Thema der Fortführung der Schulsozialarbeit befassen.

Ich beantrage deshalb die Überweisung des Antrages zur federführenden Beratung in den Bildungsausschuss und zur Mitberatung in den Gleichstellungsausschuss. - Danke.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung von Frau Ferch- land, PDS)

Vielen Dank, Frau Seifert. - Für die SPD-Fraktion erteile ich der Abgeordneten Frau Mittendorf das Wort. Bitte, Frau Mittendorf.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung ist lang. Deshalb werde ich mich kurz fassen. Das Themenfeld ist schon für unsere Fraktion unstrittig. Wir werden den Antrag der Fraktion der PDS nachhaltig unterstützen.

Ich will jetzt auch nicht groß inhaltlich einsteigen. Es ist für uns selbstverständlich, dass Schulsozialarbeit ein unverzichtbares Element der Erziehungsarbeit an den Schulen ist. Ausgebildete Sozialpädagogen und Sozialpädagoginnen helfen bei der Lösung von Konflikten, von Konflikten, die aus dem Schulalltag resultieren, aber auch von Konflikten, die sich durch das häusliche und gesellschaftliche Umfeld ergeben.

Meine Damen und Herren! Natürlich kann und darf die Schule nicht der Reparaturbetrieb der Gesellschaft sein. Aber nichtsdestotrotz - hierin muss ich Herrn Olbertz widersprechen - muss sie sich stärker als bisher auch auf die veränderte gesellschaftliche Situation einstellen. Das bedeutet mehreres. Das heißt natürlich, den Leistungsgedanken zu qualifizieren. Aber das bedeutet auch, mindestens gleichberechtigt die Entwicklung sozialer Kompetenzen zu fördern.

Meine Damen und Herren! Wer den Schulalltag kennt, und zwar nicht erst seit den Ereignissen von Erfurt, dem muss klar sein, welche Bedeutung Maßnahmen zur Problem- und Konfliktbewältigung sowie Gewaltprävention an den Schulen haben. Natürlich ist es ein hehres Ziel, die Ursachen für diese Dinge zu bekämpfen. Wenn man dieses Ziel nicht hätte, würde man wohl schier verzweifeln.

Nichtsdestotrotz glaube ich aber, die Realität in der Gesellschaft ist so kompliziert, dass wir möglicherweise auch mit einer besseren und erfolgreicheren inneren Schulreform in absehbarer Zeit nicht darauf verzichten werden können, Schulsozialarbeit an unseren Schulen stattfinden zu lassen.

Meine Damen und Herren! Der angemeldete Bedarf für sozialpädagogische Maßnahmen an den Schulen kann schon jetzt mit den zur Verfügung stehenden Haushalts

mitteln nicht mehr abgedeckt werden. Wir wollen die Fortführung des Programms nach dem 31. Dezember auf jeden Fall sichern. Eine Reduzierung der Förderung durch das Land, wie im Finanzausschuss von der Landesregierung angedeutet worden, würde nämlich konkret bedeuten, dass einzelne Projekte an Schulen gestrichen werden müssten oder auf die Kommunen Mehrbelastungen zukämen. Das muss man zumindest einmal sagen dürfen.

Meine Damen und Herren! Die öffentlichen und freien Träger der Jugendhilfe benötigen möglichst schnell Gewissheit, wie die zukünftige Finanzierung aussieht. Denn nur so ist es ihnen möglich, - das braucht man in diesem Geschäft - Planungssicherheit herzustellen. Nach meinem Wissensstand gibt es bisher nur eine Verpflichtungsermächtigung im Bildungshaushalt. In den Sozialhaushalt ist meines Wissens nichts eingestellt. Zumindest ist mir nichts anderes bekannt.

Es ist bereits angesprochen worden, dass es dringend erforderlich ist, dass wir noch vor den Haushaltsberatungen Informationen über die tatsächlichen Pläne der Landesregierung zur Fortführung des Programms der Schulsozialarbeit bekommen. Gegen ein Expertengespräch zu den Perspektiven der Schulsozialarbeit ist überhaupt nichts einzuwenden. Das macht Sinn. Es ist notwendig, zu schauen, wie das gegenwärtig abläuft, wie die Evaluationsergebnisse aussehen, und über die Dinge zu reden, die der Minister angemahnt hat.

