Protokoll der Sitzung vom 11.10.2002

Danke. - Für die PDS-Fraktion erhält die Abgeordnete Frau Dr. Weiher das Wort.

(Frau Dr. Weiher, PDS: Da wir dem Antrag zu- stimmen, verzichten wir auf einen Redebeitrag!)

- Die PDS-Fraktion verzichtet auf einen Redebeitrag. - Die CDU-Fraktion hatte einen Redebeitrag von Herrn Tullner angemeldet.

(Herr Tullner, CDU: Ich gebe meine Rede zu Pro- tokoll! - Beifall bei der CDU und bei der FDP)

- Der geht zu Protokoll.

(Zu Protokoll:)

Die Landesregierung von CDU und FDP ist mit dem Ziel angetreten, eine hochschulpolitische Offensive zur Stärkung des Wirtschafts- und Wissenschaftsstandortes Sachsen-Anhalt voranzutreiben (Koalitionsvereinbarung). Dazu trägt die angestrebte Budgetierung der Universitäten des Landes als Folge der bereits durchgeführten Budgetierung der Fachhochschulen sowie der Hochschule für Kunst und Design in Halle bei.

Budgetierung mit dem Ziel eines weitgehenden Globalhaushaltes einschließlich der uneingeschränkten Übertragbarkeit von Haushaltsresten ist im Hinblick auf einen

freien Wettbewerb der Hochschulen und Fachhochschulen nicht nur ein geeignetes, sondern auch notwendiges Mittel zur Stärkung der Autonomie der Hochschulen und Fachhochschulen. Es besteht offenkundig Einigkeit, dass die weitgehende Autonomie der Universitäten, Hochschulen und Fachhochschulen an die Stelle der staatlichen Steuerung treten soll.

Wir begrüßen deshalb ausdrücklich den hier vorgelegten Antrag, da er in Frageform die richtigen, wegweisenden Aspekte der notwendig werdenden Schritte für eine Budgetierung aller Hochschuleinrichtungen aufgreift. Allerdings sollten wir als Gesetzgeber im Rahmen einer solchen Debatte auf die herausgehobene Stellung und das ureigene Recht des Parlaments zur Aufstellung des Landeshaushaltes hinweisen. Mit der Budgetierung wird der Grundsatz der Jährlichkeit der Haushaltsaufstellung unterlaufen. Deshalb sollten wir in der Tat Wert auf eine durchgängige und rechtzeitige Kontrolle der Entwicklung des Hochschulbereiches legen.

Die angestrebten Zielvereinbarungen sollen den Finanzierungsrahmen und den Aufgabenumfang abstecken und so dem Einfluss des Parlaments, also unserem Einfluss, zur Geltung verhelfen. Wir behalten somit die Möglichkeit, koordinierend in die hochschulübergreifende Aufgabenwahrnehmung einzugreifen, ohne damit eine Detailkontrolle ausüben zu wollen. Die uns als Parlamentarier gegenüber vorgesehenen Informationspflichten tragen darüber hinaus zur Wahrung der ureigenen parlamentarischen Rechte bei.

In den Zielvereinbarungen, die zwischen dem Land und den Hochschulen geschlossen werden sollen, muss sichergestellt werden, dass die vom Parlament bewilligten Mittel angemessen - das heißt im Sinne einer zweckgerichteten und der Effizienz verpflichteten Aufgabenwahrnehmung - verwendet werden. Es muss im Ergebnis eine Balance zwischen der flexiblen Mittelbewirtschaftung durch die Hochschulen und zwischen den Budget- und Kontrollrechten des Parlamentes gefunden werden.

Ich bin zuversichtlich, dass die Landesregierung zufrieden stellende Antworten auf die in dem Antrag aufgeworfenen Fragen geben wird und möchte der Opposition die wohlwollende Zustimmung der CDU-Fraktion zu dem Antrag versichern.

Frau Dr. Kuppe, möchten Sie noch einmal für die SPDFraktion das Wort ergreifen?

(Frau Dr. Kuppe, SPD: Nein!)

- Nein. - Damit kommen wir zur Abstimmung.

Wir stimmen über den Antrag als solchen ab. Wer dem Antrag in der Drs. 4/237 seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Damit ist der Antrag einstimmig angenommen worden und der Tagesordnungspunkt 20 ist abgeschlossen.

Meine Damen und Herren! Ich möchte noch darauf hinweisen, dass wir eben auf diese Weise verfahren konnten; die Geschäftsordnung lässt das zu.

(Heiterkeit)

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 21 auf:

Beratung

Verfassungsmäßigkeit des Nachtragshaushalts

Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 4/238 neu

Einbringer für die SPD-Fraktion ist der Abgeordnete Herr Doege. Bitte sehr, Herr Doege.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Die Konsensphase ist an diesem Punkt vermutlich schon wieder zu Ende.

