Die Einbringerin des Antrages ist die Abgeordnete Frau Bull für die Linkspartei.PDS. Frau Bull, Sie haben das Wort.
Meine Damen und Herren! Bürgerschaftliches Engagement hat in diesem Hohen Hause sehr oft eine Rolle gespielt. Das ist auch in Ordnung, da es ein sehr komplexes Thema ist und eine Menge von politischen Fragen berührt. Zum einen betrifft es die grundsätzliche Perspektive; denn es muss danach gefragt werden, wie das staatliche Gefüge verfasst ist, um bürgerschaftliches Engagement herauszufordern und ihm ein Stück weit Raum zu lassen. Zum anderen betrifft es die Frage, wie kommunale Strukturen verfasst sind.
Das alles hat natürlich auch eine soziale Perspektive: Wer engagiert sich respektive wer engagiert sich nicht? Obwohl sich ein anders lautendes Vorurteil hartnäckig hält, sind es vor allem junge Menschen und berufstätige Menschen, die sich engagieren. Dies hat etwas mit Lebensqualität zu tun. Es hat etwas mit Lebenszufriedenheit und nicht zuletzt auch mit sozialer Sicherheit zu tun, die eine wichtige Voraussetzung für ein solches Engagement ist.
Nicht zuletzt hat die Tatsache, dass ehrenamtliches Engagement stattfindet, auch etwas mit strukturellen Fragen und mit Dienstleitungsangeboten zu tun; denn Ehrenamt braucht Unterstützungsstrukturen. Dabei geht es um juristische Beratung, um technische Hilfen, um räumliche Bedingungen, um inhaltliche Recherchen usw.
Das Ehrenamt hat sehr unterschiedliche Entwicklungen hinter sich gebracht und hat eine sehr unterschiedliche Geschichte in den einzelnen Bereichen. Deshalb sind die Rahmenbedingungen, die in den einzelnen Bereichen vorzufinden sind, sehr unterschiedlich.
Ich will kurz ein Beispiel anreißen, das die Frage der finanziellen Unterstützung für die Engagierten selbst be
trifft. Hierbei gibt es die Möglichkeit der Gewährung von Aufwandsentschädigungen. Andere Bereiche machen dies völlig ohne finanzielle Hilfen. Manchmal werden Fahrtkosten erstattet. Das gestaltet sich also sehr unterschiedlich.
Als finanzielle Unterstützung für die engagierte Gruppe wird manchmal eine Projektförderung gewährt. Diesbezüglich hat zum Beispiel die Finanzierung durch Land und Krankenkassen im gesundheitlichen Bereich eine Tradition.
Nicht zuletzt - das habe ich bereits erwähnt - erfolgt die Unterstützung durch Dienstleistungsstrukturen, die so genannten Servicestellen. Im Bereich der Selbsthilfegruppen sind das traditionsgemäß die Selbsthilfekontaktstellen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich hierzu einige Worte mehr sagen; denn die Auseinandersetzung über die Selbsthilfekontaktstellen im Finanzausschuss war eigentlich der kurzfristige Anlass für die Einbringung dieses Antrages. Wir hätten uns dafür ansonsten vielleicht noch etwas mehr Zeit genommen.
- Umso schlimmer. - Im Rahmen der Haushaltsberatungen löste der einstimmige Beschluss des Sozialausschusses, diesen Selbsthilfekontaktstellen finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, eine Debatte im Finanzausschuss aus. Auch der Landesrechnungshof hatte nicht wirklich Zugang zu dieser sozialpolitischen Diskussion, einmal abgesehen davon, dass es sich mir nicht wirklich erschließt, mit welcher fachpolitischen Kompetenz der Finanzausschuss an dieser Stelle agiert hat. - Diese kleine Spitze musste ich einmal loswerden.
In dieser Frage sind die Sozial- und die Innenpolitiker die Fachleute und sie - meine Damen und Herren, das will ich ganz deutlich sagen - handeln natürlich nicht bar jeglicher finanzpolitischer Verantwortung. Nach meinem Dafürhalten hätte es sich gehört, den Fachausschuss zu befragen oder zumindest eine gemeinsame Diskussion anzuberaumen.
