Protokoll der Sitzung vom 08.06.2006

Zu Frage 2: Ob und welche Auflagen zu erteilen sind, ist aufgrund der jeweiligen Umstände für jede Veranstaltung gesondert zu entscheiden. Auch größere PublicViewing-Veranstaltungen unterliegen in Sachsen-Anhalt keinen Auflagen zur Videoüberwachung durch den Veranstalter.

Ich darf Sie darüber hinaus informieren, dass nach heutigem Kenntnisstand gleichwohl sechs Veranstalter im

Hausrechtsbereich eine Videoüberwachung auf der Grundlage des § 6 des Bundesdatenschutzgesetzes durchführen wollen.

Vielen Dank, Herr Minister Hövelmann. - Eine Frage von Herrn Kosmehl. Bitte, Herr Kosmehl.

Ich hätte eine Nachfrage. Die IMK hat sich auf der letzten Sitzung auch mit dem Thema beschäftigt. Dabei sind genau solche Punkte wie Videoüberwachung, Umzäunung und dergleichen als Auflagen empfohlen worden. Ich entnehme Ihrer Antwort also, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dass das Land Sachsen-Anhalt es nicht an die Kommunen weitergeleitet hat, das den entsprechenden Privatveranstaltern als mögliche Auflagen beizugeben.

Es gibt keine Rechtsgrundlage für eine derartige Auflage. In Ermangelung einer Rechtsgrundlage kann eine Genehmigungsbehörde infolgedessen für solche Veranstaltungen solche Auflagen natürlich nicht erteilen.

Vielen Dank. - Meine Damen und Herren! Damit ist die Fragestunde abgeschlossen und gleichzeitig der Tagesordnungspunkt 2 beendet.

Wir unterbrechen jetzt die Sitzung bis 14 Uhr. Ich darf Sie daran erinnern, dass der Landtagspräsident hier im Hause um 13 Uhr eine Ausstellung eröffnen wird mit dem Titel „Doppeltes Spiel - Fußball im Visier der Staatssicherheit“ - also ein hochaktuelles Thema, wenn es um die Sportart geht. Sie sind alle herzlich eingeladen hinzugehen.

Unterbrechung: 12.49 Uhr.

Wiederbeginn: 14.02 Uhr.

Meine Damen und Herren! Es ist 14.02 Uhr. Wir setzen unsere Beratung fort. Sollten die einen oder die anderen von Ihnen noch dringende Gespräche führen müssen, dann tun Sie dies bitte leise oder draußen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:

Erste Beratung

Entwurf eines Gesetzes über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Sachsen-Anhalt (Informationszugangsgesetz für das Land Sach- sen-Anhalt - IZG-LSA) und Änderung des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger (DSG-LSA)

Gesetzentwurf der Fraktion der Linkspartei.PDS - Drs. 5/24

Ich bitte nun darum, die Einbringung vorzunehmen. Es spricht Frau Tiedge. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Wenn die Verwaltung alles über den Bürger weiß, sollte der Bürger

auch alles über die Verwaltung wissen“, forderte der Landespräsident der Eigentümerschutzgemeinschaft „Haus und Grund“ Dr. Neumann in einem Artikel im April 2005. Er schrieb weiter:

„Für die kommenden Landtagswahlen ist es also für jeden Bürger interessant, wie die einzelnen politischen Parteien zu der Verabschiedung stehen. Es ist ein wichtiges Thema für uns alle, nicht nur für Haus-, Wohnungs- und Grundstückseigentümer.“

Wie Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, dazu stehen, können Sie nunmehr unter Beweis stellen.

Da aller guten Dinge drei sind, werde ich Sie heute - so wie in der letzten Legislaturperiode versprochen - ein drittes Mal mit dem Entwurf eines Informationszugangsgesetzes erfreuen.

Ein Bericht in der „Volksstimme“ hinsichtlich der Weigerung der Landesregierung, Informationen über den Urangehalt im Mineralwasser herauszugeben, hat mich veranlasst, bereits heute, zu Beginn der neuen Legislaturperiode, den Gesetzentwurf wieder einzubringen.

Meine Kollegin Hunger hat ja dazu eine mündliche Anfrage gestellt. Die Antwort der Landesregierung darauf war bezeichnend. Da wird der Schutz einer eventuellen Erkennung von Firmen vor den Schutz der Interessen von Bürgerinnen und Bürgern gestellt. Anstatt die Feststellung des Journalisten zum Anlass zu nehmen, selbst tätig zu werden, werden mit fadenscheinigen Begründungen Informationen verweigert.