(Frau Dr. Hüskens, FDP: Das ist klar!)

Trotzdem werde ich mich bemühen, das Thema in aller Sachlichkeit abzuhandeln.

Der von der Landesregierung vorgelegte Nachtragshaushalt 2002 wurde bekanntlich in der Sitzung am 18. Juli dieses Jahres verabschiedet. In meinem Redebeitrag damals habe ich für die SPD-Fraktion erklärt, dass wir nach gründlicher Prüfung der Rechtslage, der Stellungnahme des GBD, der Stellungnahme des Landesrechnungshofes sowie erforderlichenfalls der Stellungnahme eines weiteren Verfassungsrechtlers uns vorbehalten, das Landesverfassungsgericht anzurufen.

Die SPD-Fraktion hat im Juni den GBD mit der Erstellung eines Rechtsgutachtens beauftragt, welches die Prüfung der Verfassungsgemäßheit des Nachtragshaushalts zum Ziel hatte.

Das inzwischen vorliegende Gutachten bekräftigt unseres Erachtens in weiten Teilen unsere Auffassung, wonach das Nachtragshaushaltsgesetz 2002 verfassungswidrig ist. Es rückt insbesondere die mangelnde wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Begriff „Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ in den Mittelpunkt.

Nach der Meinung der SPD-Fraktion bildet das Gutachten eine Grundlage für eine ausführliche Diskussion über die Interpretation und Auslegung des Begriffes „Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“. Im Hinblick auf die kommenden Haushaltsberatungen ist diese Diskussion meines Erachtens unerlässlich; denn es ist nicht auszuschließen, dass es künftig bei enger werdenden finanziellen Spielräumen zu einem vergleichbaren Vorgehen mit gleicher Argumentation dieser Landesregierung oder anderer Landesregierungen kommen kann.

Auf den Umgang sollten wir uns in den Ausschüssen für Finanzen, für Recht und Verfassung sowie für Wirtschaft und Arbeit verständigen und dann möglichst auch eine einvernehmliche Begriffsbestimmung erzielen.

Die SPD-Fraktion erwartet von der Landesregierung, dass sie sich in den genannten Ausschüssen insbesondere dazu erklärt, inwieweit das Nachtragshaushaltsgesetz und die dort enthaltenen Maßnahmen zur Beseitigung der erklärten angeblichen Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts erfolgreich waren, inwiefern sie in Bezug auf die Überschreitung der verfassungsmäßigen Kreditobergrenze ihrer Informationspflicht gegenüber dem Bund als Unterzeichner der Maastricht

Kriterien nachgekommen ist und warum der Defizitausgleich des Haushaltsjahres 2001 nicht erst im Haushaltsjahr 2003 veranschlagt worden ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte es an dieser Stelle gleich vorwegnehmen: Die SPD-Fraktion hat nach eingehenden Beratungen beschlossen, nicht vor das Verfassungsgericht zu ziehen. Für uns und für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes hätte eine Entscheidung, die vermutlich erst im nächsten Jahr getroffen werden würde, letztlich keinen Nutzen. Wir werden unsere Kraft dafür verwenden, den Haushalt 2003 zu begleiten, den Sie selbst zum Schicksalshaushalt für Sachsen-Anhalt hochstilisiert haben.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich deshalb nun einige Ausführungen zu dem Gutachten machen. Die SPD-Fraktion teilt zunächst die Auffassung, die auch vom GBD in dem Gutachten dargelegt worden ist,

(Herr Scharf, CDU: Von Herrn Sälzer! - Herr Dr. Püchel, SPD: Das sind Schlachten von ges- tern!)

- Herr Scharf, hören Sie doch einfach zu; Sie können sich doch noch dazu äußern - dass das Nachtragshaushaltsgesetz formal verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden wäre.

Die Beurteilung der materiellen Rechtmäßigkeit bedarf allerdings einer differenzierteren Betrachtung. Die allgemeinen Haushaltsgrundsätze sind weitgehend berücksichtigt worden. Allerdings ist die von Ihnen auch immer erklärte stringente Einhaltung des Grundsatzes der Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit unseres Erachtens im Einzelfall nicht immer in der gebotenen Weise berücksichtigt worden. Ich möchte an dieser Stelle nur auf die Überführung des Kapitels Arbeitsmarkt in den Einzelplan des Wirtschaftsministeriums verweisen.

Hauptdiskussionspunkte sind unseres Erachtens allerdings drei Punkte, auf die ich in der Folge noch etwas näher zu sprechen kommen werde.

