Protokoll der Sitzung vom 12.07.2007

Herzlichen Dank für die Berichterstattung. - Wir treten nun in die Debatte ein. Als erster Debattenredner spricht der Abgeordnete Herr Dr. Thiel für die Fraktion DIE LINKE. Bitte schön, Herr Dr. Thiel.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn das Hohe Haus der Beschlussempfehlung des Ältestenrates heute folgen wird, dann wird unserer Auffassung nach eine Chance vertan, der Politikverdrossenheit in unserem Land aktiv zu begegnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Debatten über das Abgeordnetengesetz und in Sonderheit über die Diäten sind immer wieder ein Spiegelbild dessen, wie Politik und ihre Vertreter in der Öffentlichkeit gesehen und bewertet werden.

Parlamentarier wie wir unterstehen in Deutschland wie kein anderer Personenkreis einer intensiven Kontrolle. Das ist einer demokratischen Gesellschaft angemessen, bedingt aber auch, dass Abgeordnete nicht pauschal unter Verdacht gestellt werden dürfen, laufend einer Selbstbedienungsmentalität zu unterliegen. Deshalb war uns die öffentliche Debatte über die Angemessenheit der vorgesehenen Änderungen am Gesetz und die Rolle von Politik in unserem Lande so wichtig.

Ich persönlich habe es als sehr positiv empfunden, dass eine große Tageszeitung im Norden von Sachsen-Anhalt die Redebeiträge in der letzten Landtagssitzung nahezu vollständig veröffentlicht hat, um der Öffentlichkeit die Meinung der Fraktionen vorzustellen.

Auch wir wollten die Debatte aus der Leserbriefe- und E-Mail-Ecke holen. Deshalb haben wir vor der Landtagssitzung angekündigt, eine öffentliche Anhörung durchführen zu wollen, haben dieses Ansinnen in der Sitzung am 14. Juni 2007 wiederholt und am 22. Juni 2007 einen offiziellen Antrag beim Präsidenten eingereicht.

So wie manche Gesetzesvorhaben derzeit mit großem Kraftaufwand der Koalition durch den Landtag gebracht werden, wäre es ein Leichtes gewesen, eine solche Anhörung durchzuführen. Aber nein, die Angelegenheit wurde tapfer bis zu der Sitzung des Ältestenrats am 5. Juli 2007 ignoriert und schließlich auf die lange Bank geschoben.

(Herr Gürth, CDU: So ein Quatsch!)

Aber, meine Damen und Herren, seien wir doch einmal ehrlich: Wir beschließen heute, im Juli 2007, ein Gesetz, das im Wesentlichen bis zum Jahr 2012/2013 Bestand haben wird. Gegebenenfalls wird es noch einmal Änderungen geben, wenn die Transparenzregelungen gemäß der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt werden müssen. Im Herbst wird eine öffentliche Debatte über Diäten den politischen Charme einer Geschäftsordnungsdebatte darüber, in welcher Art und Weise Dokumente des Landtags in elektronischer Form im Internet veröffentlicht werden, haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist in der aktuellen Geschäftsordnungsdebatte unter den parlamentarischen Geschäftsführern durchaus ein wichtiges Thema, wird aber von der breiten Öffentlichkeit sicherlich mit geringem Interesse aufgenommen werden.

Meine Damen und Herren! Wir sind der Meinung, dass eine Chance zur Versachlichung der Debatte vertan wurde. Bei dem Thema „Die Rolle des Abgeordneten“ hilft kein Sich-Abducken. Die Wirklichkeit wird uns immer wieder einholen, wenn wir nicht endlich den Mut haben, uns der unbequemen Diskussion offensiv zu stellen.

Die Koalition hat sich so verhalten, wie sie es immer tut, wenn sie nicht so recht weiter weiß: Sie versucht, das Problem einfach auszusitzen.

(Herr Gürth, CDU: So ein Quatsch!)

Die Verabschiedung des Gesetzes hat keine Eile. Der Landtag ist der Souverän; er entscheidet darüber, wann er die Empfehlung des Präsidenten in die gesetzliche Form zu bringen hat.

