Protokoll der Sitzung vom 20.01.2006

Die EU-Einnahmen sollen plötzlich für alles herhalten. Wir reden alle davon, dass diese Einnahmen sinken. Sie wollen damit plötzlich noch mehr Ausgaben decken. Aber wie Sie das schaffen wollen, können Sie uns in aller Ruhe im Ausschuss erklären. Wir jedenfalls sind gespannt auf Ihre Ausführungen dazu. Wir sind der Meinung, dass wir hier keine Wahlpropaganda betreiben sollten, sondern dass wir die Dinge etwas tiefgründiger diskutieren sollten. Deswegen plädieren wir für die Ausschussüberweisung. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Tullner. - Nun haben Sie, Frau Dr. Klein, noch einmal das Wort. - Ich sehe, dass der Abgeordnete Herr Gallert entgegnen will. Bitte sehr, Herr Gallert.

Werter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Was mich dazu veranlasst hat, jetzt ans Rednerpult zu gehen, ist die kollektive heitere Gelassenheit, mit der wir über dieses Thema in den letzten rund 25 Minuten diskutiert haben, und zwar deswegen, weil wir mit der Situation konfrontiert sind

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

- jetzt hören Sie einmal zu! -, dass das eines der zentralen Probleme - -

(Unruhe bei und Zurufe von der CDU)

- Das hat er in den letzten 25 Minuten nicht getan, deswegen muss ich das jetzt einmal sagen.

Wir haben es hierbei mit einer der zentralen politischen Auseinandersetzungen in dieser Gesellschaft zu tun, mit einer der Fragen, die übrigens ganz maßgeblich die Bundestagswahl entschieden haben. Wir haben es mit der Situation zu tun, dass wir auch in diesem Land politische Auseinandersetzungen zu dieser Frage gehabt haben, die sehr detailliert und ausgefeilt gewesen sind und

die sich nach der Bundestagswahl völlig gebrochen haben. Das können Sie alle lustig finden.

Aber wenn wir uns das nächste Mal bei entsprechenden, meist katastrophalen Anlässen über Glaubwürdigkeit von Politik unterhalten, dann muss man an dieser Stelle auch einmal die Frage stellen, inwiefern wir Glaubwürdigkeit von Politik selbst noch als ein Kriterium für unser Handeln sehen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS - Unruhe bei der CDU und bei der FDP)

Jetzt rekapituliere ich einmal die Positionen, die in den letzten Jahren geäußert worden sind. Diesbezüglich gibt es Unterschiede. Das hat Frau Dr. Klein auch sehr deutlich gemacht. Sie hat gesagt, dass Professor Böhmer einer der wenigen war, der schon zu einem Zeitpunkt über die Mehrwertsteuererhöhung gesprochen hat, zu dem es in der eigenen Partei noch verpönt gewesen ist.

(Frau Feußner, CDU: Das stimmt!)

Professor Böhmer hat immer gesagt, er sei für die Mehrwertsteuererhöhung, weil damit die Lohnnebenkosten gesenkt werden sollen. Das ist übrigens eine Argumentation, der auch ich mich stärker annähere, als die meisten in meiner Partei es tun.

Schauen wir uns jetzt aber einmal an, was hier passiert ist. Wir haben eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte.

(Herr Tullner, CDU: Avisiert!)

- Berechnet, vorausschauend. Ich nehme die Koalitionsvereinbarung Ihrer Partei ernst, Herr Tullner. Ich weiß nicht, ob Sie das auch tun wollen.

(Zustimmung von Herrn Kasten, Linkspartei.PDS)

Schauen wir uns vor diesem Hintergrund einmal die Mittelverwendung an. Nach meinen Informationen sollen davon 6 Milliarden € in die Arbeitslosenversicherung gehen. Das ist maximal ein Drittel dessen, was über die Mehrwertsteuererhöhung für die öffentlichen Haushalte bereitgestellt werden soll.

Ich sage schon jetzt: Wenn maximal ein Drittel für diesen Verwendungszweck bereitgestellt werden kann, dann müsste Herr Professor Böhmer sagen, dass er unter diesem Aspekt für die Erhöhung der Mehrwertsteuer um einen Prozentpunkt sei. Das ist nämlich ungefähr das, was diesen Anteil ausmacht. Diesbezüglich sehe ich in dieser Situation eine erhebliche Differenz.

Ich sehe eine weitere erhebliche Differenz, liebe Kollegen der FDP. Natürlich ist es nachvollziehbar und aufgrund Ihres sozialökonomischen Konzepts absolut glaubwürdig, dass Sie eine Mehrwertsteuererhöhung ablehnen, und zwar unter allen Bedingungen.

