Die sich daraus ergebenden Herausforderungen an eine barrierefreie Gestaltung des Alltags sind immens. Die meisten Bereiche - das muss man leider immer wieder feststellen - sind darauf nur ungenügend vorbereitet. Nicht nur die Behindertenverbände stellen Forderungen nach Barrierefreiheit. Immer lauter werden auch die Forderungen von Seniorenorganisationen, die Belange von alten Menschen mehr in den Fokus zu rücken.
Das gilt zum Beispiel im Bereich des Wohnens, in dem eine Anpassung an neue Bedürfnisse immer notwendiger wird. Dieser Anpassungsbedarf zeigt aber auch, dass künftig in dieser Hinsicht wesentlich nachhaltiger gedacht werden muss.
Beim Bau von Eigenheimen, die in der Regel für ein ganzes Leben geplant werden, sollte auch an das Alter gedacht werden. Türbreiten, Sanitäranlagen, Treppengestaltung sollten sehr gründlich überdacht werden. Oft werden - das ist leider eine zunehmend anzutreffende Tatsache - Heimaufenthalte nur deshalb erforderlich, weil man mit dem Rollstuhl nicht in alle Räume kommt.
Aber auch für gesunde alte Menschen ist Barrierefreiheit ein wichtiger Baustein für einen problemlosen Alltag. So beklagt die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen, BAGSO, dass zu wenig beachtet wird, dass technischer Firlefanz hinderlich ist.
Technische Geräte mit ihren komplexen Anwendungsmöglichkeiten sollen eigentlich den Alltag erleichtern. Das setzt aber voraus, dass Funktionalität und Design übersichtlich gestaltet werden. Jeder, der ein Handy kauft, weiß, dass er ein Problem hat, wenn er sagt, er möchte das Handy nur zum Telefonieren haben. Das gibt es aber nicht.
Jeder von uns hat auch schon mit der Programmierung der Fernbedienung gehadert oder diverse Bedienungs
anleitungen verflucht. Wie ergeht es dann aber erst den älteren Menschen, deren Augen nicht mehr so gut sind und deren Englischunterricht, wenn sie überhaupt welchen gehabt haben, sehr lange zurückliegt? Einfache Bedienbarkeit angesichts nachlassender Fingerfertigkeit und Sehkraft wird also zunehmend erforderlich und auch nachgefragt.
Deshalb kann ich nur darauf hinweisen, dass das auch für die Wirtschaft ein wichtiges Signal ist. Das ist auch die Motivation für das Bundesprogramm „Wirtschaftsmotor Alter“, das kürzlich von der Familienministerin von der Leyen vorgestellt wurde. Mit diesem Programm sollen Unternehmen bei der Gestaltung von Seniorenprodukten beraten werden.
Ich kann nur darauf hinweisen, dass ich 1996 an einem Kongress „Barrierefreies Design“ teilgenommen habe. Nach mehr als zehn Jahren Diskussion kommt das nun auch bei unserer Wirtschaft eventuell an.
Meine Damen und Herren! Es ließen sich noch viele Beispiele anführen, warum Barrierefreiheit wichtig und zukunftsträchtig ist. Uns ist vor allen Dingen wichtig, dass in unserem Land durchgesetzt wird, dass Steuermittel nur für Maßnahmen eingesetzt werden, die im weitesten Sinn keine Barrieren errichten, sondern Barrieren abbauen helfen.
Ich könnte darauf verweisen, dass beispielsweise die „Arche Nebra“ völlig neu gebaut wurde, aber auf der Homepage nicht dafür geworben wird, dass dort ein Fahrstuhl existiert. Auf meine Nachfrage hin wurde deutlich, dass man noch keine Angebote für sensorisch eingeschränkte Menschen hat, also Audioguides bzw. Informationen in Brailleschrift. Das ist aber eine neue und, wie ich glaube, sehr bedeutsame Einrichtung. Deshalb sollte man diesen Bereich von vornherein mit erfassen.
- Ein Fahrstuhl ist da; aber, wie gesagt, es wurde nicht damit geworben. Leider Gottes ist das nicht nur bei der Arche Nebra so, sondern auch bei vielen anderen touristischen Einrichtungen, die, obwohl sie die Voraussetzungen dafür haben, damit keine Reklame machen.
Meine Damen und Herren! Wir haben unseren Antrag recht breit und umfassend gefasst und ihn relativ ausführlich schriftlich begründet. Das konnte jede und jeder nachlesen. Möglichweise haben Sie noch viele weitere Ideen, wie die Ausgrenzung von alten Menschen, von Menschen mit Behinderungen oder Mobilitätseinschränkungen in unserem Land bekämpft und überwunden werden kann.
Wir können uns vorstellen, dass in allen Ausschüssen bis auf den Petitionsausschuss weiter an den Aufgaben für ein solches Aktionsprogramm in der gemeinsamen Diskussion gearbeitet wird, um dann in Sachsen-Anhalt ab dem Jahr 2008 oder 2009 ein Jahrzehnt der Barrierefreiheit beginnen zu können.