Zunächst ist der verfassungsrechtliche Rahmen der Kreditfinanzierung zu nennen. Nach Artikel 109 Abs. 2 des Grundgesetzes wird vom Haushaltsgesetzgeber gefordert, dass er bei der Aufstellung eines Haushaltes das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht beachtet. Diese Regelung des Grundgesetzes korrespondiert auch mit Artikel 99 Abs. 2 und 3 der Verfassung unseres Landes.

Darin ist klar festgelegt, dass man zwischen der Normallage und der Störungslage unterscheidet. In beiden Fällen ist die Orientierung am gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht geboten. Die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts stellt den Haushaltsgesetzgeber von der Bindung an die Kreditobergrenze frei. Die Störung ist Voraussetzung und deren Beseitigung das Ziel der Überschreitung der verfassungsmäßigen Kreditobergrenze.

Der Begriff „gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht“ ist in unser Verfassung, aber auch im Grundgesetz nicht näher definiert worden. Man versteht darunter einen Optimierungsprozess, der vier Teilziele verfolgt, nämlich Preisstabilität, einen hohen Beschäftigungsgrad, das außenwirtschaftliche Gleichgewicht und ein angemessenes Wirtschaftswachstum.

Der Tatbestand der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts bedarf deshalb einer Präzisierung in

qualitativer und räumlicher Hinsicht. Da es sich hierbei um keinen statischen Zustand, sondern um eine ständig schwankende Beziehung zwischen den von mir genannten vier Komponenten handelt, ist die Labilität der Beziehungen zwischen diesen vier Komponenten die Normallage. Eine ernsthafte Störung ist erst dann gegeben, wenn durch massive Disproportionen dieses Gleichgewicht ernsthaft und nachhaltig außer Kontrolle geraten ist oder zu geraten droht. Es kommt also bei der Betrachtung der einzelnen vier Komponenten nicht darauf an, wie sich die einzelne entwickelt hat, sondern wie sich das Verhältnis untereinander entwickelt hat.

Die räumliche Abgrenzung scheint durch den Wirkungsraum der Landesverfassung begrenzt zu sein. Dies widerspricht allerdings der Definition des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Die Haushaltsautonomie der Länder wird durch Artikel 109 Abs. 2 des Grundgesetzes im Bereich der Konjunkturpolitik deshalb spürbar eingeschränkt.

Die Landesregierung hat unter Verweis auf Artikel 99 Abs. 3 der Landesverfassung als Begründung für die gesamtwirtschaftliche Störungslage unter anderem ausgeführt, dass die Arbeitsmarktlage in Sachsen-Anhalt dramatisch wäre, es im Haushaltsjahr 2001 eine rückläufige Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts gegeben hätte, dass sich der Abwärtstrend im Bereich der Bauwirtschaft fortsetzen würde und es erhebliche Differenzen zwischen der Zahl der Gewerbean- und Abmeldungen gäbe.

Allerdings ist kein Versuch unternommen worden, eine regionale Abgrenzung auf Sachsen-Anhalt vorzunehmen. Nein, im Gegenteil: Der Ministerpräsident selbst hat in seinen Ausführungen bestritten, dass man dieses auf Sachsen-Anhalt begrenzen könne. Es ist jedoch notwendig, den Beweis dafür anzutreten, dass eine erhöhte Kreditaufnahme in Sachsen-Anhalt geeignet ist, um diese Störung zu beseitigen.

Die Behauptung, in Sachsen-Anhalt bestehe eine Störungslage, ist inhaltlich nicht ausreichend begründet worden. Die strukturellen Defizite in Sachsen-Anhalt, die im Finanzausschuss während der Beratungen immer wieder zutage getreten sind, dürfen nicht mit Krediten finanziert werden. Die Landesregierung und auch Vertreter der Koalitionsfraktionen haben letztlich bei allen Beratungen in den Ausschüssen und auch im Finanzausschuss nicht nachweisen können, dass es konjunkturelle Defizite gäbe, sondern es ist immer wieder zutage getreten, dass man strukturelle Defizite in diesem Land angesprochen hat.

Die Ausrufung der Störungslage steht im Widerspruch zu den Feststellungen der Organe der finanz- und wirtschaftswissenschaftlichen Willensbildung. In diesem Zusammenhang verweise ich auf die Gutachten des Sachverständigenrats, auf den Fortschrittsbericht beim Aufbau Ost, auf den Konjunkturbericht der Deutschen Bundesbank und auf Prognosen der NordLB. Darin ist nachzulesen, wie sich die Entwicklung in Sachsen-Anhalt im Verhältnis zu der in den anderen Bundesländern vollzieht.

Es gab keine ausreichende Auseinandersetzung der Landesregierung mit dem Erfordernis der Darlegung, dass es sich um nachvollziehbare und vertretbare Kriterien handle. Darlegungen hinsichtlich der Eignung der Kreditaufnahme zur Abwendung der Störungslage wurden