Jetzt haben wir allerdings die Situation, dass Sie in einer Landesregierung sind. In einem solchen Fall macht man möglicherweise Kompromisse. Das ist übrigens eine ganz normale, logische Situation. Es gibt nur eine Ausnahme: Als wir in Landesregierungen mit der Situation von Hartz IV konfrontiert gewesen sind, meinte man, wir dürften das nicht machen und wir müssten die Landesregierungen sofort verlassen, weil auf bundespolitischer Ebene Hartz IV existiere.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS - Herr Gürth, CDU: Nein, nein, nein!)

Nun würde ich einmal eine solche Reflektion machen und sagen: Liebe Kollegen der FDP, Sie müssten sich dann überlegen, ob Sie nicht auch einen solchen Schritt gehen sollten.

Nun könnte man auch noch sagen: Okay, wir differenzieren. Aber dann kommt die Landesvorsitzende der FDP und sagt: Das wird das zentrale Thema für die Auseinandersetzungen im Landtagswahlkampf. - Nun gut, soll sich jeder einen Reim darauf machen. Logisch und für den Wähler nachvollziehbar ist das kaum.

Schließlich haben wir das Problem der Kollegen Sozialdemokraten. Dies ist zweifellos das interessanteste, dies ist zweifellos das am meisten substanzielle; denn man muss nichts anderes machen, als die Wahlkampfaussagen der SPD heranzuziehen, um die Position, die die SPD jetzt hat, zu widerlegen.

Nun könnte man auch sagen: In Ordnung, das ist deren Problem. Aber auch das ist ein Glaubwürdigkeitsproblem an dieser Stelle.

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

Jetzt habe ich einen Punkt erreicht, an dem ich wirklich ins Grübeln gekommen bin. Mein Kollege Bullerjahn, der wahrscheinlich durchaus bewusst die jetzige Debatte nicht verfolgt hat, schreibt dann auch noch in einem Interview oder er lässt es schreiben, dass der zentrale Gesichtspunkt, der darüber entscheide, ob seine Partei bereit sei, mit der CDU auf Landesebene zusammenzuarbeiten, die Zustimmung der CDU zur Erhöhung der Mehrwertsteuer sei.

An dieser Stelle hebelt sich jede politische Logik aus. Was kommt denn als Nächstes von der SPD? Verlangen Sie, dass die CDU im Land die Reichensteuer ablehnt, um mit ihr in Zukunft zusammenarbeiten zu können? - Mit dieser Geschichte hat man seine Glaubwürdigkeit endgültig verspielt.

(Frau Feußner, CDU: Denken Sie doch an Ihre Glaubwürdigkeit, statt die Glaubwürdigkeit ande- rer zu kritisieren!)

Und dann sage ich noch einmal - ich habe auf diesen Satz gewartet -: Es ist Wahlkampf. Natürlich führen wir politische Wahlkampfauseinandersetzungen. Es wird Wahlkampf geben. Das war eines der bestimmenden Themen in der Vergangenheit und das wird es bleiben. Dabei werden wir das Thema Glaubwürdigkeit ansprechen. Dazu benutzen wir den Ort, der dafür gedacht und richtig ist, nämlich diesen Landtag, diese Plenarsitzung und diese Abstimmung. - Danke.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS - Zurufe von der CDU)

Vielen Dank, Herr Gallert. - Meine Damen und Herren! Wir treten nun in das Abstimmungsverfahren zu den Drs. 4/2572 und 4/2581 ein. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, Herr Tullner, haben Sie die Überweisung in den Wirtschaftsausschuss und in den Finanzausschuss beantragt.

(Herr Tullner, CDU: Nur in den Finanzausschuss!)

- Nur in den Finanzausschuss. - Dann stimmen wir also über die Überweisung beider Anträge in den Finanzausschuss ab. Wer einer solchen Überweisung - meinetwegen auch etwas schmunzelnd - seine Zustimmung

gibt, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Zustimmung bei den Fraktionen der CDU und der FDP. Gegenstimmen? - Gegenstimmen bei der Fraktion der Linkspartei.PDS und bei der SPD-Fraktion. Damit ist der Überweisung dieses Antrages in den Ausschuss mehrheitlich zugestimmt worden und Tagesordnungspunkt 20 ist abgeschlossen.

Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir noch eine letzte Bemerkung. Wir sind damit am Ende der 37. Sitzungsperiode des Landtages angelangt. Ich habe für Sie noch eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute Nachricht: Uns allen steht zum Wochenende und da

nach Damenbesuch ins Haus. Die schlechte Nachricht: Diese Dame wird entgegen sonstigen Erfahrungen nicht Wärme, sondern sehr viel Kälte, russische Kälte bringen. Es ist das Islandtief „Jeanette“. Es steht uns ein Wintereinbruch bevor.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie schnell und sicher nach Hause kommen. Ziehen Sie sich warm an, damit ich Sie gesund und wohlbehalten zur 38. Sitzungsperiode des Landtages begrüßen kann, zu der ich Sie für den 16. und 17. Februar 2006 einladen werde.

Schluss der Sitzung: 14.28 Uhr.