Bei der Verfahrensbeschleunigung hätte die Landesregierung mit gutem Beispiel vorangehen können, statt uns das Gesetz erst kurz vor dem Ende der Legislaturperiode vorzulegen. Herr Jeziorsky, Sie haben in Ihrer Rede bestätigt, dass der Kernbestandteil des Gesetzentwurfs das Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt ist, welches sich in seinen wesentlichen Grundzügen an dem Bundesdisziplinargesetz vom 9. Juli 2001 orientiert. Die Neuordnung des Bundesdisziplinarrechts für das Land nachzuvollziehen, das hätte man ebenfalls in einem statt in vier Jahren schaffen können.
Offenbar hat sich die Landesregierung von einer Maxime leiten lassen, die dem Berufsstand der Beamten gelegentlich nachgesagt wird: Blinder Eifer schadet nur.
Wo gilt es in der Sache Kritik zu üben? - Die SPD-Fraktion macht sich die Forderung der Gewerkschaft der Polizei zu Eigen, wonach auch bei Beamten auf Probe weiterhin eine Kürzung der Dienstbezüge als Disziplinarmaßnahme möglich sein soll. Wenn es stattdessen zur Entfernung aus dem Dienst käme, würde ein strengerer Maßstab angelegt als bei Beamten auf Lebenszeit. Das kann im Einzelfall sogar richtig sein. Alternativ sollte aber wie bisher eine Gehaltskürzung möglich sein.
Es fällt auf, dass die Landesregierung auch sonst die Änderungswünsche derer, die sie angehört hat, fast ausnahmslos unberücksichtigt gelassen hat. Vor diesem Hintergrund ist es erforderlich, dass der Ausschuss eine Anhörung durchführt. Dabei wird an die kommunalen Spitzenverbände die Frage zu richten sein, ob ihnen die - so heißt es in dem Entwurf - teilweise Berücksichtig ihrer Stellungnahme ausreicht.
Hierbei geht es um einen besonders sensiblen Punkt, nämlich um die Frage, wer im Hinblick auf eine zu treffende Disziplinarentscheidung Dienstvorgesetzter der
Landräte und Bürgermeister sein soll. Nach der Landkreisordnung und der Gemeindeordndung ist dies der Kreistag bzw. der Gemeinderat. Auch nach der geltenden Disziplinarordnung des Landes Sachsen-Anhalt ist der Kreistag bzw. der Gemeinderat Dienstvorgesetzter.
In dem von der Landesregierung am 31. Mai 2005 zur Anhörung freigegebenen Entwurf heißt es: „Bei Landräten, Bürgermeistern oder Leitern eines gemeinsamen Verwaltungsamtes ist die zuständige Kommunalaufsichtsbehörde Dienstvorgesetzter im Sinne dieses Gesetzes.“ - Dagegen haben die kommunalen Spitzenverbände eingewandt, die Abschlussentscheidung im Disziplinarverfahren könne keinesfalls ohne den Kreistag bzw. den Gemeinderat als Dienstvorgesetzten erfolgen.
Diesem Einwand trägt die Landesregierung insoweit Rechnung, als sie nunmehr die zuständige Kommunalaufsichtsbehörde als „höheren Dienstvorgesetzten“ in einer Weise definiert, die aus ihrer Sicht weitestgehend den derzeit geltenden Regelungen der Landesdisziplinarordndung angepasst ist.
Ich begrüße dieses Einlenken der Landesregierung. Wir sollten aber die kommunalen Spitzenverbände im Ausschuss dazu anhören, ob die teilweise Berücksichtigung ihrer Stellungnahme ausreicht.
Wie hat sich in den letzten Jahren - möchte ich abschließend fragen - die Disziplinarpraxis in Sachsen-Anhalt entwickelt?
