Aber der Hinweis auf einen Antrag der PDS-Fraktion im Deutschen Bundestag mit Blick auf streikende Handwerkerfrauen vor dem Deutschen Reichstag ist schlichtweg falsch, weil man an dieser Stelle Äpfel mit Birnen vergleicht.
- Lassen Sie mich das einmal begründen. - Der Hintergrund des damaligen Hungerstreiks der Handwerkerfrauen war die Thematik der Zahlungsmoral. Das war ein durchaus berechtigtes Anliegen. Der Antrag, den Sie genannt haben, hat mit dem Thema der Zahlungsmoral nichts zu tun. Insofern ist auch die Argumentation der Fraktion der CDU/CSU vollkommen richtig, weil eine Änderung des Umsatzsteuerrechtes keinen Druck auf die Zahlungswilligkeit Zahlungsunwilliger ausüben würde. Insofern kann man nicht Äpfel mit Birnen vergleichen.
Was den vorliegenden Antrag betrifft, will ich auf einen Punkt hinweisen. Das Anliegen der PDS-Fraktion mit der Konkretisierung, die sicherlich gut gemeint war, ist eine generelle Umstellung des Systems von der Soll- zur Istbesteuerung. Das wollen wir auch. Aber diese generelle Umstellung des Systems ist aus EU-rechtlichen Gründen nicht möglich.
Die Frage nach der Mehrheitsfähigkeit der Initiative ist nicht unwesentlich. Man kann nicht, wie im Antrag der PDS-Fraktion vorgesehen, das Problem über eine Änderung des § 16 des Umsatzsteuergesetzes regeln, sondern man muss den § 20 des Umsatzsteuergesetzes ändern. Der § 20 des Umsatzsteuergesetzes lässt bereits seit 1968 Ausnahmen zu, die im Jahr 1996 schon verändert wurden. Nunmehr soll die Grenze für den Jahresumsatz auf 2,5 Millionen € festgelegt werden.
Im Interesse der kleinen und mittelständischen Unternehmen, für die diese Bundesratsinitiative gedacht ist, empfehle ich, die Anregung der Abgeordneten Frau Budde aufzunehmen und den Antrag um die Berichterstattung über den Fortgang der Bundesratsinitiative zu ergänzen.
Ich bitte, den geänderten Antrag im Interesse der kleinen und mittleren Unternehmen, für die die Landesregierung im Bundesrat aktiv werden soll, anzunehmen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Der äußere Anlass für die Behandlung des Antrages der PDS-Fraktion im Jahr 2000 war, dass zufällig die hungernden Handwerksfrauen da waren. Aber der Antrag wurde schon 1999 im Parlament gestellt. Wir haben Anhörungen mit Unternehmern und Steuerberatern durchgeführt. Es traf sich nur gerade, was die Glaubwürdigkeit betraf, weil auch dort Kollegen von der CDU betonten, sie träten für den Mittelstand ein - dann ließen sie unseren Antrag durchfallen. Abgesehen davon, dass er bei den regierungstragenden Parteien keinen Anklang gefunden hätte, aber wir wären ein Stück weiter.
Ich möchte vorschlagen, doch noch einmal in den Ausschüssen über diese Thematik zu diskutieren. In der PDS-Fraktion gibt es zumindest das Bedürfnis, diese Diskussion zu führen.
Darf ich darauf reagieren? - Werte Frau Kollegin, wir würden Ihrem Ansinnen durchaus entgegenkommen. Das tun wir auch bei der von der Abgeordneten Frau Budde vorgeschlagenen Änderung. Wenn sie eine Mehrheit im Parlament findet, wird sich der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit mit dieser Angelegenheit befassen.
Wenn wir den Antrag jetzt beschließen, hat dies den Vorteil, dass wir uns ohnehin im Ausschuss damit befassen. Aber wir wollten die Landesregierung bereits heute beauftragen, ein klares Signal zu setzen. Ich denke, das ist der beste Weg, weil er der schnellste ist und sofort konkretes Handeln veranlasst.
Danke, Herr Abgeordneter Gürth. - Ich erteile jetzt dem Minister der Finanzen Herrn Professor Dr. Paqué für die Landesregierung das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP ist aus der Sicht der Landesregierung sinnvoll und verdient volle Unterstützung. Der Begründung des Antrages ist in der Sache nichts Wesentliches hinzuzufügen.
Die Landesregierung wird, wenn ein entsprechendes Abstimmungsergebnis vorliegt, im Sinne des Antrages über den Bundesrat zu gegebener Zeit initiativ werden, um die so genannte Istbesteuerung auf Unternehmen mit einem Jahresumsatz von bis zu 2,5 Millionen € auszuweiten. Damit würde aus der Sicht der Landesregierung ein wesentlicher Beitrag geleistet, um Liquiditätsprobleme kleiner und mittlerer Unternehmen zu mildern.