Meine Damen und Herren! Alle Beteiligten brauchen - egal wie - schnellstmöglich Klarheit darüber, wie in Zukunft mit der Schulsozialarbeit umgegangen wird. Vor dem Hintergrund der gesamten Bildungsdiskussion kann ich nur betonen, dass dies nichts ist, was sich für das Sparschwein eignet. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der SPD - Beifall bei der PDS)

Danke, Frau Abgeordnete Mittendorf. - Für die CDUFraktion erteile ich nun der Frau Abgeordneten Feußner das Wort. Bitte, Frau Feußner.

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Beim ersten Lesen des Antrages habe ich gedacht, dass ein Irrtum vorliegt, denn dieser Antrag ist eher einer Kleinen Anfrage gleichzustellen. Es war für mich nicht erkennbar, warum man sich mit den Fragen, die Sie gestellt haben, im Plenum befassen sollte. Aber das ist Ihre Entscheidung. Herr Olbertz hat ja die Fragen bereits im Wesentlichen beantwortet, sodass man eigentlich sagen könnte, dass sich der Antrag erledigt hat. Aber es stehen in Ihrem Antrag ja noch andere Punkte.

Verehrte Anwesende! Es ist zunächst einmal festzustellen, dass der Erlass über die Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe - Schulsozialarbeit - in SachsenAnhalt von Februar 1998 als zeitlich endliches Programm aufgelegt wurde. Er ist bis zum 31. Dezember 2002 gültig, das heißt bis Ende dieses Jahres. Nun könnte man Vermutungen anstellen, warum dieser Zeitrahmen so angesetzt wurde. Aber ich möchte mich an dieser Stelle nicht auf Spekulationen einlassen.

Fakt ist aber: Schulsozialarbeit ist ein wichtiges Instrument, um auf vielfältige und nicht vorhersehbare und nicht gewollte Entwicklungsprozesse der Schüler einzugehen. Sozialpädagogische Hilfen für Schüler mit besonderen Schwierigkeiten sind mehr denn je notwendig und häufig vom Lehrer allein nicht leistbar. Darüber sind wir alle uns sicherlich einig. Das habe ich eben auch von anderen Parteien so vernommen.

Dass aber auch Defizite zum Teil an den Schulen und im Unterricht vorherrschen, hat bereits Herr Olbertz erläutert. Auch wir sehen nicht alle Möglichkeiten im Unterricht und im schulischen Leben ausgeschöpft. Deswegen müssen wir diese Angelegenheit weiter verfolgen und nicht allein auf Schulsozialarbeit setzen.

Derzeit werden 63 Projekte der Schulsozialarbeit mit insgesamt 70 Sozialarbeitern an verschiedenen Schultypen gefördert, die auch wissenschaftlich begleitet und evaluiert werden. Das Land beteiligt sich mit 90 % an der Finanzierung - das ist bereits gesagt worden -, 10 % erbringen die Schulträger gemeinsam mit den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe und den Projektträgern. Bisher hat sich das Land an diesem Projekt also meiner Ansicht nach überproportional beteiligt.

Die Schulsozialarbeit ist aber vom Grundsatz her eine kommunale Aufgabe. Deshalb denken wir derzeit darüber nach - die beiden Optionen hat der Minister vorgestellt -, ob die Kommunen mehr als bisher ihren Aufgaben gerecht werden sollten. Im Übrigen kann ich an dieser Stelle nur sagen: Wer Horte kommunalisiert, müsste sich im Prinzip auch mit diesem Verfahren, die Schulsozialarbeit zu kommunalisieren, identifizieren können, zumal es ureigenste Aufgabe der Kommunen ist.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von Frau Theil, PDS - Frau Ferchland, PDS: Bringen Sie auch das Geld, Freu Feußner?)

- Wenn das Aufgabe der Kommune ist, dann ist es etwas anderes.