Zu den Selbsthilfekontaktstellen. Dabei geht es nicht etwa darum, dass ehrenamtliches Engagement von nun an in ein Hauptamt und quasi in bezahlte Stellen umgewandelt werden soll. Nein, Selbsthilfekontaktstellen sind ein recht umfassendes Dienstleistungsangebot für an Selbsthilfe Interessierte und für Selbsthilfegruppen.
Am Ende. - Es ist quasi eine Schnittstelle zwischen den Professionellen, den ehrenamtlich Engagierten und den Verwaltungen. Dabei geht es um die Vermittlung von spezifischem Fachwissen, um inhaltliche Recherchen, um die Möglichkeit der Vernetzung und darum, vernünftige Datenbanken zur Verfügung zu stellen. Es geht
außerdem um die qualifizierte Beratung und es geht - meine Damen und Herren, das ist nicht zu unterschätzen - vor allen Dingen um die Entwicklung der Kompetenz von Ehrenamtlichen.
Es geht also um fachlich fundierte Weiterbildung, um das Unterstützen beim Aufspüren von finanziellen Ressourcen und nicht zuletzt auch um ganz profane und irdische Dinge, nämlich Arbeitsmittel, Arbeitsressourcen, kostenlose Räume, Telefone, Kopierer, Computer etc. Es sind quasi - das wiederhole ich noch einmal - Service- und Vermittlungsagenturen.
Wollte man den Effekt von Selbsthilfekontaktstellen unter die Lupe nehmen, kann man nicht die Kosten der Selbsthilfekontaktstellen - in den Haushaltsplan sind dafür Mittel in Höhe von 300 000 € eingestellt worden - auf die eine Seite und die Kosten von Selbsthilfegruppen auf die andere Seite stellen. Will man tatsächlich den Effekt untersuchen, kann man nicht einfach diese beiden Zahlen gegenüberstellen; vielmehr misst sich der Effekt daran, wie viel ehrenamtliches Engagement durch diese Strukturen neu generiert und unterstützt wird.
Wenn man eine Evaluation durchführen würde, müsste man beispielsweise folgende Indikatoren heranziehen: Wie viele Selbsthilfegruppen sind im Umfeld einer solchen Kontaktstelle angesiedelt? Wie viele an Selbsthilfe Interessierte siedeln sich an und wie aktiv sind diese? Welche Synergieeffekte kann man nutzbar machen? Wie wird Kompetenz vermittelt? Wie viel Kompetenz entwickelt sich bei den Engagierten?
Ich gebe zu, dass das sehr schwer zu messen ist. Ich möchte aber keineswegs sagen, dass man es nicht messen kann; man muss es sogar messen. Auch Selbsthilfekontaktstellen müssen sich Effizienzevaluationen unterziehen. Das ist keine Frage. Es ist natürlich sehr schwierig.
Erfolg und Effekt kann man allerdings nicht an halbgewalkten Zahlen oder an Vergleichsgrößen messen, die das Problem nicht widerspiegeln oder die am Problem vorbeigehen und eine Nullaussage transportieren oder sogar sachfremd sind.
Der Gewinn solcher Selbsthilfekontaktstellen liegt auf vielen Seiten. Er besteht etwa in einem Zuwachs an Selbsthilfestrukturen, also ein Stück weit in der Verbesserung der individuellen Lebensqualität, insbesondere im gesundheitlichen Bereich. Er besteht aber auch in einer sozialpolitischen Wirkung, nämlich darin, dass sich Leute an sozialpolitischen Entscheidungsprozessen beteiligen.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch eine Bemerkung machen, meine Damen und Herren: Bürgerschaftliches Engagement ist keine unpolitische Angelegenheit, nicht im engeren, sozialpolitischen Sinne - selbstverständlich nicht -, aber auch nicht im weiteren, gesellschaftspolitischen Sinne.
Im Zuge der Demonstrationen gegen Hartz IV im Sommer 2004 sind sehr viele Bürgerinitiativen von langzeitarbeitslosen Menschen gegründet worden. Das sind Betroffene, die sich einmal engagiert haben und die das nun auch weiter tun wollen, meistens in der Kommunalpolitik.
