Protokoll der Sitzung vom 22.03.2007

Interessanter war aber die Meldung, die uns kurz danach erreichte: Der Ministerpräsident und der Innenminister hatten erst einmal beschlossen, die Debatte im Landtag zu stoppen, um untereinander zu irgendeinem Ergebnis zu kommen. Ich muss sagen: Zum Glück ist unsere Verfassung so gestrickt, dass er das vielleicht noch seinen Koalitionsfraktionen verbieten kann, aber nicht der Opposition.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS - Frau Budde, SPD: Sie erzählen so einen Schwachsinn!)

Natürlich, Herr Ministerpräsident, wissen wir um die Defizite der repräsentativen Demokratie. Aber diese lassen sich wohl nicht dadurch beheben, dass man nun auch noch den Landtag von der Willensbildung ausschließt und diese allein auf die Ebene der Landesregierung zieht.

(Frau Budde, SPD: Aber, Herr Gallert, es ist doch noch nichts im Landtag! Das ist doch ein Schwachsinn!)

Herr Gallert, möchten Sie eine Frage von Herrn Borgwardt beantworten?

Das mache ich am Schluss der Rede. - Frau Budde, Sie können das dann alles klarstellen.

(Frau Budde, SPD: Ja!)

- Darauf freue ich mich. Interessanterweise wird diese Klarstellung erst einmal Ihren eigenen Koalitionspartner überzeugen müssen; denn das Verfahren, das ich eben beschrieben habe, ist von Abgeordneten der CDU wiederum als Politbürodemokratie bezeichnet worden, und zwar gegenüber derselben Landesregierung. Dazu sage ich: Spätestens an diesem Punkt wird doch wohl klar, wo die Koalition in dieser Frage gelandet ist.

Nun kann man sich aus der Sicht der Opposition für diesen Zustand der Koalition eigentlich nur bedanken. Ich möchte auch nicht den Eindruck erwecken, als wären wir jetzt die Schlichter. Das ist allerdings wirklich schon einmal passiert; das hat mir Herr Rothe gesagt.

(Herr Borgwardt, CDU: Aha!)

Aus reiner Verzweiflung hat mein Landesvorsitzender bei einer solchen Diskussion mit Bürgern zu diesem Thema zu beiden Koalitionsfraktionen gesagt: Nun kommen Sie beide doch endlich einmal zueinander. Damit meinte er die Vertreter der Koalitionsfraktionen. Aber so viel Mitleid ist bei uns nicht beschlussfähig; das sage ich Ihnen auch ausdrücklich.

(Heiterkeit bei der Linkspartei.PDS)

Das Problem ist nur - das ist viel ernster -, dass die Menschen vor Ort inzwischen uns allen nicht mehr so richtig zutrauen, dass wir dieses Problem lösen können. Darüber machen wir uns überhaupt keine Illusionen. Dies fällt auch auf uns zurück. Wir haben die Situation, dass die Koalition vor dem geschilderten Hintergrund objektiv nicht mehr in der Lage sein wird, ein vernünftiges gemeindliches Modell zu vertreten und es gesetzlich umzusetzen. Das ist das Problem, vor dem wir stehen.

An dieser Stelle werden auch keine Machtworte mehr helfen, egal von wem. Die gab es schon massenhaft, aber dafür hat sich niemand wirklich interessiert. Wer von uns glaubt eigentlich daran, dass eine Position, die vielleicht noch vor dem 22. April 2007 von der Koalition in irgendeiner Art und Weise artikuliert wird, danach noch Bestand haben wird? - Wohl kaum jemand in diesem Raum.

Aus diesem Grund muss die sachfremde machtpolitische Diskussion über die Gemeindestrukturen gestoppt werden. Wir brauchen im Landtag einen inhaltlichen Neuanfang. Dabei kann das vorher diskutierte Gutachten nur ein Teil sein.

