Sie hat interessiert, wer aus Ihrer Fraktion auf dem jeweiligen Änderungsantrag unterschrieben hat. Aber ich glaube, das ist durchaus ein Stück weit symptomatisch bei dem Prozess, der stattgefunden hat. Als der Kollege Köck heute noch einmal kurz mit mir darüber gesprochen hat, hat er angesichts der Änderungsanträge gesagt, dass die Vertrauensfrage in Sachsen-Anhalt wahrscheinlich angebrachter wäre als im Bundestag, wenn er sich anschaue, wer die Anträge unterschrieben habe.
Liebe Kollegen! Nach dem Grundsätzegesetz sowie dem vorgelegten Kommunalneugliederungsgesetz haben wir es heute mit der dritten Stufe der Kreisgebietsreform der Koalition und der Landesregierung zu tun, der Festlegung der Kreissitze. Dieses Gesetzespaket - sich übrigens interessanterweise im Drei-Tage-Rhythmus ändernd, soll es ein Gesetz werden, sollen es mehrere Gesetze werden; man hat sich jetzt doch für mehrere Gesetze entschieden, weil sich ansonsten die Vertrauensfrage ein Stück weit aufgedrängt hätte - hat im Land für Unruhe und für Zuspitzung gesorgt, die - das sage ich allen Ernstes - vermeidbar gewesen wäre, wenn man den zukunftsfähigen Ansatz der Regionalkreisbildung verfolgt hätte.
- Sie können jetzt lachen. Aber Sie können dieses Problem nicht ignorieren. Ich werde es Ihnen auch noch einmal im Einzelnen erläutern.
Wie ist die aktuelle Situation in Sachsen-Anhalt in dieser Frage? - Kommunalpolitiker, vor allem Landräte der CDU, versuchen, bei allen Fraktionen im Landtag politischen Rückhalt im Kampf um ihre regionalen Interessen zu finden. Von regionalen Initiativen, die Konflikte in den von der Landesregierung geplanten Kreisen konsensual zu lösen, keine Spur. Im Gegenteil, die Kreisstadtfrage wird sogar Gegenstand von Bürgerinitiativen, bei denen versucht wird, die eigene Bevölkerung in dieser Auseinandersetzung zu mobilisieren und sie jeweils
gegen den Konkurrenten in Stellung zu bringen. Das ist im Grunde genommen auch nichts anderes als das, was wir heute in den Änderungsanträgen, vor allem der Koalitionsfraktionsmitglieder, sehen.
Lassen Sie es mich noch einmal unmissverständlich sagen: Die PDS akzeptiert Bürgerbefragungen - um diese handelt es sich nämlich; es sind keine Bürgerentscheide, denn der Landtag wird diese Dinge letztlich entscheiden -, wenn es um die Zuordnung von Gemeinden zu neu zu bildenden Landkreisen geht. Wir lehnen sie jedoch ab, wenn Sie damit eine bipolare Konfrontation von zwei Mittelzentren um den Kreisstadtstatus noch zuspitzen und eine unnütze Konkurrenzsituation noch verschärfen.
Darüber hinaus haben wir das Problem, dass die Vorstellungen der Landesregierung zur Funktionalreform, die übrigens von ihr früher einmal als das Entscheidende bzw. die wichtigste Voraussetzung für eine Kommunalreform bezeichnet worden ist, absolut unzureichend sind. Solche Vorschläge, wie der des ehemaligen Innenministers Herrn Püchel, dann wieder den Status einer großen kreisangehörigen Stadt einzuführen, sind Ausdruck dieser Situation. Aber sie bilden aus unserer Sicht keinen wirklich gangbaren Weg.
Dabei sind viele Bürger und auch Kommunalpolitiker in diesem Land längst weiter und verantwortungsbewusster als diese Landesregierung. Die Anhörung des Innenausschusses in Dessau hat eben nicht nur einen Vorschlag zur neuen Kreisbildung in dieser Region erbracht, sondern die einmütige Einschätzung aus den Landkreisen, dass das von der Landesregierung vorgeschlagene Modell zu kleinteilig und nicht zukunftsfähig ist.