Natürlich ist es wenig erfreulich, die Debatte über dieses Gesetz mit den Beratungen zum Haushaltsplan 2008/2009 in Verbindung zu bringen. Aber dieses Thema hat in der öffentlichen Wahrnehmung von Politik spätestens seit den Kommunalwahlen eine Rolle gespielt. Wir hatten genügend Gelegenheit, die öffentliche Debatte zu unserer Rolle in dieser Gesellschaft anzustoßen. Das war offenbar nicht gewollt oder auch nicht gekonnt. Deswegen lehnt unsere Fraktion die Beschlussempfehlung des Ältestenrates ab. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Herzlichen Dank für Ihren Debattenbeitrag, Herr Dr. Thiel. - Ich erteile nun dem Abgeordneten Herrn Gürth für die CDU das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei der Frage Abgeordnetengesetz, Abgeordnetenentschädigung wird aus einem Katalog von Dingen, die zu regeln sind, immer nur eine einzige Zahl, ein Parameter herausgegriffen und in das Zentrum der öffentlichen Debatte gestellt. Das ist die Höhe der Abgeordnetenentschädigung.

So haben wir es auch in den letzten Monaten - nicht unerwartet - auch in der Öffentlichkeit wieder erleben dürfen. Die öffentliche Diskussion wird immer nur in diesem einen Punkt gesucht, gefunden und es wird entsprechend mehr oder minder qualifiziert darüber diskutiert.

Der vorliegende Entwurf des Abgeordnetengesetzes regelt jedoch einen Strauß von Angelegenheiten, die mindestens genauso wichtig sind. Der allergrößte Teil davon wird in der Öffentlichkeit überhaupt nicht wahrgenommen.

Ich möchte daran erinnern, dass wir mit dem vorliegenden Entwurf des Abgeordnetengesetzes auch die Vergütung und Beschäftigung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Abgeordnetenbüros regeln, nämlich die Überleitung des BAT Ost in den Tarifvertrag der Länder. Damit ist eine geringfügige Erhöhung der Gehälter unserer Beschäftigten verbunden. Ich meine, sie haben sich das auch redlich verdient.

Das Zweite - das ist, wie ich finde, politisch auch sehr bedeutsam - ist die Übernahme eines Bereiches, der vorher noch nicht geregelt war. Erstmals werden mit dem Abgeordnetengesetz Lebenspartner nach dem Partnerschaftsgesetz hinsichtlich der Leistungen, die nach dem Abgeordnetengesetz Ehepartnern von Abgeordneten gewährt werden, gleichgestellt.

Damit geht eine Einschränkung von bestimmten Beschäftigungsmöglichkeiten einher. Ich möchte als ein Beispiel nennen, dass es einem Abgeordneten untersagt ist, einen nahen Verwandten oder Ehepartner in seinem Abgeordnetenbüro zu beschäftigen. Diesbezüglich gab es also ein Privileg für gleichgeschlechtlich zusammenlebende Partnerschaften, das bisher niemand ausgenutzt hat. Ihnen ist dies mit der Neuregelung nunmehr auch untersagt. Das ist eine, wie ich finde, rundum richtige Einbeziehung der neuen Form der Lebenspartnerschaft, die bundesgesetzlich geregelt wurde.

Ich möchte einen weiteren Punkt nennen. Darüber wurde - das erstaunt mich ein wenig - überhaupt nicht öf

fentlich diskutiert. Es gibt unterschiedliche Positionen zu der Frage der Sicherung der Rentensysteme. Ein Fakt ist, dass der Bundesgesetzgeber das Eintrittsalter für die gesetzliche Rente auf 67 Jahre erhöht hat. Wir, die Abgeordneten des Landes Sachsen-Anhalt, werden einer der ersten Landtage sein, in denen eine entsprechende Anpassung dahin gehend erfolgen wird, dass die Regelung, nach der die Altersentschädigung später gezahlt wird, wie für jeden anderen Bürger auch für die Abgeordneten gilt. Das heißt - wenn ich das gesetzestechnisch nicht ganz korrekt zu sagen brauche und salopp formulieren darf -, auch für Abgeordnete wird das Renteneintrittsalter somit auf das 67. Lebensjahr angehoben, was öffentlich überhaupt noch nicht reflektiert wurde.

Nun möchte ich abschließend noch drei Aspekte ansprechen. Es betrifft die Höhe der Abgeordnetenentschädigung. Die Höhe der Abgeordnetenentschädigung ist - ich denke, das zeichnet dieses Gesetz und auch das Verfahren von Sachsen-Anhalt aus - nicht aus der Luft gegriffen. Es hat sie nicht etwa irgendjemand - schon gar nicht irgendeine konspirative Gruppe von Abgeordneten - ausgedacht, sondern sie ist in einer sehr sachkundig besetzten unabhängigen Kommission schon in der letzten Wahlperiode erarbeitet worden. Dort hat die Besoldung der Amtsrichter als Orientierungsmaßstab gegolten.