Als Finanzminister und Volkswirt muss ich allerdings die Erwartungen derjenigen etwas dämpfen, die sich von einer derartigen Maßnahme eine grundlegende Verbesserung der wirtschaftlichen Situation kleiner und mittlerer Unternehmen versprechen. Eine Reform des § 20 des Umsatzsteuergesetzes allein kann die wirtschaftlichen Probleme des Mittelstands nicht lösen. Diese wirtschaftlichen Probleme hängen vor allem mit der viel zu dünnen Eigenkapitalausstattung und mit der schlechten Auftragslage zusammen. An dieser Stelle ist die Wirtschafts-, die Standort- und die Strukturpolitik gefordert.
Als Finanzminister muss ich auch anmerken, dass es in der Praxis schon nach der geltenden Rechtslage wohl kaum Fälle gibt, in denen ein Unternehmer gezwungen ist, Insolvenz anzumelden, weil er die Umsatzsteuer abführen muss, bevor er seine Forderungen eingezogen hat. In derartigen Fällen gewähren die Finanzämter auch heute schon im Einzelfall nach Ermessen die nötige Steuerstundung, um die Liquiditätsengpässe zu mildern.
Trotzdem ist natürlich eine Anpassung des § 20 des Umsatzsteuergesetzes wünschenswert, die generell die Istbesteuerung für Unternehmen mit einem Jahresumsatz bis zu 2,5 Millionen € erlaubt, nicht wie bisher bis zu 500 000 € für ostdeutsche und bis zu 125 000 € für westdeutsche Unternehmen.
Eine solche Regelung ist dem Ermessen im Einzelfall vorzuziehen - das ist überhaupt keine Frage -, denn sie schafft Klarheit und Transparenz und beseitigt im Übrigen die Diskriminierung zwischen West und Ost, die heutzutage in dieser Hinsicht nicht mehr zu rechtfertigen ist; denn ein mittelständisches Unternehmen im Westen kann sich in einer ganz ähnlich schwierigen Liquiditätslage befinden wie ein mittelständisches Unternehmen im Osten. Auch im Westen gibt es zunehmend Klagen über die schlechte Zahlungsmoral. Auch im Westen gibt es strukturschwache Regionen, in denen die Probleme besonders dramatisch sind.
Dämpfen muss ich allerdings die Hoffnung, es könnte innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes gelingen, allgemein zur Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten überzugehen. Es wurde schon erwähnt, der Grundsatz der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten, die so genannte Sollbesteuerung, ist nach EU-Recht vorgeschrieben; dies wurde in den Beiträgen mehrfach betont. Die EU-Mitgliedstaaten dürfen die Istbesteuerung lediglich als Ausnahmetatbestand für kleinere Unternehmen einführen, um diesen Unternehmen Erleichterungen mit Blick auf die Auszeichnungspflicht zu gewähren. Kollege Lukowitz hat vorhin aus der entsprechenden Ausführung zitiert.
Ebenfalls nach EU-Recht zwingend vorgeschrieben ist die Entstehung und der Umfang des Rechts auf den Vorsteuerabzug. Will man dieses EU-Recht ändern, muss man aus meiner Sicht in Jahrzehnten und nicht in einzelnen Legislaturperioden denken.
In diesem Zusammenhang will ich auf ein gemeinsames Vorhaben des Bundes und der Länder hinweisen. Dieses orientiert sich zwar an einem ganz anderen, allerdings auch wichtigen Ziel, nämlich einer effektiveren Bekämpfung der Vorsteuererschleichung. Die hier diskutierten Probleme, hervorgerufen durch die zunehmend schlechte Zahlungsmoral, würden jedoch gewissermaßen als Nebenprodukt weitgehend gelöst, wenn man an dieser Front Fortschritte machen würde.
Nun ist die Frage: Worum geht es? Es geht dabei darum, bei Umsätzen zwischen Unternehmen über eine Steuerbefreiung oder über ein Steuerverrechnungsmodell im Ergebnis ganz auf die Erhebung der Umsatzsteuer zu verzichten. Sollte eines der dazu entwickelten Modelle Wirklichkeit werden - dazu läuft derzeit die Diskussion -, dann würden die Umsatzsteuerzahlungsströme zwischen den Unternehmen sowie zwischen den Unternehmen und den Finanzämtern und damit auch die in
Leider hat sich auch hierbei bei ersten Kontakten zur Europäischen Kommission bereits gezeigt, dass die Kommission derartigen Überlegungen, die aus Deutschland kommen, bisher ablehnend gegenübersteht. Insofern könnten wir entmutigt sein; aber wir lassen uns natürlich nicht entmutigen, sondern wir arbeiten weiter daran, um im Verein mit dem Bund und den anderen Ländern die EU-Kommission davon zu überzeugen, dass eine Reform der Umsatzsteuererhebung Not tut. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Minister. - Wir treten nun in das Abstimmungsverfahren ein. Frau Abgeordnete Dr. Klein, wird der Änderungsantrag aufrechterhalten? - Ja. Da der Änderungsantrag aufrechterhalten wird, stimmen wir zunächst über den Änderungsantrag der PDS-Fraktion ab. Danach stimmen wir über die einvernehmlich geäußerte Ergänzung und über den Antrag insgesamt ab.