Vor diesem Hintergrund steht für die PDS die Frage, ob sie sich in die falsche Logik der Koalition hineinbegibt und versucht, mit Notreparaturen die schlimmsten Fehler zu verhindern, oder ob sie sich darauf beschränkt, ihr alternatives Projekt der Bürgerkommune und der Regionalkreisbildung zu verteidigen. Das Ergebnis dieser Diskussion: Wir werden uns als Fraktion mit Notreparaturvorschlägen einbringen, ohne von unserem Konzept abzugehen. Dazu werden wir Änderungen zu dem noch nicht beschlossenen Artikelgesetz zur kommunalen Neugliederung einbringen, die zum Teil das Grundsätzegesetz betreffen.
Als Erstes werden wir die Anordnung des Raumordnungsministers aus der Diskussion um das Grundsätzegesetz aufnehmen. Dazu sagte er: Wenn eine Region denn der Meinung ist, man könnte einen größeren Kreis bilden, dann würden wir sie nicht daran hindern.
Nun hat aber in der Anhalter Region ein Prozess stattgefunden, der deutlich macht, dass sich die Erkenntnis immer mehr durchsetzt bzw. von immer mehr Menschen angenommen wird, dass diese Region - damit meine ich den ehemaligen Regierungsbezirk außer dem Landkreis Bernburg, aber inklusive der Landkreise Wittenberg und Bitterfeld - eigentlich in einen Regionalkreis gehört. Wenn die Menschen vor Ort schon so weit sind, dann dürfen wir sie in diesen Bestrebungen nicht behindern und müssen die Obergrenze für die Kreisbildung aufheben.
eines Regionalkreises Anhalt, der übrigens - das will ich auch noch einmal sehr deutlich sagen - die einzige Chance für die Rettung der oberzentralen Funktion der Stadt Dessau darstellt. Schon der Vorschlag, Zerbst eventuell in Richtung Jerichower Land und damit der oberzentralen Funktion Magdeburgs zuzuordnen, würde in der Konsequenz dazu führen, dass das ohnehin schwächste Oberzentrum in diesem Land noch weiter geschwächt werden würde.
Dann ist es eine Frage der Zeit, dass die Regionen, vor allen Dingen um Bitterfeld, durch die oberzentralen Funktionen der Städte Leipzig und Halle abgesaugt werden. Dann können wir über ein Oberzentrum Dessau in unserem Landesentwicklungsplan zwar reden, aber die oberzentrale Funktion Dessaus wird nicht mehr stattfinden. Insofern ist das größte Problem in dieser Region, dass man offensichtlich leider nicht erkannt hat, dass die Kreisfreiheit der Stadt Dessau eigentlich die größte Bedrohung für deren oberzentrale Funktion ist.
Ebenso beantragen wir die Bildung eines großen Landkreises, bestehend aus der Stadt Halle, dem Saalkreis und dem Kreis Merseburg-Querfurt, um die konfrontative Situation zwischen Oberzentrum und Umland in dieser Region aufzuheben. Dabei ist uns absolut klar, dass wir in den Oberzentren ein Riesenproblem haben werden, wenn wir diesen Schritt machen. Diese fürchten um ihre Finanzzuweisungen aus dem Finanzausgleichsgesetz.
Dazu haben wir den folgenden Vorschlag einzubringen; das Finanzausgleichsgesetz muss sowieso geändert werden. Wir schlagen vor, im Finanzausgleichsgesetz ein Moratorium für die Oberzentren, die jetzt eingekreist werden sollen, zu bilden, sodass die Zahlungen an diese Städte nach dem alten Modell weiter vollzogen werden. Das bedeutet auf der anderen Seite, dass die Einwohner der Oberzentren bei der Bemessung der Finanzzuweisung für die neu entstehenden Kreise dann nicht mitgezählt werden können; das ist klar. Sie können nicht doppelt bezahlt werden. Aber wir würden das erst einmal so als Übergangsbestimmung annehmen.
Im Endeffekt ist ohnehin klar, dass wir eine grundsätzliche Überarbeitung des Finanzausgleichsgesetzes dahin gehend brauchen, dass wir die Faktoren der Zentralitätsfunktion von Gemeinden viel stärker berücksichtigen, als dies bisher der Fall ist.
Des Weiteren beantragen wir die Zuordnung des Altkreises Aschersleben zum Harz und des Altkreises Staßfurt zur Magdeburger Region. Insgesamt verweisen wir übrigens darauf, dass die Regionalstruktur des Landesentwicklungsplanes an die neuen Landkreis angepasst werden muss.
