Der Ausweg aus diesem Dilemma gelingt nur mit leistungsgerechten Vergütungen, die in gewollten Verhandlungen zwischen Krankenkassen und Pflegediensten bzw. deren Verbänden festgelegt werden. Hierzu ist Voraussetzung, dass der Monopolstellung der gesetzlichen Krankenkassen - in Sachsen-Anhalt betrifft das vor allem die AOK, aber auch die IKK - ein geeignetes und auch kurzfristig wirksames Instrument zur Lösung von Streitfragen seitens der Pflegedienste entgegengehalten werden kann, ohne dass dafür langjährige Gerichtsverfahren durchgeführt werden müssen.
Daher muss eine Schiedsstelle im Bereich der häuslichen Krankenpflege im SGB V festgeschrieben werden.
Diese konkrete Situation verdeutlicht, dass dies in Sachsen-Anhalt erforderlich ist. Darüber hinaus ist die Situation auch in anderen Bundesländern mit Problemen behaftet. Die jetzige Situation trägt nicht zur Lösung bei; denn solange die Schiedsstelle für die häusliche Krankenpflege nicht gesetzlich verankert ist, bleibt angesichts des Verhaltens der Krankenkassen nur der Weg zu den Sozialgerichten. Diese wiederum sind überlastet und dadurch dauern die Verfahren oftmals Jahre. Das ist zum Nachteil der ambulanten Pflegedienste. Die Zeit arbeitet gegen sie und der Druck durch die Krankenkassen wird immer größer.
Deshalb darf ich Sie bitten, dem Antrag zuzustimmen, die Landesregierung aufzufordern, im Bundesrat einen Gesetzentwurf zur Errichtung einer Schiedsstelle zur Regelung von Streitigkeiten in der häusliche Krankenpflege nach § 132a des Sozialgesetzbuches V einzubringen. - Vielen Dank.
Danke, Frau Liebrecht. - Bevor wir in die Debatte der Fraktionen eintreten, hat die Landesregierung um das Wort gebeten. Der Minister für Gesundheit und Soziales Herr Kley erhält das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da wir die Landesvereinigung für Gesundheit nicht ewig warten lassen wollen, möchte ich nur noch einige ergänzende Gesichtspunkte zu diesem sehr gut dargelegten Antrag vorbringen.
Es ist bekanntlich so, dass die Ausgestaltung und der Inhalt von Vereinbarungen mit Leistungserbringern originäres Selbstverwaltungsrecht sind. So hat die Landesregierung, wie auch schon früher dargelegt, als Rechtsaufsicht nicht die Möglichkeit, hierauf noch Einfluss zu nehmen. Vor allem kann die Rechtsaufsichtsbehörde keine Leistungsvergütung festsetzen, sondern nur dann einschreiten, wenn die Versorgung nicht mehr sichergestellt wäre. Dieses ist natürlich bislang aufgrund der großen Anzahl der Leistungserbringer und der Kassen noch der Fall.
Das Gesundheitsministerium hat in zahlreichen Schreiben und auch in Gesprächen die Möglichkeiten der Rechtsaufsicht dargelegt und mit den Kassen moderierende Gespräche geführt, um einen Weg zu eröffnen, aus diesem Dilemma des vertragslosen Zustandes und der Mindervergütung herauszukommen - leider erfolglos. Einzelne private Leistungserbringer haben den Gerichtsweg beschritten und hierbei versucht, die AOK zu verpflichten, die Leistungen zu höheren Vergütungssätzen abzurechnen, sind allerdings im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vor dem Landessozialgericht bislang nicht durchgedrungen.
Das Gericht hat weder einen Anordnungsgrund noch einen Anordnungsanspruch gesehen. Vielmehr ist es davon ausgegangen, dass es alleinige Sache der Beteiligten sei, eine angemessene Vergütung zu vereinbaren. Da das Gesetz keine Schiedsstellenentscheidungen im Konfliktfall vorsehe, könne das Gericht die Entscheidung auch nicht ersetzen. Das Hauptsacheverfahren vor dem Landessozialgericht steht dazu bislang noch aus.
Wir sind uns, glaube ich, darüber völlig einig, dass die Tatsache des vertragslosen Zustandes zwischen der
AOK Sachsen-Anhalt und den Leistungserbringern der häuslichen Krankenpflege absolut unbefriedigend ist und es dringend geboten erscheint, ein Schiedsstellenverfahren wie in anderen Leistungsbereichen, zum Beispiel für die vertragsärztliche Versorgung, vorzusehen.
Das Ministerium für Gesundheit und Soziales hat vorgeschlagen, über eine Lösungsoption des streitigen Schlichtungsverfahrens analog den Tarifabschlüssen nachzudenken. Dies hat die AOK Sachsen-Anhalt jedoch bislang konsequent abgelehnt.