Einer Pressemitteilung des Innenministers vom 2. September 2005, mit der er wieder einmal der Plenardebatte zuvorzukommen versuchte, sind ein paar Zahlen für den Gesamtzeitraum von 1999 bis 2004 zu entnehmen, aus denen sich aber keine Tendenz ablesen lässt. Dem Gesetzentwurf der Landesregierung ist dazu nichts, anderen Parlamentsdrucksachen wenig zu entnehmen. Dankenswerterweise gibt es die Kleinen Anfragen des Kollegen Gärtner von der anderen Linkspartei.
Dadurch wissen wir immerhin, dass bei den Polizeivollzugsbeamten die Zahl der eingeleiteten Disziplinarverfahren rückläufig ist, jedoch die Zahl der Entfernungen aus dem Dienst - das ist die härteste Disziplinarmaßnahme - deutlich zugenommen hat. Auch dies sollte bei der Gesetzesberatung im Ausschuss ein Thema sein.
Es wäre noch hilfreicher, wenn Herr Gärtner künftig nicht nur nach den Disziplinarverfahren gegen Polizistinnen und Polizisten fragen würde, sondern auch einmal nach dem Oberamtsrat Alfred Clausen und dem Oberregierungsrat Bernward Rothe. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Rothe. - Für die CDU-Fraktion spricht Herr Reichert. Bitte, Herr Reichert, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf beinhaltet eine komplette Neustrukturierung des Disziplinarrechts der Beamten im Land Sachsen-Anhalt. Welche Attribute kann man dem Entwurf geben? - Moderner und effizienter!
Natürlich bleibt die Pflichtenstellung der Beamtinnen und Beamten unverändert. Dieses Thema ist nicht Gegenstand der Neuregelung und das ist richtig so. Der Beamte hat weiterhin im Rahmen der Dienst- und Treuepflicht korrekt, loyal und neutral seinen Dienst zu verrichten. Aber eventuelle Pflichtenverstöße, die es leider auch bei Beamten hier und da mal gibt, können auf der neuen gesetzlich Grundlage wirkungsvoller als bisher geahndet werden.
Moderner und effizienter heißt auch schneller und weniger aufwendig als bisher. Es ist im Interesse des Bürgers und für die Akzeptanz der Verwaltung in einem Rechtsstaat von großer Bedeutung, dass schwarze Schafe eine nachhaltig wirkende Pflichtenmahnung erhalten bzw. die ganz Schlimmen aus dem Dienst entfernt werden. Für die betroffenen Beamten ist baldige Klarheit über die Folgen eines Dienstvergehens von Bedeutung, damit sie sich nach Abschluss eines Verfahrens wieder voll auf ihren Dienst konzentrieren können und bestmögliche Leistungen erbringen. Sie kosten ja schließlich Steuergelder.
Der Entwurf steht im Zusammenhang mit Maßnahmen auf Bundesebene, nämlich - Herr Innenminister Jeziorsky hat es in seiner Einbringungsrede gesagt - dem neuen Bundesdisziplinargesetz aus dem Jahr 2001. Der Bund hat im Jahr 2001 die Sondergerichtsbarkeit für Disziplinarsachen aufgegeben, den Bundesdisziplinarhof abgeschafft und gleichzeitig das Verwaltungsrecht zur Grundlage der Disziplinarverfahren gemacht.
Letztere Maßnahme ist im vorliegenden Entwurf ebenso vorgesehen. Wir begrüßen das; denn wir haben in unserem Staat in Bund und Ländern ein durchdachtes Verwaltungsverfahrens- und Prozessrecht, welches das Zusammenspiel zwischen Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit sehr gut regelt und dabei Möglichkeiten zur sinnvollen Aktualisierung und Anpassung an Spezialmaterien lässt. Im Regierungsentwurf ist diese Anpassung gelungen.
Wir finden es im Interesse der Zielstellung des Gesetzes nur konsequent, dass zum Beispiel von der Möglichkeit der Revision gegen eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts als Berufungsinstanz abgesehen wird. Verfahren sind so schneller beendet. So konsequent wie wir ist meines Wissens nur noch Bayern, das als konservatives Land nicht gerade den Ruf hat, beamtenfeindlich zu sein.