Im Fall des Kreises Aschersleben-Staßfurt wäre es uns auch lieber gewesen, dort erst einmal die entsprechende Bürgerbefragung abzuwarten. Nun ist aber der Ablauf der Beratungen zeitlich so eng, dass wir diese Position schon einmal in die Diskussion hineinbringen werden. Würde die Bürgerbefragung vor Ort möglicherweise doch ein anderes Bild bringen, könnten wir auch diese Dinge noch einmal flexibilisieren. Aber wir haben unsere Vorstellungen hierzu einmal eingebracht, sind allerdings auch gern bereit, uns nach der Bürgerbefragung zu richten.
Diese Punkte muss ich vorausschicken, da sie zumindest unsere Positionen zu den Kreisstadtfragen in den Regionen Dessau und Halle alternativ zu den Regierungsentwürfen beschreiben.
Werte Abgeordnete! Bezüglich der Bestimmung der Kreissitze sage ich hier sehr deutlich: Wir werden uns als gesamte Fraktion nicht in die unproduktive Konkurrenz zwischen den Mittelzentren hineinziehen lassen; sie wäre vermeidbar gewesen. Wir werden dieses Spiel nicht mitspielen.
Wie wir das hätten verhindern können, habe ich bereits erläutert. Wir haben es aber zusätzlich zu der in Ihrem System unausweichlichen Konkurrenz noch einmal mit einer Zuspitzung seitens der Landesregierung zu tun. Ich hatte ursprünglich gedacht, es sei ein Fehler in der Pressemitteilung des Innenministers gewesen. Der Innenminister hat dieses Problem jetzt noch einmal explizit zugespitzt. Die Zuordnung, dass die zukünftigen Kreisstädte auch die Versorgungszentren der neuen Kreise werden sollen, konterkariert nun wirklich jede Bestrebung in der Region, aus dieser Konkurrenzsituation vielleicht ein System der Städtepartnerschaft oder im Harz ein Städtenetzwerk zu bilden. Denn was will ich den Verlierern überhaupt noch anbieten, wenn ich nicht nur sage, eine Stadt soll Kreisstadt werden,
nein, die Kreisstadt soll, außer dass sie den Verwaltungssitz hat, auch noch das Versorgungszentrum des Kreises werden. Damit mache ich die andere Stadt generell zum Verlierer. Dann müssen wir uns nicht wundern, wenn es zu einer solchen völlig unproduktiven Konkurrenzsituation kommt.
Versuchen Sie Ausgleiche zu schaffen! Versuchen Sie Partnerschaften vor Ort zu motivieren, anstatt auf diese Art und Weise noch einmal Öl ins Feuer zu gießen. Denn wir müssen uns auch einmal überlegen, dass die betroffenen Personen nach Ihren Vorstellungen auch in den neuen Kreistagen zusammenarbeiten sollen. Wir kennen die Situation aus dem Altmarkkreis Salzwedel, wir kennen die Situation aus dem Kreis Jerichower Land. Wir wissen, wie schwierig das ist. Wenn wir jetzt, am Anfang dieses Prozesses, solche Weichenstellungen vornehmen,
dann werden wir mit Problemen zu tun bekommen, die in den nächsten zehn bis 15 Jahren die inneren Strukturen dieser Kreise belasten werden. Damit schafft man eine ganz klare Gewinner-Verlierer-Situation. Das muss vermieden werden.
Unsere Position hierzu ist eine gänzlich andere: Über eine vernünftige Funktionalreform ist zu gewährleisten, dass die Kreisstadt eben nicht permanent den Besucherverkehr aus dem Landkreis anzieht, sondern dass sich der Kreisstadtstatus wirklich im allerengsten Sinne auf den Verwaltungssitz beschränkt.
Darüber hinaus rufen wir die betroffenen Mittelzentren vor Ort auf, Ausgleichsfunktionen - Krankenhaus-, Sparkassenstandorte - zu schaffen. Wir wollen das unterstützen. Deshalb bringen wird den Vorschlag ein, in das Finanzausgleichsgesetz einen Vorabzug für die allgemeinen Finanzzuweisungen in Höhe von 0,8 % der verfügbaren allgemeinen Masse aufzunehmen. Dieser soll dann ab dem Jahr des In-Kraft-Tretens der Gebietsreform - Herr Scharf, das wäre nach Ihren Vorstellungen ab dem Jahr 2007 - bis zum Jahr 2010 gelten. Das wären in etwa 9 Millionen €. Diese könnten wir dann auf die Städte verteilen, die ehemals Kreisstädte gewesen sind und es dann nicht mehr sein werden, und hätten als Land zumindest etwas zu diesen Ausgleichsbedingungen beigetragen.