Wir stimmen über den Änderungsantrag in Drs. 4/262 ab. Wer diesem Änderungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Mit den Stimmen von FDP und CDU ist dieser Änderungsantrag abgelehnt worden.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag in Drs. 4/211. Man hat sich darauf geeinigt, dass der Antrag vor der Begründung wie folgt ergänzt wird: „Die Landesregierung erstattet über den Fortgang der Bundesratsinitiative in den Ausschüssen für Wirtschaft und Arbeit sowie für Finanzen Bericht.“ Wer dem so geänderten bzw. ergänzten Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Keiner. Damit ist dieser Antrag einstimmig angenommen worden.
Meine Damen und Herren! Es ist eben nicht so: Je später der Abend, desto schöner die Themen. Lassen Sie mich mit einem Vergleich beginnen.
Die Möllemann‘schen Ausfälle gegen den stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Michel Friedman, und gegen das Vorgehen der israelischen Armee in den besetzten Gebieten lösten
einen gesamtdeutschen Aufschrei unter Demokratinnen und Demokraten aus. Den Liberalen bescherte es eine handfeste Krise mit dem Zentralrat, der bis heute seine Nachwehen zeigt. Weil Friedman ein so unsympathischer Typ sei, trage der auch eine Mitschuld an antijüdischen Ressentiments.
In der öffentlichen Debatte waren damit immer wieder Irritationen verbunden. Könne man denn nicht einmal mehr die israelische Politik kritisieren oder könne man nicht einmal Friedman als Typ schlichtweg unsympathisch finden? - Natürlich muss es gestattet sein, das Vorgehen Israels ebenso in die Kritik einzubeziehen wie die Praxis der Selbstmordattentate aufseiten der Palästinenser und ebenso darf man natürlich Friedman als Menschen nicht besonders mögen.
Eines aber, meine Damen und Herren, ist unzulässig: einen ursächlichen Zusammenhang zwischen beiden Dingen herzustellen, zu konstruieren. Friedman muss nicht sympathisch sein, weil er Jude ist. Seine Sympathiewerte sind nicht zuständig für antisemitische Ressentiments in Deutschland und anderswo. Auch die israelische Politik halte ich für kritikwürdig, sie aber in den Kontext genau dieser antijüdischen Ausfälle zu stellen, ist nicht nur abenteuerlich, sondern nährt genau diesen eben beschriebenen Zusammenhang, wenn auch nur indirekt.
Erstaunlicherweise, meine Damen und Herren, gab es seinerzeit nur sehr wenige von denen, die sich in der Debatte zu Wort meldeten, die in der Lage waren und sich die Mühe machten, beide politischen Bausteine auseinander zu halten. Das geschah wohl deshalb nicht, weil es hier und da in Deutschland gang und gäbe zu werden scheint, im weitesten Sinne fremdenfeindliche Gefühle und Vorurteile zu missbrauchen, um komplizierteste politische Prozesse und Hintergründe auf politische Plattheiten zu reduzieren und damit dem Stammtisch das eigene, durchaus selbstkritische Denken ersparen zu wollen, wofür der sich wiederum dann mit Wählerstimmen erkenntlich zeigt. Das ist ein beliebtes Spiel, meine Damen und Herren, das insbesondere unter Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfern zu beobachten ist und immer wieder zu den gleichen Missständen führt.
Selbstverständlich darf man einen Menschen ausländischer oder welcher Herkunft auch immer unsympathisch finden. Selbstverständlich darf man auch einen Macho türkischer wie deutscher Abstammung in die Schranken weisen. Ebenso selbstverständlich darf man Unmut und Unverständnis über kriminelle Energien von Menschen äußern, auch über die von Ausländerinnen und Ausländern, aber eben nicht, weil sie Ausländerinnen und Ausländer sind. Hiermit, meine Damen und Herren, bin ich bei dem Anlass, der meine Fraktion bewogen hat, sich mit ausländerfeindlichen Angriffen im Rahmen des politischen Streites auseinander zu setzen.
Am 1. August 2002 führte die Bernburger CDU eine Bürgerversammlung durch, die sich mit den Problemen des Drogenhandels in der dortigen Köthener Straße auseinander setzen sollte. Am Handel mit illegalisierten Drogen beteiligen sich dort vor allem Asylbewerber des dortigen Bernburger Asylbewerberheimes. Das Heim bezeichnet der Stadtvorsitzende der Christdemokraten Klaus Marsch als „Bazillenmutterschiff“.
Meine Damen und Herren! Weder der dort anwesende Präsident des Landtages von Sachsen-Anhalt noch der anwesende Innenminister dieses Landes sahen darin einen Anlass zur Kritik oder zum Widerspruch. Auch die
Tatsache, dass damit nicht nur die Bewohner des dort ansässigen Heimes in einer Sprache, die ausgesprochen menschenfeindliche Züge trägt, unter Generalverdacht gestellt wurden, veranlasste im Nachhinein niemanden der dort Anwesenden zu Kritik oder Distanz.