Ich halte hier ausdrücklich fest: Dass sich die Entschädigung, die Mitglieder eines Gesetzgebungs- und Verfassungsorgans, die jährlich über einen Etat von 10 Milliarden € zu entscheiden und viele wichtige Entscheidungen mit zu verantworten haben, zukünftig erhalten sollen, an der Höhe der Besoldung von Amtsrichtern orientiert, halte ich weder für maßlos noch für unanständig. Es gehört außerdem dazu, zu erwähnen, dass wir - obwohl dies beschlossen worden und eigentlich eher unstrittig ist - auch mit dem neuen Abgeordnetengesetz entgegen der Empfehlung der Kommission der Richterbesoldung hinterherhinken werden.

Das zusammengefasst bedeutet: Wenn wir dieses Abgeordnetengesetz beschließen, dann wissen wir, dass wir diesem Maßstab, den wir uns nun aber selbst auferlegt haben, weiterhin hinterherhinken werden und dass wir, wenn wir alle Anpassungen vom Zeitpunkt der letzten Anpassung bis zur nächstmöglichen Anpassung hinzurechnen, quasi eine Diätenerhöhung haben werden, die unter 2 % per anno liegen wird. Damit sind wir weit unter dem, was jetzt tariflich durch Gewerkschaften für alle anderen Teile der Beschäftigten erstritten wird.

Zwei Sätze noch zum Abschluss zu den Themen Transparenz und Selbstbedienung und damit auch zu der geforderten Anhörung. Ich persönlich hätte mir gewünscht - insbesondere von den Kollegen der Fraktion der Freien Demokratischen Partei -, dass Sie, wenn bei der FDP ein Systemwechsel bei der Abgeordnetenentschädigung wirklich die vorherrschende Meinung ist - ich bestreite das ja gar nicht -, das zu Beginn der Wahlperiode ordnungsgemäß angezeigt hätten. Das ist uns aber erst in der ersten Lesung des Abgeordnetengesetzes hier auf den Tisch geknallt worden. Es ist vorher in keinem Gremium - nicht im Ältestenrat, nicht in der PGF-Runde, nirgendwo - besprochen worden.

(Herr Scharf, CDU: Genau! - Herr Stahlknecht, CDU: So ist es!)

Ich hätte mir gewünscht, dass man fair miteinander umgeht. Es ist das Recht eines jeden Abgeordneten, einer

jeden Fraktion und das Recht auch der Liberalen zu sagen: Wir möchten ein anderes System haben. Aber dann muss man das fairerweise anzeigen. Das ist ein Gebot der Fairness auch gegenüber der unabhängigen Kommission. Dann hätte man viel mehr Aspekte berücksichtigen können.

Letztendlich möchte ich in diesem Zusammenhang eines festhalten: Die CDU-Fraktion hat sich niemals - und wird dies auch niemals tun - einer öffentlichen Diskussion über die Abgeordnetenentschädigung mit allen Fassetten entzogen. Das kann man nicht und sollte man auch gar nicht.

Es macht aber, wenn man jetzt nicht mehr als eine Tarifangleichung und viele technische Dinge für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat, keinen Sinn, eine öffentliche Debatte über das, was in den Zeitungen ohnehin schon diskutiert wird, einzuberufen mit noch ein paar Gremien. Das ist für mich, Detlef Gürth, einem Mitglied der CDU-Fraktion, ein vorgeschobenes Argument.

Wir sagen aber auch eines ganz deutlich: Wenn der Wunsch fortbesteht, einen Systemwechsel in der Abgeordnetenentschädigung durchzusetzen, dann ist eine solche Debatte geboten. Wir stellen uns dieser Debatte. Wir werden sie unterstützen.

Ich bin der Auffassung, dass wir uns dann die Erfahrungen aus Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein sowie die Empfehlungen des Deutschen Bundestages einmal genau anschauen sollten und dass wir uns dann auch mit Sachverständigen und Interessierten, die wichtige Gruppen unserer Gesellschaft öffentlich vertreten, hinsetzen sollten, um transparent und so lange, wie dies erforderlich ist, über den möglichen Systemwechsel zu diskutieren.

