Protokoll der Sitzung vom 11.11.2005

Er kann das Abitur machen. Schauen Sie sich das an, dann werden Sie sehen, dass es Schüler gibt, die das auch tun.

(Zuruf von Frau Bull, Linkspartei.PDS)

- Sie wollen einfach einen Einheitsbrei machen und die Qualität absenken, nur damit jeder einen Abiturabschluss hat. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein. So ein - -

(Beifall bei der CDU - Herr Gürth, CDU: Sehr gut! Bravo! - Widerspruch bei der SPD und bei der Linkspartei.PDS)

Frau Feußner, als Nächste hat Frau Mittendorf eine Nachfrage. - Bitte sehr, Frau Mittendorf.

Frau Feußner, gehen Sie mit mir konform und bestätigen mir die Aussage, die ich vorhin getroffen habe, dass nicht alle Abitur machen müssen?

Na ja, so ganz deutlich kam das aus Ihrer Rede vorhin nicht heraus.

Dann hatten Sie wahrscheinlich auch nicht richtig zugehört. Entschuldigung, das wird dann das Protokoll zeigen. Ich habe vorhin davon gesprochen, Chancengleichheit für Schülerinnen und Schüler herzustellen, die ein gleiches Leistungsniveau aufweisen. Denn der Befund lautet, dass bei Schülerinnen und Schülern mit gleichen Leistungsvoraussetzungen, die zum einen aus einem gehobenen Haushalt und zum anderen aus schwierigen sozialen Verhältnissen kommen, eben diese Chancengleichheit nicht haben. Vielmehr haben Letztere eine sechsmal geringere Chance als die Kinder, die aus einem besseren Haushalt kommen.

Das heißt, wir wollen damit überhaupt nicht ausdrücken, dass das Gymnasium die einzige und richtige Schulform wäre, wo alle hingehen müssten, sondern es geht nur darum festzustellen, dass es Chancenungleichheiten

gibt, die aus der sozialen Herkunft resultieren. Wir haben die Aufgabe, durch entsprechende Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, dass diese Ressourcen nicht vergeudet werden und dass diese Kinder, die aus bildungsbenachteiligten Schichten kommen, eine Chance in der Schule erhalten. Um mehr geht es nicht. Etwas anderes habe ich auch nicht gesagt.

Frau Mittendorf, dann muss ich Ihnen sagen: Lesen Sie die Studie richtig. So wie Sie das Ergebnis der Studie interpretieren, so steht es nicht in der Pisa-Studie.

Natürlich steht es so drin.

Nein, es steht dort einfach nicht so. Sie müssen es sich einmal richtig zu Gemüte führen und richtig lesen. Dann werden Sie erkennen, dass genau das Ergebnis, so wie Sie es interpretieren, der Pisa-Studie nicht zu entnehmen ist. Mehr kann man dazu eigentlich nicht sagen. Sie interpretieren das Ergebnis für sich falsch. Das ist ganz einfach.

Also ich will jetzt nicht sagen, dass es zwecklos ist, aber ich sage noch einmal Folgendes: In der Studie ist nachzulesen, dass es wohl gerade diese verschiedenen Einflussdeterminanten gibt, die bei diesen Dingen eine Rolle spielen. Es ist nachweislich, dass Kinder, die aus schwachen sozialen Schichten kommen, einen Wissensnachholbedarf haben, der fast ein Schuljahr und mehr beträgt. Dafür muss man doch etwas tun. Wenn sie bei gleicher Intelligenz einfach außen vor bleiben, kann man doch nicht so tun, als ob man das einfach nicht wahrnimmt. Darin müssten Sie mir doch zustimmen, Frau Feußner.

Bei dem, was Sie zuletzt gesagt haben, sieht es nun schon ein wenig anders aus. Dass Kinder aufgrund des Elternhauses oder aus welchen Gründen auch immer einen Nachholbedarf haben, dass wir als Staat und die Schule dafür sorgen müssen, dass das entsprechend aufgeholt wird, und dass wir dafür entsprechende Fördermaßnahmen ergreifen können und müssen, damit habe ich kein Problem. Aber Ihre Interpretation, die Sie vorhin vorgetragen haben, war vollkommen falsch.

Bitte keine Unterstellungen, Frau Feußner! Sind Sie tatsächlich der Meinung, dass man bei Zehnjährigen diesen Nachteilsausgleich schaffen kann?

Frau Mittendorf, wir müssen langsam zum Ende kommen.

Dazu sage ich Ihnen noch einen Satz: Da muss man sehr frühzeitig anfangen. Wer hat denn den Bildungsanspruch im Kindergarten gesetzlich fixiert? - Das waren wir und nicht Sie.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Herr Bi- schoff, SPD: Ein halbes Jahr haben sie da ge- meinsam! Das ist doch Unsinn!)

Jetzt bitte noch Frau Dr. Hein und danach Frau Fischer. - Auf die Frage von Frau Fischer möchte Frau Feußner nicht mehr antworten. Bitte sehr, Frau Dr. Hein.

Frau Feußner, ich will zunächst feststellen, dass Sie am Anfang Ihrer Rede die Lehrerinnen und Lehrer in Schutz genommen haben und gesagt haben, dass sie eine hervorragende Arbeit leisten und sich unheimlich bemühen. Diese Auffassung teile ich.