Weder die betroffenen Beamten noch die Dienstherren werden es als Mangel ansehen, nach zwei Instanzen eine Entscheidung akzeptieren zu müssen. Die Gerichte in Sachsen-Anhalt können auf genügend Erfahrung mit der Materie zurückgreifen, um richtige Urteile zu fällen. Schließlich ist das Disziplinarrecht als solches nicht neu erfunden worden, sondern die bisherigen menschlichen Schwächen werden wohl auch die zukünftigen bleiben. Die typischen Sachverhalte sind schon vielfältig beurteilt worden. Das Regelwerk in seiner Gesamtheit löst den Zielkonflikt von Rechtsstaatlichkeit einerseits und Effektivität andererseits sehr gut.
Die CDU-Fraktion begrüßt die Vorlage eines Entwurfs, der dazu beiträgt, dass in der Verwaltung pflichtentreue, aber auch konstruktiv-kritische Beamte tätig sind. Ich bitte um Überweisung in den Innenausschuss. - Danke.
Vielen Dank, Herr Reichert. - Nun erteile ich Frau Dr. Paschke das Wort, um für die Linkspartei.PDS zu sprechen. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon sehr viel gesagt worden, was wir teilen. Deshalb kann ich mich kurz fassen.
Wir begrüßen den Gesetzentwurf vor allem dahin gehend, dass das Disziplinarverfahren nunmehr dem Verwaltungsrechtsverfahren angepasst, sozusagen angedockt wurde und dass man dadurch effizienter werden kann. Das ist sicherlich der Kern des Gesetzes.
Wir haben ebenso wie die SPD-Fraktion zu einigen Dingen, die von den Angehörten vorgetragen worden sind, noch Klärungsbedarf. Das betrifft zum Beispiel die Zuständigkeitskonzentration, aber es betrifft zum Beispiel auch das Hochzonen des Disziplinarverfahrens bis in die oberste Dienstbehörde. Wir sagen nicht, dass wir das ablehnen, aber wir haben noch Nachfragen, die im Anhörungsprozess sicherlich zu klären sind.
Eine andere Sicht auf die Dinge als der Innenminister und der Vertreter der CDU-Fraktion haben wir zum Ausschluss der Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht. Es geht dabei nicht nur darum, dass man Verfahren verkürzt und dass man Kosten spart. Man muss auch sagen, dass es eindeutig eine Rechtsbeschneidung ist.
Der Beamte hat dann im Unterschied zu den Angestellten keine Möglichkeit der Revision. Wir sind sowieso gegen diese Statusgruppen, aber die Angestellten haben eine Möglichkeit der Revision. Bei anderen schneiden wir sozusagen dieses Recht ab. Diese Auffassung teilen wir eindeutig nicht und wir werden im Ausschuss darüber noch umfänglich diskutieren müssen.
Ein Problem ist für uns auch § 15. Dort geht es um das Problem der Verjährung. Wenn wir es so machen, dass es zu keiner Verjährung kommt, wie ich den Gesetzentwurf im Moment verstehe, dann muss man auch zugeben und eindeutig sagen, dass das härter als das Strafrecht ist, wo es Verjährungsparagrafen gibt. Diese Dinge müssten wir also noch klären.
Ich teile auch die Auffassung, dass es zu den Zahlen und Fakten, die zu bisherigen Disziplinarverfahren vorliegen, günstig wäre, ein paar Nachfragen zu stellen. Wenn von 956 Verfahren nur 443, also nicht einmal die Hälfte, Maßnahmen nach sich ziehen, dann könnten zwei Schlussfolgerungen gezogen werden: Entweder werden Disziplinarverfahren vielleicht zu leichtfertig eingeleitet und zerschlagen sich dann oder man führt das Verfahren nach der Eröffnung nicht konsequent zu Ende. Beide Dinge will ich nicht behaupten. Dazu stehe ich wirklich nicht genügend im Disziplinarrecht. Aber wir sollten das schon einmal prüfen, vor allem, weil es in der Öffentlichkeit oft die unberechtigte Diskussion gibt: „Als Beamter kannst du fast alles machen, da passiert nichts“.