Ich komme zum Ende. - Die PDS wird die vorliegenden Gesetzentwürfe zu den Kreissitzen aus grundsätzlichen Erwägungen ablehnen. Trotzdem werden wir die Regierungsvorlagen mit überweisen, weil sie Beratungsgrundlage für die Diskussion im Land und im Parlament sein müssen.
Dabei - dies sage ich auch ganz deutlich - wird es eine Ausnahme geben: Wir werden der Bestimmung zur Kreisstadt Halberstadt zustimmen, und zwar deshalb, weil sie auch nach unserem Konzept Kreisstadt wäre. Auch wir müssten die Konkurrenz zwischen Wernigerode und Halberstadt aushalten. Das tun wir jetzt auch. Deswegen werden wir dem zustimmen. Das ist für unsere Fraktion aber die einzige Ausnahme.
Dann gibt es - dies sage ich hier auch - natürlich auch bei uns in der Fraktion den Menschen und den Pionier. Der Mensch im Kreistag und der Pionier im Landtag sind zwei Dinge, die man ein bisschen zusammenbringen muss. Da wird es auch den einen oder anderen bei uns geben, der im Landtag für seinen Lokalpatriotismus steht. Er wird wahrscheinlich eher die Kritik in der Fraktion aushalten als zu Hause; denn hier sind wir nun einmal lieber. Es gibt auch diese Dinge. Wir werden aber nicht, so wie es sich bei der CDU und bei der FDP andeutet, in einer Art Tauschverkehr - wir haben einmal nachgesehen, wo Herr Poser alles steht; das ist schon interessant - Mehrheiten quer durch die Fraktionen organisieren. Das werden wir nicht tun.
Abschließend müssen wir nach der Vorlage der drei Kommunalreformgesetzentwürfe der Landesregierung konstatieren, dass wir uns zum Ende der Legislaturperiode eigentlich in einer ähnlichen Situation wie 1994 befinden. Viele Menschen in diesem Land ahnen und wissen, dass das, was jetzt aufgeschrieben worden ist, dass das, was gemacht werden soll, eigentlich zu kurz gesprungen ist. Trotzdem steht der Strukturkonservatismus dieser Koalition davor, einen richtigen Schritt zu machen. Wir bleiben bei Halbheiten stehen.
Die endgültige Entscheidung, liebe Kollegen, über die kommunale Strukturreform fällt bei der Landtagswahl im März 2006. Darauf werden wir uns konzentrieren; denn dann entscheidet mit dieser Landtagswahl letztlich der Bürger, welche kommunale Struktur in diesem Lande für die Zukunft vorgesehen ist. - Danke.
Herr Gallert, Sie haben uns abschließend vorgeworfen, dass die Strukturreform, die wir durchführen, zu kurz gesprungen ist. Sie begründen das ja immer alles damit, dass es nicht effizient genug sei, und sagen, Ihre Regionalkreise seien effizienter. Gleichzeitig verlangen Sie von uns, dass die Kommunen, die nicht mehr Kreisstädte sind, über das FAG entschädigt werden.
Wenn ich es von der Logik her richtig verstehe, hatten Sie auch vor, all die Kommunen, die nach Ihren Vorstellungen nicht mehr Kreisstädte wären, zu entschädigen. Wenn Sie das auf Dauer tun, dann mag das vielleicht für den Kreis effektiv werden. Aber für das Land wird das auf Dauer verdammt teuer. Ich verstehe nicht so ganz, wie Sie für das Land Sachsen-Anhalt hierin eine Effizienzsteigerung sehen, wenn man zukünftig dafür Sorge trägt, dass das Land quasi einen Ausgleich für das schafft, was die Kommunen sparen.
Ich sage es noch einmal - ich weiß nicht, ob Sie es jetzt in der Schnelle mitbekommen haben -: Wir haben ausdrücklich gesagt, dass wir einen Vorabzug aus der allgemeinen Finanzausgleichsmasse nehmen wollen. Es ist kein zusätzliches Geld des Landes. Jetzt haben wir tatsächlich die Situation - machen wir uns doch alle nichts vor -: