Protokoll der Sitzung vom 12.10.2007

Schauen wir nach Sachsen. Das Land hat seinen Haushalt saniert. Es hat offensichtlich immer eine vernünftige Finanzpolitik gefahren und kann sicherlich nicht der Verschwendung bezichtigt werden. Dort gehen allein an die Staatsoper Dresden jährlich 36 Millionen €. Allein dieses eine Haus erhält so hohe Landeszuwendungen, ganz zu schweigen von den anderen kulturellen Institutionen, die dort unterstützt werden.

Wir können uns also auch im Konzert der Ostländer durchaus nicht beklagen, bei uns würden die Gelder, die wir in die Theater und Orchester investieren, aus dem Fenster geworfen. Vielmehr besteht geradezu eine Pflicht, hier aktiv zu werden, um den Menschen auch zukünftig die Möglichkeit zu geben, sich hochwertige Kultur anzuschauen.

Wenn man sich den Haushalt anschaut, dann stellt man immer wieder die Tendenz fest, zukünftig Institutionen zu stützen, die sich mit der Ausweitung von Schülertheater befassen. Das scheint die Zukunft zu sein. Da geht es um Soziokultur, um Schülertheater und Kleinbühnen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sollen unsere Kinder denn zukünftig von Shakespeare vielleicht nur noch die dritte Szene des dritten Aufzuges aus dem „Sommernachtstraum“ sehen? Sie erinnern sich: Die Handwerker versuchen, ein Schauspiel nachzustellen. Thisbe und Pyramus - -

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Jetzt nicht able- sen! - Heiterkeit)

- Herr Minister, sind Sie bereit, mit mir die Szene nachzustellen? Ist ein Kollege hier in der Lage, die Wand zu machen?

(Heiterkeit)

Ich bitte um Verzeihung, aber dieses Niveau könnte es zukünftig sein, dass sogar ein Abgeordneter des Landtages eine Rolle übernehmen muss, weil wir die Finanzierung zu sehr zurückgefahren haben. Jeder Einzelne im Saale möge sich prüfen, ob er dazu in der Lage ist, dies zu übernehmen, oder in der Haushaltsberatung doch noch einmal nachdenken und ein klares Zeichen setzen, dass professionelle Darsteller unseren Kindern dies nahe bringen sollen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei der Gewinnung des Nachwuchses ist es hier wie im Sport: Ohne eine erste Bundesliga bringen Sie niemanden dazu, auf das Feld aufzulaufen. So bringen Sie auch kein Kind und keinen Jugendlichen dazu, sich für die Literatur und die Musik zu interessieren, wenn sie nicht die Chance haben, qualitativ hochwertige Darbietungen zu sehen.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube auch, dass wir es uns als Landtag an dieser Stelle nicht zu einfach machen sollten, indem wir feststellen: Offensichtlich hat sich der Kultusminister mit dem Finanzminister einigen müssen und nun ist es auch seine Pflicht, sich einfallen zu lassen, wie er das ausführt.

Wir haben in der Zeitung gelesen: Frau Budde war zu dem Gespräch und hat gesagt, die SPD habe mit diesen Einsparungen nichts zu tun. Der Herr Olbertz müsse damit selbst klarkommen und dazu Vorschläge unterbreiten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist kein feines Verfahren. Entweder bekennen wir uns zu einer Theaterfinanzierung oder diejenigen, die bereit sind, hierbei zu streichen, sollen draußen klar erklären, welche Einrichtungen aus ihrer Sicht nicht mehr lebenswert sind, wo die Bevölkerung von dem Genuss der Hochkultur ausgeschlossen werden soll.

Es ist eine Illusion, dass sich jeder am Abend in sein Auto oder in den Zug setzt - der auch nicht immer fährt -, um in der Großstadt Theater zu sehen. Nein, wir müssen die Kunst auch zu den Menschen bringen und nicht einen jeden auffordern, selbst zuzusehen, wie er dorthin kommt.

(Zuruf von Herrn Scheurell, CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wollen an dieser Stelle auch dazu aufrufen, die Frage der Erstellung einer Kulturkonzeption zu behandeln. Offensichtlich ist das, was uns im Jahr 2004 vorgelegt wurde, nicht ausreichend, um eine klare Perspektive aufzuzeigen. Wir lesen in dem Vorwort auch:

„Mehrere hierin getroffene Aussagen sind seit dem Redaktionsschluss durch praktische Entwicklungen bereits überholt. Deshalb waren in verschiedenen Zusammenhängen nur grundsätzliche und eher abstrakte Umschreibungen möglich, die keineswegs immer in eine Formulierung klarer kulturpolitischer Aufgaben und entsprechende Schlussfolgerungen münden können.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist notwendig, dass sich der Landtag gemeinsam mit der Landesregierung zu etwas bekennt, dass wir Aussagen darüber treffen, wie die Kulturlandschaft in Sachsen-Anhalt auch ortskonkret künftig aussehen soll. Es muss Farbe bekannt werden.

Ich bedauere, dass der Raumordnungsminister soeben den Saal verlassen hat; denn die Frage der oberzentralen Wirkung bezieht sich auch auf die kulturellen Einrichtungen. Das alles ist miteinander verwoben. Das ist das qualitative Angebot, das dort gebracht werden kann, und darüber sollte man nicht getrennt voneinander debattieren.

(Zustimmung bei der FDP - Herr Schröder, CDU: Siehe FAG!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte einen jeden von Ihnen auffordern, mit sich selbst ins Gericht zu gehen und darüber nachzudenken, wie die Angebote in Sachsen-Anhalt künftig gestaltet werden können.

(Unruhe)

Ich habe von verschiedenster Seite Diskussionsbereitschaft vernommen, was mich auch einigermaßen hoffen lässt; denn - -

(Herr Gürth, CDU: Außer Diskussionsbereitschaft, sehr geschätzter Herr Kollege: Wo kam noch mal das Geld her? Ich habe den Haushaltstitel nicht gehört! - Herr Borgwardt, CDU: Die Deckungs- quelle!)

- Sehr geehrter Herr Gürth, unsere Anträge werden im Kulturausschuss inklusive aller Deckungsvorschläge gestellt werden. Darauf können Sie sich verlassen. Ich hoffe, dass Ihre Kolleginnen und Kollegen dann dort auch dafür stimmen werden. Wir haben sehr wohl eine Gegenfinanzierung aus dem Haushalt heraus - nicht die klassische: andere mögen sich etwas einfallen lassen. Nein, wir sehen durchaus Möglichkeiten, das im Haushaltsplan 2008/2009 abzudecken. Wir glauben, dass es dringend geboten ist, in dem Bereich der Theater- und Orchesterförderung ein Zeichen zu setzen.

Wenn ich die Vorschläge der SPD und der CDU zur Ausweitung in anderen Bereichen höre, wo es um Beträge in Höhe von 20 Millionen € jährlich geht, dann, glaube ich, sollten Sie an dieser Stelle nicht kneifen, sondern sich dazu bekennen, dass neben der Frage der Betreuung auch die Frage der Bildung im kulturellen Bereich eine ganz große Rolle spielt. - Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der FDP)

Herzlichen Dank für die Einbringung. - Wir haben erstaunliche Talente hier im Hause, das muss ich ehrlich sagen.

(Heiterkeit bei der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich jetzt Herrn Professor Olbertz das Wort. Bitte schön, Herr Minister.

(Zuruf von der CDU: Jetzt wollen wir gleichzie- hen! - Herr Gürth, CDU: Das war eben ein biss- chen Ohnsorg! - Zuruf von der CDU: Hochkultur!)

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich bin gar nicht sicher, ob die Diskussion nicht vielleicht überflüssig ist, weil wir längst einen ganz und gar überlegenen Ersatz für unsere Theater haben.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei der SPD - Herr Bischoff, SPD: Ob das Hochkultur war?)

Auch wirtschaftlich sehe ich eine Perspektive; denn ich wäre fast schon bereit, für eine Rede von Herrn Kley Eintritt zu bezahlen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei der SPD - Herr Gürth, CDU: Das ist doch schon die erste Deckungsquelle!)

In diesem Sinne bin ich also sehr aufgeschlossen für den weiteren Verlauf der Diskussion. Fangen wir aber einmal systematisch an.

Kultur ist ein Veredelungsprozess, und zwar zunächst ein Veredelungsprozess der Natur nach den Bedürfnissen des Menschen, der sich bei dieser Gelegenheit

selbst veredelt. Kultur ist also die Veredelung des Veredelers. Sie ist elementare Lebensvoraussetzung für uns Menschen. Erst durch Sprache und Kultur unterscheiden wir uns von allen übrigen Lebewesen auf dieser Welt. Wir verfeinern unsere Sinne. Wir entwickeln - mit etwas Glück - Stil und guten Geschmack.

(Heiterkeit bei der CDU)

- Ich habe ja nun wirklich nichts gesagt. - Wir kennen Werte und Moral. Wir wollen keine Barbaren sein.

Deshalb stehen übrigens auch die Begriffe Kultur und Bildung so dicht beieinander; denn all das setzt mündige, aufgeklärte und kundige Menschen voraus, die ihre Grundwerte kennen und auch an die künftigen Generationen weitergeben.

In einer Zeit, in der man Parteien und Politikern vorzuwerfen pflegt, sie folgten eingefahrenen Denkmustern, vermag der Antrag der FDP wirklich aufzufallen. Er ist doch nicht weniger als der liberale Ruf nach Besitzstand, nach Staat und nach dessen ungedecktem Kreditrahmen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Der Antrag empfiehlt zu beschließen - jetzt bitte ich aufzupassen -, dass die Kultur eine elementare Grundlage unserer Gesellschaft ist

(Herr Gürth, CDU: Nicht sehr liberal!)

- zu beschließen! - und dass Kulturförderung eine wichtige in der Verfassung verankerte Landes- und Kommunalaufgabe sei. Das bedarf offensichtlich eines Beschlusses unseres Landtages. Und was für ein wichtiger Beschluss das ist! Man kann nur staunen, dass wir erst jetzt durch Ihren Vorstoß darauf kommen.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der CDU und bei der SPD - Zustimmung von Herrn Gebhardt, DIE LINKE)

Wie nun jedoch allen bekannt ist, strebt das Land bereits für das Jahr 2008 einen Haushalt ohne Nettoneuverschuldung an. Dazu müssen alle Ressorts trotz einer prognostizierten verbesserten Einnahmensituation einen Beitrag leisten. Das ist die Passage, die ich jetzt ohne Begeisterung vortrage.

Mich hat dieser Umstand aber auf die Frage gebracht, ob man sich für Kultur eigentlich Geld borgen kann; denn das haben wir bisher gemacht. Wenn die öffentliche Hand jede Theaterkarte mit einem Betrag in Höhe von, sagen wir einmal, 100 € fördert, sich einen Großteil davon aber borgt, dann nimmt sie eine Anleihe beim Publikum auf, ohne es vorher zu fragen.

So nimmt es nicht wunder, dass unser Konsolidierungsprogramm auch den Kulturetat betrifft, und zwar laut dem Haushaltsplanentwurf erfreulicherweise nicht schon im Jahr 2008, sondern erst im Jahr 2009, und zwar mit Einsparungen in Höhe von rund 3,8 Millionen €. Das entspricht einer Reduzierung des Ansatzes um etwa 4 %, gemessen am Vorjahr.