Ich persönlich kenne das Beispiel einer Selbsthilfegruppe aus Bitterfeld, bei der sich etwa der Bundestags
abgeordnete Klaas Hübner nicht nur ab und zu sehen lässt, sondern sich auch der durchaus anstrengenden Diskussion stellt. Die Mitglieder dieser Selbsthilfegruppe sind Leute, die sich engagieren wollen, denen aber dafür die notwendigen Ressourcen fehlen. Deswegen fordern wir in unserem Antrag, die Förderung auf diejenigen Selbsthilfegruppen auszudehnen, die sich - wie wir es sagen - mit sozialer Indikation engagieren.
Selbstverständlich haben die einzelnen politischen Richtungen eine unterschiedliche Nähe zu den einzelnen Parteien und Fraktionen - meinethalben. Aber, meine Damen und Herren, wir alle sollten ein Interesse daran haben, dass sich Leute engagieren und einbringen, anstatt sich in ihr Schicksal zu ergeben.
Das steigert deren Kompetenz, stärkt bürgerschaftliches Engagement und hält die Demokratie lebendig. Selbsthilfe ist also nicht nur Hilfe in eigener Sache, sondern Selbsthilfe hat durchaus etwas damit zu tun, dass sich Leute gesellschaftlich oder politisch engagieren.
Im letzten Jahr hat es dazu eine Fachkonferenz in der Staatskanzlei gegeben, die ich persönlich sehr interessant und sehr substanziell fand. Die Landeszentrale für politische Bildung hat die Ergebnisse allen Fraktionen per E-Mail zur Verfügung gestellt. Einige Ergebnisse haben Sie in dem Antrag sicherlich wiedergefunden. Das ist auch in Ordnung; denn es ist nach unserer Auffassung sinnvoll, die Vorschläge, die im so genannten vorpolitischen Raum gemacht werden, im Parlament aufzugreifen und darüber zu diskutieren.
Der Antrag ist nach unserer Auffassung im Sozialausschuss gut aufgehoben. Der Finanzausschuss ist selbstverständlich ein gern gesehener Gast.
Mit dem vorliegenden Änderungsantrag haben wir kein Problem. Ich habe gelernt, dass Koalitionsfraktionen immer bitten und prüfen lassen müssen. Verstehen muss ich das nicht, aber wenn es der Sache dient, geht das in Ordnung. Insofern würden wir dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen zustimmen. - Danke schön.
Frau Präsidentin, es ist eher eine Klarstellung; denn ich habe bei der Kollegin unterschwellig Ressentiments gegenüber dem Finanzausschuss gespürt, die ich nicht verstehe.
Ich möchte etwas klarstellen. Nach meiner Erinnerung haben wir bei den Haushaltsberatungen über diese Selbsthilfekontaktstellen schon mit einer gewissen Skepsis gesprochen - das will ich gern zugeben -, weil wir die Sorge hatten, dass wir eine neue Struktur schaffen, obwohl es doch eine breite Palette an Selbsthilfegruppen in den unterschiedlichsten Fassetten im Land gibt.
Wir haben uns dann darauf verständigt, die Mittel zu sperren, weil es aus unserer Sicht noch kein ausgereiftes Konzept gab, das eine Freigabe der Mittel gerechtfertigt hätte. Das ist der Stand der Dinge. Nun warten wir auf das Konzept.
Wenn dieses vorliegt, wird der Finanzausschuss gern bereit sein - entgegen dem Renommee, das er bei der Kollegin Bull genießt -, über die Dinge wohlwollend zu diskutieren. Aber letztlich ist es nicht Aufgabe des Finanzausschusses, ein inhaltliches Konzept aufzustellen. Das müssen die Kolleginnen und Kollegen Sozialpolitiker schon selbst machen.
Was die Ressentiments gegenüber dem Finanzausschuss anbelangt, haben Sie mich völlig missverstanden, Herr Tullner.
Was den Vorgang selbst anbelangt, muss man sagen: Dem Finanzausschuss liegt ein Konzept vor. Ich kann die Debatten, die daraufhin im Finanzausschuss stattgefunden haben, wenn welche stattgefunden haben - -