Protokoll der Sitzung vom 15.11.2007

(Zustimmung bei der CDU)

Danke sehr für die Berichterstattung, Herr Dr. Schellenberger. - Wir treten in eine Fünfminutendebatte ein. Die Landesregierung verzichtet auf einen Debattenbeitrag. Für die Fraktion DIE LINKE spricht Herr Lange. - Herr Lange, unsere Uhr läuft auch. Sie müssen nicht die auf Ihrem Handy stellen.

(Herr Tullner, CDU: Nun mal ran!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben lange Zeit im Ausschuss darüber diskutiert. Deswegen möchte ich die Argumente, die uns dazu bewogen haben, diesen Antrag einzubringen und das Hochschulgesetz zu ändern, kurz darstellen.

Es ist traurig, dass man merkt, dass es einen Rückgang des Engagements bei den Studierenden gibt. Das hat verschiedene Ursachen, unter anderem die Struktur der Bachelor- und Masterstudiengänge, die starke Verschulung und damit natürlich auch die studienbegleitenden Prüfungen. Zudem drückt die Regelstudienzeit dahin gehend, dass man fertig werden muss. Wenn man nicht rechtzeitig fertig wird, muss man Langzeitstudiengebühren bezahlen.

Unter anderem ist es auch so, dass die Hochschulen mittlerweile Studienprogramme aufgelegt haben, in denen man sich permanent weiterqualifizieren muss, um über Prüfungen zum nächsten Programm zugelassen zu werden. Wenn man das nicht schafft, fängt das Programm erst wieder im darauffolgenden Jahr an. Das führt dazu, dass man unter Umständen tatsächlich ein ganzes Jahr verliert.

Das hat seine Ursache im Wesentlichen darin, dass die Hochschulen nicht mehr so viel Kapazität anbieten können. Es ist also ein klares Sparprogramm. Das ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass seit dem Jahr 2005 im Haushalt der Hochschulen mittlerweile Mittel in Höhe von knapp 30 Millionen € fehlen.

(Zuruf von der CDU: Wer hat die Studienzeiten verkürzt?)

Ein zweiter Punkt sind die Gebühren für Lehr- und Lernmittel. Diese entstehen bereits im Erststudium und teilen die Studiengänge in teure und weniger teure Studiengänge. Das ist tatsächlich ein echtes Problem.

In den naturwissenschaftlichen Studiengängen ist es wegen der Finanzlage der Hochschulen schon bisher kaum gelungen, die Praktika auszufinanzieren. Mit den Kürzungen werden die Hochschulen jetzt gezwungen, auf die vom Gesetz gegebene Möglichkeit zuzugreifen und Praktikumsgebühren zu erheben. Das heißt, es werden in den Fachbereichen Chemie oder Pharmazie etwa Gebühren für Chemikalien erhoben. Wenn ich Enzyme in der Biologie nutzen möchte, um mein Praktikum zu machen, soll ich dafür ebenfalls zur Kasse gebeten werden. Wie gesagt, die Kürzungen im Bereich der Hoch

schulen zwingen diese geradezu, diesen Paragrafen zu nutzen.

Es stellt sich für viele Studierende die Frage, ob sie sich ein solches Studium dann noch leisten können. Die durch internationale Studien belegte hohe Selektivität des deutschen Bildungssystems nimmt damit also zu.

(Herr Tullner, CDU: Dann müssten weniger Stu- dierende in den Hochschulen ankommen!)

- Herr Tullner, sehen Sie sich das einmal ein bisschen genauer an.

(Herr Tullner, CDU: Taktik!)

- Ja, genau. - Nach Auffassung der LINKEN widersprechen zudem Normierung und Schmalspurstudium, für deren Durchsetzung Langzeit- und Zweitstudiengebühren wesentliche Instrumente sind, den Anforderungen der Wissensgesellschaft; ein breit gefächerter Wissenskanon ist die beste Jobgarantie. Es muss Anspruch der Bildungspolitik sein, den emanzipatorischen Charakter der Bildung zu stärken. Deshalb bitte ich Sie: Lehnen Sie den Beschlussvorschlag ab. Hören Sie auf, in Sachsen-Anhalt gegen internationales Recht zu verstoßen.

(Oh! bei der CDU)

- Es gibt einen ratifizierten internationalen Vertrag der UN, meine Damen und Herren.

(Herr Tullner, CDU: Heute Morgen Herr Krause und jetzt Sie!)

