Protokoll der Sitzung vom 17.11.2006

Ich will Ihnen Folgendes sagen und ich will es in der Öffentlichkeit tun: Falls Sie einmal, was ich nicht hoffe,

(Zuruf von Frau Bull, Linkspartei.PDS)

in die Lage kommen sollten, Verantwortung in diesem Land zu tragen, dann würden Sie Ihren zentralistischen Charakter sehr stark austoben. Das werden die Leute dann merken.

(Zustimmung bei der CDU - Zurufe von der Links- partei.PDS)

Meine Damen und Herren! Die CDU verfolgt gesellschaftspolitisch einen anderen Ansatz, nämlich das Subsidiaritätsprinzip. Das heißt, dort, wo der unteren Ebene oder der unteren Einheit der Vorrang gegeben werden kann, werden wir ihr auch den Vorrang geben.

Deshalb, meine Damen und Herren, wirbt die CDU seit 15 Jahren für den Weg des freiwilligen Zusammenschlusses von kleineren Gemeinden zu größeren Einheiten, insbesondere dort, wo diese Zusammenschlüsse größere Effektivität versprechen. Deshalb, meine Damen und Herren, haben wir auch eine Kreisneugliederung mit Augenmaß durchgeführt.

(Frau Dr. Klein, Linkspartei.PDS: Ach nee!)

Deshalb, meine Damen und Herren, haben wir zu gemeindlichen Zusammenschlüssen ermuntert, aber nur wenig gesetzlichen Zwang ausgeübt.

(Herr Kosmehl, FDP: Richtig!)

Meine Damen und Herren! Die SPD traut diesem Weg der werbenden Freiwilligkeit nicht so viel zu wie die CDU. Aber beiden Parteien gemeinsam ist der Wille, die Effizienz der Kommunalverwaltungen weiter zu erhöhen.

Deshalb, meine Damen und Herren - das hat Herr Bullerjahn seinerseits ausgeführt -, ist im Koalitionsvertrag ein Kompromiss zwischen diesen unterschiedlichen Politikansätzen gefunden worden. Dieser Kompromiss stellt eine verlässliche Handlungsgrundlage für die gesamte fünfte Wahlperiode in diesem Landtag von Sachsen-Anhalt dar.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD)

Die einschlägigen Passagen des Koalitionsvertrages sind hinlänglich bekannt. Ich muss sie nicht noch einmal zitieren. Die CDU wird diesen Vertrag einhalten, meine Damen und Herren. Die CDU wird aber bei der Umsetzung des Koalitionsvertrages darauf achten, dass wir für die kommunalen Belange möglichst angemessene Lösungen finden. Nach dem Abschluss der Verhandlungen werden wir diese Lösungen dann auch gemeinschaftlich in dieser Koalition umsetzen.

Die Linkspartei.PDS-Fraktion hat in ihrem Antrag die Koalition angeregt, bei der Erarbeitung des Leitbildes weitere präzisierende Schritte in Umsetzung des Koalitions

vertrages jetzt zu überlegen. In diesem Punkt haben wir unseren Zeitplan bestimmt.

In unserem Alternativantrag machen wir deutlich, dass wir erwarten, dass die Landesregierung bis Dezember 2006 ein Leitbild vorlegen wird. Dieses soll in enger Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden erfolgen. Diese haben übrigens in Ihrer Rede gar keine Rolle gespielt, in unserem Koalitionsvertrag aber schon.

Wir haben auch vereinbart, dass in diesem Leitbild für Gebiete mit geringer Bevölkerungsdichte und/oder mit besonderer geografischer Lage besondere Lösungen gefunden werden müssen. Das heißt, es wird dort Einheitsgemeinden geben, die als Ausnahmen im Leitbild besonders definiert werden. Für diese Einheitsgemeinden werden wir besondere Formen der gemeindlichen Zusammenarbeit entwickeln.

Meine Damen und Herren! In den nächsten Wochen wird die Landesregierung Eckpunkte für dieses Leitbild vorlegen. Heute geht es nicht um quantitative Festlegungen. Insofern - das will ich ganz deutlich sagen - sind alle Papiere und alle öffentlichen Verlautbarungen, die Zahlen enthalten, nicht Gegenstand von Verhandlungen gewesen, die in den letzten Tagen zwischen der CDU und der SPD geführt wurden.