Aus unserer Sicht ist es wichtig, erst einmal eine Verständigung über die realen Defizite unserer jetzigen gemeindlichen Strukturen zu erreichen. Wie lässt sich beispielsweise die These untersetzen, dass der demografische Wandel in einer Einheitsgemeinde besser bewältigt werden kann als in einer Verwaltungsgemeinschaft? Oder ist diese These vielleicht falsch? Hat eine Einheitsgemeinde wirklich niedrigere Verwaltungskosten, wenn gleichzeitig bei den Einwohnern größere Strukturen Akzeptanz - das gibt es durchaus - finden?

Welche Anforderungen ergeben sich aus der Sicht der Kommunalaufsicht bezüglich der damit zusammenhängenden Verwaltungsspanne zwischen den Ebenen? Welche Anforderungen ergeben sich an Gemeindestrukturen nach der jetzigen Kreisgebietsreform im Unterschied zu einer Regionalkreisbildung und welche zeitliche Perspektive geben wir eigentlich den jetzigen Kreisen?

Über solche und viele andere Fragen brauchen wir eine Verständigung sowohl auf der Ebene des Landtages als auch auf der Ebene des Städte- und Gemeindebundes, zuallererst jedoch bei den Verantwortlichen vor Ort. Darauf aufbauend kann man dann anfangen, über Strukturen zu diskutieren und mit diesen voranzukommen. Aber Argumente wie „das machen die anderen auch so“ oder „das machen die anderen auch nicht so“ werden nicht reichen.

Die Gemeindestrukturen sind vor dem Hintergrund vielerlei komplizierter Bedingungen in unserem Bundesland der sensibelste Bereich. Mangelndes Vertrauen in die Demokratie, das wir leider zu konstatieren haben, wird an dieser Stelle zuallererst sichtbar.

Vor diesem Hintergrund fordern wir die Landesregierung und den Landtag auf, in dieser völlig verfahrenen Situation ein Stoppzeichen zu setzen und eine Diskussion zu beginnen, die im ganzen Land Vertrauen schafft, statt es zu zerstören, die für die Gemeindestrukturen ein Ergebnis erbringt, das durch inhaltliche Akzeptanz und nicht durch machtpolitische Argumentation überzeugt. - Danke.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Vielen Dank, Herr Gallert. - Nun Ihre Frage, Herr Borgwardt. Bitte.

Sehr verehrter Kollege Gallert, nachdem Sie uns Kabarettreife und anderes vorgeworfen haben, möchte ich Sie fragen: Wie bewerten Sie das Verhalten Ihrer basisdemokratischen Fraktion im Kreistag von Salzwedel, die das, was Sie heute vor uns ausgebreitet haben, offensichtlich missverstanden hat?

Sie wissen nicht, um was es geht? - Die PDS-Kreistagsfraktion hat gegen die Resolution gestimmt und war für eine flächendeckende Einführung der Einheitsgemeinden.

(Frau Budde, SPD: Schade auch!)

Ich gucke einmal meinen Kollegen Hans-Jörg Krause an. - Der schüttelt den Kopf, Herr Borgwardt. Ich glaube, das wüsste er. Vielleicht gab es an dieser Stelle ein Missverständnis.

(Herr Stadelmann, CDU: Der war im Urlaub!)

- Er war im Urlaub. - Vielleicht gab es an dieser Stelle ein Missverständnis. Aber damit eines klar ist: Im Gegensatz zu dem, was Herr Wolpert inhaltlich ausgeführt hat - das will ich noch einmal ganz deutlich sagen -, ist für uns die Einheitsgemeinde nach wie vor kein Teufelszeug.

