Vielen Dank, Frau Brakebusch. - Für die SPD-Fraktion spricht nun die Abgeordnete Frau Mittendorf. Bitte sehr, Frau Mittendorf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den Ausführungen meiner Vorredner und Vorrednerinnen macht sich bei mir - das muss ich sagen - Ärger breit, und zwar deshalb, weil wir gerade vor dem Hintergrund der gestern geführten Debatte über Bildungspolitik in diesem Lande und darüber, dass Bildung in dieser Gesellschaft eher ungerecht als gerecht verteilt ist, eine
Diskussion führen, die logischerweise zwei Ansätze hat, nämlich den bildungspolitischen und natürlich auch einen finanzpolitischen Ansatz.
Aber ich finde, vor dem Hintergrund dessen, was wir gerade gestern diskutiert haben bzw. was uns in den letzten Jahren an Erkenntnissen über die Dinge vorgebracht worden ist, die mit Bildung in Deutschland, ganz besonders in Sachsen-Anhalt zu tun haben, muss man sich einfach dazu durchringen, den bildungspolitischen Ansatz vernünftig zu Ende zu bringen.
Ich habe gar nichts dagegen, dass man dann über die Finanzen redet. Das ist notwendig, weil man schlecht über das Geld anderer Leute bestimmen kann. Aber vor dem Hintergrund der Tatsache, wie das mit diesen Anträgen gelaufen ist, denke ich schon, dass der Schwerpunkt der Debatte bei der Bildungspolitik liegen sollte.
Es ist in der Tat ungewöhnlich, dass aus Anträgen heraus, die noch im Ausschuss behandelt werden, ein neuer Antrag entwickelt wird, der hier zur Abstimmung gestellt wird. Das ist ungewöhnlich, aber nicht unmöglich, weil man, wenn man aus der Diskussion im Ausschuss Erkenntnisse gewinnt und meint, das Ganze zu qualifizieren, das tun kann. Ich denke, es ist in der Tat in Ordnung.
Wir werden diesen Antrag in der Sache unterstützen, wohl wissend, dass wir, wenn wir ihn in den Ausschuss überweisen würden, ein größeres Problem bekämen, als wenn wir über den Antrag abstimmen würden, und zwar aus dem folgenden Grund: Sie wissen selbst, dass die Frist, in der wir in diesem Landtag zu Entscheidungen kommen müssen, nur noch sehr kurz ist.
Wenn wir - ich glaube, darum geht es der Antragstellerin - ein eindeutiges politisches Signal senden wollen, nämlich dass wir die Bildung und die Ansprüche an die Bildung ernst nehmen, dass wir die Kritik ernst nehmen, die wir bezüglich unseres Bildungssystems und der sozialen Aussonderung in diesem System erfahren, müssen wir einem solchen Antrag zustimmen.
Dieser Antrag fordert dazu auf, Vorschläge zu entwickeln und initiativ zu werden. Das heißt noch lange nicht, dass alle Vorschläge, die unterbreitet werden, letztendlich auch in die Tat umsetzbar sind. Es ist ein umfangreicher und komplexer Prüfauftrag.
Ich denke, diesen Auftrag sollte man der Landesregierung heute geben; denn sie soll auch die Chance haben, ihren eigenen Worten gerecht zu werden, wenn sie sagt: Bildung in Deutschland ist vom Prinzip für alle erreichbar.
Wir haben - möglicherweise nehmen wir das unterschiedlich wahr - tatsächlich die Situation, dass Kinder aus sozial schwächeren oder aus einkommensärmeren Schichten erheblich seltener Zugang zu Bildung haben, weil sie schon durch das Schulsystem „ausgesondert“ werden. Durch die unterschiedlichen Regelungen bezüglich des Zugangs zu weiterführenden Schulen wird diese Aussonderung noch einmal verstärkt.
In diesem Sinne wird die SPD-Fraktion einer Überweisung nicht zustimmen, sondern sie fordert die direkte Abstimmung über den Antrag. Es geht hier um Goodwill und um ein ehrliches Bekenntnis dazu, wie wichtig Bildung uns für alle Kinder aus allen Schichten der Bevölkerung ist. - Vielen Dank.