- Sehen Sie ihn sich einfach noch einmal an. - Entlasten Sie die Studierenden und sorgen Sie damit dafür, dass Sachsen-Anhalt mit einer attraktiven Bildungslandschaft ohne Studiengebühren junge Leute anzieht.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke, Herr Lange. - Für die SPD-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Mittendorf.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Um es klar zu sagen: Die SPD-Fraktion wird der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen. Ich möchte auch klar sagen, warum.

Ein Studiengebührenverbot für das erste berufsqualifizierende Studium sowie für konsekutive Studiengänge ist in Sachsen-Anhalt bereits geltendes Recht. Dafür bedarf es keiner weiteren Bestätigung. Es ist geradezu absurd, einen Gesetzentwurf in den Landtag einzubringen, dessen Hauptstoßrichtung etwas ausschließen soll, was bereits ausgeschlossen ist.

Der Koalitionsvertrag spricht diesbezüglich eine klare Sprache. Ich kann Ihnen eines versichern: Mit der SPD wird es keine Änderung geben.

(Zustimmung von Frau Fischer, SPD)

Eine andere Angelegenheit ist die Finanzierung von Lernmitteln und Studienmaterialien. Sie stellt vor allem in kostenintensiven Studiengängen für einzelne Studierende durchaus eine hohe Belastung dar. Das sehen wir auch so. Ich finde es auch durchaus gerechtfertigt, darüber zu diskutieren. Man muss auch prüfen, was von bestimmten Studierenden noch geleistet werden kann.

Ich muss Ihnen ehrlich sagen, dass ich Ihnen eine komplette Lösung dafür nicht anbieten kann. Aber ich glaube auch nicht, dass die Lösung darin bestehen kann, dass die Hochschulen gar keine Entgelte mehr verlangen dürfen.

Dies gilt übrigens auch für ein zweites oder ein weiteres Studium sowie für mögliche Gebühren für Gasthörer und Studierende ab dem 60. Lebensjahr. Ich bitte darum, dabei einfach Folgendes zu bedenken - ich bleibe beim letzten Beispiel -: In der Regel haben Studierende, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, einen Beruf erlernt oder ein Studium absolviert und stehen oder standen jahrzehntelang im Berufsleben. Ich denke, dass es sich vor diesem Hintergrund bei dem Seniorenstudium um eine ganz individuelle Fort- oder Weiterbildung handelt, in diesem Fall sogar fast nach dem Berufsleben.

Solche Angebote sind sowohl bei freien Trägern als auch bei Volkshochschulen kostenpflichtig. Die Erhebung von Gebühren für Angebote der Fort- und Weiterbildung erscheint uns vor diesem Hintergrund durchaus als angemessen. Das Hochschulgesetz schreibt diesbezüglich sogar vor, dass soziale Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind.

Meine Damen und Herren! Die Hochschulen müssen sich auf dem Fortbildungsmarkt dem Wettbewerb stellen und bringen dafür ihre fachlichen, personellen und sachlichen Ressourcen ein. Es gibt aus unserer Sicht überhaupt keinen Grund, warum dies völlig kostenfrei geschehen sollte.

Meine Damen und Herren! Im Mittelpunkt unserer Auseinandersetzung steht die Sicherung eines kostenfreien ersten berufsqualifizierenden Studiums, um zukünftig die Studierendenquote zu erhöhen und um vor allen Dingen denjenigen jungen Leuten, die aus nicht sehr betuchten Familien stammen, überhaupt ein Hochschulstudium zu ermöglichen. Das ist für den Einzelnen und längerfristig vor allem für die Gesellschaft und die Arbeitswelt von morgen und übermorgen von Bedeutung.

Ein Wort zu den Langzeitstudiengebühren kann ich mir nun doch nicht verkneifen. Ich gehe davon aus, dass Studierende versuchen, die Regelstudienzeit einzuhalten. Das ist mehrheitlich wohl auch so, abgesehen von denen - die soll es auch geben -, die Studieren als Lifestyle empfinden. Mitunter - das wissen wir alle - entstehen jedoch Probleme während der Studienzeit, die vorher nicht vorhanden waren, sodass die Zeit davonläuft.

Aber, meine Damen und Herren von der PDS und Herr Lange,

(Herr Lange, DIE LINKE: DIE LINKE!)

Sie wissen doch sehr genau, dass es festgelegte Tatbestände gibt, die es Studierenden ermöglichen, die Regelstudienzeit ohne Sanktionen zu überziehen.

Die Hochschulen - das muss man natürlich sehr deutlich sagen - tragen eine maßgebliche Verantwortung, indem sie dafür sorgen, dass die Studierenden in den entsprechenden Zeitfenstern die Möglichkeit haben, ihrem Studium nachzugehen. Diesbezüglich sehe ich sehr wohl noch Verbesserungsbedarf. Ich glaube, diesbezüglich sind wir uns auch einig.