Tagtäglich stoßen Bürgerinnen und Bürger, vor allem aber auch Journalistinnen und Journalisten in unserem Land an die Grenzen der Informationsfreiheit. Was sind die Gründe dafür? Was unterscheidet die Bürgerinnen und Bürger in Sachsen-Anhalt von denen in Brandenburg, in Schleswig-Holstein, in Nordrhein-Westfalen oder in Berlin? Traut die Politik ihnen einen weniger verantwortungsvollen Umgang mit Informationen zu? Warum hat man in Deutschland eigentlich solche Angst vor gut informierten mündigen Bürgerinnen und Bürgern?

In keinem der Länder, in denen es ein solches Informationsrecht gibt, hat die Verwaltung damit negative Erfahrungen gemacht. So formulierte Herr Dr. Lutz vom Innenministerium Schleswig-Holstein Folgendes - ich zitiere -:

„Inzwischen gibt es in Schleswig-Holstein keine Diskussionen mehr über das Gesetz. Das sei als totale Zufriedenheit zu deuten.“

Nun gibt es ja inzwischen auch auf der Bundesebene ein Akteneinsichtsrechtsgesetz. Nun gut, über die Qualität und die inhaltliche Ausgestaltung lässt sich streiten, aber man hat sich zumindest dazu durchgerungen, ein solches Gesetz zu verabschieden.

Ideologische Schranken können es ebenfalls nicht sein; denn die politischen Ausrichtungen in den Ländern, in denen es ein derartiges Gesetz bereits gibt, sind unterschiedlich; ob CDU- oder SPD-regiert spielt dabei anscheinend keine Rolle.

Seit Jahrzehnten gibt es seitens des Europarates die Forderung, einen allgemeinen Zugang zu Akten der öffentlichen Verwaltung zu schaffen. Eine entsprechende Resolution „Informationsfreiheit und Zugang der Öffentlichkeit zu Regierungsunterlagen“ wurde von der Parlamentarischen Versammlung am 1. Februar 1979 einstim

mig verabschiedet; im Jahr 1986 wurde diese Forderung nochmals bekräftigt.

Im internationalen Vergleich stellt man sehr schnell fest, dass Deutschland einen erheblichen Entwicklungsrückstand aufweist. Die älteste Tradition hinsichtlich einer Aktenöffnung besteht in Schweden. Bereits im Jahr 1766 wurde durch die Druckfreiheitsverordnung im Zusammenhang mit der Pressefreiheit der Informationszugang gegenüber den Verwaltungen eingeführt. In den USA erfolgte dies im Jahr 1966, in den Niederlanden 1978, in Frankreich ebenfalls 1978, in Griechenland 1986 und in Portugal 1993 - diese Liste ließe sich noch verlängern.

Nun ist ein Informationszugangsgesetz nicht automatisch auch ein Antikorruptionsgesetz. Aber Erfahrungen, insbesondere aus den skandinavischen Ländern, zeigen, dass in den Ländern, in denen die Verwaltung am transparentesten ist, am wenigsten Korruption vorkommt. Herr Thiel von Transparency International Deutschland äußerte dazu - ich zitiere -:

„Das ist doch ein sehr bemerkenswertes Ergebnis. Das ist eine Korrelation, mögen manche sagen, man könne die Kausalverhältnisse nicht nachweisen. Aber sicherlich steckt eine Kausalität dahinter. Da, wo die Bürger in die Unterlagen der Verwaltungen schauen können, wird es schwierig, korrupt zu sein, zu bestechen, sich bestechen zu lassen. Ämterpatronage wird schwieriger.“

Dr. Fries von eben dieser Organisation äußerte in einem Fernsehbericht des MDR vom 3. Mai 2006, in dem es genau um diese Problematik ging, die Hoffnung, dass ein Akteneinsichtsrecht auch in Sachsen-Anhalt zur Realität gehöre.

Auch wenn es nunmehr ein Bundesgesetz gibt, bedarf es landesrechtlicher Regelungen. Nicht zuletzt auch aus diesen Gründen gibt es seit Jahren die Forderung von Journalistenorganisationen nach Informationsfreiheit. So forderten der Journalistenverband, die Journalistenunion in der Gewerkschaft Ver.di und die Organisation Netzwerk-Recherche, von der Praxis der Geheimniskrämerei Abstand zu nehmen und den Zugang zu Behördenunterlagen zu erleichtern.