(Herr Kosmehl, FDP: Hört, hört!)

Ich will Ihnen eines ganz deutlich sagen - dabei werde ich mich auf die Ausführungen von Herrn Bullerjahn beziehen -: Wir werden in dieser Frage auch weiterhin zusammenkommen, wenn es um die quantitativen Festlegungen geht. Das war aber bis heute nicht unsere Hausaufgabe.

Meine Damen und Herren! Unser Alternativantrag manifestiert den festen Willen der Koalition, eine wichtige Aufgabe der fünften Legislaturperiode einer gemeinsamen Lösung zuzuführen. Die Linkspartei.PDS wollte heute von der Koalition ein klares Meinungsbild haben. Sie wird es bekommen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Scharf. - Nun spricht für die FDP-Fraktion Herr Wolpert.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vorab ein Wort in Richtung Linkspartei.PDS-Fraktion. Herr Gallert, wir haben in der letzten Legislaturperiode einmal ein Gesetz mit einem langen Namen beschlossen, das hieß „Gesetz zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung und Fortentwicklung der Verwaltungsgemeinschaften“. Wenn Sie damals Ihre Redekunst auch so vehement eingesetzt hätten, dann hätte ich einiges von dem verstanden, was Sie heute vorgetragen haben.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Aber Sie haben Recht. Ich freue mich, dass Sie inzwischen zu der Einsicht gekommen sind, dass dieses Gesetz, das wir damals beschlossen haben, gut war, weil es nämlich den Effekt hatte - das haben Sie angesprochen -, dass ca. 50 % der bestehenden Verwaltungsämter eingespart wurden.

(Zustimmung bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Davon entfernt sich die CDU gerade wieder gedanklich, aber darauf komme ich später noch.

Die kommunale Selbstverwaltung stellt ein hohes verfassungsrechtliches Gut dar. Deshalb muss die Landesregierung über eine starke Rechtfertigung verfügen, wenn sie, wie im Koalitionsvertrag festgelegt, einen flächendeckenden Zwang zur Bildung von Einheitsgemeinden einführt.

Nach Auffassung der Liberalen sind auch bei der Kommunalreform Bürgernähe und Effizienz die maßgeblichen Eckpunkte. Das Gefühl der Heimat führt bei vielen Bürgern zu der Bereitschaft, in einem überschaubaren und erfassbaren Gebiet Verantwortung für das Gemeinwohl zu übernehmen. Dieses bürgerschaftliche Engagement ist gerade in einem Flächenland wie SachsenAnhalt unverzichtbar. Die FDP setzt sich für die Stärkung dieses bürgerschaftlichen Engagements ein, und das hauptsächlich.

Meine Damen und Herren! Einen völlig anderen Bereich stellt die Verwaltung dar. Diese ist nur bedingt ein Kristallisationspunkt für Heimat. Daraus folgt, zumindest für uns, dass die Organisation der Verwaltung zusammengefasst und effizienter gestaltet werden kann.

Unbestritten bringt eine Einheitsgemeinde gegenüber einer Verwaltungsgemeinschaft grundsätzlich ein höheres Maß an Effizienz, zum Beispiel durch ein einheitliches Satzungsrecht. Wir setzen uns aber dafür ein, dass eine zwangsweise Einführung im Einzelfall nur als Ultima Ratio angewendet werden kann, nur da, wo offensichtlich vorliegende Unvernunft in einer Verwaltungsgemeinschaft überwunden werden muss.

Ansonsten steht für die FDP-Fraktion die Tatsache, dass viele Gemeinden das Land bunter machen, differenzierende Lebensweisen ermöglichen und dem Bürger somit eine individuelle Erfahrung in seiner Heimatgemeinde ermöglichen, als ein gewichtiges Argument im Vordergrund. Diese Tatsache macht unter anderem den Reichtum Sachsen-Anhalts mit seinen unterschiedlichen Landesteilen aus.

Mit der völligen Abschaffung der Verwaltungsgemeinschaften werden Gemeinden und Bürger erneut einem grundlegenden Strukturwandel unterzogen, der Zeit, Geld und Nerven kostet und an dessen Ende ein Ergebnis stehen wird, das schlechter sein wird als der jetzige Zustand. Effizienz und Bürgernähe werden so mit Füßen getreten.

Zur Frage der flächendeckenden Zwangserschaffung von Einheitsgemeinden ist Folgendes zu sagen. Die von der Landesregierung geplante zwangsweise Einführung hat weitreichende und äußert negative Auswirkungen auf die Kommunen: die Zerschlagung eingerichteter und wirtschaftlich funktionierender Verwaltungsgemeinschaften - ich erinnere nur an die IT-Kosten -, Demotivation von Bürgern und schwindendes bürgerschaftliches Engagement mit fatalen Folgen und die Tendenz, dass sich Verwaltungsgemeinschaften in zwei Einheitsgemeinden aufspalten und somit noch mehr Kleinteiligkeit und weniger Effizienz geschaffen wird.

Die FDP-Fraktion vertritt die Auffassung, dass ein Nebeneinander von Einheitsgemeinden und Verwaltungsgemeinschaften möglich sein muss, wobei die Schaffung von Einheitsgemeinden grundsätzlich vorzuziehen ist.

Eine Kommunalreform muss unserer Ansicht nach durch eine möglichst große Einbeziehung der Bürger geprägt sein. Der bisherige Versuch, den in dem Koalitionsvertrag festgeschriebenen Entwurf den Bürgern und Kommunalpolitikern zu vermitteln, ist nach unserer Auffassung fehlgeschlagen. Herr Bullerjahn, Sie konnten den Menschen eben nicht erklären, dass diese sich nicht dafür interessieren, und Sie konnten auch nicht erklären, dass das ein gutes Modell ist.

Noch einmal kurz zu dem Alternativantrag. Meine Damen und Herren von der Koalition: Si tacuisses, philosophus mansisses! - Hätten Sie geschwiegen, wären Sie ein Philosoph geblieben!

(Zustimmung von Herrn Lüderitz, Linkspartei.PDS)

Die Nr. 1 ist reine Prosa. Dass der Landtag sich zu dem Gesetz bekennt - der Verfassung -, das er selbst gemacht hat - was für eine Neuigkeit!

Herr Bullerjahn tritt hier auf als Erklärer der Koalitionsverhandlungen und erklärt dabei zu den Finanzen ernsthaft, zwei Arme zusammenzufügen ergäbe tatsächlich einen Reichen. - Das ist eine finanzpolitische Sicht, die mir völlig neu ist. Ich selbst glaube nicht daran.

(Beifall bei der FDP)

Noch einmal: Herr Bullerjahn, die Unterschiedlichkeit der Gemeinden in unserem Land ist offensichtlich; da brauche ich nicht auf die Karte zu schauen. Der Blick in das Gesetz erspart Ihnen den Blick auf die Karte.

(Minister Herr Bullerjahn: Eine Karte wäre auch nicht schlecht!)

Wir haben doch schon Ausnahmen. Wir haben doch die Möglichkeit im Gesetz festgeschrieben, Ausnahmen zu bilden. Sie brauchen doch keine Ausnahmen mehr zu definieren. Bei denen, die Sie jetzt definieren wollen - nicht nur aufgrund der Bevölkerungsdichte, sondern auch bei geografischen Besonderheiten -, stellen Sie fest: Landesgrenze außen herum, dünne Besiedlung - ich sage einmal: Altmark, Fläming, Dübener Heide -, dann noch Grenze an ein Oberzentrum - dann bleiben Ihnen noch der Salzlandkreis und das Mansfelder Land; der Rest ist Ausnahmegebiet.

Dadurch - das brauche ich nicht weiter auszuführen - kriegen Sie genau den Effekt, den Herr Gallert geschildert hat: Sie werden die nunmehr auf die Hälfte reduzierten Verwaltungsämter auf das Dreifache wieder aufstocken und der Effekt ist gleich null.

(Beifall bei der FDP - Frau Feußner, CDU: Nein! - Weitere Zurufe von der CDU)

Herr Scharf, das war sehr putzig: Wir haben einen Kompromiss, und die Zahlen, die genannt werden, die haben wir gar nicht vereinbart. Wir haben einen Kompromiss, ich weiß zwar nicht worüber, aber wir haben einen. - Na bravo!

(Beifall bei der FDP und bei der PDS)

Vielen Dank, Herr Wolpert. - Nun spricht für die SPDFraktion Frau Budde.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die demokratische Redefreiheit, von deren Wert und Bedeutung wir