Der Freistaat Bayern hat, wie bereits angedeutet, im vorigen Jahr den Entwurf eines Personalverstärkungsgesetzes in den Bundestag eingebracht, der aber leider aus ideologischen Gründen abgelehnt wurde.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aus der Sicht der Landesregierung ist es dringend geboten, eine Novellierung des Vertragsrechts der ambulanten Pflegedienste durchzuführen, um in etwa eine Waffengleichheit zwischen den Leistungserbringern und den Kostenträgern herbeizuführen. Wir haben bereits im Vorfeld dieser Landtagsdebatte mit anderen Bundesländern Gespräche geführt und sind eigentlich guter Hoffnung, dass es uns gelingen wird, im Bundesrat eine Initiative einzubringen, die die Mehrheit findet, und verbleiben natürlich in der Hoffnung, dass alle anderen Parteien, die diese Problematik ebenso sehen, im Bundesrat dieses entsprechend unterstützen. - Wir bitten, dem Antrag der CDU- und der FDP-Fraktion zuzustimmen.
(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zu- stimmung von Frau Bull, PDS, und von Herrn Dr. Thiel, PDS)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen Abgeordnete! Ich will gar nicht auf Ihre polemischen Äußerungen, Frau Liebrecht, eingehen. Aber es ist in der Tat so, dass sich der Landtag in der letzten Legislaturperiode und insbesondere der Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales damals mehrfach mit dem Thema der häuslichen Krankenpflege befasst hat. Obwohl für einen Teil der Leistungserbringer seit geraumer Zeit keine vertraglichen Vereinbarungen bestehen, ist dennoch im Land Sachsen-Anhalt bisher noch nicht die Situation eingetreten, dass es zu Engpässen bei der Versorgung der Bevölkerung mit Leistungen bei der häuslichen Krankenpflege gekommen ist. Darüber bin ich sehr froh. Ich teile aber die Ansicht des Ministers, dass die Situation insgesamt unbefriedigend ist.
Von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des damaligen Ministeriums für Arbeit, Frauen, Gesundheit und Soziales und - wenn ich Ihre Bemerkungen richtig verstanden habe - auch jetzt in der Nachfolge durch Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind Gespräche mit den Beteiligten geführt worden. Wir haben die Gespräche vom Ministerium aus mehrfach moderiert und wir haben darauf hingewirkt, dass es zu einem freiwilligen Schlichtungsverfahren zwischen den Partnern kommt. Mehrfach sah es auch nach einer Einigung aus, aber leider ist am Ende keine Lösung zustande gekommen, was ich außerordentlich bedauere.
Ich verstehe jetzt allerdings nicht, dass die Regierungsfraktionen ihre Landesregierung auffordern müssen, eine solche Bundesratsinitiative anzustrengen. Die Regierung könnte jetzt tätig werden. Das ist zwischen Ihnen nicht besprochen worden. Aber gut, wir nehmen das hin.
(Herr Scharf, CDU: Sie sind damals ja der Auf- forderung nicht nachgegangen! Sie wollten es ja damals nicht!)
- Sie haben einen solchen Antrag, Herr Scharf, ja niemals gestellt. Reden Sie doch nicht so. - Wir können uns damit einverstanden erklären, dass eine Schiedsstellenregelung im Sozialgesetzbuch V verankert wird. Es muss dafür die Mehrheit im Bundesrat und danach im Bundestag gefunden werden. Ich wünsche Ihnen viel Glück bei einem solchen Verfahren. Wir werden einer solchen Einigung nichts entgegenstellen. Wir hoffen, dass eine solche Initiative Erfolg hat. - Vielen Dank.
Bevor ich für die FDP Frau Seifert das Wort erteile, gestatten Sie mir zwei Zwischenbemerkungen. Zum einen liegt dieser Fragebogen auf Ihren Plätzen. Wir bitten darum, dass diese Fragebögen ausgefüllt auf den Plätzen liegen bleiben.
Eine zweite Bemerkung ist, dass die Abgeordnete Frau Brakebusch seit ca. 16 Uhr ihr Handy vermisst. Sie hat es auf der Damentoilette liegen gelassen. Wir bitten darum, falls es sichergestellt wurde, mit Frau Brakebusch Kontakt aufzunehmen.
Frau Liebrecht und der Minister haben ausführlich zur Begründung des Antrags gesprochen. Die FDP-Fraktion sieht die Errichtung einer Schiedsstelle zum fairen Interessenausgleich zwischen den Leistungserbringern und den Zahlern als dringend notwendig an. Die FDP-Fraktion bittet um Zustimmung zu dem vorliegenden Antrag. Die ausführliche Begründung gebe ich zu Protokoll.