So führte Dr. Redelfs von der Organisation NetzwerkRecherche aus - ich zitiere -:

„Ich denke, man darf nicht nur auf Antragszahlen gucken, es geht auch um eine Art positiver Kulturveränderung in der Verwaltung, wie ich es einmal nennen möchte, indem das deutsche Prinzip des Amtsgeheimnisses abgeschafft wird. Wir wollen mit diesem Gesetz die Grundvoraussetzung für die Öffentlichkeit staatlichen Handelns schaffen. Das ermöglicht dann die aktive Mitgestaltung der gesellschaftlichen Realität durch kritische Bürgerinnen und Bürger.“

Wird nicht von allen Parteien, insbesondere nach Wahlen, immer wieder die Politikverdrossenheit beklagt? - Mit unserem vorliegenden Gesetzentwurf soll in Sachsen-Anhalt ein umfassender Anspruch auf Informationszugang in allen Verwaltungen garantiert werden. Jede Bürgerin und jeder Bürger kann im Grundsatz Einsicht in alle Akten und Unterlagen bei öffentlichen Einrichtungen des Landes, der Landkreise, bei Gemeinden und Gemeindeverbänden sowie bei Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts nehmen, auch

dann, wenn diese Unterlagen keine Informationen zu seiner Person enthalten.

Immer wieder wird von den Gegnern eines solchen Gesetzes vorgetragen, dass die Möglichkeit der Akteneinsicht die Verwaltungen, insbesondere in den Kommunen, lahm legen würde, da diese sich nur noch mit diesen Gesuchen beschäftigen müssten. Von niemandem konnte aber bisher dieses Scheinargument mit Fakten und Zahlen belegt werden.

Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern, aber auch aus den anderen Bundesländern beweisen, dass dies einfach nicht der Fall ist. Auch Erhebungen in Schleswig-Holstein haben gezeigt, dass sich diese Befürchtungen als haltlos erwiesen haben.

Das größte Informationsinteresse galt dort dem Bau- und Planungsbereich, zum Beispiel der Privatisierung eines Hafens, der Finanzierung von Bauvorhaben, Auskünften über Altlasten, über die Vergabe von Kindergartenplätzen sowie über die landwirtschaftliche Förderpraxis und Ähnliches. In über 90 % der Fälle gewährten die Behörden Akteneinsicht, wobei sehr schnell gearbeitet wurde; denn ebenfalls über 90 % der Anträge wurden binnen einer Woche beantwortet.

Das veranlasste den schleswig-holsteinischen Landesdatenschützer Helmut Bäumler zu der erfreulichen Äußerung - ich zitiere -:

„Schleswig-Holsteins Bürgerinnen und Bürger nehmen ihre neuen Rechte zunehmend in Anspruch und die Verwaltung beweist bislang beim Umgang mit der neuen Offenheit Souveränität und Umsicht.“

Auf keinen Fall möchten wir es so verstanden wissen, als wäre der vorliegende Gesetzentwurf in erster Linie ein Misstrauensvotum gegenüber unseren Verwaltungen oder als würden wir in jeder Amtsstube korruptionsanfällige Beamte vermuten. Unsere Verwaltungen sind besser als ihr Ruf.

Sicher bedarf es einer geraumen Zeit, bis sich eine Kultur der Offenheit durchsetzt, bis die Verwaltungen sogar so weit gehen, dass sie nicht mehr darauf warten, dass Bürger zu ihnen kommen, um Informationen zu erhalten, sondern dass sie von sich aus Informationen zum Beispiel über das Internet anbieten.

Wir wollen die Amtsgeheimnisse nicht abschaffen. Aber nicht alles, was in unseren Amtsstuben passiert, gehört nun einmal zu den Amtsgeheimnissen, auch wenn viele Verwaltungen noch so tun, als sei dies der Fall. Wir hätten es im Petitionsausschuss sicherlich mit einer ganzen Reihe von Petitionen nicht zu tun gehabt, wenn den Bürgerinnen und Bürgern nicht Informationen vorenthalten worden wären.

Nur noch einige wenige Sätze zum Gesetz selber: Im ersten Abschnitt wird das Informationsrecht geregelt, das heißt, es wird festgelegt, was Informationen sind und wer Zugang zu diesen Informationen hat.

Der zweite Abschnitt regelt das eigentliche Verfahren, von der Antragstellung bis hin zur Bescheidung.

Im dritten Abschnitt sind die Einschränkungen des Informationsrechtes geregelt; denn selbstverständlich darf der Zugang zu Informationen nicht schrankenlos geschehen. Das gilt zum Beispiel für den Schutz behördlicher Entscheidungsprozesse, für den Schutz von Be

triebs- und Geschäftsgeheimnissen sowie für den Schutz personenbezogener Daten.