Dazu stehe ich auch. Das hat aber Ihr Redner nicht gesagt. Im Gegenteil, er hat die Lehrer sehr stark kritisiert.

Nein, das stimmt nicht. Wir haben über die Bereitschaft zum Umgang mit Heterogenität gesprochen. Das ist etwas, worüber wir sogar schon im Ausschuss einen Beschluss gefasst haben. Die Einsichten, die wir schon einmal hatten, sollten wir nicht wieder zurücknehmen.

(Herr Höhn, Linkspartei.PDS: Genau!)

Sie haben aber am Ende Ihrer Rede die Verantwortung für die sozialen Disparitäten den Familien zugeschoben und auf die schlechten Voraussetzungen und das fehlende Engagement der Familien hingewiesen, die ihren Kindern nicht die nötigen Entwicklungschancen geben. Ähnliches habe ich vor ein paar Tagen in dem Interview mit Herrn Dr. Mannke in der „Volksstimme“ gelesen. Ich halte das für ziemlich problematisch und will Ihnen zwei Fragen stellen.

Sie haben sicherlich auch die Ausführungen zur Computernutzung in der Studie gelesen, wo darauf hingewiesen wird, dass der Lernerfolg von der Fähigkeit, mit dem Computer umzugehen, und von der Möglichkeit, über einen zu verfügen, abhängt. Ich frage Sie erstens, wie Sie sich vorstellen, dass ein ALG-II-Empfänger - in diesen Haushalten gibt es sehr oft keinen Computer -

(Frau Feußner, CDU: Das ist auch Quatsch, was Sie da erzählen! Weil es nicht stimmt!)

seinen Kindern ermöglicht, einen Computer für die Lernarbeit zu benutzen, wenn er ihm häuslich nicht zur Verfügung steht. Diese Abhängigkeit ist in der Studie dargestellt worden.

Ich frage Sie zweitens, ob Sie der Auffassung sind, dass die Kinder ein bisschen Pech gehabt haben, wenn sie sich das falsche Elternhaus ausgesucht haben.

(Frau Liebrecht, CDU, und Frau Wybrands, CDU: Oh!)

Ich gehe von einem ganz anderen Anspruch aus, Frau Hein. Für Sie ist der Staat für alles verantwortlich, für die Kindererziehung und - -

(Frau Bull, Linkspartei.PDS: Lassen Sie doch mal die Keule! Das nervt!)

- Ja, dazu haben wir vollkommen unterschiedliche Auffassungen. Der Staat kann doch an dieser Stelle nicht alles regeln. Eltern haben auch eine entsprechende Verantwortung. Im Übrigen steht auch im Grundgesetz,

(Zustimmung bei der CDU)

das es die zuvorderst ihnen obliegende Pflicht ist, sich um ihre Kinder zu kümmern.

Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Sie machen hier immer ein soziales Geheule auf. Ich kenne auch einige ALG-II-Empfänger. Wenn sie denen prinzipiell unterstellen, sie hätten keinen Computer oder sie könnten sich dieses oder jenes nicht leisten - -

Die können sich natürlich nicht alles leisten, was sich andere leisten können. Aber meistens sind das die Kinder, die bis „in die Puppen“, bis nach Mitternacht und darüber hinaus Computerspiele spielen, weil die Eltern sich nicht um die Kinder kümmern und den Computer nämlich nicht richtig anwenden.

(Zustimmung bei der CDU - Zurufe von der Links- partei.PDS)

Sie polarisieren an der Stelle unnötig, das sage ich Ihnen. Man kann doch Schule nicht für sich betrachten, sondern man muss auch die Pflicht der Elternhäuser mit einbeziehen. Das geht einfach nicht anders. Das kann der Staat nicht alles regeln.

(Herr Gürth, CDU: Richtig! - Zurufe von der Links- partei.PDS)

Danke, Frau Feußner. - Damit ist die Debatte beendet. Beschlüsse werden ja nicht gefasst. Somit haben wir das erste Thema im Rahmen der Aktuellen Debatte beraten.

Ich rufe das zweite Thema auf:

Soziale Polarisierung in Deutschland und SachsenAnhalt nicht weiter vorantreiben

Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS - Drs. 4/2482

Für die Debatte wird folgende Reihenfolge vorgeschlagen: Linkspartei.PDS, CDU, SPD und FDP. Zunächst hat der Antragsteller, die Linkspartei.PDS, das Wort. Herr Gallert, bitte sehr.

Ich kann mir durchaus vorstellen, dass die Thematisierung sozialer Problemlagen dem einen oder anderen ganz schön die Nerven raubt. Aber wir werden Ihnen das heute nicht ersparen.

(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS - Frau Feußner, CDU: Stellen Sie sich doch nicht immer hin, als wären Sie der Gott von Frankreich!)

- Frau Feußner, wir werden das auch tun, wenn Sie hier weiterreden. Das wird uns nicht davon abhalten, das zu tun.

Übrigens ist es interessant, dass bei diesem Thema der Kultusminister hinausgeht. Wissen Sie, man kann nicht sagen, die Schule könne nicht der Prellbock für die soziale Probleme sein, ohne sich den sozialen Problemen zu stellen. Das ist als Meinung der Koalition insgesamt unhaltbar.

(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS und bei der SPD - Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

Die soeben geführte Debatte hat bereits einen wichtigen Aspekt des nun auf der Tagesordnung stehenden The