Ansonsten sind wir dafür, dass der Gesetzentwurf federführend im Innenausschuss, aber mitberatend unbedingt auch im Ausschuss für Recht und Verfassung diskutiert werden sollte. - Danke schön.
Vielen Dank, Frau Dr. Paschke. - Abschließend hören wir den Beitrag der FDP-Fraktion. Es spricht Herr Kosmehl. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einer Vorbemerkung beginnen: Herr Rothe, Sie haben die Landesregierung angesprochen, sie hätte das beschleunigen können. Sie hätten der ganzen Angelegenheit noch eins draufsetzen und die neun Monate seit Verabschiedung der Bundesdisziplinarordnung bis zu Ihrer Abwahl dazu nutzen können, einen Gesetzentwurf einzubringen und ihn hier zu verabschieden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte an erster Stelle dem Ministerium danken, dass es dem Gesetz eine solche umfangreiche und detaillierte Darstellung der Ergebnisse des Anhörungsverfahrens beigefügt hat. Ich meine, das gesamte Gesetz ist konsequent. Es bedarf allerdings in den Ausschussberatungen des Blicks in das Detail, in die einzelnen Vorschriften. Ich denke, wir werden das in einer Anhörung noch einmal mit den Betroffenen besprechen können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich vielleicht zwei Punkte herausgreifen, die aus unserer Sicht derzeit noch offen sind bzw. zu denen wir ein gesteigertes Interesse daran haben, sie einer Klärung zu unterwerfen.
Das ist zunächst die Frage der Zuweisung der Richterdienstgerichte in die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Aus der Anhörung sind die Bestrebungen des Richterbundes sehr deutlich geworden. Dieser sträubt sich dagegen. Nun kann man sagen, man sträubt sich immer gegen das, was neu ist. Aber wir nehmen das sehr ernst, Herr Justizminister, und werden das noch einmal überprüfen und werden gegebenenfalls über diesen Punkt noch einmal intern beraten müssen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir hoffen, dass mit der Neufassung des Disziplinarrechts in Sachsen-Anhalt tatsächlich eine Verfahrensstraffung, aber auch eine bessere Handhabbarkeit verbunden ist, und würden - das ist der zweite Punkt - die gerade angesprochene Frage der Nichteinführung einer Revisionsinstanz noch einmal überprüfen. Das wird mit uns nur dann zu machen sein, wenn die Berufungsinstanz eine vollwertige Tatsacheninstanz ist, damit nicht Rechte der Betroffenen abgeschnitten werden. Nur dann könnte man auf eine dritte Stufe verzichten, wenn die zweite Stufe die Möglichkeit der allumfassenden Prüfung bietet. Aber das können wir im Detail noch in den Ausschüssen beraten.
Ich würde mich den Ausführungen von Frau Dr. Paschke anschließen und beantrage ebenfalls die Überweisung zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Inneres und zur Mitberatung in den Ausschuss für Recht und Verfassung. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kosmehl. - Weitere Wortmeldungen gibt es offensichtlich nicht, sodass wir über die Überweisungsanträge abstimmen können.
Wenn ich es richtig verstanden habe, ist es unstrittig, dass zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Inneres und zur Mitberatung in den Ausschuss für Recht und Verfassung überwiesen wird. Gibt es weitere Anträge dazu? - Das ist nicht der Fall. Dann stimmen wir darüber ab. Wer stimmt zu? - Das sind offensichtlich alle. Stimmt jemand dagegen oder enthält sich der Stimme? - Das ist nicht der Fall. Dann ist diese Überweisung so beschlossen und der Tagesordnungspunkt 9 ist beendet.