Wir sind nicht gegen eine Anhörung. Wir sind für eine Anhörung. Aber wir wollen keine Scheinanhörung zu einer Diätenerhöhung um 1,9 %. Wenn man eine solche Anhörung durchführt, dann muss das Ganze auch Sinn machen; sonst wäre der ganze damit verbundene Aufwand im Sinne der Steuerzahler nicht gerechtfertigt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein letzter Satz, der den Vorwurf der Selbstbedienung betrifft. Es trifft mich persönlich am meisten, dass man als Abgeordneter immer wieder der Kritik unterzogen wird und dass man sich beschimpfen lassen muss. Das gehört alles mit zu dem Job. Das gehört einfach mit dazu. Die Abgeordneten sind keinen Deut besser oder schlechter als der Durchschnitt der Bevölkerung unseres Landes. Wir repräsentieren Sachsen-Anhalt mit allen Stärken und allen Schwächen.

Aber am meisten wurmt mich bei dieser Frage - auch weil das in Leserbriefen steht -, dass der Eindruck entstanden ist, wir würden uns selbst bedienen, weil wir - ohne dass wir es wollen - über die Höhe und alle sonstigen damit zusammenhängenden Entscheidungen selbst Beschluss fassen müssen.

Wie viel ein Abgeordneter bekommt und wofür er es bekommt, wo es Malus und wo es Bonus gibt, müssen wir letztendlich entscheiden. Es wird der Eindruck erweckt, wir machten das nach dem Maßstab, was wir gern hätten. Das ärgert mich am meisten.

Deswegen würde ich, wenn wir eine solche Debatte führen und über einen Systemwechsel nachdenken sollten, in jedem Fall den folgenden Aspekt mit in die Debatte einbringen wollen - ich glaube, im Bundesland Thüringen

ist dies schon geregelt -: Man sollte einmal prüfen, ob es, notfalls auch mit einer Verfassungsänderung, machbar wäre, genau diesen Vorwurf vom Tisch zu schieben, indem man sagt: Wir als Parlament werden künftig nicht selbst über die Höhe der Abgeordnetenentschädigung entscheiden.

Vielmehr sollte es, wenn einmal ein Maßstab gefunden wurde - meinetwegen im Ergebnis einer solchen breiten öffentlichen Diskussion -, der anerkannt worden ist und als gerechtfertigt gilt, einen Index geben. Wenn die Beschäftigten des Landes mehr Arbeitsentgelt erhalten, sie somit einen Einkommenszuwachs haben, sollte dies auch Abgeordneten zustehen. Gibt es Nullrunden bei den Beschäftigten, weil es die wirtschaftliche Lage nicht anders hergibt, dann haben wir, die Abgeordneten, sowieso bereits Nullrunden geschoben. Dann heißt es auch bei uns: Wenn es künftig mehr für alle gibt, dann bekommen auch wir, die Abgeordneten, mehr. Gibt es eine Nullrunde für den Rest der Bevölkerung, gibt es auch bei uns eine Nullrunde. Darüber sollte man wirklich einmal nachdenken.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank für Ihren Beitrag. - Als nächstem Debattenredner erteile ich jetzt Herrn Franke von der Fraktion der FDP das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Mai 2006 brachte der CDU-Landtagspräsident des schleswig-holsteinischen Landtages Martin Kayenburg ein Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes mit folgenden Worten ein - ich zitiere -:

„Ich halte die Diätenstrukturreform, die wir mit diesem Entwurf in das parlamentarische Verfahren eingebracht haben, für ebenso ausgewogen wie angemessen, für ebenso vernünftig wie zukunftsweisend. Steuerfreie Aufwandsentschädigungen werden abgeschafft. Die Abgeordneten sind zukünftig ganz normale Steuerbürgerinnen und Steuerbürger. Die pensionsähnliche Altersentschädigung wird abgeschafft. Die Abgeordneten müssen zukünftig selbst für ihre Rente sorgen.“

Das ist in dem Landtagsprotokoll über die 29. Sitzung des Landtages von Schleswig-Holstein nachzulesen. Sechs Monate zuvor hatte Martin Kayenburg die Diskussion über die Diätenstrukturreform im Landtag begonnen und im Dialog mit allen im Landtag vertretenen Parteien im Juni 2006 auf den Weg gebracht.

Zurück nach Sachsen-Anhalt. Die Überschrift zu einer Pressemitteilung der SPD-Landtagsfraktion vom 15. Mai dieses Jahres lautete: „Budde: Diätenvorschläge ohne Zeitdruck prüfen“. Des Weiteren hieß es dort - ich zitiere -: