Protokoll der Sitzung vom 10.10.2002

Die Grundlagen dafür sind bereits genannt worden: die so genannten Besitzwechselverordnungen aus den 50er-Jahren und insbesondere die aus den Jahren 1975 und 1988.

Wenn wir uns das mit dem Blick auf den Antrag vor Augen führen, dann betrifft das nur die Fälle, in denen der Fiskus, also hier das Land Sachsen-Anhalt, von seiner Besserberechtigung ausging. Die Frage, ob das Land oder die natürliche Person, also der Verfahrensgegner, besserberechtigt ist, kann nur im Verfahren selbst geklärt werden. In vielen obergerichtlichen Entscheidungen ist Stück für Stück herausgearbeitet worden, was die §§ 11 ff. ausfüllen kann.

Was die Tätigkeit in der Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft betrifft, so füllen die Darlegungen dazu viele Seiten, zehn, 20, 30 Seiten in einem Kommentar. Jedes einzelne Gericht hat eine Nuance festgestellt.

Wenn jemand - ich sage das nicht abwertend - als Putzfrau im Ministerium für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft tätig war, stellt sich die Frage, ob das zur Besserberechtigung ausreicht oder nicht.

Wenn aber jetzt festgestellt wird, dass der Landesfiskus besserberechtigt ist, so ist ihm auch das Grundstück aufzulassen oder gegebenenfalls, falls bereits verkauft, das Surrogat herauszugeben. Auch in diesen Fällen, in Fällen der Rückauflassung, zeichnet das Gesetz nur die DDR-Rechtslage konsequent nach. Dort war nämlich vorgesehen, dass die Grundstücke in den Bodenfonds zurückzuführen sind.

Dabei ist es für mich erstaunlich, dass sich gerade die PDS, die sich sonst so als Bewahrer der ostalgischen Mentalität aufspielt, plötzlich von dieser Rechtslage in der DDR verabschieden will. Der Bundesgesetzgeber wollte nur eines erreichen, nämlich die Wirklichkeit im Beitrittsgebiet der Wirklichkeit der Rechtsgrundlagen vor dem Beitritt angleichen.

Zusammenfassend kann man daher feststellen, dass die Regelungen zu den sachenrechtlichen Aspekten der Bodenreform im EGBGB den Regelungen der DDR entsprechen, oder anders formuliert: Auch bei direkter Anwendung der DDR-Rechtlage hätten die Verfahrensbeteiligten mit der Rückführung der Grundstücke in den Bodenfonds rechnen müssen.

Herr Kosmehl, möchten Sie eine Frage des Abgeordneten Herrn Gallert beantworten?

Am Ende. Ich komme auch gleich zum Ende. Ich möchte nur noch Zweierlei sagen.

Zum einen wird immer wieder Frau Grün erwähnt. Frau Grün ist durchaus in aller Munde bei denen, die sich mit Bodenreformrecht beschäftigen. Das liegt auch daran, dass in jeder juristischen Fachzeitschrift derselbe Beitrag mehrfach abgedruckt wird. Auf eine juristische Argumentation allein seine Meinung zu stützen, halte ich für sehr gefährlich. Das wird sicherlich auch nicht zum Erfolg führen.

Letztlich ist festzuhalten, dass der Verzicht auf die Einrede der Verjährung ein zulässiges Mittel ist, wobei jeder Verfahrensbeteiligte die Einleitung des Verfahrens auch nach Eintritt der Verjährung möglich machen kann. Das Land kann auf die Geltendmachung seiner Besserberechtigung keinesfalls nur deshalb verzichten, weil der Verfahrensgegner den Einredeverzicht erklärt hat. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke schön. - Jetzt können Sie Ihre Frage stellen, Herr Gallert.

Herr Kosmehl, Sie haben Ihrer Verwunderung darüber Ausdruck verliehen, dass ausgerechnet die PDS die Anwendung von vormaligem DDR-Recht so arg bestreitet. Die Verwunderung kann, denke ich, Herr Krause aufklären und er hat das auch schon getan. Einmal andersherum: Wissen Sie, wir als PDS wundern uns vielmehr darüber, dass das ansonsten so wahnsinnig gescholtene DDR-Recht, gerade wenn es um Eigentum geht, hier von CDU und FDP so vehement verteidigt wird.