Bereits bei der Einbringung habe ich auf die sonstigen inhaltlichen Defizite des Gesetzentwurfs hingewiesen. Die Zielrichtung ist zu einseitig. Der Gesetzentwurf bietet auch keine Anhaltspunkte für eine Diskussion über

substanzielle Verbesserungen in Lehre und Forschung. Er lässt vor allem Regelungen vermissen, die die Hochschulen noch besser in die Lage versetzen, sich im nationalen und internationalen Wettbewerb zu behaupten.

Ebenso lässt er Aussagen vermissen, wie die Hochschulen zum Beispiel von unnötigen Genehmigungsvorbehalten befreit werden können, um eine größere Eigenständigkeit zu erreichen. Das ist durchaus eine spannende Frage, weil es durch die sich entwickelnden neuen Steuerungsmechanismen ein anderes Verhältnis zwischen Staat und Hochschule gibt. Darüber müssen wir dann schon debattieren.

Ich bin davon überzeugt, dass wir in nicht allzu langer Zeit über eine Novellierung des Landeshochschulgesetzes reden werden. Dann müssen solche Fragen eine Rolle spielen. Ich bin mir sicher - das noch einmal an Ihre Adresse gerichtet -, dass alle jetzt abgelehnten Punkte dann wieder eingebracht werden. Nun ja, wie das im Leben so ist, gegen eine gesunde Redundanz ist nichts einzuwenden; das unterstützt mitunter auch den Lernprozess. Aber wenn man es übertreibt, dann führt es zum Abschalten. Um meinen Kollegen Thomas Lippmann zu zitieren, den die meisten gut kennen: Die Sau wird vom vielen Wiegen auch nicht fetter. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Danke, Frau Mittendorf. - Für die FDP-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Kley.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben bereits eine erste Lesung zu diesem Gesetzentwurf gehabt. Dort wurde aus meiner Sicht schon umfänglich über die Fachlichkeit diskutiert. Über die Diskussionsmöglichkeiten im Ausschuss hat der Kollege Schellenberger in seiner unnachahmlichen Art mit einem kurzen Einwurf Bericht erstattet. Nichtsdestotrotz besteht hier offensichtlich noch einmal die Gelegenheit, über das Thema in Gänze zu beraten.

Sehr geehrte Kollegin Mittendorf, ich möchte doch noch einmal auf die Koalitionsvereinbarung aufmerksam machen, die besagt, dass das Thema sehr wohl noch einmal angefasst werden kann, wenn die Hochschulen der Meinung sind, dass eine Studiengebühr sinnvoll ist. Ich glaube, wir sollten in Zukunft einen Vergleich zwischen den Bundesländern anstellen, in denen es Studiengebühren auch für das Erststudium gibt, und solchen, in denen keine Gebühren dafür erhoben werden - denn nur darüber reden wir noch als Unterschied -, und wo die höchsten Immatrikulationszahlen zu verzeichnen sind und wo es eine Weiterentwicklung gibt.

Ich sehe den Zeitpunkt für eine solche Debatte auch gekommen, wenn es darum geht, neue Zielvereinbarungen abzuschließen; denn ich glaube, dass wir in der gegenwärtigen Phase in Sachsen-Anhalt die eigentlichen Nutzer der Hochschulen, also diejenigen, die normalerweise bestimmen, was angeboten wird und wie es genutzt werden sollte, nämlich die Studierenden, viel zu wenig in die Qualitätskontrolle einbeziehen. Dies versuchen wir auch noch mit der Gebührenfreiheit zu bemänteln.

Betrachten wir einmal das Land Nordrhein-Westfalen, welches Studiengebühren eingeführt hat und wo damals

die Opposition mit großem Radau feststellte, dass dies das Ende der Hochschulen in NRW wäre. Dort ist festzustellen, dass sich im Wintersemester dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahr die Zahl der Studierenden um 8 % erhöht hat und damit den höchsten Stand seit 1990 erreicht hat.

Meine Damen und Herren! Das ist das Ergebnis eines Qualitätsprozesses der Hochschulen, der auch durch die Notwendigkeit, Studiengebühren zu entrichten, befördert wird. Deswegen sollten wir sie nicht von vornherein verurteilen.

(Beifall bei der FDP)

Es stellt sich hierbei immer wieder die Frage: Haben alle die Chance, ein Studium aufzunehmen? Dafür haben wir das Bundesausbildungsförderungsgesetz, welches, glaube ich, durchaus jedem die Möglichkeit eröffnet, an eine Hochschule zu gehen.