Ich beantrage die Überweisung des Antrages in alle Ausschüsse mit Ausnahme des Petitionsausschusses. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Dr. Eckert. - Bevor die Fraktionen zu Wort kommen, erteile ich Herrn Minister Dr. Daehre das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr verehrter Herr Eckert! Das Thema Barrierefreiheit hat uns heute nicht zum ersten Mal beschäftigt. Es ist gut so, dass wir uns mit diesem Thema beschäftigen.
Dass wir einen weisen und guten Landtagspräsidenten haben, hat sich herumgesprochen. Das wurde auch noch einmal bestätigt. Er wurde immer unruhiger, als Sie ihn zitiert haben, aber wir können alles unterstreichen, was unser Landtagspräsident gesagt hat. - Herzlichen Dank, Herr Präsident.
Nun könnten wir uns es uns leicht machen und sagen, der Landtagspräsident hat gesprochen und das Parlament hat zu folgen; damit hätten wir die Aufgabe gelöst. Aber, meine Damen und Herren, dafür ist das Thema zu ernst und zu umfangreich.
Der von Ihnen formulierte Antrag - Sie haben es selbst gesagt - ist so allgemein und so umfangreich, dass die Umsetzung schwierig wird. Bei diesem Thema sollte man die kleinen Schritte vor den großen machen. Ich bin der Meinung, wir müssen Schritte machen, die wir auch umsetzen können. Das ist das Problem. Wir werden uns mit dem Thema in den nächsten Jahrzehnten noch beschäftigen müssen, auch im Hinblick auf den demografischen Wandel und viele andere Dinge mehr.
Wenn wir akzeptieren, dass sich die Diskussion im Hinblick auf die älteren Menschen und die Menschen mit Behinderungen in den letzten 17 Jahren nicht nur in den Köpfen verändert hat und dass in den letzten 17 Jahren auf diesem Sektor auch materiell unheimlich viel erreicht worden ist, dann sollten wir darauf aufbauen und sehen, wie wir die Situation Stück für Stück verbessern können.
Das Justizzentrum Magdeburg ist hinsichtlich der Barrierefreiheit vorbildlich; denn wir haben barrierefrei gebaut. So könnten wir das auch bei anderen Bauten handhaben.
Herr Eckert, wenn Sie aber den Bau von Einfamilienhäusern ansprechen, dann ich sage Ihnen, es wird heute kein junges Ehepaar oder keine junge Familie im Alter zwischen 25 und 30 Jahren geben, die behindertengerecht baut. Der Schicksalsschlag kann kommen, das wäre dann bedauerlich. Aber es wird niemand sagen, dass er ein barrierefreies und rollstuhlgerechtes Einfamilienhaus baut. Schon gar nicht können wir es vorschreiben. Man hofft immer, dass es einen nicht trifft.
Deshalb muss man es differenziert betrachten. Bei den öffentlichen Bauten bin ich der Meinung, dass es gemacht werden muss. Aber in dem Moment, in dem wir in die Privatsphäre eindringen, können wir es nicht über die Bauordnung festschreiben.
Wenn wir über das Thema Barrierefreiheit und auch über das Bauen von behindertengerechten Wohnungen spre
chen, dann müssen wir die Wohnungsgesellschaften, die Wohnungsgenossenschaften und die privaten Haus- und Grundbesitzer an ihre Verpflichtung erinnern; denn sie haben natürlich nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, sich um diese Klientel zu kümmern.
Die Verbände teilten mir mit, wenn jemand kommt und eine behindertengerechte Wohnung benötigt, dann wird sie umgebaut; denn es handelt sich dabei um einen Mieter bzw. um einen Kunden. Dieser Personenkreis nimmt zu. Ich denke, wir sind gut beraten, wenn wir uns darauf einstellen. Wir dürfen nicht nur versuchen, es auf unseren Tisch zu ziehen, sondern wir müssen die Aufgaben auch anderen übertragen und sie daran erinnern, dass auch diese Klientel wohnungspolitisch bedient werden muss.
Meine Damen und Herren! Das nächste Thema ist die Barrierefreiheit im Zusammenhang mit dem öffentlichen Personennahverkehr. Der öffentliche Personennahverkehr ist natürlich ein Knackpunkt und gerade dort ist die Anzahl der Menschen mit Behinderungen, die mit dem öffentlichen Personennahverkehr durch das Land fahren wollen, sollen und müssen, besonders hoch. Derzeit sind wir diesbezüglich noch nicht am Ziel. Das betrifft sowohl den Schienenpersonennahverkehr als auch den Busverkehr.
Aber auch an dieser Stelle stellt sich die Frage, wie sich die Unternehmer, nämlich die Bus- oder Bahnunternehmer und andere Wettbewerber, darauf einstellen. Ich habe den Eindruck, dass diese Unternehmen verstärkt erkennen, dass sie dadurch Kunden werben können und dass an dieser Stelle etwas passiert.