(Beifall bei der PDS)

Herr Krause hat ja bereits angedeutet, was ihn an den Regelungen in der Besitzwechselverordnung so stört. Gleichwohl ist festzuhalten, dass die DDR im Eigeninteresse - das mag als Staatsinteresse durchgehen - natürlich daran Interesse hatte, was mit den zugeteilten Grundstücken passierte. In der Verordnung ist eindeutig festgehalten - übrigens nicht erst 1988, sondern schon früher -, dass eben nur diejenigen, die in der Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft tätig sind, Eigentum aus dem Bodenfonds erhalten können.

Der Eigentumsbegriff in der DDR - das hat die Ministerin sehr deutlich gemacht - ist nicht - ich betone es noch einmal: nicht - mit dem Eigentum nach Artikel 14 des Grundgesetzes, auf den sich jetzt einige berufen wollen, vergleichbar. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kosmehl. - Für die SPD-Fraktion erhält nun Frau Grimm-Benne das Wort.

Verehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um es vorwegzunehmen: Die SPD-Fraktion wird diesen Antrag ablehnen. Die Thematik des Antrages ist nicht neu und wird seit Jahren diskutiert. Auch unser Landtag hat sich bereits in der vergangenen Legislaturperiode mit einem Antrag der PDS-Fraktion zu diesem Thema auseinander gesetzt.

Ihr Redebeitrag, Herr Krause, endete damals mit den Worten: „Warten wir ab, wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte über einen letzten Versuch der Betroffenen, zu ihrem Recht zu kommen, entscheidet.“ Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Es besteht momentan kein Anlass, über dieses Thema erneut zu debattieren.

Zahlreiche Gerichtsentscheidungen der obersten Gerichte haben sich bereits mehrfach mit der Thematik der Bodenreform befasst, so der BGH und auch das Bundesverfassungsgericht. Vielleicht müssen auch wir jetzt wiederholen, so wie die Frau Ministerin und Herr Kosmehl es getan haben: Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die bestehenden Regelungen des Artikels 233 §§ 11 ff. des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch verfassungsgemäß sind.

Verdeutlichen wir uns noch einmal kurz die Rechtslage: Im Jahr 1992 wurde der Artikel 233 § 11 EGBGB für das In-Kraft-Treten des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes eingeführt. Diese Paragrafen zeichnen das DDR-Recht nach. Es wird das Ziel verfolgt, Eigentumsverhältnisse in der Weise zu schaffen, wie es in etwa den Besitzwechselvorschriften der DDR entsprochen hätte.

Das in der DDR existierende Bodenreformland unterlag zahlreichen Beschränkungen. Über die Frage der Vererbbarkeit des Bodenreformlandes brauchen wir uns an diesem Ort nicht zu streiten, usw., usw. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes und auch des BGH sind bekannt.

Schauen wir uns doch einmal an, um welche Fälle es sich im Einzelnen handelt, wenn jemand sein Grundstück zurückhaben will. Es geht nicht um das schutzwürdige Vertrauen der Erben von Bodenreformland. Vertrauen konnte man nur in solche Rechtspositionen haben, die einem beim Umbruch in der DDR bewusst und gewollt zugesprochen wurden. Das Gesetz von 1990 enthielt aber eine Regelungslücke, die durch das genannte Gesetz aus dem Jahr 1992 geschlossen wurde. Die Betroffenen wurden so gestellt, wie es nach früherem DDR-Recht geboten gewesen wäre.

Der Antrag ist aber auch aus einem weiteren Grund abzulehnen, der bisher noch nicht genannt worden ist. Zum einen sollen die Verfahren zur Abwicklung der Bodenreform bis zur Verkündung des Urteils des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ausgesetzt werden. Das würde aber die weitere Abwicklung und die Schaffung von klaren Verhältnissen verhindern. Es ist zurzeit nicht erkennbar, wann mit der Entscheidung zu rechnen ist.

Darüber hinaus ist es aber unwahrscheinlich, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte der Beschwerde folgt, da ein weiter Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers zur Bewältigung wiedervereinigungsbedingter Sondersituationen anerkannt wurde. So eine Entscheidung einer unveröffentlichten Beschwerde Nr. 52447/99.