Wie Sie aus dem Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP in Drs. 4/232 entnehmen können, soll die Landesregierung aufgefordert werden, im Bundesrat einen Gesetzesentwurf zur Errichtung einer Schiedsstelle zur Regelung von Streitigkeiten in der häuslichen Krankenpflege nach § 132a SGB V analog § 76 SGB XI einzubringen.
Zur Begründung des Antrages ist zu sagen: Wenn man davon ausgeht, dass über die Hälfte der seit 1990 gebildeten Pflegedienste private Pflegedienste sind, die einen unverzichtbaren Dienst an Betreuung leisten, so ist es doch erstaunlich, dass zwischen den privaten Leistungserbringern von häuslicher Krankenpflege und der AOK, der der größte Teil der pflegebedürftigen Menschen angehört, keine vertraglichen Regelungen mehr über die Vergütung häuslicher Krankenpflege bestehen.
Tatsache ist, dass die von der Krankenkasse angebotene und gezahlte Vergütung angeblich nicht mit den Ver
Bemühungen des Ministers, auf dem Wege eines freiwilligen Schlichtungsverfahrens zu entsprechenden Vereinbarungen über Vergütungszahlungen zwischen Krankenkasse und Pflegedienst zu kommen, haben zu keiner Einigung geführt. Diese Vergütungsproblematik war mehrmals Diskussionsgegenstand im Landtag; siehe Beschluss des Landtages der dritten Wahlperiode vom 12. Oktober 2001.
Rechtlich ist zu sehen, dass auf Ausgestaltung und Inhalte von Vereinbarungen zwischen Leistungserbringern und Zahlern kein Einfluss genommen werden kann und keine Vergütungen durch die Rechtsaufsicht festzulegen sind. Die Leistungserbringer haben auch keine Möglichkeit, einen Anspruch einzuklagen. Vereinbarungen mit Leistungserbringern sind originäres Selbstverwaltungsrecht der gesetzlichen Krankenkassen.
Dieser vertragslose Zustand zwischen den Krankenkassen und den Leistungserbringern von häuslicher Krankenpflege ist mehr als unbefriedigend. Und sollten unterschiedliche Positionen bestehen, bietet dieser vertragslose Zustand keine Konfliktlösung an.
Eine Schiedsstelle zum fairen Interessenausgleich und zum Lösen von Differenzen zwischen Leistungserbringern und Zahlern ist daher dringend notwendig.
Um einer Benachteiligung der privaten ambulanten Krankenpflegebetriebe entgegenzuwirken, bitten wir um Zustimmung zu dem Antrag, in dem die Landesregierung aufgefordert wird, im Bundesrat einen Gesetzentwurf zur Errichtung einer Schiedsstelle zur Regelung von Streitigkeiten in der häuslichen Krankenpflege nach § 132a SGB V analog § 76 SGB XI einzubringen.
Frau Präsidentin! Wenn ich eine lesbare Rede hätte, würde ich sie auch gern zu Protokoll geben. - Das Problem ist, dass wir schon mehrfach im Landtag, auch in den Ausschüssen, über die ganze Frage diskutiert und beraten haben. Damals gab es Konsens, dass eine Schiedsstelle hilfreich wäre. Damals gab es aber auch das Problem, dass das Gesetz, das in den Bundestag eingebracht wurde, noch mit anderen Fragen verquickt und insofern keine klare Unterstützung möglich war.
Wenn die Landesregierung die Schiedsstelle entsprechend § 76 SGB V einrichten möchte, ohne das mit anderen Dinge zu verquicken, dann würde ich sagen wollen, dass die PDS dem Antrag zustimmt. - Danke.
Danke, Herr Abgeordneter Dr. Eckert. - Frau Seifert, wir haben Ihre Rede zu Protokoll genommen. Das ist jetzt ein bisschen untergegangen, weil ich es noch nicht einmal ausdrücklich gesagt hatte.
Zum Abschluss hat Frau Liebrecht noch einmal das Wort. - Frau Liebrecht verzichtet. Es wurde keine Ausschussüberweisung signalisiert.
Dann treten wir in das Abstimmungsverfahren zur Drs. 4/232 ein. Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Damit ist der Antrag einstimmig angenommen. Wir verlassen den Tagesordnungspunkt 16.
Damit sind wir am Ende der 7. Sitzung des Landtages angelangt. Die morgige 8. Sitzung beginnt um 9 Uhr. Wir beginnen dann wie vereinbart mit dem Tagesordnungspunkt 3 - Aktuelle Debatte - und es folgen die Tagesordnungspunkte 4 und 12. - Ich wünsche Ihnen einen angenehmen parlamentarischen Abend.