Wenn allerdings die Fraktion der Linkspartei.PDS im Kreistag von Salzwedel tatsächlich die gesetzliche zwangsweise, flächendeckende Einführung der Einheitsgemeinde verlangt hat, dann ist das ein Widerspruch zu unserer Position. Das ist übrigens ein Fakt, der bei uns sehr selten vorkommt. Sie wären verdammt froh darüber, wenn es bei Ihnen so wäre; das können Sie mir glauben, Herr Borgwardt.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Herr Gallert, Herr Harms hat sich ebenfalls gemeldet. - Herr Harms, wollen Sie eine Zwischenbemerkung machen oder eine Frage stellen? - Sie wollen sicherlich für Aufklärung sorgen.

Mir war nicht bekannt, dass mein Kollege aus dem Kreistag im Urlaub war. Aber ich wollte nur bestätigen,

dass er nicht anwesend war und demzufolge auch nicht an der entsprechenden Abstimmung teilgenommen hat.

(Unruhe bei der CDU - Herr Tullner, CDU: Da hat er Glück gehabt!)

Herr Harms, basisdemokratisch hätte er das bei uns auch überlebt.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS - Unruhe bei der CDU und bei der SPD - Zuruf von Herrn Borg- wardt, CDU)

Vielen Dank. - Herr Harms, noch einmal?

Zur Ehrenrettung des demokratischen Grundverständnisses. Herr Gallert, es war tatsächlich so: Ein Genosse aus der PDS-Fraktion hat diesem Antrag zugestimmt, die Volksinitiative zu unterstützen. Er hat sozusagen die Ehre gerettet.

Vielen Dank. - Meine Damen und Herren! Die Südtribüne hat sich reichlich gefüllt. Wir begrüßen Studentinnen und Studenten der Fachhochschule Magdeburg sowie Schülerinnen und Schüler der Berufsbildenden Schulen Bitterfeld.

(Beifall im ganzen Hause)

Nun hören wir die Diskussionsbeiträge der Fraktionen. Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kolze.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS ist nicht ganz uninteressant. Interessant daran ist, dass der Linkspartei.PDS gänzlich entgangen ist, dass die Koalitionsparteien seit nunmehr fast einem Jahr viel Arbeit, Zeit und Geduld investieren, um sinnvolle Gemeindestrukturen für das Land Sachsen-Anhalt zu erarbeiten.

(Beifall bei der CDU - Lachen bei der Linkspar- tei.PDS - Zuruf von Herrn Gallert, Linkspartei.PDS)

Ich darf Ihnen auch in puncto Koalitionsvertrag deutlich widersprechen.

(Zurufe von der Linkspartei.PDS)

Diese Arbeit orientiert sich natürlich hauptsächlich an unserem Koalitionsvertrag. Aber dies scheinen Sie insbesondere in Wahlkampfzeiten - wir haben bald Kommunalwahlen - einfach nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen.

(Lachen bei der Linkspartei.PDS)

Die Fraktionen von CDU und SPD haben sich vorgenommen, flächendeckend Reformen der gemeindlichen Strukturen in diesem Land durchzuführen. Das ist das Ziel, das wir uns gesetzt haben. Meine Damen und Herren! Wir werden das auch erreichen. Das Ob steht damit also gar nicht mehr zur Debatte. Am Wie arbeiten wir. - So viel zu Punkt 1.

(Herr Dr. Köck, Linkspartei.PDS: Eingemeindun- gen nach Halle stehen auch noch an!)

Punkt 2 beinhaltet auch eine interessante Idee. Die Landesregierung wird beauftragt, ein Leitbild „Gemeindliche Strukturen 2020“ vorzulegen. Haben wir nicht in letzter Zeit oft genug über Leitbilder und deren Inhalte diskutiert? Soll jetzt noch ein weiteres hinzukommen, das bis zum zweiten Quartal 2008 fertig gestellt sein soll, um dann daraus einen Veränderungsbedarf für das Land abzuleiten? - Na toll.

Dann zur Begründung. Meine Damen und Herren! Eine gemeindliche Strukturreform nehmen wir derzeit vor. Dass diese unverzichtbar ist, haben wir erkannt. Daher haben wir uns daran gemacht und im Koalitionsvertrag vereinbart, diese durchzuführen.