Wir jedenfalls - darin stimme ich mit Ihnen und, ich denke, auch mit allen überein - sind der Meinung, dass dort, wo öffentliche Gelder investiert werden, meine Damen und Herren, im Hinblick auf die Nachhaltigkeit darauf gedrungen werden muss, dass die Barrierefreiheit umgesetzt wird.
Wir haben einen Wettbewerb „Barrierefreie Kommune“ ausgelobt. Im ersten Jahr haben sich elf Kommunen beteiligt, im Rahmen des zweiten Wettbewerbes - er findet nur alle zwei Jahre statt - haben sich 13 Kommunen beteiligt und in diesem Jahr haben sich zwölf Kommunen an dem Wettbewerb beteiligt.
Ich darf daran erinnern, dass man für den ersten Platz 500 000 €, den zweiten Platz 300 000 € und den dritten Platz 200 000 € erhält. Für eine besonders pfiffige Idee erhält man 100 000 € zusätzlich. An dieser Stelle sprechen wir nicht über Peanuts und trotzdem haben sich nur zwölf Kommunen an diesem Wettbewerb beteiligt. Ich denke, dass ist das Thema, über das wir uns im Landtag unterhalten müssen. Es muss vor Ort ankommen und die Stadträte müssen sich mit diesem Thema beschäftigen.
Denn sonst können wir vieles machen, aber wenn sich von den vielen Städten in Sachsen-Anhalt - ich weiß gar nicht, wie viele es in Sachsen-Anhalt sind - nur zwölf Städte daran beteiligen, dann ist das ärgerlich. Es bewegt mich, dass an dieser Stelle nur zwölf Kommunen gesagt haben, dass sie sich daran beteiligen, und das, obwohl sie Geld erhalten hätten, um die Barrierefreiheit umzusetzen.
Herr Eckert, zur Barrierefreiheit gibt es auch bei den Behindertenverbänden unterschiedliche Auffassungen. Wenn ich mit dem Verband der Blinden spreche, dann sagen sie mir, Sie können alles machen außer der Angleichung der Straße an die Höhe des Fußweges; denn sie müssen mit ihrem Stock einen Widerstand spüren. Die Rollstuhlfahrer sagen, sie wollen die Barrierefreiheit. Auch an dieser Stelle sind wir in einem Spannungsfeld, bei dem wir einerseits der einen Gruppe helfen möchten, andererseits aber darauf achten müssen, dass wir die andere Gruppe nicht vernachlässigen. An diesem Beispiel wird deutlich, dass Barrierefreiheit nicht gleich Barrierefreiheit ist, sondern dass sie von den einzelnen Gruppen unterschiedlich gesehen und betrachtet wird.
Die UN-Konvention haben Sie angesprochen. Meine Damen und Herren! Ich denke, dort werden wir auch im Zusammenhang mit dem Sozialgesetzbuch über das eine oder andere reden müssen, weil es nicht nur um das Thema Bau geht.
Ich möchte noch eines sagen: Diese Landesregierung, und zwar nicht nur die Sozialministerin oder der Bauminister, sondern, ich denke, alle Kollegen im Kabinett wissen um die Schwere dieser Aufgabe. Dies ist auch eine Aufgabe, die das gesamte Kabinett beschäftigt. Deshalb sollte in den Ausschüssen darüber gesprochen werden, wie wir dieses Thema Stück für Stück angehen können, um es auch in das öffentliche Bewusstsein zu rufen. Diesbezüglich sollten wir die Behindertenverbände einladen und mit ihnen darüber diskutieren und gleichzeitig sagen, dass das Problem nicht in drei Jahren gelöst ist, sondern wir versuchen müssen, es Stück für Stück auf den Weg zu bringen.
Ich denke, wenn wir dabei mit gutem Beispiel vorangehen, wir als Landesregierung sowieso und der Präsident und die Abgeordneten auch, dann müssen wir es nur noch schaffen, dass es auch in den Städten und Gemeinden ankommt.
Ich denke, dann können wir in Sachsen-Anhalt sagen - das soll mein letzter Satz sein -, wir grenzen niemanden aus, wenn er sich an die gesellschaftlichen Spielregeln hält, und schon gar nicht Behinderte und ältere Menschen; denn wir haben gegenüber den Behinderten, aber auch gegenüber den Älteren eine besondere Verantwortung. Denn dies ist die Nachkriegsgeneration, die Deutschland, die DDR und die Bundesrepublik, mit ihren Händen aufgebaut hat. Deshalb haben wir eine ganz besondere Verantwortung auch gegenüber dieser älteren Generation. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister Daehre. - Nun erteile ich Herrn Scheurell das Wort, um für die CDU-Fraktion zu sprechen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Dr. Eckert, das Thema, welches Sie heute zur Sprache gebracht haben, ist für uns alle nicht neu. Ihre Fraktion und selbstverständlich gerade Sie haben sich zu diesem Thema mehrfach eingebracht. Sie können insoweit ja auch aus dem Nähkästchen plaudern, als gerade im Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr nicht nur bei Kaffee und Kuchen mit den Verbänden über Barrierefreiheit,