Danke sehr, Frau Mittendorf. - Meine Damen und Herren! Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag der FDPFraktion fort. Es spricht zu uns in Vertretung von Frau Seifert Herr Scholze. Bitte sehr, Herr Scholze.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der gestrigen Debatte sind Fragen der Bildungspolitik ausführlich erörtert worden. Von allen Debattenrednern ist, wenn auch mit unterschiedlichen Nuancen, zu Recht die Schlüsselrolle von Bildung für die Entwicklung der Persönlichkeit unterstrichen worden. Von allen ist ausgeführt worden, dass die Chancengleichheit als eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Bildungskarriere des Einzelnen anzusehen ist. Im Grunde sind wir uns alle darüber einig, dass die finanzielle Situation der Eltern nicht entscheidend dafür sein darf, welcher Bildungsweg von einem Kind eingeschlagen wird.
Meine Damen und Herren! Mit der Problematik der Kosten für die Schülerbeförderung für Kinder aus Familien, deren Eltern Leistungsempfänger nach dem SGB II sind und bei denen die Übernahme der Schülerbeförderungskosten nicht durch die Regelung in § 71 Abs. 2 des Schulgesetzes gedeckt ist, befasst sich der Landtag nicht zum ersten Mal.
Auf der Grundlage des Antrages der Fraktion der Linkspartei.PDS vom 31. August 2005 bzw. des Änderungsantrages der Koalitionsfraktionen vom 9. September 2005 hat sich der Bildungsausschuss mit dieser Problematik ausführlich befasst. Es ist unter anderem deutlich geworden, dass es richtig war, die Problemlage fundiert zu analysieren und zu prüfen, welcher Personenkreis betroffen sein kann.
Festzustellen ist, dass es in Einzelfällen dazu kommt, dass Kinder von SGB-II-Empfängern oder von Sozialhilfeempfängern, aber auch aus Familien mit einem geringen Einkommen aus sozialversicherungspflichtiger Erwerbsarbeit möglicherweise an einer chancengerechten Bildungsbeteiligung gehindert sein könnten. Das kann auch auf Jugendliche zutreffen, die bereits selbständig sind und außerhalb des Elternhauses wohnen, aber ohne eigenes Einkommen sind, zum Beispiel Jugendliche, die als Berufsfachschüler eine Ausbildung wahrnehmen.
Das Kultusministerium hat eine Übersicht erarbeitet und vorgestellt, die die Problemlage nach Landkreisen getrennt aufzeigt. Aufschluss darüber, ob und wie viele Fälle es gibt, die den Abbruch des weiteren Schulbesuchs zur Folge haben, konnte die Abfrage bei den kommunalen Trägern der Schülerbeförderung nicht geben.
Aus meiner Sicht ist die Problematik dennoch weiter zu verfolgen. Deshalb wollen wir im Interesse der Betroffenen klären, ob und welche Möglichkeiten bestehen, grundsätzlich eine Lösung herbeizuführen.
Deshalb empfehlen auch wir, diesen Antrag in den Bildungsausschuss zu überweisen und dort über die Problematik, wie bereits angedeutet, weiter zu diskutieren und mit den kommunalen Spitzenverbänden auf Lösungsmöglichkeiten hinzuarbeiten. Im Namen der FDPFraktion empfehle ich daher die Überweisung in den Ausschuss für Bildung und Wissenschaft. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Scholze. - Für die Fraktion der Linkspartei.PDS hat noch einmal Frau Dr. Hein das Wort. Bitte sehr, Frau Dr. Hein.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Ich habe vorhin schon einmal versucht zu erklären, warum wir zu dem Mittel gegriffen haben - zu dem Sie uns übrigens ermutigt haben -, noch einmal einen Antrag zu stellen. Das hat einfach damit zu tun, dass wir am 25. Januar 2006, also in der kommenden Woche, eine Ausschusssitzung haben, die letzte, in der der Ausschuss vor der letzten Landtagssitzung noch etwas beschließen kann; und das Thema steht nicht auf der Tagesordnung.
Wir haben unsere Angebote gemacht, eine von Ihnen geänderte Beschlussempfehlung lag im Ausschuss nicht vor. Ich sehe auch heute nicht, dass Sie irgendetwas in dieser Richtung einzubringen haben. Deshalb frage ich mich schon, was eine Ausschussüberweisung bringen soll, wenn Sie das Problem offensichtlich nicht lösen wollen.
(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS - Herr Tull- ner; CDU: Wer sagt denn das? - Frau Feußner, CDU: Das stimmt nicht!)
Zu dem Minister muss ich sagen: Sie erklärten heute genau genommen das Gleiche, was Sie schon im September erklärt haben.
Wie gesagt, unser Antrag kam im September, nicht im Oktober, November, Dezember, sondern im September. Wir haben ihn deshalb vorgelegt, weil uns im Sommer aufgegangen ist - das ist auch schon reichlich spät gewesen -, dass sich mit der Einführung des ALG II - deshalb hat sich der Antrag zunächst nur auf diese Gruppe bezogen - eine große Anzahl von Betroffenen in einer Situation befindet, in der sie sich vorher eben nicht befunden hat. Das ist vom Bundesgesetzgeber nicht bedacht worden. Diesem Problem kann der Landesgesetzgeber nicht in gleicher Weise gegensteuern.
Deshalb haben wir den Antrag gestellt und deshalb war er nur auf diese Gruppe gerichtet. Wir wussten auch schon damals sehr wohl - Sie haben jetzt auch gesagt, dass es so ist; da haben Sie Recht -, dass es mehr betrifft als nur diese Gruppe.
Herr Minister, ich muss Ihnen sagen: Phantasielosigkeit habe ich Ihnen nie zugetraut, aber das, was Sie heute gesagt haben, was Sie alles mit den kommunalen Spitzenverbänden nicht vereinbaren können, zeugt von ausgesprochener Phantasielosigkeit.
Schauen Sie sich einmal Ihre Vorgänger an. Sie sind solche Wege gegangen; sie haben solche Vereinbarungen
getroffen, die zwar auch nur von begrenzter Existenz waren, aber immerhin war es erst einmal ein Schritt.
Sie sagen, das könnten Sie nicht machen, das sei ein Eingriff. Ich rede nicht von einem Eingriff, sondern von einer Moderation. Vielleicht kann man wenigstens das tun. Denn bei anderen Themen tun Sie es sehr wohl. Ich frage mich schon, warum das ausgerechnet bei diesem Thema nicht geht.
Es geht weiß Gott nicht nur um das Abitur. Das Einkommen von Jugendlichen, die sich in einer Berufsausbildung befinden - in der vollzeitschulischen gibt es sowieso nichts, aber in der dualen -, wird auf die Leistungen, die die Bedarfsgemeinschaft erhält, angerechnet. Sie sind deshalb in der gleichen Lage.
Ich glaube, von Ihnen kann sich kaum noch einer vorstellen, was Familien mit einem solchen Einkommen alles tun müssen, um damit den Monat über zurechtzukommen. Dann sind Schülerbeförderungskosten in Höhe von 140 €, 60 € oder 90 € im Monat ein Packen, den man nicht schultern kann.
Es ist schon sehr bedenklich, wenn Bildungskarrieren offensichtlich danach ausgerichtet werden, was an Finanzen im Haushalt zur Verfügung steht. Auch das ist eine mögliche Ursache, warum wir von den Problemen nichts erfahren.
- Ich komme schon zu dem Wort Populismus, meine Damen und Herren. - Sie hätten uns echt den Schneid abkaufen können und ich hätte damit überhaupt kein Problem gehabt. Aber genau das haben Sie nicht getan.
Was meinen Sie denn, wenn Sie uns eine solche Steilvorlage geben, was wir in den nächsten Tagen und Wochen mit dieser Problematik tun werden? - Stimmen Sie diesem Antrag zu oder lehnen Sie ihn ab oder verschieben Sie ihn in den Ausschuss, um ihn zu beerdigen - dies alles gibt ein deutliches Bild von Ihrem Sozialverständnis. Das werden wir selbstverständlich im Wahlkampf benutzen.
Vielen Dank, Frau Dr. Hein. - Meine Damen und Herren! Damit ist die Debatte beendet. Wir kommen zum Abstimmungsverfahren zur Drs. 4/2568. Beantragt wurde eine Überweisung in den Ausschuss für Bildung und Wissenschaft. Damit müssen wir zunächst über die Ausschussüberweisung abstimmen.
Wer also einer Überweisung in diesen Ausschuss die Zustimmung gibt, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Zustimmung bei der CDU- und bei der FDP-Fraktion. Gegenstimmen? - Bei der Fraktion der Linkspartei.PDS und bei der SPD-Fraktion. Damit ist die Überweisung mehrheitlich angenommen worden. Damit ist der Tagesordnungspunkt 18 erledigt, meine Damen und Herren.
Meine Damen und Herren! Wir haben etwas mehr als eine Stunde Verzug. Ich hoffe, in Ihrem Interesse zu handeln, wenn wir dennoch keine Mittagspause machen, sondern zügig in der Debatte fortfahren.