Der Antrag will aber auch Tatsachen schaffen und fordert das Land auf, diejenigen Verfahren einzustellen, deren Aufnahme nach der Verjährung erfolgte. Voraussetzung dafür war der Verzicht der Betroffenen auf die Einrede der Verjährung. Warum diese Praxis bedenklich sein soll, ist für mich nicht ersichtlich. Wenn ein Betroffener auf die Einrede verzichtet, ist es legitim, Ansprüche geltend zu machen, und nur dann. - Danke schön.

(Zustimmung bei der SPD)

Möchten Sie eine Frage des Abgeordneten Herrn Püchel beantworten? - Bitte.

Frau Kollegin, ich hatte dem Einbringer des Antrages eine Frage gestellt, die er mir - scheinbar in Unkenntnis der Verhältnisse in der DDR - nicht beantworten konnte. Wer war für den Vollzug der Besitzwechselverordnungen zu DDR-Zeiten zuständig? Können Sie diese Frage beantworten?

Ich bin zwar mit dem DDR-Recht nicht groß geworden. Aber aus meiner beruflichen Praxis ist mir bekannt, dass die Abteilung für Landwirtschaft des Rates des Kreises dafür zuständig war.

Wissen Sie, welche Funktion Herr Krause zu DDRZeiten innehatte? - Er war Mitglied des Rates des Kreises, zuständig für die Abteilung Landwirtschaft.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von Frau Dr. Sitte, PDS)

Vielen Dank, Frau Grimm-Benne. - Für die CDU-Fraktion erhält Herr Daldrup das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin einer von denen, die neu in diesem Haus sind. Deshalb bedanke ich mich dafür, dass Sie die Problematik noch einmal dargestellt haben.

(Unruhe bei der CDU, bei der PDS und bei der FDP)

Aber ich habe mit der Thematik auch schon etwas länger zu tun, seit 1994. Ich kann aber aus der Recherche, die ich anlässlich dieser Debatte betrieben habe, nicht erkennen, dass neue Aspekte vorgebracht worden sind. Das Thema ist offensichtlich jahrelang - man könnte auch sagen, alle Jahre wieder - von Ihnen eingebracht und erörtert worden. Neue Erkenntnisse sind nicht vorhanden.

Eine Nachzeichnung der DDR-Bestimmungen hat es gegeben. Das ist gesagt worden. Das Verfahren ist aus verfassungsrechtlicher Sicht einwandfrei. Die höchsten Gerichte der Bundesrepublik haben es legitimiert. Insofern ist daran auch nicht zu zweifeln.

(Unruhe bei der CDU und bei der FDP)

Das Argument, dass jetzt vor dem Europäischen Gerichtshof eine Klage eingereicht worden ist, ist insofern nicht unbedingt stichhaltig.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, wenn Sie schon nicht aufmerksam sind, dann aber bitte leise.

Die Annahme des Anhörungsverfahrens bedeutet nicht, dass die Beschwerde Aussicht auf Erfolg hat. Meines Erachtens hat sie keine Aussicht auf Erfolg. Wir könnten uns in Ruhe darauf beschränken, das Ergebnis dieses

Verfahrens abzuwarten. Ich schließe mich den Ausführungen der Kollegin Grimm-Benne an. Herr Krause, Sie haben es selbst gesagt. Ihr letzter Satz in besagter Debatte lautete: Warten wir ab, wie der Europäische Gerichtshof entscheidet; dann sehen wir weiter. - Insofern besteht für die CDU-Fraktion keine Veranlassung, dem Antrag stattzugeben. Wir werden ihn ablehnen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Daldrup. - Zum Schluss hat Herr Krause noch einmal das Wort, wenn er sprechen möchte. Herr Krause, möchten Sie noch einmal das Wort? - Nein. Dann ist die Debatte abgeschlossen.

Herr Krause, hatten Sie eine Ausschussüberweisung beantragt?

(Herr Krause, PDS: Ja!)

In den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und in den Ausschuss für Recht und Verfassung? - Beide. Welcher Ausschuss soll federführend beraten?

(Herr Krause, PDS: Der Ausschuss für Ernäh- rung, Landwirtschaft und Forsten!)